Ultimativer Frohsinn auf der Bühne – das Westfälische Landestheater gibt die Komödie „Taxi Taxi“

Szene mit Barbara Smith (Franziska Ferrari), Polizeiinspektor Porterhouse (Burghard Braun) und dem verunglückten John Smith (Mario Thomanek, von links) (Foto: Volker Beushausen/Westfälisches Landestheater)

Szene mit (von links) Barbara Smith (Franziska Ferrari), Polizeiinspektor Porterhouse (Burghard Braun) und dem verunglückten John Smith (Mario Thomanek). (Foto: Volker Beushausen/Westfälisches Landestheater)

Falls es stimmt, dass es im Theater um so lustiger zugeht, je ernster die Lage „draußen“ ist, leben wir in schlimmen Zeiten. Jedenfalls, wenn der Blick auf die neueste Produktion des Westfälischen Landestheaters fällt. Mit Ray Cooneys krawalliger Boulevardkomödie „Taxi Taxi – Doppelt leben hält besser“ setzt das Theater einen ultimativen Maßstab in Sachen Bühnenheiterkeit. Und dabei kann eigentlich niemand behaupten, er habe Geschichten wie die des Londoner Taxifahrers John Smith noch nie gehört.

John Smith – den Mario Thomanek, das kann getrost schon hier gesagt werden, mit sportlichem Körpereinsatz ganz hinreißend gibt – lebt mit zwei Frauen in zwei Ehen in zwei Londoner Stadtteilen. Natürlich dürfen die Gattinnen nichts voneinander wissen. Mit exaktem Timing und penibel geführtem Terminkalender hat das bislang funktioniert.

Die ganze filigrane Zeitarchitektur aber bricht zusammen, als John, eine heldische Tat ja eigentlich, einen Streit schlichten will, verletzt wird, ins Krankenhaus kommt – und beide treu sorgenden Gattinnen ihn bei der Polizei als vermisst melden. Zwei Inspektoren begeben sich auf die Suche nach dem Verschollenen, doch obwohl dieser bald wieder auftaucht, nimmt das Desaster nun unaufhaltsam seinen Lauf.

Mrs. Smith (Franziska Ferrari, links) und Bobby Franklyn (Emil Schwarz), der nette schwule Nachbar von oben (Foto: Volker Beushausen/Westfälisches Landestheater)

Tür auf, Tür zu

Aus dem Motiv finaler Destabilisierung vermeintlich ganz alltäglicher Verhältnisse hat der Londoner Boulevard-Autor Ray Cooney (Jahrgang 1932) wiederholt dramatischen Honig gesaugt. „Außer Kontrolle“ heißt folgerichtig sein wohl erfolgreichstes Stück, das ebenso wie hier nun „Taxi Taxi“ nicht mehr und nicht weniger ist als eine fetzige, etwas schwarze Tür-auf-Tür-zu-Komödie.

Irre Tapete

Das Stück lebt von der Gleichzeitigkeit des Unerhörten, was Regisseur Markus Kopf hervorhebt, indem er alles in einem einzigen großen Raum mit irrwitzig gelb und grün bepunkteter 70er-Jahre-Tapete (Ausstattung: Manfred Kaderk) spielen lässt. Zwei Wohnungen in einer – das verwirrt im ersten Augenblick, doch die Irritation verfliegt schnell, macht Platz für intensives, atemloses, komödiantisches Theaterspiel.

Man brüllt

Ein „unkaputtbares“ Theaterstück ist „Taxi Taxi“ (Uraufführung 1983) trotz gut funktionierender Handlungsmechanik allerdings nicht. Mit zweieinviertel Stunden (eine Pause) ist es in Castrop-Rauxel schon recht lang geraten, und die Inszenierung hätte durchaus auch scheitern können. Der Spannungsbogen, den Markus Kopf setzt, schwingt sich früh in große Höhen und entschwindet bald danach in die Unsichtbarkeit. Dann werden viele Sätze in ermüdender Gleichförmigkeit herausgebrüllt, humorvolle Pointen der Vorlage hingegen sterben gleich platzenden Seifenblasen einen stillen Tod. Mary Smith (Svenja Marija Topler), der grausen Wahrheit ansichtig, schreit in den letzten Stückminuten nur noch unartikuliert, was zwar beeindruckt, aber von geringer Aussagekraft ist.

Gespräch mit der anderen Gattin, von links: Mary Smith (Svenja Marija Topler), Kumpel Stanley Gardener (Mike Kühne) und John Smith (Mario Thomanek) (Foto: Volker Beushausen/Westfälisches Landestheater)

Wunderbares Ensemble

Wenn „Taxi Taxi“ am Westfälischen Landestheater trotzdem ein großer Erfolg ist, wenn es gar zu einem frenetisch bejubelten Ereignis wird, liegt dies zum einen an dem bis zum Ende durchgehaltenen hohen Tempo der Inszenierung, zum anderen jedoch, wichtiger noch, an der hervorragenden Darstellerriege.

Geradezu liebevoll, wenn man so sagen darf, entsprechen sie sämtlich ihren Rollenklischees, Franziska Ferrari als langbeinige Verheißung im kleinen Roten ebenso wie Svenja Marija Topler im Wohlfühl-Sweatshirt. Guido Thurk gibt den biederen Streifenpolizisten Troughton mit einer entwaffnenden Mischung aus Güte und terrierhafter Beharrlichkeit, Burghard Braun, schon physiognomisch eine der stärksten Bühnenerscheinungen hier, ist mit Tweed und Schlips prototypisch der scheinbar grundkorrekte Inspektor Porterhouse.

Mike Kühne, etwas fülliger, weckt das Mitgefühl des Publikums, wenn er als Johns Kumpel Stanley Gardener von einer Extremsituation in die nächste taumelt, Emil Schwarz schließlich, nicht füllig, zelebriert die Tuntigkeit des Nachbarn Bobby Franklyn mit angenehmer Zurückhaltung, kurzum: das eigentliche Theatererlebnis sind bei „Taxi Taxi“ einmal mehr die Schauspieler. Und die Schauspielerinnen, selbstverständlich.

Szene mit (von links) Stanley Gardener (Mike Kühne), John Smith (Mario Thomanek), Mary Smith (Svenja Marija Topler) und Polizeiinspektor Troughton (Guido Thurk) (Foto: Volker Beushausen/Westfälisches Landestheater)

Süße Versuchung

Etwas Mahnendes zum Schluß: Mit Produktionen wie dieser ist das Westfälische Landestheater natürlich auf dem Niveau jener privaten Wanderbühnen angekommen, die mit anspruchsloser Unterhaltung ihr Geld verdienen, mit leichten, manchmal auch derben Produktionen, in deren Mittelpunkt häufig ein ehemaliger Film- oder Fernsehstar agiert.

Leichte Unterhaltung ist keineswegs tabu, auch nicht die schenkelklopfende. Doch muß das WLT, ein Landesinstitut immerhin, bei der Spielplangestaltung auch zukünftig qualitative Distanz wahren und dem klassischen resp. „ernsten“ Repertoire Raum geben. Daß sie das in Castrop-Rauxel können, haben sie mit Goethes „Faust“ oder der Bühnenadaption des Houellebecq-Romans „Unterwerfung“ {beide Male führte Gert Becker Regie) und vielen weiteren Produktionen längst bewiesen.

  • Termine:
  • 2., 3., 4., 6.5. Castrop-Rauxel
  • 22.9. Hameln
  • 28.10. Marl
  • 16.11. Solingen
  • 4.12. Bocholt
  • 12.12. Lünen
  • 13.12. Hamm



Keine Experimente am Boulevardtheater – Comödie Dortmund startet mit „Doppelt leben hält besser“

Von Bernd Berke

Dortmund. Wohl wahr: Zu einer „richtigen“ Metropole gehört auch ein Boulevardtheater, das sich der mehr oder minder amüsanten Leichtlebigkeit ergibt. Das kürzlich in einem ehemaligen Kino eröffnete Hansa-Theater wird ab jetzt regelmäßig von der „Comödie Dortmund“ bespielt, einem Sproß der „Comödie Bochum“. Am Samstag gab’s die erste Premiere: „Doppelt leben hält besser“ von Ray Cooney. Erwächst da dem Stadttheater Konkurrenz?

Cooney hat sein Stück nach allen Regeln des Genres am Reißbrett konstruiert, genau wie die Lebensplanung seiner Hauptperson: Dieser John Smith (Lutz Reichert) bat seine Schichten als Taxifahrer so geregelt, daß er gleich mit zwei Ehefrauen parallel leben kann – mit Mary (Kerstin Gäthe) in Wimbledon, mit Barbara (Michaela Kametz) in Streatham. Im Terminkalender reichen Kürzel wie „KTB“ („Kuscheltag Barbara“).

Dumm nur, daßJohn eines Tages mit einer Kopfverletzung in die Klinik kommt und dort in seiner Verwirrung nacheinander beide Adressen preisgibt. Beide Frauen haben ihn unterdessen als vermißt gemeldet, was wiederum zwei Polizei-Inspektoren auf den Plan ruft. Doppelt peinliche Symmetrie, die hernach in etliche Schräglagen gekippt wird.

Vom Morgenrock bis zur Tunte vom Dienst ist alles vorhanden

Den lapidarsten Kommentar gab zur Pause ein etwa zehnjähriges Mädchen ab: „Die müssen ja lügen…“ Ja, das müssen sie allerdings. Denn damit die eine Gattin nichts von der anderen erfährt, werden die abenteuerlichsten Gespinste ersonnen und (sexuelle) Identitäten durcheinander gewirbelt. Gleichwohl bleibt das Männer- und Frauenbild, auf dem derlei Wirrnis basiert, durch weg miefig und ungelüftet. Da möchte man Aufjaulen – und lacht dann doch wie blöd.

Alles, was man so kennt, ist vorhanden: liebestolle bzw. hysterische Frauen mit halboffenen Morgenröcken und schreiend geschmacklosen Pantoletten, abgewetzte Möbel zirka aus den 60er Jahren, filzige kleine Zoten (nach dem Sex sind etwaige Kopfschmerzen „wie weggeblasen“) und – haaach! huuuch! – die Schwuchtel vom Dienst, die am Schluß den blanken Allerwertesten vorzeigen darf. Und natürlich die dringliche Grundausrüstung: vier Türen, durch die stets im falschesten Moment die falschesten Menschen hereintappen, sowie zwei Telefone, die immer dann schrillen, wenn’s besonders unangenehm ist.

Regisseur Thomas Klees lugt an keiner Stelle über solche Konventionen hinaus. Die Maschinerie tuckert wie von selbst, sie funktioniert auch ohne großes schauspielerisches Zutun. Die Figuren werden nur plappernd typisiert und möglichst schrill ausgelebt. In manchen Momenten reicht es schon, wenn der/die Betreffende eine Grimasse zieht oder einen Schreikrampf mimt. Mit Routine werden die raschen Lacher erzeugt und einkassiert. Doch der „Abräumer“ ist’s nicht.

Der ganze Jux ist sich selbst genug, er verpufft im Nu. Schnellfertiges Theater für zwischendurch, inhaltlich keine direkte Konkurrenz für die Städtischen Bühnen, sondern eine völlig andere Liga. Aber mehr als eine entspannende Ergänzung will’s ja auch nicht darstellen. Und damit soll es gut sein.

Hansa-Theater/Comödie Dortmund, Hansastraße 7. Bis 7. Februar jeweils Di.-Sa. 20 Uhr, So. 19 Uhr. Kartenpreise 36 bis 51 DM. Karten: 0231/16 55 779.