Der kalte Traum des Mittdreißigers „Manfred K.“ – Performance zu „Maskenball“ von Harald Weiss ging zeitweise im Regen unter

Von Bernd Berke

Hamm. Strömender Regen im Hammer Maximilianpark. Vor einem künstlichen Teich stehen Kinderwagen, mit toten Blättern gefüllt. Eine bizarre Gruppe, ganz in Schwarz gekleidet, betritt eine Beton-Plattform im Innenkreis des Gewässers.

Die Gesten gefrieren wie auf einer Fotografie, dann folgt ein allgemeines Zurechtmachen, Lockern und Lächeln, das erneut erstirbt, usw. Schließlich zerstreut sich die Gruppe und schwärmt aus. Einer hält eine flammende Predigt, ein anderer zückt spitzelhaft-verstohlen ein Notizbuch, ein dritter trägt mit fahrigen Gesten einen Kassettenrecorder umher.

Dann geht nichts mehr. Petrus mag an diesem Abend keine Performance, der Rest des, simultanen Aktionstheater-Prologs zu Harald Weiss‘ „Maskenball (Vergib mir meine Träume)“ fällt ins Wasser, nachfolgendes Stück findet im Saale, genauer in der ehemaligen Waschkaue der Zeche Maximilian statt.

Endlich, nach einer Stunde Pause (in der die im Park weit verstreuten Requisiten eingesammelt und getrocknet worden sind) beginnt, zwischen Bistro-Stühlen, abschüssigem Steinwall und bildlos flimmerndem TV-Gerät, der Traum des Mittdreißigers „Manfred K.“ in 16 Bildern.

„Manfred“, er steckt voller Lebensangst und bewegt sich linkisch durch das Geschehen, schleppt nur kümmerliche Fetzen einer „Biographie“ mit sich herum, die sich zu Floskein („Eigentlich bin ich ganz verträglich“) verfestigt haben. Anfangs will er denn auch seine Träume aussperren, mit einem Schlüssel hetzt er herum, um alle Türen zu verschließen. Doch die Figuren, Frauen vor allem, dringen durch alle Fugen und beginnen ihr Eigenleben in Szenen wie „Maskenball“, „Party“, „Ausbruch“ oder „Hetzjagd“.

Die eng mit dem Geschehen verwobene Minimal-Musik von Harald Weiss (Komposition und Regie), vielfach ein bloßes Anschwellen, Hinschmelzen oder Daherplätscheren einer kaum differenzierten Tonfolge, ist von kühler Perfektion. Den Kontrast bilden Gefühlsausbrüche der menschlichen Stimme: Vom Atemhauch über Winseln und gestammelte Silbenstücke bis zum Schrei reichen die Modulationen.

Für diese sinnlichen Entäußerungen stehen vor allem die weiblichen Figuren, während der „letzte Mann“ (Szenentitel) sich ihnen im Caféhaus lediglich mit schweinischen Absichten nähert. Zu den phasenweise gefrierenden Zeitlupengesten kommen Synchronstimmen vom Tonband, das immer wieder abgebremst wird, so daß die Worte brummelnd in Schweigen übergehen. Das Gerede wirkt lachhaft verloren zwischen lauter Leere.

Die ganze Darstellung strahlt eine fremde Kälte aus, auch die komischen Effekte sind gänzlich durchkalkuliert, nichts bleibt dem Zufall überlassen. Die Traumwelt ist gleichsam eingezäunt. Sie war, so zeigt sich, nur eine Fernsehpause.




Frank Zappa enttäuscht Publikum in Ahlen – ganz im Gegensatz zu Rory Gallagher

Von Bernd Berke

Ahlen. Es war nach Mitternacht, als die Legende endlich besichtigt werden durfte. Mit zwei Stunden (leider festivalüblicher) Verspätung trat er, als hätte sich die Erde aufgetan und Mephisto sei erschienen, urplötzlich ins Rampenlicht: Frank Zappa.

Ein artiger Dank ans Publikum, daß es bei dieser Kälte ausgeharrt habe, dann ging „die Post ab“. Kam aber nicht an. Wirkliche Aufnahmebereitschaft für Zappas hochdifferenzierte Musik war zu dieser Stunde kaum noch vorhanden. Wer (oh, rebellische Zeiten der „Mothers of Invention“!) eine provokante Bühnenshow erwartet hatte, ging gänzlich fehl. Statt dessen, der kunstvollen (bisweilen auch erkünstelten) Sperrigkeit dieser Musik zum Trotz, Perfektion ohne Ecken und Kanten. Die vielköpfige Begleitband des „neuen“ Zappa webt einen lückenlosen Klangteppich, der zwar Falten schlägt, aber nirgendwo mit der Gitarre „ausfranst“. Darauf setzt Zappa ins erwartete Improvisationsmuster, deren Variationsbreite vom Jazz bis zu neuerer E-Musik reicht.

Zappa, mittlerweile 43 Jahre alt, wirbt keine Sekunde lang um die Gunst des Publikums. Ohne Umstände, ohne Zwischenansagen liefert er seine Musik ab, läßt die Titel bruchlos ineinander übergehen. Viele enttäuschte Gesichter. Man nimmt die Klangkaskaden staunend bis bewundernd zur Kenntnis – nicht mehr und nicht weniger.

Wie anders hatte zuvor der Ire Rory Gallagher den Zuschauern eingeheizt! Während Zappas Distanzbedürfnis sich bereits in einer rigorosen Sonderabsperrung rund um die Bühne dokumentierte, gab sich Gallagher (natürlich wieder im karierten Kaufhaushemd) wie einer „von nebenan“. Er läßt nichts anbrennen, spielt sein „Rockpalast“-getestetes Repertoire („Double Visions“, „Big Guns“ usw.), tief in den Traditionen verwurzelten, erdigen Blues-Rock. Er fegt energiegeladen über die Bühne, macht den „Ritt“ auf der Gitarre wie weiland sein Vorbild Chuck Berry. Wie Zappa mit rund 20 Jahren Bühnenerfahrung gesegnet, verschreibt er sich ganz den Wünschen des Publikums. Zwei Weiten.

„Schlammschlacht“ auf Motocross-Gelände

Nicht nur zwei. Bereits zur Mittagszeit hatte das Freiluft-Festival begonnen: Mit den Gruppen „Lake“, „Sisters of Mercy“, „Waterboys“, „Blancmange“ und der besonders enttäuschenden Formation „The Alarm“. Viel Spreu, wenig Weizen. Und offenbar eine Programmzusammenstellung nach dem Zufallsprinzip.

Mit dieser Veranstaltung reiht sich Ahlen, für Rockfans bislang weißer Fleck auf der Landkarte, in den Reigen der Festivalorte ein. Wenn sich dort allerdings kein anderer Platz finden läßt als das Motocross-Gelände am Morgenbruch, sollte dies das erste und letzte Mal gewesen sein. Für Tausende nämlich geriet diese „Golden Summernight“ (Goldene Sommernacht) vornehmlich zur „Schlammschlacht“. Im regenweichen Lehmboden sank man unweigerlich zentimetertief ein. Mancher, der zu hastig ging oder Tanzversuche riskierte, klatschte gar vollends in den Morast.