Der Mensch zwischen Tieren und Robotern: Windungsreiche Münsteraner Schau rund ums Gehirn

Geheimnisvoll und etwas gruselig: Blick in die „Galerie der Gehirne". (Foto: Bernd Berke)

Geheimnisvoll und etwas gruselig: Blick in die „Galerie der Gehirne“. (Foto: Bernd Berke)

Es gibt keinen Grund zur darwinistischen Überheblichkeit: Im Vergleich zu den Tieren hat der Mensch gar nicht so furchtbar viele exklusive Anlagen. Mit solchen Erkenntnissen lehrt die neue Münsteraner Ausstellung „Das Gehirn. Intelligenz, Bewusstsein, Gefühl“ auch etwas Bescheidenheit oder gar Demut.

Gleich am Beginn steht das größte Exponat, ein veritables Londoner Taxi aus den 1970er Jahren, in das man auch einsteigen soll. Nanu? Was hat das mit dem Gehirn zu tun? Nun, hier erfährt man, dass angehende Taxifahrer, die sich den komplizierten Londoner Stadtplan einpauken, nachhaltig von der Mühsal profitieren. Anschließend sind die Hirnbereiche, die mit Orientierung zu tun haben, deutlich ausgeprägter als vorher. Eine frohe Botschaft, übrigens auch und gerade für ältere Probanden.

Trio der Ausstellungsmacherinnen (von links): Dr. Julia Massier, Nicola Holm und LisaKlepfer) mit dem größten Exponat, inem original Londoner Taxi. (Foto: LWL/Steinweg)

Die drei Ausstellungsmacherinnen (von links): Julia Massier, Nicola Holm und Lisa Klepfer mit dem größten Exponat, einem original Londoner Taxi. (Foto: LWL/Steinweg)

Imposante Fülle der Exponate

Im LWL-Museum für Naturkunde werden 1200 Quadratmeter Ausstellungsfläche mit 770 Objekten rund ums Thema Gehirn „bespielt“. Damit ist es deutschlandweit die bei weitem größte Ausstellung zu dieser Materie. An über 60 Medienstationen können Besucher(innen) weiterführende Informationen sammeln oder ihre kognitiven Fähigkeiten erproben, sich jedenfalls zum Nachdenken und Nachfühlen anregen lassen. Zwei bis drei Stunden Zeit sollte man möglichst mitbringen, um die Fülle halbwegs auszuschöpfen. Aber gemach! Die Schau dauert beruhigende 16 Monate.

Ausgestopfte Tiere, die man gemeinhin in Naturkundemuseen erwartet, sind hier auch reichlich zu finden, doch sind sie nicht das Eigentliche, sondern dienen eher als sinnfällige Dekoration. Der themengerecht windungsreiche, ansprechend gestaltete Rundgang führt in etliche Bereiche, die man mit dem Gehirn assoziiert.

Da geht es zunächst um anatomische Voraussetzungen und Entwicklungen, sodann um natürliche und künstliche Intelligenz, Wahrnehmung, Gefühle, Ich-Bewusstsein, Schlaf und Traum, psychische Erkankungen, Drogen und schließlich um Verhaltenssteuerung (Stichwort „Gehirnwäsche“) des für allerlei Einflüsse empfänglichen, ja anfälligen Organs. Überhaupt erweist sich die Schau keineswegs als rein naturkundlicher Streifzug, sondern als Unterfangen, das weit in psychosoziale Sphären reicht.

MM7 Selector mit der groben Mechanik

Das eingangs erwähnte Taxi ist dabei nicht das einzige auffällige Exponat. Da wäre zum Beispiel KIM, ein Roboter mit 3D-Kamera und ausgeklügelter Sensorik (Kostenpunkt rund 40.000 Euro), der leise auf Rollen durch die Räume gleitet, zielsicher zu bestimmten Exponaten hinführen und sie einigermaßen eloquent erklären kann. Er wirkt in gewissen Momenten freilich noch etwas störrisch. Aber keine Angst: Er fährt einen nicht um, sondern bremst stets rechtzeitig! Das hat ein ähnliches Exemplar auch schon in der Dortmunder Arbeitswelt-Ausstellung DASA bewiesen.

KIM steht übrigens für „Künstliche Intelligenz im Museum“. Einer seiner frühen Vorläufer, der Maschinenmensch MM7 Selector, ist gleichfalls zu bestaunen. Das ziemlich ungeschlacht aussehende Monstrum wurde bereits 1961 vom Visionär Claus Christian Scholz-Nauendorff entwickelt, ist aber kein echter Roboter im heutigen Sinn. Es wollte sozusagen erst einer werden und musste sich noch mit grober Mechanik begnügen.

Früher Vorläufer heutiger Roboter: der „MM7 Selector", eine kybernetische Maschine von 1961/62. (Foto: © Technisches Museum Wien)

Früher Vorläufer heutiger Roboter: der „MM7 Selector“, eine kybernetische Maschine von 1961. (Foto: © Technisches Museum Wien)

Daran knüpfen sich Fragen nach dem heutigen Stand der Robotertechnik. Man ist drauf und dran, ihnen beizubringen, angemessen auf menschliche Mimik und somit auf Emotionen einzugehen – vielleicht zeichnet sich da eine (Neben)-Lösung im Pflegebereich ab? Gleichzeitig weckt derlei Fortschritt natürlich auch Ängste: Werden wir Menschen eines (nicht so fernen?) Tages in die hinteren Reihen rücken und von Robotern nicht nur entlastet, sondern regiert werden?

Zwei Schnittproben von Einsteins Hirn

Zurück zur Natur: Gibt es äußere Merkmale für besonders kluge Gehirne? Schon vorab wurden zwei Exponate besonders beworben, nämlich in einer Art Schrein präsentierte, haudünne Schnitte durchs Gehirn des Genies Albert Einstein, die aus einem Museum in Philadelphia (USA) eingeflogen wurden. Freilich hat keiner der vielen, vielen Hirnforscher, die solche Schnitte untersuchen durften, bisher spezielle physische Merkmale der überragenden Intelligenz Einsteins nachweisen können – wie denn überhaupt dieses Fachgebiet immer noch und immer wieder Rätsel bereithält. Auch das kann man eher beruhigend finden.

Nebenbei bemerkt: Zur Pressekonferenz lag auf jedem Stuhl u. a. ein Stück Seife in Form eines Gehirns. Die morbide kleine Morgengabe war mit einem Zettel versehen, auf dem „Gehirnwäsche“ stand. Beim Museumsträger, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), hat man offenbar schwarzen Humor.

Etwas gruselig kann einem auch in der geheimnisvoll abgedunkelten „Galerie der Gehirne“ zumute werden. Hier sind gleich 71 echte, in Gläsern konservierte Hirne verschiedener Lebewesen zu sehen, die frappierende anatomische Vielfalt reicht von Frosch und Fledermaus bis zum Elefanten. Die allermeisten Beispiele stammen aus der umfangreichen „Edinger-Tiergehirnsammlung“. Sie werden ergänzt durchs Gehirn und das filigran verzweigte Nervensystem eines Berberaffen, präpariert vom nicht ganz unumstrittenen Plastinator Gunther von Hagens.

Die Wahrnehmung eines Elefanten

An einer anderen Station kann man sich – ein wenig – hineinversetzen in die Wahrnehmung diverser Tiere, die ja ganz andere Farbspektren und Tonfrequenzen aufnehmen können. Auf einer Vibrationsplatte stehend, kann man etwa das Sensorium eines Elefanten nachempfinden, der höchst sensibel auf geringste Erderschütterungen reagiert. Grotesk wirken jene Menschen- und Tiermodelle, deren tastempfindlichste Körperstellen entsprechend optisch vergrößert wurden. Deshalb hat die scherzhaft so genannte „Homunculine“ riesige Finger. Und das Kaninchen… Aber sehen Sie selbst!

Visualisierte Tastempfindlichkeit: „Homunculine", Kaninchen und Maulwurf. (Foto: Bernd Berke)

Visualisierte Tastempfindlichkeit: „Homunculine“, Kaninchen und Maulwurf. (Foto: Bernd Berke)

Sogar ein kleines, unscheinbares Bild von Pablo Picasso ist zu sehen, daneben vom Computer programmierte „Kunst“ – und die Hervorbringung eines Schimpansen, der angeblich nach und nach sogar einen „Stil“ entwickelt haben soll. Das bodenlose Fass, was nun Kunst und wer ein Künstler sei, will das Museum mit diesem Arrangement eigentlich nicht aufmachen. Zu erwarten steht jedoch, dass die einen oder anderen Betrachter dies trotzdem tun.

Auch Tiere berauschen sich

Man kann längst nicht alles erwähnen, so vielfältig und reichhaltig ist diese Ausstellung. Schon beim zügigen Rundgang lassen sich einige erstaunliche Einsichten gewinnen. So etwa die, dass nicht nur Menschen (allerdings erst mit etwa 18 Monaten), sondern auch manche Tierarten ein rudimentäres Ich-Bewusstsein entwickeln und sich selbst von anderen Exemplaren ihrer Spezies zu unterscheiden wissen. Ihnen ist offenbar auch vor dem Spiegel klar, dass sie sich selbst sehen. Und dabei reden wir nicht nur z. B. über Affen, Delfine und Hunde, denen man das wohl zugetraut hat, sondern beispielsweise auch über Schweine.

Dass Tiere ängstlich oder aggressiv sein können, weiß man. Die Ausstellung begibt sich darüber hinaus auf die aussichtsreiche Spur der Vermutung, dass sie auch ein (etwas anders gelagertes) Gefühlsleben haben. Noch in einer weiteren Hinsicht verhalten sich Tiere wie Menschen, sie berauschen sich nämlich ganz gezielt mit allerlei „Drogen“. So bevorzugen manche Arten Rauschpilze oder Mohn, andere wiederum pfeifen sich das Sekret von Tausenfüßlern ‚rein, um es mal salopp zu sagen. Da gerät ihr Gehirn gleichsam ins Schwirren, Schwanken und Tanzen.

„Das Gehirn. Intelligenz, Bewusstsein, Gefühl.“ LWL-Museum für Naturkunde, Münster, Sentruper Straße 285 (neben dem Allwetterzoo). Vom 29. Juni 2018 bis zum 27. Oktober 2019. Geöffnet Di bis So 9-18 Uhr. Eintritt 6,50 Euro (Erwachsene), 4 Euro (Kinder), 14 Euro (Familien).

Weitere Infos: www.das-gehirn.lwl.org




Der Roboter, dein Freund und Helfer – Abteilung „Neue Arbeitswelten“ in der Dortmunder DASA umgekrempelt

Die Drohne (bzw. der Lastencopter) mit dem schönen Namen "Papillon", entworfeb und erzeugt vom Remscheider Designbüro Reichert, ausgestellt in der Dortmunder DASA. (Foto: Bernd Berke)

Die Drohne (bzw. der Lastencopter) mit dem schönen Namen „Papillon“, entworfen und erzeugt vom Remscheider Designbüro Reichert, ausgestellt in der Dortmunder DASA. (Foto: Bernd Berke)

Hier auf dem Tisch liegt eine geradezu filigran wirkende, offenbar ungemein wendige Drohne als zukunftsträchtiges Transportmittel; dort drüben summt ein 3-D-Drucker, der wie von Zauberhand neue Gegenstände hervorbringt – von der Vase bis zur Porträtbüste des Erfinder-Genies Leonardo da Vinci. Beispielsweise. Sind das schon Boten, die die Zukunft ankündigen?

Bald werden solche Geräte wohl auch vermehrt in den Privatbereich vordringen. Es scheint fast so, als erwarte uns eine rundum schöne neue Welt, derer wir uns nur noch leichthändig bedienen müssen.

Doch gemach! Gar so unproblematisch verhält es sich denn doch nicht mit den künftigen „Neuen Arbeitswelten“. Werden da nicht viele Arbeitsplätze verschwinden, wird es nicht wieder einmal etliche Verlierer der Modernisierung geben? Und überhaupt: Wie wird sich das Menschenbild verändern?

Das Thema sollte einen jedenfalls interessieren. Einesteils aus generellem Interesse an den Zeitläuften – und überdies ganz besonders, wenn Kinder im näheren oder nächsten Umkreis leben, deren weitere Lebenswege einem sehr am Herzen liegen.

Vorläufer war schon 18 Jahre alt

Mithin hat sich die Dortmunder Arbeitswelt Ausstellung (DASA) ein (ge)wichtiges Thema ausgesucht. Sie hat es auch bisher schon behandelt, freilich auf dem Stand der Hannoverschen Weltausstellung Expo aus dem Jahre 2000. In Sachen Zukunftsschau ist das eine Ewigkeit. Jetzt aber ist der entsprechende Teil der Dauerausstellung nach gründlichem Umbau erst einmal wieder auf aktuellem Stand, sofern sich das überhaupt sagen lässt. Vielleicht gibt’s ja morgen schon wieder die nächste Kehrtwende, die einstweilen allenfalls in avancierten Forschungsstätten oder in der Science-Fiction-Literatur erwogen wird.

Schon das Ausstellungs-Design wirkt nun ungleich luftiger und leichter. Was bisher recht düster, ernst und erdenschwer daherkam, sieht jetzt allseits durchlässig und transparent aus. Eine zu solcher Offenheit passende Grundannahme der vom Zürcher Architekturbüro Holzer Kobler eingerichteten Abteilung lautet, dass wir die Zukunft, die ohnehin kommt, mit einiger Zuversicht in die Hände nehmen und gestalten sollen. Ende offen.

3-D-Drucker bei der Arbeit: Es entsteht eine Vase. (Hersteller Membino GmbH, Elmshorn / Foto: Bernd Berke)

3-D-Drucker bei der Arbeit: Hier entsteht eine Kunststoff-Vase. (Hersteller Membino GmbH, Elmshorn / Foto: Bernd Berke)

Die Visionen von (vor)gestern

Der Rundgang beginnt mit Zukunfts-Vorstellungen von gestern, genauer:  technischen und gesellschaftlichen Utopien, wie man sie sich in den letzten 150 Jahren ausphantasiert hat. Eine gar hübsche, teils frappierende, teils bizarre Galerie aus rund 200 Bildern ist dabei herausgekommen. Visionen sondergleichen. Die wenigsten sind so eingetroffen wie ehedem gedacht. Und doch müssen solche Zukunftsträume sein. Der Mensch möchte halt wissen, wo es langgeht. Auch wenn er oft pfeilgerade daneben zielt. Wenn’s nach manchen Vorhersagen gegangen wäre, so würden wir zum Beispiel allesamt unter Wasser leben oder – jeder mit eigenem Fluggerät – ständig durch die Lüfte schweben.

Bloß vorsichtig mit den Prognosen sein

In der DASA hat man drei Megatrends ausgemacht, die fraglos unsere Zukunft bestimmen werden: demographischer Wandel, Globalisierung, Digitalisierung. Große Schlag-Worte. Fragt sich „nur“ noch, wie sich diese Tendenzen auswirken werden. Auf dem prognostischen Glatteis bewegt sich die Ausstellung allerdings nur ganz vorsichtig, keinesfalls kühn. Man hat das Ganze „modular“ aufgebaut, so dass auf etwaige Trendwenden schnell mit neuen Objekten reagiert werden kann. Das ganze soll Labor-Charakter haben und den einen oder anderen Impuls setzen, aber bloß keinen festen Vorgaben folgen. So bleibt es hie und da auch ein wenig vage.

Die Technik und das menschliche Maß

Zwischendurch ertönen fiktive „Stimmen aus der Zukunft“, denen man – unter Akustik-Würfeln sitzend – entspannt als Hörstücken lauschen kann. Hauptsächlicher Themenstrang: Was wird die abermals entfesselte Technik der „Industrie 4.0“ mit dem Menschen machen? Außerdem tragen Schauspieler per Video individuelle Stellungnahmen zur Wertedebatte und zur Folgenabschätzung vor. Hier geht es eben nicht bloß um die Fortschreibung technischer Tendenzen, sondern mindestens ebenso sehr ums menschliche Maß. Wäre das schön, wenn die Wirtschaftslenker solchen Vorstellungen folgen würden!

Visionärer Bildschirm-Blick in eine Fabrik, in der Roboter der neuesten Generation zu Werke gehen. (DASA / Foto: Bernd Berke)

Visionärer Bildschirm-Blick in eine Fabrik, in der Roboter der neuesten Generation zu Werke gehen. (DASA / Robert Bosch GmbH / Foto/Screenshot: Bernd Berke)

Die aus kubischen Grundformen entwickelte, farbenfrohe Ausstellungs-Architektur (Statements: „Die Zukunft wird bunter“ / „Die Zukunft wird femininer“) besteht aus vier Themen-Inseln, allesamt offenbar dicht am Puls der gegenwärtigen Zeit. Da kann man – vorerst in virtuellen Szenarien – Entwürfe von Industrie-Robotern der neuesten Generation besichtigen, die innig mit den Menschen interagieren, ja hie und da mit beinahe mit ihnen zusammenwachsen, sich ihnen jedenfalls sensorisch anbequemen. Der Roboter, dein Freund und Helfer. Ein fast schon wieder etwas gestrig-mechanisch anmutendes „Exo-Skelett“ (verleiht den Muskeln ungeahnte Zusatzkräfte) ist auf diesem Felde nur der Anfang.

Noch’n Anlauf zum „papierlosen Büro“

Da gibt es einen futuristischen Bildschirm-Arbeitsplatz aus lauter Displays, wie er gerade erst als Pilotprojekt auf den Weg gebracht wird. Aber bitte sehr, nehmen Sie schon mal Platz, hier nimmt erneut der Traum vom völlig papierlosen Büro Gestalt an. Ja, lachen Sie nur, Sie werden schon sehen! Für „digitale Nomaden“ gibt es derweil einen besonders robusten Laptop, der noch im entlegensten Winkel der Welt mit Sonnenenergie betrieben werden kann. Auch geht es um jene digitalen Mikrojobs, die für erbärmliche Cent-Beträge jederzeit und überall ausgeführt werden können – derzeit vorzugsweise in Indien, wo man von solchen Winz-Löhnen einigermaßen existieren kann.

Federleichte Flug- und Rolldrohne, made in Dortmund

DASA-Kurator Peter Busse mit der in Dortmund entwickelten Flug- und Rolldrohne "Bin:Go". (Foto: Andreas Wahlbrink/DASA)

DASA-Kurator Peter Busse mit der in Dortmund entwickelten Flug- und Rolldrohne „Bin:Go“. (Foto: Andreas Wahlbrink/DASA)

Ein staunenswertes Stück ist quasi „nebenan“ in Dortmund entwickelt worden, beim Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik: Diese ballförmige, federleichte Drohne namens „Bin:Go“ segelt nur bei Bedarf über Hindernisse hinweg, ansonsten rollt sie sanft daher und verletzt niemanden. Stellt man sich das massenhaft auf unseren Straßen und Plätzen vor, mutet es allerdings schon ein wenig gespenstisch an. Doch vorerst ist das Ding wohl vor allem zwischen Großregalen unterwegs. Das Runde muss eben ins Eckige.

Eine weitere Drohne, übrigens auch weitgehend aus dem 3-D-Drucker geschlüpft, ahmt mit ihren Strukturen den biologischen Knochen- und Sehnenbau nach, ihre Glieder sind innen wabenartig hohl, daher wiegt sie bei einiger Spannweite nur 30 Kilogramm, übt aber gleichwohl kräftigen Schub aus.

Der Avatar mit der gelben Hose

Das Ganze soll Laborcharakter haben. Und so können Besucher an interaktiven Zwischen-Stationen ihre Auffassungen einbringen und sich schließlich als Avatare mit bestimmten Haltungen zur Zukunft entwerfen. Welche Gesellschaft dabei herauskommen könnte, zeigt sich auf einem großen Bildschirm, der die Daten und Figuren kombiniert. Wer etwa beim Koordinaten-Resultat „H 8“ landet, gilt als optimistisch. Lustige Zuordnung: Wer bei der Befragung am Touchscreen Kulturinteresse bekundet, bekommt als Avatar sogleich eine gelbe Hose verpasst. Finde den Zusammenhang…

Wer rastet, der rostet. Kaum ist die Abteilung „Neue Arbeitswelten“ fertig umgekrempelt, kommt die nächste dran: „Helfen und Heilen“ zur Zukunft von Medizin und Pflege schließt jetzt für zwei Jahre und soll 2020 runderneuert wieder öffnen.

DASA Arbeitswelt Ausstellung, Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1-25. Dauerschau, Abteilung „Neue Arbeitswelten“. Geöffnet Mo-Fr 9-17, an Wochenenden und Feiertagen 10-18 Uhr. Standard-Ticket 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Tel.: 0231 / 9071-2479

www.dasa-dortmund.de

 




Man entkommt ihnen nicht: „Die Roboter“ – Dortmunder Schau über Mensch & Maschine

Am Eingang der Ausstellung „Die Roboter“ heißt uns ein gewisser Jemand willkommen – dreimal darf man raten, wer…

Richtig. Ein Roboter namens „RoboThespian“ macht die Honneurs und sagt artig Guten Tag. Manchmal hat er dabei sogar blinkende Herzchen in den Augen. Putzig, nicht wahr? Doch die kurzweilige Ausstellung hat etliche ernstere Aspekte. Schließlich geht es in mancherlei Facetten um das komplexe Verhältnis von Mensch und Maschine.

"RoboThespian" begrüßt die Besucher. (Foto: Bernd Berke)

„RoboThespian“ begrüßt die Besucher. (Foto: Bernd Berke)

Man entkommt ihnen nicht: Auch im weiteren Verlauf der Schau in der Dortmunder Arbeitswelt-Ausstellung DASA begegnen einem solcherlei Wesen. Manchmal begleiten sie einen auch, wenn man denn mag. Mehrere Gestalten, nicht ganz menschenhoch, etwas unförmig rundlich geraten, gleiten durch die Räume. Man kann sie nach bestimmten Exponaten fragen – und sie fahren schon mal voraus, bevor sie die Ausstellungsstücke erläutern. Aber keine Angst, es gibt auch noch menschliches Personal.

Der kleine Nao steht auf und tanzt

Liebling aller Besucher dürfte indes der kleine Nao werden, dem man (einstweilen nur auf Englisch und ohne höfliche Floskeln wie „bitte“) einfache Anweisungen geben kann: „Sit down“, „stand up“ und so weiter. Nach kurzer Rückfrage (Du willst, dass ich mich hinsetze?) tut er’s tatsächlich. Er kann auch – etwas ungelenk, doch irgendwie ausdrucksvoll – ein wenig tanzen. Falls er dabei mal unsanft auf den Rücken fällt, rappelt er sich mühsam wieder hoch, und zwar ganz ohne Anweisung, wie aus eigenem Antrieb.

Roboter "Nao" hat sich nach entsprechender Anweisung hingesetzt. (Foto: Bernd Berke)

Roboter „Nao“ hat sich nach entsprechender Anweisung hingesetzt. (Foto: Bernd Berke)

Für Unterhaltung ist also gesorgt. Doch die von Dr. Philipp Horst kuratierte Schau fächert – zwischen Faszination, Reflexion und Besorgnis – mit rund 200 Belegstücken in fünf Abteilungen die Geschichte der Werkzeuge und der rasant fortschreitenden Automatisierung auf, gleichsam seit Steinzeit und Antike. Man erkennt: Schon seit geraumer Zeit wird die Phantasie der Menschen von Vorstellungen beflügelt, die irgendwann auf künstliche Wesen hinauslaufen mussten.

Im ersten Raum geht’s wie im Fluge vom Hammer über Fahrrad, Dampf- und Schreibmaschine bis zum Maschinengewehr aus dem Ersten Weltkrieg. Immer entschiedener bewegten sich die Maschinen (wie von) selbst.

Ein Thema auch für die Künste

Mechanische Automatenmenschen des 18. Und 19. Jahrhunderts, zunächst viel bestaunte „Wunder“, hernach auch Jahrmarkts- und Werbeattraktionen, stehen für eine Übergangszeit. Da sieht man etwa einen automatischen Clown, ein mechanisches Krabbelkind und einen orientalischen Raucher, aus konservatorischen Gründen leider samt und sonders im Stillstand.

"Nao" tanzt wie in Trance... (Foto: Bernd Berke)

„Nao“ tanzt wie in Trance… (Foto: Bernd Berke)

Die Entwicklung konnte die Künste nicht unberührt lassen. Ausschnitte aus Filmen wie Fritz Langs „Metropolis“ und Seitenblicke auf Dadaisten oder Surrealisten, welche die zunehmende Automatisierung teils freudig und fiebrig begrüßten, geben eine Ahnung davon.

Mit dem tschechischen Schriftsteller Karel Čapek kam dann 1921 der Begriff „Roboter“ erstmals in die Welt. Werke der Science-Fiction wie Isaac Asimows „I Robot“ (1950) setzten diese Tradition auf hohem Niveau fort.

Apparate für Leib und Seele

Im Laufe des Rundgangs wird deutlich, wie sehr die Robotertechnik unsere Welt bereits durchdringt, beispielsweise in der Medizin, beginnend mit Prothesen (eiserne Hand von 1530, Exemplare aus dem Ersten Weltkrieg). Heute wird der menschliche Körper auf vielfältige Weise repariert, technisch unterstützt und auch von innen her „optimiert“.

Überdies gibt es Roboter für die Seele: Eine interaktive Stoffkatze („JustoCat“) mit technischem Innenleben kommt in der Pflege zum Einsatz, sie kann miauen und schnurren und lässt sich stundenlang streicheln. Gedacht ist sie als Trösterin dementer Menschen, die sich dank der simplen Schlüsselreize wohlig an frühere Zeiten mit wirklichen Haustieren „erinnern“ sollen.

Mimik-Nachahmung mit Hindernissen: Der Roboterkopf hat offenbar noch nicht "erkannt", dass die Frau den Mund geöffnet hat - und schaut etwas begriffsstutzig drein.

Mimik-Nachahmung mit Hindernissen: Der Roboterkopf hat offenbar noch nicht „erkannt“, dass die Frau den Mund geöffnet hat – und schaut etwas begriffsstutzig drein. (Foto: Bernd Berke)

Derweil sind ganze Fertigungslinien ohne Industrie-Roboter nicht mehr denkbar; vom Einsatz im Weltraum, im Krieg (Fernlenkwaffen, Drohnen usw.) und bei Katastrophen (fernsteuerbare Bombenentschärfer, Brandbekämpfer, AKW-Roboter) ganz zu schweigen. Für all diese Bereiche sieht man Beispiele in der wohlüberlegt zusammengestellten Schau. Man ist aus gutem Grund am Puls der Zeit, denn auch in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (sozusagen das Mutterinstitut der DASA) wird avancierte Roboterforschung betrieben.

Und wie sieht die Zukunft aus? War eine direkte Begegnung zwischen menschlichen Mitarbeitern und Robotern lange Zeit zu gefährlich, so hat sich die Technik immer feingliedriger angepasst und gleichsam vermenschlicht, so dass gemeinsames Arbeiten von Mensch und Maschine immer üblicher wird.

Ist Sex mit Robotern denkbar?

Auch beginnen die Apparate allmählich in die Bezirke der Kreativität und der Emotionalität vorzudringen. Da findet sich z. B. ein Roboter, der menschliche Mimik (noch etwas grobschlächtig) nahezu in Echtzeit nachahmt und einen anderen, der einen zunächst per Kamera aufnimmt und danach – allerdings auch noch recht zittrig und unperfekt – ein Porträt zu zeichnen beginnt. Der Stift wurde heute übrigens von zwei Wäscheklammern gehalten. Solch improvisatorischer Behelf wirkt in diesem Kontext irgendwie erfreulich, wie ein wohltuend retardierendes Moment.

Roboterhand beim zittrigen Zeichnen eines Porträts. (Foto: Bernd Berke)

Roboterhand beim zittrigen Zeichnen eines Porträts. (Foto: Bernd Berke)

Doch wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zur Vermischung und wechselseitigen Grenzüberschreitung kommt: Wird man eines Tages nicht mehr zwischen humanen und humanoiden Existenzen unterscheiden können? Für uns Heutige wohl noch eine grausige Vorstellung. Aber wer weiß, wie unsere Nachfahren damit umgehen.

Um die gemischten Gefühle der Besucher zu erkunden, hat man der Schau eine (unwissenschaftliche) Umfrage beigesellt. Nach dem heutigen Stand, der wohl noch überwiegend Journalisten und DASA-Mitarbeiter erfasst hat, konnten sich 57% nicht vorstellen, Sex mit einem Roboter zu haben. Die womöglich erschütternde Nachricht lautet also: 43% können sich Sex mit einem Roboter vorstellen. Nun ja, imaginieren kann man dies und jenes. Aber will man’s dann auch?

„Die Roboter. Eine Ausstellung zum Verhältnis von Mensch und Maschine“. 21. November 2015 bis 25. September 2016. DASA Arbeitswelt Ausstellung, Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1-25. Geöffnet Mo-Fr 9-17, Sa/so 10-18 Uhr. Weitere Infos: www.dasa-dortmund.de




Mutanten fürs Kinderzimmer – Ein paar Gedanken bei Durchsicht des neuen Lego-Katalogs

Von Bernd Berke

Die bunten Klötzchen der Firma Lego kennt wohl jede(r) aus eigener Kindheits- oder Eltern-Erfahrung. Welche Traumbauten und Luftschlösser man damit errichten konnte! Alles blieb der Phantasie überlassen, die Möglichkeiten waren schier unendlich. Kann es uns kalt lassen, wie sich diese Spielzeug-Welt entwickelt? Natürlich nicht! Wenn Formen des Spielens kein Kulturfaktor wären, was denn dann?

Vor uns liegt der neue Herbstkatalog des Herstellers, auf exakt 100 prallvollen Seiten gespickt mit Novitäten. Die haben es teilweise in sich. Von 0 Monate bis 99 Jahre reicht die Skala der Altersklassen, die hier bedient werden sollen. Ausdrücklich mahnt der Katalogtext an einer Stelle (da geht’s um martialisch aussehende Rennautos), doch bitteschön auch die Kinder einmal spielen zu lassen.

Das Angebot für Babys und Kleinkinder kommt einem noch vertraut vor, es wirkt so farbenfroh und putzig wie eh und je. Das hohe Gut der Kreativität und ihrer gezielten Weckung wird in den knappen Begleittexten beschworen.

Mischwesen zwischen Mensch und Maschine

Klar: Da gibt’s noch den idyllischen Bauernhof, den Zoo, die Ritterburg, die Eisenbahn, das Piratenschiff, die Dino-Kolonie und (laut Bebilderung für Mädchen) die Küche. Ein Plastik-Kerlchen wie „Jack Stone“, der hilfsbereite Allmachts-Phantasien beflügelt und z. B. jedes brennende Haus löscht, gehört gleichfalls zum bekannten Inventar. Nur die allseitig verwendbaren Grundbausteine verschwinden fast im Über-Angebot.

Je weiter man blättert, umso fremdartiger erscheinen einem die Wesen und Situationen. Da werden nicht nur etliche metallisch glitzernde Kämpfer aus „Star Wars“ aufgeboten, da gibt es auch bösartige Riesenkrabben, allerlei Marsmenschen, Aliens – und unter der Rubrik „Bionicle“ monströse Mutanten irgendwo zwischen Biologie und einer offenbar wildwüchsig gewordenen Ingenieurskunst. Man glaubt sich versetzt in eine Welt, in der bereits tüchtig geklont und alles mit allem gemixt wird. Die Maschine nimmt menschliche Züge an, der Mensch maschinelle.

Einen Roboter bauen und mit dem PC trimmen

Zudem dürfte die Wahlfreiheit eingeschränkt sein. Mit derlei Figuren (gedacht für Kinder ab 7 oder 8) lässt sich wohl nicht mehr alles Beliebige spielen, die Richtung scheint vorgegeben. Oder sollten die Kinder so pfiffig sein, diese Vorprägung zu unterlaufen? Schön war’s ja.

Der letzte Lego-Schrei („Neu ab September“) nennt sich „Mindstorms“. Kinder ab 12sollen sich ihre eigenen Roboter bauen und sie mit dem Computer auf bestimmte Tätigkeiten trimmen (sprich programmieren). Glaubt man den Bildern, ist dies allerdings nur etwas für Jungs.

Billig ist das vermeintlich zukunftsträchtige Vergnügen wahrlich nicht. Für einen solchen Baukasten sind 488,94 DM (249,99 Euro) fällig. In einer weiteren Stufe kann der Nachwuchs seine Roboter mit Kameraaugen ausrüsten: „Dein eigenes Überwachungssystem“, wie die Werbung verheißt. Gut möglich, dass man damit sogar nachhalten kann, wer wann und wie das KinderZimmer aufgeräumt hat.

Auch die mit englischen Begriffen gesättigte Katalogsprache lässt einiges ahnen. Zitat von Seite 88, bezogen auf eine Kampfmaschine: „Dein eigener Destroyer Droid! Und er tut, was du ihm befiehlst.“ – „Hoho, ich werde die Welt beherrschen“, droht ein fieses gelbes Wesen auf Seite 53. Um ihm beizukommen, muss man die „Gedanken-Manipulatoren zerstören“. Wird gemacht!