Mortier beteuert: Mit ganzer Kraft für die Ruhr-Triennale – Reaktion auf Kritik an seinem Paris-Engagement

Von Bernd Berke

Gelsenkirchen. Auf Kritik reagiert Gerard Mortier, Chef der Ruhr-Triennale, offenbar besonders geschwind. Auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz beteuerte er gestern in Gelsenkirchen, er werde sich mit ganzer Kraft der Triennale widmen. Es sei kein Hindernis, dass er soeben einen Vertrag für die Leitung der Pariser Oper (ab September 2004) unterschrieben hat.

„Mein Triennale-Vertrag endet im Juli 2004″, stellte Mortier klar. Da werde er doch das Recht haben, sich für die Zeit danach um eine andere Tätigkeit zu bemühen. Gewiss, er müsse sich schon bald um langfristige Verträge und Spielpläne für seine Pariser Zeit kümmern. Dies schmälere aber keineswegs seinen Einsatz für die Ruhr-Triennale, die im Herbst 2002 an den Start gehen und ihr erstes Schwerpunkt-Jahr 2003 erleben soll. Mortier glaubt durchaus, auf beiden Hochzeiten tanzen zu können: „Ich lebe für meine Arbeit. Ich arbeite 14 bis 16 Stunden am Tag.“

Derzeit hält sich der Belgier meist in Berlin auf. Doch auch dort, so versicherte Mortier, sei er rastlos für die Triennale tätig, er spreche an der Spree mit vielen Künstlern, die dann eines Tages ins Revier kommen sollen. Außerdem gebe es sehr gute Zugverbindungen nach Essen, „wo ich seit Anfang August eine Wohnung gemietet habe“. Der Mann mit dem offenbar bewegten Leben über sich und sein Team: „Gestern haben wir bis nach Mitternacht in Berlin gearbeitet, heute früh um kurz nach sechs saßen wir schon wieder im Zug Richtung Ruhrgebiet.“ Respekt. Schwung und Optimismus vermittelt Mortier ja tatsächlich – schon dann, wenn er zu sprechen anhebt.

Ein Top-Ereignis auch für Dortmund

Man solle doch nicht, bittet er, im Ruhrgebiet schon wieder in den alten Minderwertigkeitskomplex verfallen und sich etwa“ hinter Paris zurückgesetzt fühlen. Im Gegenteil: Die Franzosen seien nun doppelt gespannt aufs Ruhrgebiet. Einmal im Überschwang beseelten Redens, verhieß der jetzt 58-jährige Mortier dem Revier auch noch diese Freude: „Ich werde an der Ruhr meinen 60. Geburtstag feiern.“ Sprach’s, sprang auf und stand schon an zwei Tafeln, um seine großen Pläne zu erläutern, beispielsweise den Umbau der Bochumer Jahrhunderthalle fürs Festival.

Und überhaupt: Man habe in der kurzen Vorlaufzeit schon eine ganze Menge bewirkt. Mancher Programmpunkt der Triennale sei bereits geklärt. Gerade eben habe man ein ^ Top-Ereignis „mit einem ganz berühmten Mann“ für die Dortmunder Kulturzeche Zollern II/IV gesichert, mehr dürfe er jetzt noch nicht verraten.

Jedenfalls suche man in Dortmund noch nach einem geeigneten Saal für rund 800 Zu- __ schauer, da gebe es ein gewisses Problem. Mit dem künftigen Dortmunder Konzerthaus (Eröffnung September 2002) werde man kooperieren.

Da merke man doch, bekräftigte Mortier, dass „ich im Ruhrgebiet nichts mit links erledige.“ Übrigens werde man sich im Revier an Intendanten-Wechsel bei der Triennale gewöhnen müssen, dies sei von Anfang an so gedacht gewesen. Mortier: „Auch mein Nachfolger wird schon bald nach seinem Amtsantritt den nächsten Vertrag unterschreiben.“ International gefragte Leute könne man eben nicht ewig halten; nicht einmal mit einem öffentlichen Triennale-Etat von je 42 Millionen DM in den Schwerpunktjahren.




Ruhr-Triennale: Die Euphorie steckt alle an – Kultur-Prominenz diskutierte in Duisburg

Von Bernd Berke

Duisburg. Eigentlich wollten sie über das Globalthema „Das Festival im 21. Jahrhundert“ reden. Aber die hochkarätige Runde im Duisburger Lehmbruck-Museum kreiste denn doch fast nur um „das Eine“: die „Ruhr-Triennale“.

Kein Wunder: Triennale Chef Gérard Mortier saß mit auf dem Podium. Er bat um Geduld: „Richard Wagner hat 20 Jahre lang nachgedacht, bevor er die Bayreuther Festspiele gründete. Gebt mir wenigstens noch Zeit bis Ende dieses Jahres.“ Denn natürlich lechzte man auch hier wieder nach Details zum Festival, welches ab 2003 das gesamte Revier leuchten lassen soll. Manche richten ja geradezu messianische Hoffnungen auf Mortier.

Besonders vorurteilsloses Publikum

Der revanchiert sich mit flammenden Komplimenten. In höchsten Tönen preist er das Ruhrgebiet, das ihn als „sozial-kultureller Raum“ fasziniere. Hier gebe es ein vorurteilsloses Publikum: „Die Leute glauben nicht, schon alles zu wissen.“ Also lasse sich hier das bildungsbürgerliche Inventar („Kanon“) viel besser durchrütteln als andernorts.

Die prominente Kritikerin Sigrid Löffler (ehemals beim „Literarischen Quartett“), die Mortiers Verdienste bei den Salzburger Festspielen bestens kennt, hegt gleichfalls großeErwartungen. Ein solches Festival brauche „eine magnetische Grundidee und eine magnetische Persönlichkeit“. Beides scheine bei der Triennale der Fall zu sein. Diese könne dem Revier einen ungeheuren Zuwachs an „Urbanität“ bescheren, denn Mortier stehe für aufregende ästhetische Herausforderungen.

Zum Leidwesen des Moderators Dietmar N. Schmidt (NRW-Kultursekretariat), der die verbreitete Triennale-Euphorie höchst skeptisch betrachtet, gibt sich auch Jürgen Flimm (Regisseur und Präsident des Deutschen BühnenVereins) zuversichtlich. Er sehe der Triennale mit „neugieriger Solidarität“ entgegen.

„Eine gute Idee findet ihr Geld“

Die Triennale, so Flimm weiter. werde die Kultur wohl ganz allgemein aufwerten und auch bestehenden Bühnen Nutzen bringen. Diese dürften sich allerdings nicht auf alten Lorbeeren ausruhen, sondern müssten sich mitreißen lassen vom neuen Schwung. Manche Sorgen seien kaum angebracht: „Es ist noch kein Stadttheater wegen eines Festivals geschlossen worden.“

NRW-Kulturminister Michael Vesper (Grüne) konnte sich also beruhigt zurücklehnen. Mit dem Slogan „Eine gute Idee findet ihr Geld“ versicherte er abermals, das Festival werde aus zusätzlichen Mitteln bestritten (im Jahresschnitt 40 Mio. DM). Da bleibt auch Norbert Lammert, dem kulturpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, nur noch Optimismus übrig: Das Revier besitze viel Kulturvolumen, aber noch nicht genug kulturelle Strahlkraft. Da komme ein solches Festival – auch im „Wettbewerb der Provinzen“ mit der Hauptstadt Berlin – gerade recht.

Eindeutiges Fazit: Friede – Freude – Triennale.