Pfuschi, Fritten, Drogen-Dackel – der Sound des Reviers

Gezz ma‘ wacker gucken, wat „inne Fritten“ is‘. Oder sollte es sich nur um so eine Redensart handeln? (Foto: Bernd Berke)

Kurz zu berichten ist von einem ehrbaren Handwerker in Dortmund, der auf seine unverwechselbare Weise etwas von den älteren Revierzeiten lebt und verkörpert. Sein genaues Metier sei nicht genannt, sonst erfährt er am Ende noch, dass er gemeint ist. Muss ja nicht sein.

Ich höre von drei Äußerungen, die er während eines einzigen Kundengesprächs binnen weniger Minuten hervorgebracht habe. Leider lassen sich seine Ruhr(hoch)deutsch klingenden Redensarten nur sehr unzureichend schriftlich wiedergeben. Eigentlich muss man den Mann dabei hören und sehen. Über Wohl und Wehe von Borussia Dortmund kann der glühende BVB-Fan übrigens stundenlang schwadronieren. Könntet ihr das hören, würdet ihr euch gewiss mächtig beömmeln.

Nun aber zu den besagten drei Äußerungen: Treuherzig versichert er, bei ihm gebe es kein „Pfuschi wie bei Uschi“. Das stimmt. Er arbeitet sehr gewissenhaft und nimmt für Reparaturen, die ihm selbst nicht hundertprozentig gelungen zu sein scheinen, freiwillig kein Geld; nicht einmal dann, wenn man ihn beschwört, es anzunehmen, wenn man es ihm geradezu aufdrängt. Ob wir bei „Pfuschi“ an eine bestimmte Uschi denken sollen (doch nicht etwa an Frau Von der Leyen??), ist nicht überliefert. Wahrscheinlich ist es ja nur so ein Schnack.

Den kläglichen Zustand eines zu reparierenden Gegenstandes bezeichnet der brave Handwerksmann so: „Der is‘ inne Fritten.“ Und beim Gespräch über Vorfälle in der Nachbarschaft nennt er einen bedauernswerten Rauschgift-Konsumenten „Drogen-Dackel“. Im Grunde gar nicht lustig. Doch selbst die ernstesten Zustände wirken in dieser sprachlichen Aufbereitung entlastend komisch. Irgendwie.

Man ist versucht, längere Unterhaltungen mit ihm zu führen und selbige exemplarisch für Mit- und Nachwelt aufzuzeichnen. Doch ein solches Arrangement würde die Originalität und den bestens geerdeten Sound des Ruhrgebiets wohl verfälschen. Lassen wir also in diesem Falle alles so, wie es ist. Denn es ist gut so.




Hömma, Dingenskirchen, ey! Und schon wieder liegt ein Asterix-Band auf Ruhrdeutsch vor

So ganz neu ist die Masche ja nun nicht mehr. In der losen Reihe „Asterix auf Ruhrdeutsch“ liegt jetzt bereits der vierte Band vor. Und? Wie isser?

Asterix® - Obelix® - Idefix® / © 2018 Les Éditions Albert René

Die Titelseite des neuen Bandes (Asterix® – Obelix® – Idefix® / © 2018 Les Éditions Albert René)

In praktisch jedem deutschen und nachbarlich artverwandten Zungenschlag (CH / Ö) sind Abenteuer der unbeugsamen Gallier Asterix und Obelix inzwischen greifbar – von Alemannisch und Badisch bis Westfälisch und Wienerisch. Wenn ich richtig gezählt habe, sind 31 Dialekte und Mundarten auf dem Markt.

Kabarettist und Comedian Hennes Bender (von Haus aus Bochumer) hat den neuen Band ziemlich stilsicher in die gar nicht so einheitliche Mundart des Reviers übertragen. Das Werk trägt den trefflichen Titel – äh, ich komm‘ gleich drauf, öööhm, ach ja: „Dingenskirchen“. Wobei es ja eigentlich „Dingenskiachen“ heißen müsste. Heiß‘ ja au Doatmund, woll?

Abba getz ma ährlich: Der Zwang, jedes Wort und jeden Satz auf möglichst kerniges Ruhrdeutsch zu trimmen, strapaziert auf Dauer das Gemüt. Ja hömma, kannze von ausgeh’n.

Die geradezu visionäre, damals auf Pariser Bauwut bezogene Originalgeschichte von Albert Uderzo und René Goscinny hieß seinerzeit auf Deutsch „Die Trabantenstadt“. In der Revier-Version verteidigen die schier unbesiegbaren Ruhris (alias Gallier) mit List und Tücke, aber auch mit kräftigen Hieben ihre liebliche grüne Naturidylle gegen die Römer, die hier einen lukrativen Freizeitpark hinwuchten und überhaupt allerhand Bausünden mitsamt Wohnghettos sowie kommerzieller Touristenmeile anhäufen wollen.

Man mag sich freihändig aussuchen, für wen die Römer in diesem Falle stehen könnten. Internationales Großkapital? Dessen Ableger in der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf? Mh. Mal drüber schlafen. Auf jeden Fall gilt unverbrüchlich: „Voll panne, die Römers…“

Der Architekt und Planer, der in Cäsars Namen antritt, nennt sich Gentrifikatius, Cäsar selbst faselt „Lass uns Rom wieder großartig machen!“ Kommt einem irgendwie bekannt vor… Doch natürlich haben sie und die allzeit tumben römischen Legionen keine Chance, das Ruhrgebiet mit ihrem neoliberalen „Dingenskirchen“-Projekt (verlogener Slogan: „Leben wie Gott im Pott“) zu versauen. Kaum haben die Tagelöhner, die für die Römer schuften, einige Bäume für den ersten Bauabschnitt gefällt, so stehen diese anderntags wieder in voller Pracht da – dank Zaubersamen vom Magier Miraculix. Und man denke nur: Nachher wollen die Malocher auch noch einen Tarifvertrag mit Mindestlohn samt XXXV-Stunden-Woche haben. Boah, glaubsse, ey! Unerhört. Oder im O-Ton: „Alaahm! Die Werktätigen mucken auf!“

Auszug aus Seite 7 von "Asterix - Dingenskirchen" (Asterix® - Obelix® - Idefix® / © 2018 Les Éditions Albert René)

Auszug aus Seite 7 von „Asterix – Dingenskirchen“ (Asterix® – Obelix® – Idefix® / © 2018 Les Éditions Albert René)

Es folgen ein paar zufällig eingesammelte Kostproben aus den Sprechblassen. Stellt euch das alles in Versalien, also in durchgehenden Großbuchstaben vor; wie denn überhaupt Graphik und Schriftbild den Wortlaut entscheidend mitprägen. Klar, es ist ja schließlich ein Comic. Und da tönt es im Soundtrack beispielsweise so:

„Mein lieba Herr Gesangsverein! Getz wird hia abba ma sowwat von maloocht!“

„Machi nämmi auh! Wirsse schon sehn, ey!“

„Kumma, watti noh inna Buxe hab!“

„Dat hamma gleih. Die Dingers bitte einmal inne Löchers pfeffern!“

„Kommt ma alle lecka bei mich bei!“

Im Glossar am Ende werden schließlich noch einige Kernwörter erklärt, zum Exempel Butze, Fitsch, Fott, Hulle, Kasalla, Kawenzmann, Kusselkopp, pölen, Spacko und Tinte am Füller. Weiße Bescheid.

Zwischendurch bringt Hennes Bender auch kleine Anspielungen auf Revier-Dönekes unter. So baut er etwa den legendären Dialog eines Schiris mit dem Fußball-Original Willi „Ente“ Lippens in die Story ein: „Ich verwarne Ihnen!“ – „Ich danke Sie!“ Hübsch auch manche Überleitungen, die den Fortgang der Erzählung zeitlich gliedern: „Derweil indess währntdessen“, „Watt späta“…

Das alles macht streckenweise richtig Spass (kurz gesprochen, nicht etwa Spaaaaß), erschöpft sich aber auch irgendwann. Mit 48 Seiten isses dann auch ers‘ mal widder genuch. Vorsichtige Frage: Isses möchlich, datt sich soche Frei-Schnauze-Comics übbahaupt ein wenig verbraucht haben? Nee? Na, dann ehmt nich‘. Kerlokiste.

„Dingenskirchen“ (Asterix auf Ruhrdeutsch, übbasetzt von Hennes Bender -ursprünglicher Titel „Die Trabantenstadt“). Egmont Comic Collection, 48 Seiten, fester Einband, 12 Euro.




„Ruhrdeutsch“ wird aufgewertet – Tagung in Duisburg

Von Bernd Berke

Duisburg. „Ruhrdeutsch“, von dem selbst hochkarätige Wissenschaftler noch nicht so recht sagen können, ob es sich dabei um einen Dialekt handelt oder nicht, ist Thema einer Fachtagung, die gestern an der Universität Duisburg begonnen hat. Noch nie war das Thema in dieser Intensität Gegenstand einer wissenschaftlichen Diskussion.

Der Duisburger Germanistik-Professor Arend Mihm, der der WR einige Thesen der Ruhr-Mundartforschung erläuterte, wird als Tagungsleiter zusammen mit neun Kollegen aus dem Revier, dem Rheinland und Heidelberg die hiesige Mundart analysieren. Ein Tagungsteilnehmer reist sogar aus Gent an.

Was andernorts schon vor etwa 100 Jahren unternommen wurde, nämlich eine eingehendere Beschäftigung mit dem jeweiligen Heimatdialekt, kam an der Ruhr nur schleppend in Gang. Grund: es gab bis in die 60er Jahre keine Universitäten in dieser Gegend, die sich des Idioms hätten annehmen können. Außerdem wurde „Ruhrdeutsch“, obgleich als Mischsprache schon näher am erstrebten Hochdeutschen als das vorher gängige südwestfälische „Holzschuhdeutsch“, von Anfang an vielfach als „Proletensprache“ verunglimpft. Bemerkenswert, daß dies innerhalb der Region sogar noch mehr der Fall ist als in anderer Landstrichen. Prof. Mihm zur WR: „Viele haben hier ein schlechtes Gewissen, wenn sie diese Sprache verwenden. Dabei tun sie es eigentlich gern.“ Selbst Studenten, des Hochdeutschen in der Regel mächtig, verfielen außerhalb der Seminare in heimische Diktion, denn „das vermittelt mehr Vertrautheit, Entspannung und Solidarität als formvollendete Hochsprache“.

Prof. Mihm tritt einer weitverbreiteten Meinung entgegen: „Ruhrdeutsch ist kaum von der polnischen Sprache beeinflußt worden“, dementiert er. Nur einzelne Wörter, wie etwa „Mottek“ (Hammer) hätten sich gehalten, „und auch die kennt heute nur noch jeder Zweite“. Die Zuwanderung aus dem Osten in der Industrialisierungsphase des 19., Jahrhunderts, zugleich Geburts-„Stunde“ der Revier-Sprache, habe kaum mehr Spracheinfluß gezeitigt als heute die Anwesenheit türkischer Gastarbeiter. Die polnischen Einwanderer seien im Gegenteil sehr rasch auf „Deutsch“ getrimmt worden. Es habe im letzten Jahrhundert eine „antipolnische Hysterie“ und rigorose „Germanisierungsprogramme“ gegeben.

Ohne Komplexe „Fahkahte“ sagen

Obwohl „Ruhrdeutsch“ erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit existiert, bildeten sich schon bald markante Unterschiede von Stadt zu Stadt heraus, ja, in den größeren Städten hat die Sprache am einen Ende sogar oft eine andere Färbung als am entgegengesetzten.

Die Duisburger Zusammenkunft soll dazu beitragen, daß Ruhrdeutsch aus seinem –verglichen mit anderen Mundarten – Mauerblümchen-Dasein herauskommt. Prof. Mihm: „Die Wissenschaft muß diese Sprachform endlich genau so ernst nehmen wie jeden anerkannten Dialekt.“ Auch für den Deutsch-Unterricht ergäben sich aus dieser Aufwertung Konsequenzen: Zwar bleibe das Erlernen des Hochdeutschen weiterhin Ziel der pädagogischen Anstrengungen, doch solle „kein Schüler Komplexe bekommen, weil er ,Fahkahte‘ statt ,Fahrkarte‘ sagt“. Das täten nämlich praktisch alle Leute, die hier länger wohnen. Solange die Rechtschreibung dadurch nicht heillos durcheinander gerate, könne man ruhig beim mündlichen Ruhrdeutsch bleiben.

Von der Expertentagung soll auch die Öffentlichkeit etwas haben. Zwar wollen die Gelehrten beim Kolloquium unter sich bleiben, doch findet heute Abend, 20 Uhr, in der Duisburger Stadtbibliothek (Düsseldorfer Straße 5) eine Podiumsdiskussion statt. Neben Prof. Mihm nehmen der Mundart-Schriftsteller Ernst Frank sowie Presse- und Rundfunkvertreter daran teil.