Oh Umweltsau, du darfst nicht einfach von uns gehen!

Lange nichts mehr von unserer alten „Umweltsau“ gehört. Schon seit einem halben Tag herrscht Funkstille. Das darf nicht sein. Die Sache muss weiter köcheln. Schlagergerecht trällern wir: Liebe, liebgewordene Umweltsau, du darfst nicht so einfach von uns gehen! Daher hier noch ein paar nachgereichte Fragen – gleichsam zur Überbrückung:

 

Rein zufällig vor zwei Tagen fotografiert. Dabei können die armen Tiere nun wirklich nichts dafür... (Foto: Bernd Berke)

Zufällig vor zwei Tagen fotografiert. Dabei können die armen Tiere wirklich nichts dafür… (Foto: Bernd Berke)

Muss man sich, nur weil AfD-Leute und Konsorten einmal ansatzweise oder halbwegs recht haben könnten, partout auf die Gegenmeinung versteifen? Darf man das Liedchen gar nicht mehr kritisch sehen, weil man dann Beifall von der falschen Seite bekommen könnte? Ist gar schon ein halber Nazi, wer da nicht hämisch mitsingen möchte? Entscheidet sich eigentlich an der imaginären Gesamt-Oma das Schicksal der Nation?

Verfahren die WDR-Redakteure und die freien Mitarbeiter, die gegen die Distanzierung des Intendanten Tom Buhrow aufstehen, etwa nach der uralten Devise „Right or wrong – my country“? Kommt es hierbei nur darauf an, stur auf der „richtigen Seite“ zu stehen?

Muss man eine bloße unflätige Beschimpfung und Herabwürdigung, die zudem gründlich ihr Ziel verfehlt, als „Satire“ ausgeben? Was würde beispielsweise ein Kurt Tucholsky angesichts solch eines dürftigen Satire-Anspruchs sagen?

Hat sich die ganze Sache schon von selbst erledigt, indem man mit dem „Basta!“-Gestus immerzu „Satire darf alles!“ ausruft? Sind bereits Zweifel verpönt?

Sind die durchschnittlichen deutschen – mitsamt den zugewanderten – Omas eigentlich so (über)mächtig, dass man sie dermaßen brachial attackieren muss?

Geht es hier gegen eines bestimmte, hochprivilegierte Sorte von Großmüttern oder nicht vielmehr doch gegen eine ganze Generation? Konnten die Kinder wirklich begreifen, was sie da singen sollten?

Wäre es möglich, dass viele Omas (was ist eigentlich mit den Opas, werden die nur noch lustig, lustig mit ihren Rollatoren überfahren?) beispielsweise von Kleinstrenten leben und/oder der „Fridays for Future“-Bewegung ausgesprochen wohlgesonnen sind? Ach so, die wären gar nicht gemeint gewesen?

Würde man es auch als köstliche Satire ansehen, wenn jemand ein dämliches Spottlied auf junge Klima-„Aktivisten“ sänge, in dem diese als selbstgerechte Ferkel vorkämen?

Hat der Leiter des Dortmunder WDR-Kinderchores eigentlich während der gesamten Proben nicht bemerkt, was er da proben ließ? Hat er mal wieder nur auf die Reinheit der Töne und nicht auf den Text geachtet? Überhaupt: Hat man im Vorfeld je über Form und Inhalte diskutiert? Oder wurde die Witzischkeit halt verfügt und verordnet?

Andererseits: Hat WDR-Chef Tom Buhrow, der eh noch nicht als souveräner Intendant des größten ARD-Senders aufgefallen ist, die in diesem Falle Programm-Verantwortlichen nicht gar zu sehr bloßgestellt? Wollte er seine Untergebenen in einer gutsherrlichen Art strammstehen lassen, als wären sie nicht auch seine Schutzbefohlenen? Hat er sie damit gar dem Zorn des Mobs ausgeliefert?

War es wirklich nötig, die Aufnahme zu löschen? Hält man die Leute für zu blöd, sich eine eigene Meinung bilden zu können?

Jedoch: Was ist das für eine gespaltene Gesellschaft, in der sich an einem solchen Liedchen eine schier endlose Debatte mit härtesten Fronten entzündet?

Und natürlich: Was sind das für kranke Gestalten, die derlei Fragen mit vorgestanzten Hassparolen und Morddrohungen abhandeln wollen?

Wir schließen einstweilen rituell mit Bert Brecht: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“




Spott über Promis, Herrschende, Wundergläubige, über alles und jedes – Die Herren Gsella, Rohm und Booß legen los

So. Jetzt verderb‘ ich’s mir mal wieder mit ein paar Leuten. Wie das? Nun, gleich drei staunenswert produktive Herren haben jüngst neue Bücher herausgebracht. Mit zweien bin ich per Facebook virtuell verbunden, den dritten kenne ich aus beruflichen Zusammenhängen persönlich. Und jetzt schicke ich mich an, die Neuerscheinungen kurz vorzustellen. Oha!

Gegenstücke zur polizeilichen Maßnahme

Naja, alles halb so wild. Der erste Kandidat ist vielleicht der prominenteste (wusch, sind die beiden anderen schon vergrätzt…), er heißt Thomas Gsella und kann Gedichte reimen, bis die Schwarte kracht – wie nur je eine literarische Rampensau. Sein neuer Band trägt den quasi amtlichen Titel „Personenkontrolle“ und spießt vor allem Promis jeder Couleur auf die Gabel. So ziemlich in jedem Gedicht gibt’s eine überraschende Volte, die geeignet ist, befreiendes Gelächter auszulösen. Das muss man erst mal zuwege bringen.

Während die Personenkontrolle sonst eine polizeiliche Maßnahme ist, die sich oft genug (meist / immer) gegen die ohnehin Beherrschten wendet, richtet Gsella das verbal geschärfte Instrumentarium vornehmlich gegen Herrschende und/oder Begüterte. Seit dem Frühjahr 2013 verfolgt er das Projekt auf der Humorseite des „Stern“, im selben Jahr setzt auch das Buch ein. Der neueste Text in diesem Kompendium stammt von 2019.

Zu allermeist stehen die lyrischen Interventionen unter dem guten alten Sarkasmus-Motto „Warum sachlich, wenn’s auch persönlich geht?“ Nur mal ein kleines Beispiel unter der Überschrift „Weltfußballverband“, mal nicht einer einzelnen Person zugeeignet:

Du bist schon völlig unten und
Willst gerne noch viel tiefa?
Dann schule um auf Lumpenhund
Und gehe in die Fifa!

Du korrumpierst gern exzessiv
Auf Superluxusreisen?
Dann mache deinen Meisterbrief
Bei geisteskranken Greisen!

Na, und so giftig weiter. Aus Urheberrechtsgründen wollen wir hier nicht seitenweise zitieren. Wie bitte? Ja, gewiss, das ist kein Goethe, kein Rilke und kein Hölderlin – und will es natürlich auch gar nicht sein. Da scheppert so mancher Reim bis nah an die Schmerzgrenze, doch Gsella lässt sich eben sehr gezielt aus der Kurve tragen und kann notfalls auch gar zierliche Verse klöppeln. Letztlich beherrscht er souverän die Mittel, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen, die auf möglichst entlarvende Komik hinausläuft. Und darauf kommt es an.

Thomas Gsella: „Personenkontrolle. Leute von heute in lichten Gedichten“. Verlag Antje Kunstmann. 192 Seiten. 16 €.

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Bis kein Wort mehr verlässlich ist

Auf seine Art nicht minder kreativ ist der aus der beschaulichen Domstadt Fulda stammende Guido Rohm. Doch er hat nichts „Provinzielles“ an sich. Diesem funkelnden, irrlichternden Geist ist nichts, aber auch gar nichts „heilig“.

Vor allem scheint dieser Wort-Kobold nichts ernst nehmen zu können. Auch die seinem Buch beigegebenen Allgemeinen Lesebestimmungen (ALB) und selbst die Angabe zu Satz und Druck („Gesetzt aus der Vollkorn von…“) zeugen davon.

In seinem neuen Band „Tyrannei in Senfsoße“ versammelt er abermals zahllose ultrakurze Dialog-Szenen, die sich allemal rasch in schiere Absurdität und Widersinnigkeit fräsen. Seine grotesk typisierten Personen verrennen sich immerzu in den Untiefen von Missverständnissen, verheddern sich in den Fallstricken der Logik – bis kein Wort mehr seine herkömmliche, verlässliche Bedeutung behält und kein Vorgang mehr von „Vernunft“ angekränkelt ist.

Bei Facebook kann man tagtäglich in nuce beobachten, wie solche Dramolette (oder wie soll man das Genre nennen?) entstehen, Guido Rohm kann immer wieder aus einem Füllhorn verrückter Einfälle schöpfen und bringt es sozusagen auf einen gehörigen „Ausstoß“. Die Resultate sind häufig so „abgedreht“, dass man die Lektüre in Buchform füglich rationieren sollte. Mal hier ein paar Stückchen, mal da ein paar Bröckchen. So ist’s recht und bekömmlich.

Doch fragt man sich auf Dauer, ob Rohm unentwegt bei solchen (gekonnt und geradezu routiniert ausgeführten) Etüden bleiben möchte – oder ob er sich eines Tages anderen Formen und Inhalten zuwendet. Nein, von ihm ist wohl nicht der – Trrrrremolo-Stimme – grrrroße Roman zum Stand der Dinge zu erwarten; vielleicht aber ein ausgemachtes Schelmenstück etwas weiteren Zuschnitts. Darf man hoffen?

Guido Rohm: „Tyrannei in Senfsoße. Texte für stille und laute Örtchen“. Schräg Verlag (in 86949 Windach), 260 Seiten, Taschenbuch, 13,91 € (sic!). Vertrieb vor allem über den Verlagsshop.

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Was die menschliche Torheit vermag

Rutger Booß hat bis vor ein paar Jahren den von ihm gegründeten Grafit-Verlag in Dortmund betrieben, der sich vor allem mit Regionalkrimis hervortun konnte. Inzwischen frönt er schreibend ganz anderen Vorlieben.

Vor einiger Zeit hatte er ein streckenweise hundsgemeines Ulk-Buch über Rentner („Immer diese Senioren!“) vorgelegt, jetzt macht er sich über Wunder- und Aberglauben so mancher Sorte lustig. Der Mensch hat halt so seine Steckenpferde.

Man sollte denken, dass sich das Thema „Wunderglaube“ weitgehend erledigt hat, doch in Zeiten von Verschwörungstheorien und Fake News wackelt generell das Gerüst der einst so mühsam errungenen Aufklärung.

Und so sammelt Booß unter dem spöttischen Titel „Wer’s glaubt, ist selig“ unverdrossen Beispiele für „Wunder“ in Religion, Politik und Fußball – Bereiche, die eben besonders anfällig für allerlei Zinnober sind.

Man mag einwenden, dass derlei Unternehmungen auch etwas Wohlfeiles an sich haben. Egal, hin und wieder schaut doch mancher Spaß heraus. Jedenfalls für notorische Skeptiker, die hier reichlich Material über die menschliche Torheit der wesentlichen Epochen vorfinden. Das irrwitzige Spektrum reicht von der göttlichen Vorhaut über Nostradamus bis zum fliegenden Spaghettimonster.

Und der Effekt? Nach dieser Lektüre traut man sich kaum noch, irgend etwas zu glauben…

Rutger Booß: „Wer’s glaubt, ist selig! Eine kurze Geschichte der Wunder und warum wir an sie glauben“. Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, 280 Seiten, Paperback, 12,99 €.

 




Heute Außenseiter, morgen Hoffnungsträger: Tuomas Kyrös Roman „Bettler und Hase“

Wenn eine Geschichte von einem rumänischen Roma als Hauptfigur handelt, der sein Land verlässt, um in der Ferne sein Glück zu versuchen, dann scheint der Ablauf schon irgendwie programmiert zu sein. Der Emigrant wird sich schwer tun, womöglich scheitern und am Ende auf der Verliererstraße landen.

Doch Vatanescu ist da doch von ganz anderem Schlag, was natürlich daran liegt, dass sein Erschaffer, der finnische Autor Tuomas Kyrö, hintersinnig, ironisch und zugleich humorvoll zu erzählen weiß.

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Schon das Motiv, das den Roma bewegt, sich außer Landes zu begeben, scheint recht schräg zu sein, will er doch Geld verdienen, um seinem Sohn Stollenschuhe kaufen zu können. Ob es denn da wohl nichts Wichtigeres gibt, als ausgerechnet einen solchen Sportartikel, mag man sich als Leser fragen. Zumal der Preis, den Vatanescu schon zu Beginn des Abenteuers zu bezahlen hat, äußerst hoch ist, begibt er sich doch in die Fänge der russischen Mafia. Nur die verspricht ihm, in ein gelobtes Land des Westens zu gelangen.

Der Roma findet sich schließlich in der finnischen Hauptstadt Helsinki wieder und zwar in einer Behausung, die ihm ein Drogen- und Menschenhändler zuweist. Doch Vatanescu wäre nicht Vatanescu, wenn er sich mit seinem Schicksal einfach abfinden würde. Ihm gelingt es auszubüxen. Damit aber noch nicht genug: Jener Igor, der ihn in einem Wohnwagen eingepfercht hatte, soll seines Lebens nicht mehr froh werden, war doch die Flucht eines gewissen Roma aus Rumänien ein Fanal für viele andere, die unter Igors Knute standen, dem Beispiel zu folgen.

Für Vatanescu beginnt eine Zeit des Vagabundierens, in der er Finnland von ganz anderen Seiten kennenlernen soll. Er trifft auf vietnamesische Einwanderer, die ein Restaurant eröffnet haben, auf einen glücklosen Magier und auf einen echten Haudegen, der ihn zum Saunieren einlädt. Doch wie sich Vatanescu auch drehen und wenden mag, seine neue Heimat will ihm doch fremd bleiben – bis er irgendwann zu spüren meint, was den gemeinen Finnen wohl am ehesten antreibt, nämlich die eigene Schaffenskraft, die tägliche Arbeit.

Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf gewinnt er erst das Vertrauen eines Vertrauten des Ministerpräsidenten und schließlich das des Politikers selbst, der längst amtsmüde geworden ist. Und urplötzlich ist dem Einwanderer Vatanescu der Durchmarsch gelungen, gilt er doch fortan als „Thronfolger“ in einer politischen Gruppierung, die den schönen Namen trägt „Partei der gewöhnlichen Menschen“. Einen politischen Hoffnungsträger zeichnet vor allem aus, dass er neu ist und Schläue mit sich bringt, von Wissen oder Sachverstand spricht Autor Tuomas Kyrö eher nicht.

Das Buch lebt von kuriosen Szenen. Zu ihnen gehört der Moment, als der Rumäne seinen Begleiter findet. Er rettet einem Hasen, der von mehreren Jungen gejagt wird, das Leben, indem er ihn in seine Jacke springen lässt. Vatanescu weiß zu dem Zeitpunkt schon, was es heißt, auf der Flucht zu sein. Von brillanter Situationskomik geprägt ist die Passage, als er einem Arbeitsvermittler gegenübersitzt und plötzlich sein Hase, den er versteckt hält, loshoppeln will. Einem Büromenschen können da schon mal mehr als nur die Gesichtszüge entgleiten.

Gerade in der Debatte um Sinti und Roma kann das Buch von Tuomas Kyrö zu neuen Denkansätzen beitragen, werden doch Klischees und gesellschaftliche Normen amüsant und erfrischend hinterfragt.

Tuomas Kyrö: „Bettler und Hase“. Roman. Verlag Hoffmann und Campe, 320 Seiten, 19,99 Euro.




Gallige Spielart der Satire – „Scheibenwischer“ zur Raketenstationierung

Von Bernd Berke

Harte Zeiten für Satire. Das Grauen, das derRaketenstationierung folgen könnte, übersteigt die Phantasie. So blieb auch der „Scheibenwischer“ (Traumbesetzung Hildebrandt, Polt, Schneeberger) über weite Strecken nur der Rückgriff auf „Real-Satire“, etwa auf echte Zitate, die in ihrer Hirnrissigkeit für sich sprechen müßten, ohne daß zusätzliche Pointierung vonnöten wäre. Beispiel: Verteidigungsminister Wörners denkwürdige Einlassung, bundesdeutsche Christen würden „das Überleben verabsolutieren“, es also zu wichtig nehmen.

Feingesponnene Satire ist dem drohenden atomaren Holocaust nicht angemessen. Die gallig-makabre Spielart der Entlarvung stand daher diesmal im Vordergrund. Verbitterung über die Zeitläufte ließ wenig Raum für ausgesprochen „brillante“ Passagen. Hildebrandts Start-Solo machte denn auch eher seine Betroffenheit sichtbar. Gelöster wirkte er nur, als es um die Person des Kanzlers ging, welcher sich seit einem Jahr über denselben Witz freue – nämlich über seine Kanzlerschaft. Der tiefere Sinn und Zweck des von Gisela Schneeberger arrangierten „Essens für den Frieden“ mußte schon mächtig hervorgekitzelt werden.

Dennoch zwei Höhepunkte gegen Schluß der Live-Sendung: Hildebrandts „vertraulicher“ Appell an den DDR-Minister für Staatssicherheit, Otto Mielke, eine deutsch-deutsche Verbrüderung zuzulassen, auf daß die Supermächte nicht mehr wüßten, wohin zielen mit ihren Raketen. Nochmals eine Steigerung Gerhard Polts „auf-intensive Langzeitbeobachtung“ gestützter Vortrag darüber, wes Geistes denn nun eigentlich „der Russe“ sei. Fazit: Ein Mensch wie du und ich, der im Winter (man denke!) einen Mantel überstreift und sich selig über den Kinderwagen beugt, um dem Nachwuchs zuzulächeln.