Sonderbare Vorfälle: Wie ich einmal Zeuge und beinahe Parteimitglied wurde

Also, das muss ich euch jetzt erzählen:

Da macht man ganz arglos Urlaub auf Rügen, bucht und bezahlt eine Schiffsfahrt entlang der berühmten Kreidefelsen. Was man da oben halt so treibt. Alles ganz normal und hundsgewöhnlich.

Doch was passiert? Der Käpt’n des Bootes, das wir ausgesucht haben, wird hochnotpeinlich von zwei (bewaffneten) Beamten der Wasserschutzpolizei verhört. Nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass er die Fahrt nicht antreten darf. Also doch wieder runter von Bord. Wie sagt der Jurist so schön: entgangene Urlaubsfreude. Naja, wir haben dann halt ein anderes Schiff genommen.

Der Leuchtturm von Sassnitz kann doch auch nichts dafür... (Foto: Bernd Berke)

Der Leuchtturm von Sassnitz kann doch auch nichts dafür… (Foto: Bernd Berke)

Weiß der Geier, aber es ging wohl darum, ob der Schiffsführer eine handelsübliche Ausflugsfahrt oder einen Trip mit Angelmöglichkeit angeboten hat. Probleme mit der Lizenz offenbar. Jetzt stehe ich jedenfalls auf der Zeugenliste und muss eine schriftliche Aussage liefern. Ha, ich bin ja so wichtig. Zeuge der Anklage. Großes Drama. „Einspruch, Euer Ehren!“ Hihi.

Vor Gericht und auf hoher See

Wer hätte gedacht, wie schnell man in Konflikte der christlichen Seefahrt verwickelt werden kann? Aber psssst! Mehr kann ich nicht verraten, es ist ein schwebendes Verfahren. Und man weiß ja: Vor Gericht und auf hoher See sind wir alle in Gottes Hand.

Nur noch dies: Den Fahrpreis haben wir anstandslos zurück erhalten. Die Schiffsbetreiber schimpften dabei wie die Kesselflicker. Sie wähnten sich als Opfer einer Denunziation durch die Konkurrenz. „Ausgerechnet die! Die nehmen doch oft viel zu viele Passagiere an Bord. Mehr als sie dürfen.“ Na, und so weiter.

Sind wir da etwa zwischen die Fronten mafioser Strukturen geraten? Oder ist es nur eine Ausprägung des ganz gewöhnlichen, kleinlichen Futterneids?

Nur ein paar abendliche Klicks

Damit nicht genug. Ein paar Tage später wäre mir beinahe eine ziemliche Dummheit unterlaufen. Um ein Haar wäre ich Mitglied einer Partei geworden. Welche das war? Das wollt ihr gar nicht wissen. Ich habe ja auch gerade noch die Kurve in Richtung immerwährender Neutralität genommen. Noch nie bin ich in einer Partei gewesen. Und das soll auch so bleiben.

Aber ihr kennt das. Man sitzt abends am PC, schlürft vielleicht ein oder zwei Rotweinchen, surft umher, liest dies und das. Auf einmal bildet man sich ein, man müsse sich in diesen Zeitläuften denn doch (parteipolitisch) engagieren und schlägt im Netz einen entsprechenden Pfad ein. Dann braucht es nur noch ein schwaches Viertelstündchen und ein paar weitere Klicks, um eine Mitgliedschaft zu beantragen. So einfach, als würde man online ein Buch oder eine CD bestellen. Ich sag’s euch.

Ihr kriegt mich nicht

Alsbald kamen bereits Antwort-Mails, in denen ich herzlichst als neues Mitglied begrüßt wurde. Das Aufnahme-Prozedere werde freilich noch ein paar Wochen dauern. Gut so.

Denn anderntags rieb ich mir die Augen. Was hatte ich getan? Flugs schrieb ich dem Ortsvorsitzenden, der mir als Kontakperson benannt worden war, eine Absage. Ich sei doch nicht genügend überzeugt, um mich aktiv z. B. in Wahlkämpfe einzubringen. Ergo: Rückzug des Aufnahme-Antrags. Sorry. Bin mal gespannt, ob da noch eine beschwichtigende Antwort mit leutseligem Umarmungsversuch folgt. Aber ihr kriegt mich nicht.

Wo zum Teufel der Zusammenhang zwischen beiden Vorfällen zu suchen sei, fragt ihr? Weiß ich doch nicht. Aber es wird schon einen geben. Es hängt doch alles mit allem zusammen.

Nachtrag am 20. September 2016

Es kam, wie es kommen musste. Mit dem Ausdruck des Bedauerns nahm ein regionaler Repräsentant jener Partei zur Kenntnis, dass ich den Antrag auf Mitgliedschaft doch noch zurückgezogen hatte. Ich solle halt einfach mal so vorbeikommen. Ganz unverbindlich. Damit hielt ich die Angelegenheit für erledigt.

Ein paar Wochen später folgte gestern die Überraschung. Derselbe Mann gratulierte mir herzlich zur Aufnahme in seine Partei. Eine eigens für Neumitglieder zuständige Dame werde Kontakt zu mir aufnehmen. Diese meldete sich auch schon fast im gleichen Atemzug, wobei sie – gleichsam als Willkommensgruß – gleich mal meinen Namen falsch schrieb.

Missverständnis. Bedauerliches Versehen. Mitarbeiter erkrankt. Die Ausflüchte waren die üblichen.

Soll ich jetzt Rückschlüsse auf die Parteiarbeit ziehen?

 




Kosmos Nordsee – Bilder des Norderneyer Malers Poppe Folkerts in Haus Opherdicke

Die Segel leuchtend oder strahlend weiß, manchmal mit einem zarten Stich ins Rosa; der Himmel so blau wie gerade aus der Tube gequetscht, ebenso die glatte See: von der Farbigkeit her müßte das das Mittelmeer sein, mindestens. Oder die Karibik. Doch da hat Poppe Folkerts nicht oft gemalt. Das so hemmungslos leuchtende Bild entstand 1934 auf Norderney und zeigt den Hafen der Insel, genauer: seine Segelyacht „Senta“ bei der Einfahrt in denselben. Offensichtlich liebte der Maler, dem Haus Opherdicke jetzt eine Ausstellung widmet, die schönen Sommertage ganz besonders.

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Morgenstimmung, 1938, Öl auf Leinwand. Bild: Poppe-Folkerts-Stiftung/Kreis Unna

Immer wieder setzt Poppe Folkerts dem bleiernen Modersohn-Grau des tiefen norddeutschen Himmels ein mehr oder minder leichtes, stets aber intensives Blau in zahlreichen Helligkeiten und Durchmischungen entgegen. Meistens sind Lichter beherrschender als Schatten, und sicherlich offenbart sich in dieser optimistischen Sicht- und Malweise viel von der Lebenshaltung des Künstlers. 1875 auf Norderney geboren, absolvierte er auf dem Festland Schule, Glaserlehre und schließlich eine Ausbildung an der Königlichen Berliner Akademie, um 1900 zur Insel zurückzukehren und bis zu seinem Tod im Jahr 1949 dort zu leben, allen historischen Katastrophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Trotz.

Allerdings lebte er nicht als Einsiedler, sondern unternahm zahlreiche Reisen mit Familie ins In- und Ausland. Doch Lebensmittelpunkt wurde und blieb der „Malerturm“, den sich Folkerts 1917 am Nordwestrand seiner Heimatinsel baute. Meer und Menschen, Boote, Strand und Land waren sein überwiegend heiter wahrgenommener Kosmos. Lediglich die Seenotretter in ihren fragilen Ruderbooten legen sich vor düsterem Himmel in die Riemen, was in gewisser Weise ja auch zwingend ist.

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Frauke, 1926, Öl auf Holz. Bild:-Poppe Folkerts-Stiftung/Kreis Unna

Poppe Folkerts stammt aus jener Zeit, in der der Impressionismus dem peniblen naturalistischen Akademiestil – beispielsweise der Düsseldorfer Schule – den malerischen Alleinvertretungsanspruch streitig machte. Es galt, Stellung zu beziehen, und die oft großformatigen Werke im Opherdicker Wasserschlößchen lassen früh erkennen, wie sich Folkerts in dieser Auseinandersetzung moderat positionierte.

Dinge und Menschen bleiben deutlich identifizierbar. „Modern, aber nicht übertrieben“ hätte man diesen Stil in den restaurativen 50er Jahren vielleicht genannt. Daß Meer und Himmel dabei deutlicher als alles andere impressionistischer Darstellung anheimfallen, liegt nahe. Möglicherweise wirkte auch der Wunsch, ab und zu ein Bild an Norderney-Besucher zu verkaufen, stilbildend. Aus heutiger Sicht ist es müßig, zu fragen, wie „mutig“ der Künstler mit seiner Kunst in seiner Zeit war; denn was trotz einer gewissen Gefälligkeit ganz unbestreitbar bleibt, ist die große Ausdrucksstärke, zumal die der Seestücke und Landschaften.

In der Kaiserzeit meldete sich der Künstler freiwillig – mit 39 Jahren war er 1914 für den Militärdienst wohl schon zu alt – als Kriegsmaler. Ein Raum ist in Opherdicke Gemälden von militärischen Aktionen gewidmet, und es fällt auf, daß sie relativ unpathetisch gerieten. Gewiß gehören diese Bilder nicht zum Stärksten der Schau, doch macht ihre stets um formale Ehrlichkeit bemühte Ernsthaftigkeit verständlich, warum Poppe Folkerts nach dem verlorenen Krieg eben nicht als hurrapatriotischer Schlachtenmaler „verbrannt“ war, sondern weiter arbeiten konnte und geachtet blieb.

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Schillbögeln, 1928, Federzeichnung. Bild: Poppe-Folkerts-Stiftung/Kreis Unna

In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, die für Norderney hart waren, da der Tourismus daniederlag, erwarb sich Poppe Folkerts wachsende Verdienste um das Gemeinwohl. Zu den originellsten, wenn auch nicht unbedingt größten Verdiensten gehörte gewiß, wie Hayo Moroni von der Norderneyer Folkerts-Stiftung launig zu berichten weiß, in jener Zeit die Scheine des Notgeldes und das Inselwappen gestaltet zu haben.

Die Nazis mochte er nicht, aber sie ließen ihn in Ruhe. Als er am 31. Dezember 1949 stirbt, ist der Trauerzug lang; und obwohl es eigentlich verboten ist, bekommt er die gewünschte Seebestattung, im schweren Eichensarg im Tiefwasser vor Norderney.

Mehr als 90 Arbeiten von Poppe Folkerts sind ab Sonntag (bis 22. Februar 2015) in Haus Opherdicke zu sehen – neben den Ölgemälden auch sehr bemerkenswerte Kreidezeichnungen und Radierungen. Leihgeber sind vor allem die Poppe-Folkerts-Stiftung auf Norderney, das Ostfriesische Landesmuseum in Emden, einige Privatpersonen und nicht zuletzt die Reederei Norden Frisia, deren Fährschiffe oft zu Motiven wurden.

„Poppe Folkerts – Zwischen Himmel und Meer“. 31. August 2014 bis 22. Februar 2015. Haus Opherdicke, Holzwickede, Dorfstraße 29. Geöffnet Di-So 10:30 bis 17:30 Uhr. Eintritt 4 €. Empfehlenswerter Katalog 24 €

www.kreis-unna.de, www.kulturkreis-unna.de