Acht Städte zwischen Rhein und Ruhr zeigen zeitgenössische Kunst aus China

Warum, beginnen wir den Aufsatz ruhig ein bißchen ketzerisch, gibt der Bundeswirtschaftsminister wohl den Schirmherrn für diese Ausstellung? Ein Grund könnte sein, die Chinesen zu erfreuen und so die Wirtschaftsbeziehungen zu ihnen zu verbessern.

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„Big Woman and Little Man“ (2012) von Zhang-Xiaogang hängt jetzt in der Küppersmühle (Foto: Zhang Xiaogang/china8)

Das Interesse der Wirtschaft an diesem Ausstellungsprojekt ist jedenfalls erheblich, unter anderem sponsern Duisburger Hafen und Düsseldorfer Flughafen, Evonik Industries und Deutsche Bahn und last not least, qua Stiftungsauftrag dazu veranlaßt, die Brost-Stiftung.

Veranstalter der Mammutausstellung ist die Stiftung für Kunst und Kultur e.V. in Bonn, der Walter Smerling vorsteht, der in Personalunion auch die Duisburger Küppersmühle leitet. Der Eigenanteil der beteiligten Städte am Ausstellungsprojekt hingegen ist übersichtlich. „Das Projekt haben wir privat gehoben“, gibt Smerling selbstbewußt zu Protokoll.

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„The Night of Time Vivarium“ (2015) von Sun Xun ist im Hagener Osthaus-Museum zu sehen. (Foto: Sun Xun/china8)

Rund 500 Werke von 120 Künstlern

Nun ist es keineswegs verwerflich, wenn die Wirtschaft die Kunst fördert, und sei es die chinesische. Zu sehen also gibt es – viel. Rund 500 Werke von rund 120 Künstlerinnen und Künstlern in neun Museen in acht Städten. Küppersmühle und Lehmbruck in Duisburg, NRW-Forum in Düsseldorf, Folkwang in Essen, Kunsthalle Recklinghausen, Skulpturenmuseum Glaskasten Marl, Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr, Osthaus Museum Hagen und Kunstmuseum Gelsenkirchen.

Düsseldorf zeigt einen üppigen Querschnitt, die anderen Häuser haben sich spezialisiert. So widmet Essen sich der Fotografie, Recklinghausen setzt einen Schwerpunkt bei besonders jungen Positionen, die Küppersmühle bietet exklusive Vergleichsmöglichkeiten und präsentiert zu den zehn chinesischen Künstlern, „deren Entwicklung wir seit 20 Jahren intensiv verfolgen“, in etwa zeitgleich entstandene Werke der Herren Baselitz, Beuys, Götz, Kiefer, Lüpertz, Richter, Schultze und so fort. Sie entstammen der Sammlung Ströher, die Küppersmühle hat da einiges zu bieten.

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„Sidewalk“ (2014) – ein Tintenstrahlausdruck von Alfred Ko, jetzt in Essen zu bewundern. (Foto: Alfred Ko/china8)

Pioniertaten in Duisburg

Seit er das Haus im Duisburger Innenhafen leitet, hat Walter Smerling sich in Bezug auf chinesische Kunst zahlreiche Verdienste erworben. Lange Zeit war er der einzige, der in einem Museum (Galeristen waren da häufig schon weiter) chinesische Zeitgenossen breit präsentierte.

Wie es scheint, war Smerling unter den Museumsleuten auch die treibende Kraft für „China 8“, doch beansprucht er den Lorbeer nicht für sich allein. Dankbar erinnert er sich an einen Besuch bei Ferdinand Ullrich in der Recklinghäuser Kunsthalle vor etwa zwei Jahren, wo dieser „Kunst aus Beijing“ aus der Sammlung eines niederländischen Industriellen präsentierte, der ungenannt bleiben wollte. Viele der Werke hatte auch Smerling schon gezeigt, als sie noch nicht Teil jener niederländischen Sammlung waren. Da wurde gleiches Interesse spürbar; und so reiften erste Pläne für die China-Schau.

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„Appearance of Crosses“ (2007-10) von Ding Yi – jetzt in der Duisburger Küppersmühle. (Foto: Ding Yi/china8)

Warum kommt Ai Wei Wei nicht?

Kenner der Materie mögen mich geißeln, aber ich kann nicht behaupten, auch nur einen der präsentierten Künstler zu kennen – sicherlich eine Mißlichkeit, die durch ausgiebigen Ausstellungsbesuch behoben werden könnte.

Der einzige wirklich weltberühmte chinesische Künstler wäre wohl Ai Wei Wei, doch der wollte nicht teilnehmen. Man hatte ihn, beteuert Smerling, angefragt, und für diese Anfrage hatte es von den chinesischen Behörden grünes Licht gegeben.

Ai Wei Wei kommt angeblich also aufgrund einer persönlichen Entscheidung nicht. Was ihn so entscheiden ließ und ob Repression im Spiel war, unterliegt der Spekulation. Allerdings, so Smerling, sei ja auch bekannt, daß der regimekritische Künstler Gruppenausstellungen nicht liebe.

Was nun aber gibt es zu sehen? Viel Öl auf Leinwand, viel Acryl auf Leinwand, einige Videos, einige Installationen, gut plazierbares Skulpturales. Von den Formaten her fühlt man sich oft an die Art Cologne erinnert, wo (ganz anders als im zeitgenössischen deutschen Ausstellungsbetrieb mit seinen immer komplizierteren konzeptionellen Verschwurbelungen) solide Flachware dominiert, gut ins Wohnzimmer zu hängen. Gleiches gilt sinngemäß für die prominent präsentierbaren Skulpturen und Blumenvasen. Keine Experimente – allerdings sollten die Wohnzimmerwände eine gewisse Größe haben, um die ausladende Chinakunst aufzunehmen.

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Die Skulptur „Bang!“ (2002) von Xiang Jing ist 162 cm hoch und steht jetzt im Duisburger Lehmbruck-Museum. (Foto: Xiang Jing/china8)

China-Pop adé

Und inhaltlich? Verglichen mit den poppig bunten, oft auf sehr eindringliche Art gesellschaftskritischen Werken, die in den vergangenen Jahrzehnten bei uns zu sehen waren, ist die „China 8“-Kunst bedenklicher, bedeckter, kontemplativer, in gewisser Weise europäischer. Die Farbigkeit wirkt häufig zurückgenommen, gesellschaftskritische Botschaften sind zwar wahrzunehmen, dominieren aber nicht. Doch selbstverständlich sind Globalbewertungen wie diese immer schwierig. Das Schaffen von 120 Künstlerpersönlichkeiten läßt sich nicht seriös auf einen Punkt bringen.

Die Karte des Reviers, die die teilnehmenden Museen verzeichnet, weist im Raum Dortmund lediglich eine weiße Fläche auf. Wollten die nicht, konnten die nicht? Ferdinand Ullrich, der nicht nur die Recklinghäuser Kunsthalle leitet, sondern auch den Ruhr-Kunstmuseen vorsteht, in deren Kontext das China-Projekt entstand, kann es nicht erklären, findet den Umstand aber auch nicht sehr bedeutsam. Für ihn wurde andersherum ein Schuh daraus. Immerhin nehmen acht Häuser teil, das bewertet er als großen Erfolg.

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Das „New China Series Car No. 1“ (2009) von Ma Jun steht im Hagener Osthaus-Museum und ist aus Porzellan (Foto: Ma Jun/china8)

Daß die Dortmunder nicht mitgezogen haben, mag der personellen Situation geschuldet sein, dem Machtvakuum auf der Leitungsebene im Dortmunder „U“. Bekanntlich sucht man einen „Intendanten“ für das kompliziert strukturierte Haus, der wohl auch den derzeitigen Museumschef Kurt Wettengl beerben wird. Doch sind das einstweilen noch Spekulationen.

Weil aber Spekulieren so viel Freude bereitet, spekuliere ich noch etwas weiter und wage die nicht allzu mutige Prognose, daß die Menge der chinesischen Kunst auf dem Kunstmarkt in den nächsten Jahren enorm wachsen wird. Es gibt viel gelangweiltes Geld, das man im Austausch mit den Kunstwerken einsammeln kann. Zur Freude der Chinesen und ihrer deutschen Partner.

 

  • „China8“
  • 15. Mai bis 13. September 2015.
  • Neun Ausstellungen in acht Häusern
  • Duisburg: Küppersmühle und Lehmbruck-Museum
  • Düsseldorf: NRW-Forum in Düsseldorf
  • Essen: Folkwang-Museum
  • Recklinghausen: Kunsthalle
  • Marl: Skulpturenmuseum Glaskasten
  • Mülheim/Ruhr: Kunstmuseum
  • Hagen: Osthaus-Museum
  • Gelsenkirchen: Kunstmuseum
  • Öffnungszeiten und Eintrittspreise sind unterschiedlich.
  • An den Wochenenden verkehren kostenlose Bus-Shuttles zwischen den Museen.
  • Für die ganze Schau wird auch ein Kombi-Ticket zum Preis von 18 Euro (erm. 10 Euro) angeboten, mit dem in der gesamten Laufzeit des Projekts jede Ausstellung einmal besichtigt werden kann.



Schmuck mit Seele

Wie hat wohl die Urgeschichte der Skulptur begonnen, von welcher Art waren die frühesten Vor-Bilder? Prof. Christoph Brockhaus, Chef des Duisburger Lehmbruck-Museums, hat da eine plausibel klingende Vermutung: Amulette und magische Glücksbringer in Form von Schmuckstücken dürften von allem Anfang an gefertigt worden sein. Es birgt also seinen tieferen Sinn und Hintersinn, dass das auf Skulpturen spezialisierte Haus nun Schmuck zeigt, der von Bildhauern geschaffen wurde.

Brockhaus legt Wert auf trennscharfe Unterscheidung vom bloßen Schmuck-Design. Dabei stünden die gute (anzufügen wäre: meist eher gefällig geglättete) Form und handwerkliche Präzision im Vordergrund, während Künstler auch auf diesem Gebiet mit geistigem Anspruch antreten, zumeist auf Transzendenz aus sind und hierzu dem Material eine ureigene, möglichst unverwechselbare Handschrift aufprägen.

Manche dieser Prägemuster oder auch Markenzeichen erkennt man tatsächlich auf einen Blick, freilich wirken sie in der Schmuckform wie verfremdet. Günter Uecker treibt auch aus dem Schmuck Nägel hervor, als gelte es, stachlige Abwehr zu gewährleisten – vielleicht gegen bösen Zauber? Lucio Fontana, bekannt durch „geschlitzte“ Bilder, hat den Edelmetall-Flächen seines Schmucks gleichfalls solche Schnitte zugefügt. Louise Bourgeois hat eine Spinne zur Brosche geformt, die direkt aus einem Alptraum zu stammen scheint. Alexander Calders Armreife oder Halsbänder sind so filigran und wundersam beweglich wie seine sonstigen Werke. Man sagt nicht zu viel, wenn man feststellt: So manche dieser Schmuckstücke haben eine „Seele“, sie sind alles andere als Beiwerk.

Es geht bis in den Olymp der Kunst hinauf. Besonders zwei Namen bürgen für Gipfelglück: Pablo Picasso offenbart sich auch im Medium des Schmucks als der schier unendlich schöpferische Universalkünstler, der er nun einmal gewesen ist. Die goldenen Medaillons für seine Geliebte Francoise Gilot, versehen mit traumwandlerisch formsicher stilisierten Frauen-, Faun- oder Tier-Darstellungen, deuten wahrhaftig auf unvordenkliche Frühzeiten der Künste und der menschlichen Geschichte. Ähnlich nah an den magischen Ursprüngen bewegt sich Max Ernst mit gleichfalls in Gold getriebenen Miniatur-Masken, die als Anhänger dienten.

Die rund 185 skulpturalen Schmuckstücke, von Fall zu Fall ergänzt um Bildhauer- und Papier-Arbeiten der beteiligten Künstler, gehören überwiegend zur Sammlung von Diana Küppers aus Mülheim/Ruhr. Sie besitzt die wohl weltweit bedeutendste Kollektion von Bildhauerschmuck der Moderne. Seit 1978 hat sie ihre Schätze zusammengetragen, bisweilen im engen persönlichen Kontakt zu Künstlern wie etwa Gotthard Graubner (der auch hier seine Farbkissen-Formen aufgegriffen hat) oder Niki de Saint Phalle, deren Schmuck-Oeuvre natürlich auch (aber nicht nur) prallbunte „Nana“-Weibsgestalten aufleben lässt.

Die Duisburger Liste verzeichnet weitere Künstlernamen von höchstem Rang, beispielsweise: Hans Arp, Georges Braque, Eduardo Chillida, Jean Cocteau, Salvador Dali, Marcel Duchamp, Yves Klein, Roy Lichtenstein, Robert Rauschenberg (Brosche mit rostigem Metallfundstück), Man Ray, Frank Stella, Andy Warhol… Wer hätte gedacht, dass all diese Größen Schmuck hergestellt haben?

Oft handelt es sich um echte Unikate, die für Gefährtinnen entstanden sind. Auflagen dieser körperbezogenen Kunstwerke gab es allenfalls in geringer Stückzahl, um den Wert der Einzelobjekte nicht zu schmälern. Kunsthistorisch betritt man hier – so Christoph Brockhaus – „terra incognita“, denn der Schmuck ist meist nicht in den jeweiligen Werkverzeichnissen erfasst. Da schlummert also noch viel unerledigte Forschungsarbeit.

Von Picasso bis Warhol – Bildhauerschmuck der Avantgarde. Duisburg, Wilhelm Lehmbruck Museum, Düsseldorfer Str. 51 (Besucheradresse Friedrich-Wilhelm-Straße 40). Bis 14. Februar 2010. Geöffnet Di-Sa 11-17, So 10-18 Uhr, Mo geschlossen. Eintritt 6 Euro (ermäßigt 3 Euro), Familie 12 Euro. Katalog 25 Euro. Buchung von Führungen Tel.: 0203/283 21 95. Internet: www.lehmbruckmuseum.de