Wie die Medien unser Bild von Israel bestimmen – Ausstellung in der Alten Synagoge von Essen

Von Bernd Berke

Essen. Wir alle haben von Israel und den Juden lauter Zerrbilder aus den Medien im Kopf. So lautet jedenfalls die These einer Ausstellung der Alten Synagoge in Essen.

Vor allem zwei Magazine hat man zur Beweisführung ausgewertet, nämlich „Spiegel“ und „Stern“, die beide etliches zur Aufklärung über die Untaten der NS-Zeit beigetragen haben. Doch für diese Ausstellung hat man (nicht in Texten, sondern in der Bebilderung) ganz bewußt nach Defiziten und Fehlleistungen gesucht, die sich durch ihre Häufung seit den 50er Jahren zu Klischees verfestigt hätten. Tafeln mit vergrößerten Reproduktionen dienen als Beweisstücke.

In Deutschland lebende Juden kommen überhaupt selten in der Presse vor. Und wenn, dann nicht als „sie selbst“, wie die Ausstellungsmacher sagen, sondern fast nur in ihrer Rolle als Überlebende und (potentielle) Opfer, sozusagen als bloße Stellvertreter-Figuren historischer Erinnerung.

Anonyme und hilflose Menge

Bilder vom Holocaust zeigten Juden meist nur als anonyme und hilflose Masse, oder es würden Fotos von menschenleeren KZ-Anlagen, Zyklon-B-Behältern und ähnlich „abstrakten“ Gegenstände veröffentlicht. Indem sie dies tadelt, geht die Ausstellung vielleicht übers Ziel hinaus, denn man fragt sich natürlich, welche Alternative es bei der Bebilderung des Unbegreiflichen eigentlich geben könnte. Schließlich geht es ja um eine Massenvernichtung, bei der Einzelschicksale völlig mißachtet wurden. Trotzdem: Die Frage, ob wir womöglich unbewußt diese anonymisierende Sichtweise der Täter weiter mit uns herumschleppen, ist allemal eine Untersuchung wert.

Schlüssiger wird es in dem Teil der Ausstellung, der sich mit dem heutigen Israel befaßt. Da finden sich bedenkliche Verzerrungen, etwa wenn israelische Soldaten am liebsten mit der Waffe im Anschlag und vorzugsweise aus Froschperspektiven gezeigt werden. So wirken sie riesengroß und übermächtig. Naheliegender Gedanke: Israel sei ein militarisierter Staat, David längst ein Goliath. In Überschriften wird dazu oft und gern das biblische Rache-Klischee („Auge um Auge, Zahn um Zahn“) bemüht. Nur: Ein paar Körner Wahrheit enthalten solche (Sprach-)Bilder auch, sonst bekäme man die Fotomotive ja gar nicht.

Ferner soll die Ausstellung etwas zeigen, was wohl jedes Kind weiß: wie sehr nämlich eine Zeitung mit verschiedenen Bild-Unterschriften oder mit diversen Ausschnitten ein und dasselbe Foto ganz anders deuten kann. Zudem sind diese Möglichkeiten nicht spezifisch für das Thema Israel, man könnte sie anhand beliebiger anderer Probleme demonstrieren. Auch hier freilich der berechtigte Umwand: In Sachen Israel haben wir ganz besonderen Anlaß, auf menschenmöglich korrekte und angemessene Wiedergabe der Realitäten zu achten. Dafür schärft, ihren Schwächen zum Trotz, die Ausstellung den Sinn.

„Mit dem Gebetsmantel zum Gegenangriff – Juden im Bild der Bundesrepublik“. Alte Synagoge. Essen (Steeler Straße 29). Bis 11. Dezember 1994 (tägl. außer montags 10-18 Uhr). Katalog 19,80 DM.




Schocks und Lügen – Fotos aus 35 Kriegen

Von Bernd Berke

Siegen/Recklinghausen. K e i n Kunstgenuß erwartet die Besucher der Kunsthalle Recklinghausen und der Städtischen Galerie „Haus Seel“ in Siegen.

Gleichzeitig in beiden Häusern wird man jetzt mit schonungslosen Dokumenten menschlichen Leids konfrontiert: „Bilder vom Krieg“, eine vom Hamburger „Stern“-Magazin zusammengestellte Ausstellung mit 254 Schwarz-Weiß-Fotos, zeigt unfaßbare Szenen der Grausamkeit vom Amerikanisch-Mexikanischen Krieg (1848) bis zur Schlacht um Beirut (1982): US-Bürgerkrieg, Krimkrieg, Kolonialkriege, die beiden Weltkriege, Hiroshima, Korea- und Vietnamkrieg, Sinaikrieg und, und, und…

Der Schock, der sich unfehlbar einstellt, wenn man die Bilder aus über 130 Jahren und 35 verschiedenen Kriegen sieht, ist selbstverständlich beabsichtigt. Man kann die Ausstellung nur mit dem brennenden Wunsch „Nie wieder Krieg!“ verlassen.

Allerdings zeigen nicht all diese Bilder das wahre Gesicht des Krieges. Besonders in der Frühzeit der Fotografie nämlich gaben Schlachtenlenker die Parole „No dead bodies“ („Bloß keine Leichen“) aus, um dem Volk weiter den hehren Einsatz fürs Vaterland und siegreiches Heldentum vorgaukeln zu können.

Waren es zunächst naiv-idyllische Genre-Szenen, die man mit dem Fotoapparat herbeilog, so sollte die Illusionsmaschinerie bald zur Attacke übergehen: Regierende und Militärs erklärten die Arbeit des Kriegsfotografen zum kriegswichtigen „Wehrdienst mit der Kamera“ (man denkt unwillkürlich an den Ausdruck „ein Bild schießen“). Statt zerfetzter Leichen mußten also also z. B. stolzgeschwellte Veteranen des Krimkriegs oder auch eine pittoreske weiße Wolke vor dem Kanonenröhr abgelichtet werden, als diene der Gebrauch der Waffe einzig dem ästhetischen Vergnügen. Kriegslüstern jubelnde Soldaten und Zivilisten (Aufbruch in den 1. Weltkrieg), immer wieder von falscher Romantik triefende Bilder mit Soldatenbräuten oder zynischer Show-Glamour beim Auftritt von Front-Unterhaltern (z.B. Marilyn Monroe im Koreakrieg) gehören in verwandte Kategorien. Man erschrickt über die vielföltigen Möglichkeiten fotografischer Manipulation.

Wenn dennoch realistische Bilder gemacht wurden, bekamen die jeweiligen Zeitgenossen sie oft nicht zu Gesicht. Die Aufnahmen verschwanden in Archiven und wurden erst späteren Generationen zugänglich gemacht. In neuerer Zeit, so macht die Ausstellung deutlich, nahm die Ehrlichkeit (oder nur die Abgebrühtheit der Massenmedien und ihrer Konsumenten?) zu: Bei den schlimmsten Ereignisse waren und sind die Zeitgenossen nun „live“ dabei. Der Vietnam-Krieg war übrigens der erste, bei dem die Kamera Anklägerfunktion bekam und bewußt als „Waffe“ gegen den Krieg eingesetzt wurde.

„Bilder vom Krieg“: Kunsthalle Recklinghausen 28. August bis 20. September / Siegen (Städtische Galerie Haus Seel) 27. August bis 18. September, Katalog 29,80 DM