Investigativ-Reporter Hans Leyendecker: „Wir hatten noch nie einen so guten Journalismus“

Als Gast beim Presseverein Ruhr in Dortmund: der prominente Journalist und aktuelle Kirchentagspräsident Hans Leyendecker. (Foto: Pal Delia)

Als Gast beim Presseverein Ruhr in Dortmund: der prominente Journalist und aktuelle Kirchentagspräsident Hans Leyendecker. (Foto: Pal Delia)

Dortmund. Es war quasi ein Heimspiel für Hans Leyendecker, als er bei der Jahreshauptversammlung des Pressevereins Ruhr zu Gast war. Denn der langjährige Redakteur der Süddeutschen Zeitung ist nicht nur seit Kindheitstagen bekennender BVB-Fan (mit Dauerkarte), er hat jetzt auch das Amt des Präsidenten des Deutschen Evangelischen Kirchentags inne, der vom 19. bis 23. Juni in Dortmund stattfindet.

Die ersten Begegnungen mit der Westfalenmetropole liegen aber schon über vier Jahrzehnte zurück, als er Redakteur der Westfälischen Rundschau (WR) war. Damals, so erinnerte er sich, sei es gelungen, den Mitbewerbern auf dem Medienmarkt Paroli zu bieten. Die WR habe seinerzeit publizistische Chancen genutzt und Akzente gesetzt. Lang ist’s her…

„Panama-Papers“ als Sternstunde des Berufslebens

Schon ein wenig nach Demut klang es, als Leyendecker schilderte, dass er 1979 eine Stelle beim Spiegel bekam. 1997 schied er im Streit. Mehrfach nannte Leyendecker den Namen Stefan Aust, lautstark müssen die Auseinandersetzungen gewesen sein. Sein Glück habe er dann bei der Süddeutschen Zeitung gefunden, bekannte der Journalist.

Die Recherchen und Veröffentlichungen zu den Panama-Papers waren für ihn eines der „größten Ereignisse seines Berufslebens, eine Sternstunde“. Dabei schwang auch ein bisschen Stolz mit, schließlich hatte das Investigativ-Ressort der SZ, das er lange Jahre leitete, „die Geschichte ausgegraben“.

Beeindruckend fand es Leyendecker vor allem, dass Journalisten aus 76 Ländern mitgearbeitet haben. Das Projekt gehört zu den Belegen für eine überraschende Einschätzung: „Wir haben noch nie einen so guten Journalismus gehabt“. Den Boom, den gerade der investigative Journalismus erlebe, den wiederum habe insbesondere Donald Trump bewirkt. Journalisten verfolgen, so Leyendecker, sehr genau, was denn der Mann im Weißen Haus jeden Tag treibe und twittere. In der Zeit seit dem Amtsantritt steigen die Auflagen einiger US-amerikanischer Zeitungen (u.a. New Yorker, New York, Washington Post).

Manche Verlage entwickeln sich zu „Bad Banks“

Dass in vielen anderen Zeitungshäusern die Realität durch gegensätzliche Entwicklungen geprägt ist, dürfe man nicht verkennen, meinte Leyendecker. „Die Auflagen sinken ins Bodenlose, das Anzeigengeschäft ist kaputt und das Digitale fängt das alles nicht auf“. Manchmal könne er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Verlage zu „Bad Banks“ entwickelt hätten.

Wie sehr die Branche in Aufruhr sei, zeige der Fall Neven Du Mont. Der Verlag will Medienberichten zufolge seine Titel („Kölner Stadtanzeiger“, „Express“) zum Verkauf anbieten. Um sich für die Zukunft zu wappnen, sollten Zeitungen Print und Digital verknüpfen, meinte Leyendecker. Das werde „uns Journalisten“ schon gelingen.

Schwarzmalerei hält er – selbst angesichts der gefälschten Reportagen des ehemaligen Spiegel-Redakteurs Claas Relotius – für unangebracht. Bemerkenswert ist aus Leyendeckers Sicht vielmehr, wie es „ein begnadeter Schreiber“ und „Trophäenjäger“ geschafft habe, genau die Geschichten zu erzählen, die das Publikum auch genau so lesen wollte.

Mit Leidenschaft für die Menschenwürde

Leyendecker wünscht sich im Journalismus „mehr Zurückhaltung, weniger Zuspitzung und mehr leise und weniger laute Stimmen“. Und wenn man schon über „Basics“ spricht, dann passt es auch, auf die Bedeutung der Grundwerte und des Grundgesetzes, das die Pressefreiheit garantiert, hinzuweisen. Eindringlich forderte Leyendecker, dass sich Journalisten mit Leidenschaft für die Menschenwürde einsetzen sollten.

Er selbst bezeichnete sich als „gläubigen Menschen“ mit Gottvertrauen. Damit schlug er die Brücke zum Kirchentag, der das Motto trägt „Was für ein Vertrauen“. Vier Bundespräsidenten, der aktuelle und drei frühere Amtsinhaber, sind in Dortmund mit dabei. „Aber kein Obama wie 2017“.




Dies und das in schmalen Spalten: Michael Angeles Buch „Der letzte Zeitungsleser“

Vom Buch mit dem Titel „Der letzte Zeitungsleser“ hatte ich mir einiges versprochen. Eine kulturgeschichtliche, womöglich auch ansatzweise literarische „Aufarbeitung“ des leidigen Themas war zu erhoffen.

Michael Angele, stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung „Der Freitag“, hat sich – vielleicht auch aus beruflicher Drangsal – der Malaise des gedruckten journalistischen Wortes angenommen.

9783869711287

Sein Buch ist in zeitungshafter Spaltenbreite von nur rund 30 Anschlägen pro Zeile gesetzt. Auf die Weise bringt man sehr schnell einige Buchseiten hinter sich. Furchtbar viel Text steht also nicht in diesem Band.

Zum Inhalt. Als besonderer Gewährsmann der früher weit verbreiteten Zeitungsleidenschaft wird der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard herangezogen, der beispielsweise kein Caféhaus gelten ließ, in dem man die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) nicht hielt. Einmal soll er 350 Kilometer gereist sein, um endlich eine NZZ zu bekommen.

Gleich das einleitende Zitat erfasst einen Moment, in dem der Sänger Udo Jürgens entgeistert feststellte, dass ihm gegenüber just Thomas Bernhard saß. Beide aßen Wurst und lasen dabei Zeitung. Welch eine Gleichzeitigkeit. Damals blätterten eben (fast) noch alle Leute.

Als Bernhards Gegenpol gilt ein weiterer Österreicher: Peter Handke, der Zeitungen und Journalismus verachtete, sich aber gleichwohl angelegentlich nach der einen oder anderen Rezension erkundigte.

Durchaus nostalgisch gestimmt, erinnert sich Angele, ehemaliger Macher der „Netzeitung“, an die entschleunigte Tageslektüre jener Zeiten, in denen es kein atemloses Internet mit wahnwitzigen Live-Tickern und allfälligen Hasskommentaren („Shitstorm“) gegeben hat. Selbst wenn es mal ein paar böse Leserbriefe hagelte, dann wurden sie in Form und Inhalt stark kanalisiert.

Bis in die mittleren 90er Jahre hinein (auch schon wieder rund 20 Jahre her), eröffnete die Zeitung noch einen hauptsächlichen Zugang zur Welt, die besten Blätter waren wahrhaft kosmopolitisch, aber eben noch nicht „globalisiert“. Überdies war die Zeitung eine ideale Tarnung für Menschenbeobachter, hinter der man sich gut verstecken konnte. Nicht der geringste Vorzug…

Besagter Thomas Bernhard tat in einem Interview kund: „…es ist ja in den Zeitungen überhaupt alles zu finden, was es gibt (…) Mehr kann man nicht finden.“ Gerade im boulevardesken Bereich lag eine wesentliche Stärke des Mediums, das merkwürdige Vorfälle aus aller Welt festhielt, welche oft genug literarische Werke anregten. Ja, Heinrich von Kleist brachte mit den „Berliner Abendblättern“ selbst eine Vorform späterer Boulevardblätter heraus.

Auch nicht völlig neu, aber immer noch gültig ist, dass die Zeitung mit dem Journalisten „einen recht windigen Menschenschlag hervorgebracht hat“, wie es zuerst in dieser Schärfe Honoré de Balzac in „Verlorene Illusionen“ beschrieben hat.

Von der „Renovierung“ der Süddeutschen Zeitung, insbesondere der Wochenendausgabe, ist noch en passant die Rede, von der sonntäglichen FAZ und der ungemein umfänglichen, durch schiere Fülle geradezu belastenden „Zeit“. Kann man nur einen Bruchteil lesen, bleibt ein Ungenügen, ein schlechtes Gewissen zurück. Wozu man sagen muss, dass auch die „Zeit“ früher noch dicker gewesen ist und längere Artikel enthalten hat.

Andererseits findet Angele die Schritt-für-Schritt-Erklärseite des „Tagesspiegel“ eher deprimierend. So sieht es aus, wenn man die Leser – wie die abgenudelte Formel lautet – „da abholt, wo sie sind“.

Geradezu rührend die Episode um den Vater einer Freundin, der tagtäglich das „Trostberger Tagblatt“ las, am Wochenende aber den Ehrgeiz aufbrachte, die Süddeutsche Zeitung ausgiebig zu absolvieren. Eine Hommage an den unbekannten Leser. Tempi passati.

Und auch das Klo als vielfach bevorzugter Ort der Zeitungslektüre bekommt seine pflichtgemäßen Zeilen. Warum denn nicht?

Um dem Buch doch noch etwas mehr namentliches Gewicht zu verleihen, hat Angele noch Franz Xaver Kroetz (inzwischen vorwiegend Online-Leser) und Claus Peymann befragt. Peymann sagt, er lese 10 bis 15 Zeitungen täglich. Wann inszeniert der Mann eigentlich noch?

Und so hangelt sich Angele von Einfall zu Einfall, vermeldet dies und das, als gelte es, einen längeren Beitrag für eine ambitionierte Wochenendbeilage zu bestreiten, nicht aber ein Buch. Gewiss, ein paar hübsche kleine Passagen und Anekdoten kommen da zusammen. Doch wird man nicht so richtig satt.

Michael Angele: „Der letzte Zeitungsleser“. Verlag Galiani Berlin. 160 Seiten (153 Seiten reiner Text), 16 €.




Moden und Marotten im Journalismus (3): Die Welt als Quiz, das Leben als Liste

Lange keine „Moden und Marotten im Journalismus“ mehr aufgegriffen. Das macht: Die allfälligen Insolvenzen und Entlassungen sind weder dies noch das, sondern harte Wirklichkeit. Nun aber doch noch ein paar einschlägige Worte zum Jahres-, äh, nun ja, sagen wir’s ruhig unverhohlen: „Ausklang“.

1.) In deutschen Gazetten vergeht kaum ein Interview, dessen Inhalt nicht in einem Dreischritt angekündigt würde. Ich erfinde jetzt mal eine solche Zeile: „Peer Steinbrück über billigen Wein, miese Kanzlergehälter und ordentliche Rednergagen“. Verzeihung. Aber so etwa in dieser Art. Es gibt auch den Vierfach-Anreißer, doch der ist sehr viel seltener und gerät auch leichter ins Schlingern. Die Drei erweist sich abermals als magische Zahl, mit der sich etwas glückhaft zu runden scheint.

2.) Früher sind halt Artikel erschienen. Beispielsweise mit 80, 120, 150 oder 200 Zeilen. Egal. Jedenfalls als zusammenhängende Texte, allenfalls durch Absätze oder eingestreute Bildelemente gegliedert. Irgendwann kamen die Zwischenzeilen auf, die mitten im Beitrag standen und die einzelnen Lesestrecken abkürzten. Auch fette Vor- und Nachspänne (siehe auch hier oben) sorgten für optische Erholung. Heute löst man – besonders in Regionalzeitungen – halbwegs komplexe Sachverhalte gern gleich in kurzatmige Frage- und Antwort-Spielchen auf. Besonders mit den oft bewusst naiv gestrickten Fragen „holt man den Leser da ab, wo er ist“ (oh, unsägliches Diktum!), will heißen: Man setzt nur ganz niedrige Einstiegsschwellen. Der Trend beim Hörfunk geht in eine ähnliche Richtung. Immer kürzere Häppchen, immer simplere Sprache. Vom Fernsehen ganz zu schweigen. Das degeneriert vielfach zum bloßen Bildchengucken mit Krawall.

3.) Apropos Fragen und Antworten. Bei den Jahresrückblicken, die jetzt wieder zuhauf auf uns eingeprasselt sind, wurde es wieder besonders deutlich: Im Gefolge von Kerkeling, Jauch und anderen wird quasi das ganze Leben zum Quiz. Die „Süddeutsche“ hat fast ihr ganzes Magazin mit Multiple-Choice-Fragen gefüllt. Motto: Was haben Sie von diesem Jahr im Gedächtnis behalten? Damit’s bloß nicht zu langweilig wird, überwiegen schräge Fragen mit Scherzfaktor. Bei wirklichen Wissenslücken lässt sich der Leser eben nicht so gern ertappen.

4.) Hurra, es lebe die Liste! In Feuilleton der heutigen FAZ-Sonntagszeitung (FAS) erlebt man es bis zum Exzess, praktisch das gesamte Zeitungsbuch wird auf diese Weise gefüllt. Das Spektrum der munteren Auflistungen reicht von -zig Gründen für den heiteren Abschied vom Jahr über „Die zehn scheinheiligsten Aussagen des Jahres“, neun „zu häufig gesehene Personen“ (Platz 1: Peter Sloterdijk) und die 18 „Trostloseste(n) Sätze des Jahres“ bis hin zur „Liste meiner Listen“. Zum einen bedient man also das längst gängige Muster, zum anderen geht es in diesem Intelligenzblatt selbstredend hochreflexiv und potenziert selbstironisch her.

5.) Das besagte letzte SZ-Magazin und das erwähnte Feuilleton der FAZ-Sonntagszeitung deuten einen weiteren Trend an: Thematisch beinahe beliebig bunt gewürfelte, aber formal über weite Strecken durchweg gleich (nämlich möglichst kleinteilig) strukturierte Produkte sind offenbar schwerstens „hip“.

6.) Aber wer weiß, was morgen ist.

7.) Und damit endet diese kleine Liste.

In diesem Sinne ein schönes Jahr 2013 mit neuen Moden und Marotten. Oder auch mit Abstand von denselben.

P.S.: Hier wird nicht postuliert, dass Journalismus möglichst kompliziert und nutzerabweisend sein möge. Auch von Marotten angekränkelte Beiträge können auf ihre Weise gut oder gar brillant gemacht sein.




Schwarzgelb getränkt

Vor Jahresfrist war hier schon die Rede davon, dass – als Grundzug im Leben – gleich hinter der Erfüllung ein kaum merklicher Anflug der Enttäuschung lauern mag. Damals war die siebte deutsche Fußballmeisterschaft von Borussia Dortmund der Anlass, diesmal ist es die achte, die ein paar Worte hervorruft. Wer hätte das vor drei oder vier Jahren für möglich gehalten?

Wenn man seine ersten Dortmunder Stadionbesuche noch als Kind in der „Roten Erde“ absolviert hat, freut man sich natürlich zutiefst. Doch manchmal hätte man es jetzt gern eine Spur verhaltener. Die Regionalzeitungen im Dortmunder Dunstkreis haben es übertrieben. Sie sind heute von vorne bis hinten schwarzgelb getränkt und komplett durchjubelt. Ein Overkill. Bereits jetzt laufen ziemlich viele Leute (und längst nicht nur Kinder) alltags in BVB-Farben durch die Stadt, als wär’s die normalste Kleidung. Von der Klitsche bis zum Konzern will jede Firma bekunden, dass auch sie mit den Borussen schwerstens sympathisiere. Eine Stadt dreht durch. Vorerst bis zum Pokalfinale am 12. Mai.

Nun warnen – von außerhalb – nicht wenige Journalisten vor den Gefahren der Übersättigung. Da wird geunkt, die Dortmunder Mannschaft sei künftig womöglich nicht mehr „hungrig“ und gierig genug, um einen weiteren Titel anzusteuern. Eine Formel, auf die man sich vielfach geeinigt hat, einer plappert sie dem anderen nach. Wir werden sehen. Wenigstens international muss der BVB ja noch einiges zurechtrücken.

Die Süddeutsche Zeitung aus München hält es (etwa aus schierer Missgunst?) allerdings nicht einmal für nötig, die Entscheidung um die Meisterschaft auf ihrer heutigen Titelseite auch nur zu erwähnen. Souverän ist das nicht. Das Thema bleibt allein dem Sportteil vorbehalten. Diese absurde Abstinenz hat das Blatt, das jüngst abermals die ganze graue Ruhrgebiets-Tristesse auf seiner Seite 3 lang und breit geschildert hat, sozusagen exklusiv. Vielleicht folgt ja noch der übliche Bericht, in dem bescheinigt wird, wie überaus nötig die geschundene Revierseele solche Erfolg im Fußball brauche.




Alles muss wohl immer lustig sein

Kürzlich wurde das Modell für das zukünftige Fußballmuseum am Dortmunder Hauptbahnhof veröffentlicht. Mir hat das gläserne Stück gut gefallen – immerhin konnte man sich in der Regionalpresse ein Bild machen oder besser ansehen.

Eine typische Titelseite der FAZ


In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fand sich dazu ebenfalls etwas: Eine Acht-Zeilen-Meldung im Feuilleton mit der Überschrift „Ein Klotz am Bahnhof“.

Da sollte wohl eine lustige Assoziation an den Volksmund geschaffen werden, von wegen „Klotz am Bein“, aber im Text findet sich keinerlei Bezug in diese Richtung. Das Museum wird ja auch kein Klotz, wie man sah. Auch ist nicht abzusehen, dass das Museum eine Belastung für den Bahnhof darstellen könnte, wie eine Analogie zu dem Idiom nahe legen könnte.

Vielmehr folgt die FAZ einem Trend, in Überschriften krampfhaft Anlehnungen an Sprichwörter, Gedichte, Roman- oder Filmtitel zu produzieren. Alles soll immer lustig sein, und in der Süddeutschen Zeitung ist dieser Trend noch stärker zu sehen. Wenn es passt, ist dagegen ja nichts einzuwenden, aber meist wird die Assoziation nur geschaffen um der guten Idee willen. Der folgende Text gibt den Zusammenhang dann gar nicht mehr her, wie eben bei jenem „Klotz am Bahnhof“.

Die Leser sind doch überhaupt nicht so doof, die können auch mit ernsthaften Überschriften leben.




Das Ruhrgebiet – von oben herab

Schon oft habe ich mich über die Münchner Arroganz geärgert, mit der die (ansonsten vielfach schätzenswerte) „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) immer mal wieder das Ruhrgebiet betrachtet – so schräg von oben herab, so triefend mitleidig.

Wir werden’s wohl wieder erleben, wenn Borussia Dortmund deutscher Fußballmeister wird. Dann wird mit ziemlicher Sicherheit die schonungslose SZ-Reportage erscheinen, die die soziale Verwahrlosung in Dortmund beklagt, um hernach zu betonen, wie wichtig doch ein sportlicher Erfolg für solch eine gebeutelte Stadt sei. Geschenkt, Leute! Bringt lieber etwas anderes. Lasst bitte euren Mitarbeiter Freddie Röckenhaus schreiben, der sich in Dortmund und mit dem BVB auskennt.

Gestern haben die Südlichter mal wieder ahnen lassen, was ihnen das ach so ferne Revier bedeutet. Die ruhmreiche Seite 3 ward angefüllt mit einem insgesamt zwar halbwegs erträglichen, doch reichlich redundanten Porträt über Helge Schneider. Ein typischer Beitrag nach dem Larifari-Motto „Es liegt zwar kein Anlass vor, aber heute haben wir mal so richtig Platz dafür“. Die schmale Hauptthese (Helge S. sei ein ungemein freier Mensch, der immer tut, was er will) wird allerdings so unentwegt geraunt, als sei sie hier weltexklusiv erstmals zu lesen. Es ist eine These, die nicht bewiesen wird (wie denn auch?), sondern just ein wenig spazieren geführt wird.

Helge Schneider stammt bekanntlich aus Mülheim/Ruhr, mehr noch: Er ist in dieser Gegend verwurzelt. Seine Art der Komik dürfte inniglich mit dem Nährboden des Reviers zu tun haben. Und was macht die SZ, zum soundsovielten Male? Sie schreibt mal wieder durchweg „Mühlheim“ statt Mülheim.

Wie bitte? Das sei eine Kleinigkeit? Das sei Korinthenkackerei? Nein. Ist es nicht. Weil der SZ und anderen Blättern südlich der Mainlinie genau dieser Lapsus immer und immer wieder passiert. Das ist kein bloßer Zufall, sondern notorische Schnoddrigkeit und Mangel an wirklichem Interesse. Wer diesen Fehler immer wieder begeht, der strotzt vor Ignoranz. Wer sich nicht sicher ist, schaut nach. So einfach ist das. Merkt euch das gefälligst – in Franckfurt, Mühnchen oder Studtgard!