Der Sex von damals ist nur noch ein fader Aufguss – Robert van Ackerens Nachlese „Deutschland privat 2 – Im Land der bunten Träume“

Von Bernd Berke

Ach, wie lang sind sie vorüber: die 60er und 70er Jahre – mitsamt den Super-8-Filmchen, die damals im familiären Kreise oder in zweisamer Verschwiegenheit gedreht wurden.

Als Robert van Ackeren („Die flambierte Frau“) 1980 solche Kostproben unter dem Titel „Deutschland privat“ ins Kino brachte, da hatte man noch den Nachgeschmack jener Jahre auf der Zunge. Es ging einen noch an. Auch deshalb waren die oft neckischen Blicke in Alltag und Intimsphäre der Nation ein Lacherfolg in den Programmkinos. Wer da lauthals geierte, dünkte sich meist weitaus weniger spießig als die Leute auf der Leinwand. Derlei billige Gewissheiten haben sich längst verflüchtigt.

Jetzt gibt’s – aus gehöriger Distanz – den wohl endgültigen Abgesang auf die Ära derSuper-8-Streifen (eine Weltfirma hat kürzlich die Produktion des Materials völlig eingestellt). Der passionierte Super-8-Sammler Van Ackeren zieht jetzt eine späte Fortsetzung ans Licht: „Deutschland privat 2 – Im Land der bunten Träume“.

Wiederum liegt ein Schwerpunkt auf den inzwischen so fern gerückten 70er Jahren. Der Rückgriff ähnelt fast archäologischer Feldforschung. Da schwappt noch die Sexwelle, und die DDR existiert bräsig vor sich hin.

All das Getue und Geschiebe auf Super-8-Filmchen

Gut die Hälfte der 25 Streifen befasst sich explizit mit Sex. Ganz ehrlich: All dies Getue und Geschiebe könnte einem die Freude an der Sache beinahe verleiden. Wir sehen „die“ Deutschen als Exhibitionisten, als heillos enthemmte Nackte. Sexuelle Leistung wird geliefert, gelegentlich bis zum Übersoll. Bloß nicht prüde sein. Von Erotik bleiben höchstens Spurenelemente. Nicht gerade schön, zuweilen trist oder gar abstoßend. Deutschland bizarr.

Das Ganze riecht wie fader Aufguss. Van Ackeren schwört weiterhin auf die Wahrhaftigkeit solcher Amateurfilme. Doch das ist naiv.

Die Auswahl schmort im eigenen Saft

Natürlich waren Formen und Inhalte vielfach anderweitig vorgeprägt – durch Fernsehen, Werbung, kommerzielle Pornos usw. Immerhin: In besseren Momenten werden alteingeführte filmische Mittel als Klischees bloßgestellt. Gleichsam nebenbei. Und rührend unbeholfen.

Zudem erschrickt man über ein paar veritable Fundstücke. Der wohl stärkste Beitrag zeigt, wie sich rebellische DDR-Jugendliche bei ihrem übermütigen Tun gefilmt haben. Vollends abgründig ist die Episode „Ich auf Brautschau“: Ein Mann, der noch bei Mutti wohnt, holt sich gegen Bares blutjunge Frauen aus dem Asien-Katalog ins traute Heim und filmt gierig drauflos. Verklemmt und unverfroren zugleich.

Aufschlussreich wären Vergleiche – mit ähnlichen Filmen etwa aus Frankreich, Italien und England. Oder mit heutigen privaten Hervorbringungen auf DVD und im Internet. Doch Van Ackerens Auswahl schmort im eigenen, schon lange vergorenen Saft.




Messe-Rahmenprogramm: „Photokina“ stellt das gedruckte Bild in den Blickpunkt

Von Bernd Berke

Köln. Auf massenwirksame Lichtbilder setzt diesmal die „Photokina“-Messe mit ihrem Beiprogramm in Köln. War man 1980 und 1982 mit anspruchsvollen Bilderschauen in die Kunsthalle ausgewichen, präsentiert man sich nun wieder auf dem Messegelände – unter dem populären Leitthema „Das gedruckte Foto“.

Profis und Amateure können sich Anregungen in jederlei Format holen, denn Bilder auf Briefmarkengröße („Foto-Philatelie“) werden ebenso gezeigt wie gigantische Abzüge aus Foto-Jahrbüchem und Kalendem, aus dem Bereich besonders kreativer Reklame-Fotografie oder aus preisgekrönten Foto-Reportagen. Auch sonst weniger beachtete Sparten sollen zur Geltung kommen, beispielsweise Aufnahmen aus Theater-Programmheften, die ansonsten nur am jeweiligen Ort beachtet werden und nach der Auffiihrung meist in die Schublade wandern.

Eingeleitet wird die Fülle der Exponate mit einer historischen Abteilung. Dort kann man anhand zahlreicher Beispiele nachvollziehen, wann und wie die Erfindungen der Fotografie und des Rotationstiefdrucks vereinigt wurden undadenaSiegeszug des „gedruckten Fotos“ einleiteten. ln Deutschland nahm diese Entwicklung um 1912 ihren Lauf. 1913 erschien bereits die erste Illustrierte, der „Berliner Weltspiegel“. Eine Auswahl von Fotos aus den 50er Jahren erweitertdie Rückbesinnung.

Zurück zur Gegenwart: Auch Anhänger von Sofortbild-Kameras kommen bei den Bilderschauen nicht zu kurz. Gedruckte und signierte Schnellbilder machen einen eigenen Ausstellungsteil aus. Weiterer Zweig des Mediums: fotografisch gestaltete Schallplattenhüllen.

Was Amateure auf fotografischem Gebiet zu leisten vermögen, belegen ebenfalls mehrere Film- und Bilderschauen. Da werden u. a. die Siegerfotos des bundesweiten Wettbewerbs „Blende ’84“ vorgestellt, und Super-8-Fans steuern ihre Ansichten zum Thema „Lokalereignis“ bei. Schließlich sind die Gewinnerfotos eines Jugendwettbewerbs (Aufgabenstellung: „Meine Freizeit“) zu besichtigen.

Sämtliche Bilderschauen sind – nicht nur furs Fachpublikum – während der ..Photokina“ (10. bis 16. Oktober) zu sehen. Dafür muß man allerdings an der Tageskasse 30 DM Eintritt hinblättern. Preiswerter wird’s nach Messeschluß: Dann sieht man das Rahmenprogramm für 5 DM (17. bis 28. Oktober). Alle Bilderschauen befinden sich in den Rheinsälen des Messegeländes und in den neuen Glas-Pavillons (Nähe Messeturm). Öffnungszelten: bis 16. Oktober täglich 9 bis 19 Uhr, ab 17. Oktober täglich 10 bis 18 Uhr.