Raserei bis zum Stillstand – Mülheim: Acht Mini-Dramen von illustren Autoren uraufgeführt

Von Bernd Berke

Mülheim. Es klingt fast wie ein Witzanfang: Kommt ein Mann ins dunkle Theater und irrt fluchend umher. Oder: Kommt ein Mann zum Arzt und redet lauter Unsinn. Wie Blitzlichter flackern gleich acht solcher Mini-Dramen an den Zuschauern vorüber.

Illustre Autoren haben zur Uraufführung beigetragen, nämlich acht frühere Preisträger des Mülheimer „Stücke“-Wettbewerbs: Herbert Achternbusch hat eine Zahnarzt-Groteske beigesteuert, Klaus Pohl führt uns an eine ostdeutsche Bushaltestelle, Oliver Bukowski liefert einen rotzigen „Prolo“-Monolog. Sogar der sonst auf Distanz bedachte Höhenwandler Botho Strauß ist dabei.

Binnen Minuten ist jeder Teil abgetan, das Ganze hat die Länge eines Fußballspiels. Man fühlt sich wie beim Zappen am TV-Gerät. Der Schnellgang über den dramatischen Laufsteg, für eine einzige Aufführung inszeniert von Thirza Bruncken, heißt im Obertitel „Erdball, Lichtgeschwindigkeit, Los los“. Da ist der gehetzte Grundton angestimmt, der den meisten Mini-Stücken eigen ist und der von der manchmal etwas ra(s)tlosen Regie szenisch ausgereizt wird.

Aus der Zeit geschleudert

Ein gemeinsames Thema, ja ein Daseins-Befund des Autoren-Oktetts zeichnet sich schemenhaft ab: Praktisch alle Figuren sind irgendwie aus der Zeit, aus der „globalisierten“ Welt hinaus geschleudert worden, da laufen die Uhren auch schon mal rückwärts. Doch zumeist herrscht sinnlos in sich selbst rasender Stillstand; bis zum Schlusspunkt der Historie: Werner Buhss („Vollklimatisiert“) lässt drei Astronauten im erinnerungslosen Nichts schweben – am Ende jeder menschlichen Geschichte.

Gelegentlich geht’s so albern zu wie beim ComedyWettbewerb: George Tabori lässt in „Sprechstunde“ schläfrige Altmännerscherze vom Stapel, Herbert Achternbuschs „Frau Sägebrecht“ wirkt wie Slapstick aus der Muppet-Show, jeder Satz kollert wie Zufall hervor – und doch quillt ein Quäntchen Poesie heraus. Urs Widmers „Schnell und träge“ klingt wie trotziges Kindertheater. Atemloses Aufhorchen eigentlich nur bei Botho Strauß, der in wunderbarer Sprache die bedrängende Vision einer Fabrik entwirft, in der alles Leben unter den besinnungslos produzierten Waren erstickt wird…

Im Grunde war’s eine hübsche Idee zum Auftakt der 25. Stücketage. Doch viel mehr als ein Pröbchen ist es denn auch nicht geworden. Der Beifall – uralter Theaterscherz – war „endenwollend“.




„Waldheim hat mich in den Nacken geküßt“ – furioses Interview mit Claus Peymann in der „Zeit“

Wien/Hamburg. (bke) In die vollen gegangen ist Wiens Burgtheaterdirektor Claus Peymann in einem gestern veröffentlichten Interview mit der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“. Schon der Einstieg ist stark. Peymann über Wien: „Wenn Sie wüßten, was für eine Sch.. . ich hier erlebe! Man müßte dieses Theater… abreißen lassen. Vielleicht schmeiße ich morgen schon alles hin.“

Peymann, der sich selbst als einen „Vergewaltiger auf der Probe“ bezeichnet, der „brutalste Gewalt“ anwende, um Schauspieler auf seine Linie zu zwingen, schont auch seine Regie-Kollegen nicht. George Tabori danach „eine absolute Sau in der Arbeit“, „ein Tyrann erster Güte.“ Klaus Michael Grüber (Schaubühne Berlin) sei eh nur „dauernd besoffen“, Dieter Dorn (Kammerspiele München) sei jemand, der „eine Inszenierung nach der anderen hinwichst“. In diesem Stil zieht Peymann, der sich in dem Gespräch „weitaus gebildeter als die meisten Regisseure“ nennt, munter weiter vom Leder. Kritiker, Autoren, Schauspieler – alle bekommen ihr Fett ab.

Grotesk schließlich, was der Ex-Bochumer Schauspielchef über Österreichs Bundespräsidenten Kurt Waldheim verrät. Das umstrittene Staatsoberhaupt habe ihn, Peymann, „neulich überraschenderweise in den Nacken geküßt.“ Damit habe Waldheim – nach einer Aufführung von „Richard III.“ – überfallartig seine Bewunderung für Peymanns Arbeit bekunden wollen. Peymann: „Es war eine Vergewaltigung.“