Maler zwischen den Epochen – Conrad Felixmüller in Haus Opherdicke

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Conrad Felixmüller im Selbstbildnis von 1954 (Foto: Kreis Unna)

Suchte man nach einem Wort, das kennzeichnend wäre für den Maler Conrad Felixmüller, so wäre es vielleicht das Wort „dazwischen“. Conrad Felixmüller, der eigentlich Konrad Felix Müller hieß und den Felix seinem Nachnamen zuschlug, um sich von den anderen Müllers dieser Welt zu unterscheiden, lebte und wirkte zwischen Epochen.

Geboren 1897, arbeitete er als junger, hoch begabter und früh geförderter Künstler im modernsten Stil seiner Zeit, dem Expressionismus. Er sah seine Arbeit politisch, wurde früh KPD-Mitglied. 1920, mit gerade einmal 23 Jahren, erhielt er den sächsischen Staatspreis und hätte für zwei Jahre nach Italien in die Villa Massimo ziehen können. Doch statt dessen ging er als Kunststipendiat ins Ruhrgebiet, brachte im harten Schwarzweiß der Tuschezeichnung, der Radierung oder des Holzschnitts Arbeits- und Streikszenen auf das Papier, deren ungeschönte Wirklichkeit sich trotz expressiven Umgangs mit Perspektiven und Dimensionen auch heute noch augenblicklich erschließt.

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Fabrikarbeiter (Arbeitsinvalide), 1921, Holzschnitt auf Bütten, Sammlung Wilke (Foto: Kreis Unna)

Klassenkämpfer

Der Künstler als Klassenkämpfer – bis etwa 1925. Da wandte er sich abrupt vom Expressionismus ab und pflegte fürderhin weitgehend die Malweise der Neuen Sachlichkeit, die nur sehr gedämpft noch stilistische Anleihen beim Expressionismus nahm. Felixmüller wurde das Glück zuteil, nicht schon im Ersten Weltkrieg zu fallen und fast 80 Jahre alt zu werden. Wenngleich er, dessen Kunst die Nazis als entartet gebrandmarkt hatten, ab 1949 Kunstprofessor in Halle war, wird er die neuen Strömungen in Westdeutschland registriert haben, den Abstrakten Expressionismus, das Informel, Zero und was es sonst noch so gab.

Volkswagen im Holzschnitt

Er muß auch die Pop-Art wahrgenommen haben, die in seinem Todesjahr 1977 ihren Höhepunkt auch in Europa schon überschritten hatte. Doch nichts davon schlägt sich in Felixmüllers Schaffen nieder. Im Gegenteil ist es geradezu frappierend, wie der gereifte Künstler, seinen Stilmitteln treu bleibend und kompositorisch noch souveräner als in frühen Jahren, sich wiederum dem Ruhrgebiet zuwendet. Sein später Blick auf die Verhältnisse ist, zu Recht vielleicht, milder geworden. Den Schichtwechsel auf der Zeche sieht er nun vom Parkplatz aus – was, kleine Bemerkung am Rande, dem VW-Käfer dazu verholfen hat, im Oeuvre Conrad Felixmüllers präsent zu sein („Schichtwechsel auf Zeche ,General Blumenthal’ (Recklinghausen)“, Holzschnitt, 1974).

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Dieses Bild ziert auch die Titelseite des Katalogs: Bildnis Londa im blauen Samtkleid (Ausschnitt), 1927, Öl auf Leinwand (Foto: Kreis Unna)

Abschiedsgeschenk

In Haus Opherdicke, das dem Kreis Unna gehört und sich vorzüglich für die Präsentation kleiner und mittlerer Bildformate eignet, sind nun rund 100 Arbeiten des Künstlers zu sehen. Thomas Hengstenberg und Sigrid Zielke-Hengstenberg, Leiter bzw. Kulturreferentin des Fachbereichs Kultur, haben die Ausstellung zusammengetragen und realisiert, und unhöflicherweise, wie es vielleicht scheinen mag, wurde hier der Herr zuerst genannt, weil Thomas Hengstenberg mit dieser Bilderschau in den Ruhestand geht. Er hat sich also, wie man in solchen Fällen zu sagen pflegt, mit Felixmüller selbst ein schönes Abschiedsgeschenk gemacht. Und dem Publikum selbstverständlich auch.

Der Drucker

Und natürlich wäre diese Ausstellung ohne viel Kontaktpflege und Netzwerkerei in den vergangenen (Dienst-) Jahren nicht möglich gewesen. Wiederum steuert der Sammler Frank Brabant einige Werke bei, und ein Großteil der ausgestellten Druckgraphik stammt aus der Sammlung Wilke. Hans-Jürgen Wilke war in Berlin Felixmüllers Drucker, und die Holzschnitte und Radierungen, die er als Auflagenwerke druckte, hat er auch gesammelt. Die beiden schätzten sich, und sie mochten sich wohl auch, denn 1976 hat Felixmüller den Drucker und seine Frau Dagmar gemalt, in Farbe, Öl auf Leinwand. Weitere Leihgaben kamen aus der Sammlung Bunte, vom P.A.Böckstiegel Freundeskreis und aus dem Von der Heydt-Museum Wuppertal.

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Frühlingsabend in Klotzsche, 1926, Öl auf Leinwand, Sammlung Brabant (Foto: Kreis Unna)

Perfekt und gesittet

Es gibt kaum einen Künstler vom Rang Felixmüllers, der in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts noch – und in fortgeschrittenem Alter zudem – so intensiv die anstrengende Kunst des Holzschnitts pflegte. Und wenn man kein ausgewiesener Felixmüller-Experte ist, gibt erst der Blick auf die Bildunterschrift Aufschluß über die Entstehungszeit, so homogen wirkt das Werk.

In der Landschaft und in Stadtansichten aquarellierte er einige Male meisterlich, doch vorzugsweise malte er in Öl, vor allem Portraits. Auch die Familie – die Söhne Luca und Titus, Gattin Londa – mußten immer wieder einmal auf die Leinwand, auf der es gut bürgerlich zugeht, züchtig und gesittet, manchmal fast ein bißchen langweilig.

Von der expressiven Wucht der frühen Jahre jedoch, von der etwa die Holzschnitte von Max Liebermann und Christian Rohlfs noch künden und die der Katalog auf einer Doppelseite nebeneinander stellt, ist späterhin nichts mehr zu spüren. Möglicherweise war die Zeit für diese Kunst vorbei, jedenfalls in den Augen Conrad Felixmüllers.

  • Conrad Felixmüller
  • 25. September 2016 bis 26. Februar 2017
  • Haus Opherdicke, Dorfstraße 29, Holzwickede
  • Di-So 10.30 – 17.30 Uhr
  • Eintritt 4,00 €, Katalog 26,00 €
  • www.kreis-unna.de, www.kulturkreis-unna.de



Aus der Sehnsucht nach einem „Käfer“ wurde eine Kunstsammlung

„Wäre ich nicht Westfale, Sie würden unschwer feststellen, welche Begeisterung mich gerade bewegt!“ Thomas Hengstenberg untertreibt. Selbst seine westfälische Herkunft kann nicht verdecken, dass dieser Mensch irgendwo zwischen Glückseligkeit und überbordendem Stolz schwebt, wenn er von Frank Brabant, vom „Haus der Moderne“, vom Werden der einstigen Schlossruine zum wundervollen „Haus Opherdicke“ in Holzwickede und wieder von Frank Brabant spricht. Thomas Hengstenberg stimmt einige Lokalpolitiker (darunter durchaus wuchtige Skeptiker) auf den Rundgang durch die obere Etage ein, wo sich, begleitet von seiner wahrhaft liebevollen Fürsorge, Werke aus der Brabant-Sammlung zu einer, selbst Laien berührenden Ausstellung „Frauenansichten“ zusammengefunden haben. Doch zuvor müssen/dürfen sich die etatgewaltigen Damen und Herren sich anhören, wie es dazu kam und was sie mit kommunalen Umlagefinanzen unterstützen.

Irgendwie fanden sich diese beiden, Thomas Hengstenberg, Kulturverantwortlicher des Kreises Unna, westfälisch-dynamisch-beharrlich, und Frank Brabant, Schweriner von Geburt, Wiesbadener vom Wohnsitz und seit jungen Jahren der Jäger des verlorenen VW-Käfers. Denn auf den hatte er eigentlich gespart, setzte dann aber die Barschaft ein, um sich das erste Bilde zu kaufen. Der Sammlertrieb war erwacht, der Käfer blieb ungekauft, dafür aber folgten um die 500 weitere Kunstwerke, deren Schöpfer sowohl die Hall of Fame der Moderne füllen, als auch der breiten Masse unerkannt blieben, dafür aber den kennenden Betrachtern ein ehrfürchtig-anerkennendes Zungenschnalzen entlocken.

Nur am Rande, wir reden hier von Marc, Pechstein, Kirchner oder Corinth. Und doch waren es nie die Namen, die Frank Brabants Interesse weckten, es war stets das Sujet des jeweiligen Bildes. Anekdotisch also auch der erste Kontakt der beiden Männer aus Westfalen und Schwerin/Wiesbaden. Thomas Hengstenberg stand da etwas zurückhaltend vor dem unbekannten, aber bekannteren Frank Brabant und erläuterte, dass er eine Ausstellung aus seiner Sammlung zusammenstellen wolle. „Was meinen Sie dazu“, sagte der und hielt ihm einen Picasso vor die Augen. Lakonisch entgegnete das Gegenüber: „Belangloses Bild, aber ein Picasso, Sie haben da ein Juwel.“

Das war die Sache mit dem Funken, nach dessen Sprung alles geklärt schien, nein war. „Machen Sie das und suchen Sie aus“, sagte Frank Brabant und ein paar Glas Wein später nur noch Frank bzw. Thomas. Und darauf begann der Gedanke zu keimen, dass man (also Frank und Thomas) der Brabant-Sammlung ein eigenes Haus geben sollte. Indes, Begehrlichkeiten nach dem kunstgeschichtlichen Schatz gab und gibt es viele, die Geburtsstadt des Sammlers Schwerin, oder der Wohnort des Sammlers Wiesbaden. Doch Thomas Hengstenberg ist zuversichtlich, dass er gemeinsam mit Frank Brabant die gangbaren Wege finden wird. So wie sich der Weg zum „Haus der Moderne“ im Schloss erschloss. Allerlei finanziell helfende Hände fand der Kulturförderer des Kreises Unna, viel Unterstützung grub er auch aus dem Kulturhauptstadtjahr und sorgte für ein Facelifting des ehemaligen Wasserschlosses (die Grafen Berghe von Trips waren mal Eigentümer), das seinesgleichen sucht. Das „Haus der Moderne“ hat einen historischen Anzug, und der steht ihm vortrefflich. Der Besuch lohnt sich, in allerlei Hinsicht. Es lohnt eine schöne Ausstellung, in schönem Ambiente – und es lohnt ein Abstecher in den Keller, wo handgemachter Kuchen gereicht wird, ebenso üppig portioniert wie schmackhaft.

Haus Opherdicke
Dorfstraße 29
59439 Holzwickede
Fon 0 23 01 / 9 13 40-20
Fon 01 71 / 7 44 78 53
Öffnungszeiten zur Ausstellung „Frauenansichten – Mutter, Muse, Femme Fatale“ aus der Sammlung Brabant: Noch
bis 10. Juli 2011
Dienstag bis Sonntag
10.30 bis 17.30 Uhr
Eintrittspreise: 4 Euro für Erwachsene, 3 Euro für Ermäßigungsgruppen (Schüler, Studenten, Wehrpflichtige, Zivildienstleistende mit Ausweis), 8 Euro für Familien
Für Schulklassen ist der Eintritt frei

Bild: Alexej von Jawlensky „Madame Curie“, 1905 (VG Bild-Kunst, Bonn, 2011)