60 Jahre Bundesliga – und der zwecklose Versuch, online eine BVB-Karte zu kaufen

Kurz nach 12 Uhr – und noch 55 Minuten Wartezeit bis zum Eintritt in den eigentlichen Ticketshop. (Screenshot von der BVB-Homepage)

Tätäääää! Großer Tusch. Heute ist es auf den Tag genau 60 Jahre her, dass die Bundesliga ihren Spielbetrieb aufgenommen hat. Die Gründung der höchsten deutschen Spielklasse war übrigens vom DFB in Dortmund beschlossen worden. Und das allererste Liga-Tor hat Timo Konietzka vom BVB erzielt – beim Auswärtsspiel gegen Werder Bremen. Die Grünweißen haben dann doch noch 3:2 gewonnen. Naja, Schwamm drüber. Es lässt sich derweil gar nicht ermessen, wie viel gesamtgesellschaftlicher Gesprächsstoff und verbra(u)chte Lebenszeit sich aus der Liga ergeben hat.

Apropos Lebenszeit. Damit zu einem allzeit dringlichen Thema beim BVB. Nein, es geht nicht um weitere Spielertransfers, sondern um dies: Während man sich andernorts schlicht und einfach eine Karte kauft, um ein Spiel zu sehen, ist das in Dortmund anders. Ganz anders. Hier muss man Zeit opfern und großes Glück haben. Selbst im europäischen Vergleich ist der Kartenabsatz beispiellos. Da sage noch jemand, die Bundesliga sei kein Erfolgsmodell. Hier ist sie jedenfalls eins.

In jedem Falle ausverkauft

Bei 81.365 Zuschauern wird im größten deutschen Stadion regelmäßig „ausverkauft“ gemeldet. Egal, gegen wen die Partie bestritten wird. Scherzbolde sagen, das Westfalenstadion sei schon proppenvoll, wenn der Platzwart den Rasen mäht. Satte 55.000 Plätze werden bereits durch Dauerkarteninhaber belegt (abzüglich derer, die am jeweilen Spieltag verhindert sind, ihre Tickets aber anderweitig vergeben). Bleiben rechnerisch also gerade mal 26.365 „freie“ Plätze, von denen wiederum das Gäste-Kontingent abgezogen werden muss – je nach Gegner mal mehr, mal weniger. Von Frei- und Gefälligkeitskarten (für Sponsoren etc.) mal ganz abgesehen.

Beispiel: Am 23. September geht es für die Borussia gegen den VfL Wolfsburg, der – gelinde gesagt – nicht allzu viele Fans zur Fahrt nach Dortmund mobilisiert. Also bleiben ein paar Plätze mehr für heimische Fans übrig. Doch was nützt es?

Habe mich also heute ins Abenteuer der Online-Kartenvergabe gestürzt. Wohlgemerkt: Es geht nicht etwa gegen die ungeliebten Bayern oder dito Leipzig, sondern eben gegen das nicht übermäßig attraktive Wolfsburg. Noch dazu kann ich mich – theoretisch mit zigtausend anderen Leuten – als Vereinsmitglied einloggen. Für uns Auserwählte gibt es den „freien“ Vorverkauf einen Tag vor dem offiziellen. Doch was nützt es?

„Ebenfalls per Zufallsprinzip“

Der Online-Zugang zum Ticketshop ist am entsprechenden Vorverkaufstag aus guten Gründen streng geregelt. Zitat aus der bürokratisch trockenen Erläuterung:

„Erst mit Beginn des Vorverkaufs (um 12 Uhr) wird eine festgelegte Anzahl an Personen per Zufallsprinzip in den Ticketshop gelassen. Alle Fans, die nicht sofort in den Shop geführt werden können (Hahaha! d. Red.), befinden sich dann in einem Warteraum, der transparent die Zeit angibt, bis die jeweilige Person an der Reihe ist. Die Position im Warteraum wird ebenfalls per Zufallsprinzip zugeteilt…“

Und wenn man sich nun schon um 10 Uhr einloggt? Dann bringt das offenbar auch keinen Vorteil: „Der Zeitpunkt, wann der Ticketshop (vor 12 Uhr) aufgerufen wird, ist nicht entscheidend für die spätere Ticketvergabe!“

Viele geben vorzeitig auf

Nun muss man also im virtuellen Warteraum ausharren. Ein kleines Männlein, das durch einen gelben Streifen auf ein Ziel hin schreitet, zeigt den Fortgang an. Wie niedlich. Jedoch ein schwacher Trost. Erste Meldung: 55 Minuten (!) Wartezeit bis zum ersehnten Eintritt in den Ticketshop. Offenbar geben an diesem Punkt manche schon auf, denn die Wartezeit verkürzt sich nun schneller, als die Uhrzeit voranschreitet. Plötzlich sind es „nur“ noch 42 Minuten, dann sprungweise 35, 29, 25, 18, 14, 8, 6, 5, 3… Bereits um 12.14 Uhr plus ein paar Sekunden ist die imaginäre Null-Linie erreicht, ich darf in die heiligen Hallen eintreten. Großes Oh und Ah!

Doch was ist das? Die knappe Viertelstunde hat anscheinend schon ausgereicht, dass andere Fans den gesamten Kartenbestand abräumen konnten. Ich verkneife es mir, sie „gierige Geier“ zu nennen. Ich wäre ja im Erfolgsfalle selbst einer gewesen. Jedenfalls heißt es an dieser Stelle, dass keine Karten mehr zur Verfügung stünden.

Einen anderen Browser benutzen? Längst probiert. Dauerfeuer mit der F5-Aktualisierungstaste? Zwecklos. Da muss man sich wohl ins Schicksal fügen.

 




Dein Ticket musst du zehnmal kaufen! – Eine digitale Absurdität aus der Welt des öffentlichen Nahverkehrs

Umständlich genug: der „gute alte" Fahrkartenautomat. (Foto: Bernd Berke)

Umständlich genug: der „gute alte“ Fahrkartenautomat. Schon die Aufschrift (Italienisch statt z. B. Türkisch oder Polnisch) deutet auf ein geistiges Verharren in den 1960er Jahren hin. (Foto: Bernd Berke)

Also, diesen Blödsinn muss ich Euch einfach erzählen. Es geht um Tickets für den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV), insbesondere: für den Rhein-Ruhr-Verkehrsverbund VRR bzw. die DSW21 (Dortmunder Stadtwerke). Ich höre schon jetzt Eure Seufzer. Tja. Da müssen wir jetzt gemeinsam durch.

Die Sache ist die: Weil ich schon mal gern mit der Zeit gehe, habe ich mich für Handytickets angemeldet. Also nix mehr mit papierenem Fahrschein und Abstempelei („zack-ping“), sondern – gegen entsprechendes Entgelt – die gespeicherte Fahrberechtigung auf dem Smartphone vorweisen. Wer mal in den letzten Jahren z. B. in England oder Holland war, weiß, dass sie uns dort in solchen und anderen digitalen Dingen meilenweit voraus sind. Und längst nicht nur dort. Deutschland ist auf diesem Sektor nahezu Entwicklungsland.

In einer mir selbst unbegreiflichen Euphorie habe ich per App trotzdem gleich ein Zehnerticket geordert, wobei der erste von zehn „Abschnitten“ erklärtermaßen schon nach 90 Minuten verfällt. Man sollte das Billet also erst kurz vor Antritt der ersten Fahrt erwerben (siehe dazu die Nachbemerkung am Schluss).

Da kann man klicken, wie man will…

So weit, so gut und halbwegs verständlich. Nun aber kommt’s: Flugs zeigt die einschlägige Handy-App an, dass das Ticket (Teil 1) nicht mehr gültig sei. Also wird die Anzeige doch jetzt ebenso schnell automatisch aufs zweite von zehn Tickets umspringen? Nichts da! Man kann drücken und klicken, wie man will, da tut sich nichts dergleichen. Sollte das ganze Zehnerticket (Preis immerhin 22,60 Euro) damit schon beim Teufel sein? Das wäre ja wohl nicht zu fassen.

Ticket abgelaufen... (Screenshot vom Smartphone / ©Markenzeichen VRR/DSW21)

Handyticket abgelaufen… (Screenshot vom Smartphone / © Markenzeichen VRR/DSW21)

Also die Hotline bemüht. Die Antwort folgt so rasch und klingt so geläufig, als kämen täglich Dutzende solcher Anfragen. Der Ratschlag, auf den man nie und nimmer von selbst gekommen wäre: Man soll das ganze Kauf-Prozedere erneut absolvieren – bis am Ende Kosten von 0,00 Euro angezeigt würden. Damit sei das zweite von zehn Tickets ohne weitere Kosten aktiviert. Und so weiter. Und so fort. Der ganze Mumpitz zehnfach. Leute, ist das denn wahr?

Nun sagt selbst: Hättet ihr einen solchen Humbug für möglich gehalten? Schreckt man denn nicht vielmehr bei der Ansage „Nochmals kaufen“ zurück, weil man abermals Kosten befürchtet? Womöglich ohne jegliche Gegenleistung.

Okay, es hat dann geklappt, aber es ist trotzdem blühender Unsinn.

Drei Hotliner, fünf Meinungen

Nach und nach sind es dann drei Anrufe bei der Hotline geworden, zwischendurch wurde ich auch noch mehrfach gesperrt (Rückmeldung wörtlich: „wegen zu viele Versuche“) und kam gar nicht mehr in die Nähe meiner ehrlich erworbenen virtuellen Fahrkarten. Ich sage nur: Kunde, Kunde, du musst wandern – von der einen PIN zur andern…

„Zack-ping" – als das Entwerten noch händisch vonstatten ging... (Foto: Bernd Berke)

„Zack-ping“ (oder „Zack-piep“) macht es, wenn das Entwerten noch händisch vonstatten geht. (Foto: Bernd Berke)

Auf den Einwand, dieses „System“ sei alles andere als selbsterklärend, räumten die ersten beiden Hotline-Mitarbeiter freimütig ein, das stimme auf jeden Fall. Kerls, so meldet es doch euren Chefs, damit die sich gezielt kümmern! Entweder deutliche Hinweise an geeigneter Stelle oder am besten gleich die ganze Funktion aufpolieren! Kann doch nicht so schwer sein. Ihr schafft das schon. Verdammte Hacke!

Die dritte Hotlinerin klang zunächst ein bisschen zickig, wurde dann aber zusehends freundlicher und gab hilfreiche Auskünfte. Es war halt wie sonst bei der zuweilen unsäglichen Telekom oder ähnlichen Spezialisten. Jede Info lautet ein bisschen oder gar völlig anders. Drei Hotliner, fünf Meinungen. Oder so ähnlich. Die „Wahrheit“ muss man halt extrapolieren. Man wird dabei zum Erkenntnistheoretiker wider Willen.

Nun sagt, soll ich künftig wieder Fahrscheine aus Papier am Automaten ziehen wie seit eh und je? Wenn nur diese Automaten nicht ebenfalls so idiotisch umständlich wären…

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P.S.: Hinterhältige Schlaumeier haben mit dem Kauf ihrer Handytickets gewartet, bis am anderen Ende des Waggons die Kontrolleure auftauchten. Erst da haben sie mit fliegenden Däumchen per Handy ganz fix ihre Karte erworben. Drum werden die Fahrkarten jetzt erst zwei Minuten nach dem Kauf gültig („scharf geschaltet“), um derlei Last-Minute-Aktionen zu unterbinden.