Bildhauer Tony Cragg stattet erstmals eine Oper aus: „Castor et Pollux“ von Jean-Philippe Rameau am Staatstheater Meiningen

Sir Tony Cragg (links) bei der Besichtigung der Meininger Bühne mit dem Intendanten des Theaters, Jens Neundorff von Enzberg. (Foto: Christina Iberl)

Tony Cragg stattet erstmals eine klassische Oper aus. Das Staatstheater im thüringischen Meiningen hat für 21. Februar 2025 Jean-Philippe Rameaus „Castor et Pollux“ in einer Bühne des in Wuppertal lebenden Bildhauers angekündigt.

Die Inszenierung übernimmt Adriana Altaras; der Intendant des traditionsreichen Hauses, Jens Neundorff von Enzberg, hat die Spielfassung der Oper Rameaus erstellt. Co-Bühnenbildnerin ist die in Würzburg lebende Verena Hemmerlein. Die Meininger Hofkapelle wird geleitet von Christopher Moulds. Der britische Dirigent ist bekannt für seine Dirigate von Opern von Komponisten wie Claudio Monteverdi, Francesco Cavalli oder Georg Friedrich Händel in Amsterdam, Berlin, Glyndebourne, Halle, München, Salzburg oder Zürich.

Das Meininger Staatstheater. (Foto: Werner Häußner)

Cragg wird nach den Worten von Intendant Jens Neundorff von Enzberg in seinem Bühnenbild als Bildhauer wie als Zeichner sichtbar sein. Sein Kontakt mit dem Künstler reiche über 20 Jahre zurück, seit er als Chefdramaturg und Operndirektor die Oper Bonn mit der Kunsthalle und mit bildenden Künstlern verknüpft habe, erklärte Jens Neundorff von Enzberg.

Diese Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern hat er in Meiningen wieder aufgegriffen: Markus Lüpertz stattete dort Giacomo Puccinis „La Bohème“ aus. Der Großmeister monumental gesteigerter expressionistischer Malerei und Skulptur schuf auch die Ausstattung für Vicente Martín y Solers Oper „Una cosa rara“, die 2018 am Theater Regensburg von Andreas Baesler neu inszeniert und 2024 nach Meiningen übernommen wurde. Auch Achim Freyer hat für Meiningen gearbeitet: Auf eine „Zauberflöte“ (2022) folgte in dieser Spielzeit Giuseppe Verdis „Don Carlos“.

Organisch sich windende Skulpturen

Sir Tony Cragg, 1949 in Liverpool geboren, hat bisher nur zwei Mal eine Bühne gestaltet: 2015 für eine spartenübergreifende Produktion von Shakespeares „Romeo und Julia“ und 2021 für ein Musical nach Hermann Melvilles „Moby Dick“ mit der Musik von Alexander Balanescu, beide in Wuppertal in der Regie von Robert Sturm.

Die Skulpturen Sir Tony Craggs für die Inszenierung von „Castor et Pollux“ in Meiningen. (Foto: Christina Iberl)

Der Künstler ist spätestens seit Mitte der Achtziger Jahre durch seine ungegenständlichen, sich windenden, organisch wirkenden, oft metallisch glänzenden Skulpturen bekannt geworden. Seine abstrakten Werke mit Plastik als Material machten vorher schon auf bedeutenden Ausstellungen wie der Kasseler documenta, der Biennale di Venezia oder in Museen wie dem Brooklyn Museum New York oder der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf auf ihn aufmerksam.

Tony Cragg lebt seit 1977 in Wuppertal. Ab 1979 lehrte er – mit einem Intermezzo in Berlin von 2001 bis 2006 – an der Kunstakademie Düsseldorf, deren Rektor er von 2009 bis 2013 war. 2006 erwarb er in Wuppertal Park und Villa Waldfrieden und gestaltete das 15 Hektar große Gelände zum Skulpturenpark um.

Cragg hat zahlreiche Ehrungen empfangen, so den Turner Prize und die Ordre des Arts et des Lettres. Er ist Ehrenbürger der Stadt Wuppertal und seit 2015 Ehrenmitglied der Kunstakademie Düsseldorf. Derzeit und bis zum 4. Mai zeigt in Rom das Museo Nazionale Romano in den Diokletiansthermen eine große Einzelausstellung mit 18 Skulpturen Tony Craggs aus den letzten zwei Jahrzehnten. Im Sommer ziehen dann vom 24. Juli bis 6. Oktober Skulpturen Craggs in die Prunkräume der Alten Residenz in Salzburg ein.




Geisterhafte Unwirklichkeit des Materials: Gips-Arbeiten Henry Moores in Wuppertal

Henry Moore: Working Model for Reclining Figure Bone Skirt, 1977. Foto: Henry Moore Foundation

Henry Moore: Working Model for Reclining Figure Bone Skirt, 1977. Foto: Henry Moore Foundation

Henry Moore (1898 bis 1986) ist vor allem durch seine eleganten, expressiven Bronzeplastiken bekannt geworden. Dass er auch Arbeiten in Gips anfertigte und dieses Material am Ende seines Schaffens immer mehr schätzte, ist Kunstfreunden kaum bewusst. Erstmals in Deutschland zeigt der Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal nun eine größere Auswahl von Moores Gips-Skulpturen.

Die empfindlichen Kunstwerke sind mit Unterstützung der Henry Moore Foundation von Großbritannien nach Deutschland gekommen. Dreißig Arbeiten aus drei Jahrzehnten zeigen, wie Moore die eigentlich als Vorstufen für Bronzeskulpturen dienenden Gipsmaquetten allmählich als eigenständige Originale betrachtete, sie nach dem Bronzeguss nachträglich kolorierte oder – etwa durch Reliefierung – weiter bearbeitete. Einige bildhauerische Ideen hat Moore sogar ausschließlich in Gips gestaltet. Diese wenig bekannten Arbeiten sind nicht in das systematische Werkverzeichnis seiner Skulpturen aufgenommen wurden.

Henry Moore: Three Quarter Figure Lines, 1980. (c) Henry Moore Foundation LH 797_037 Max

Henry Moore: Three Quarter Figure Lines, 1980. (c) Henry Moore Foundation LH 797_037 Max

In Wuppertal zeigt sich an den Gipsarbeiten, wie stark die vernarbten Oberflächen, auf denen jede eingeschnittene Linie sichtbar ist, ein Gefühl der Unmittelbarkeit hervorrufen. Moore erklärte dazu in seinem Todesjahr 1986: „Gips besitzt eine geisterhafte Unwirklichkeit im Gegensatz zur soliden Kraft der Bronze.“

Mit Gips fand Moore zu einer vollkommenen Freiheit beim Finden der Form. Er arbeitete mit dem feuchten, formbaren Gips, bearbeitete das ausgehärtete Material dann auch mit Feilen, Meißel, zahnärztlichen Instrumenten oder Alltagsgegenständen wie Käsereiben. Mit einer zurückhaltenden Kolorierung betonte er bisweilen bestimmte Formpartien.

Der Skulpturenpark Waldfrieden gruppiert sich um die gleichnamige Villa, die der Künstler und Architekt Franz Krause im Auftrag des Fabrikanten Kurt Herberts anstelle eines im Krieg zerstörten Baus zwischen 1947 und 1950 realisierte. Das Haus mit seinen einzigartigen organisch anmutenden Formen und das Gelände wurden 2006 vom Bildhauer Tony Cragg erworben. Das Haus ist heute Sitz der Cragg Foundation. Die Dauerausstellung im Park zeigt etwa drei Dutzend bedeutender Plastiken der Moderne und der Gegenwart.

Henry Moore: Three Way Piece No. 1, 1964. Foto: Jonty Wilde

Henry Moore: Three Way Piece No. 1, 1964. Foto: Jonty Wilde

Das Gelände und der Ausstellungsraum sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Die Tageskarte kostet 10 Euro (ermäßigt 8 Euro); Studenten zahlen 6 Euro, Schüler und Kinder unter sieben Jahren haben freien Eintritt. Öffentliche Führungen gibt es samstags um 15 und sonntags um 11 Uhr.

Gut zu der laufenden Ausstellung im Skulpturenpark passt ein Besuch der Retrospektive zum Werk des seit 1977 in Wuppertal lebenden Bildhauers Tony Cragg im Wuppertaler Von der Heydt-Museum, die am 19. April eröffnet und bis 24. August gezeigt wird.

Info: Skulpturenpark Waldfrieden, Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal, Tel.: (0202) 47 89 81 20, www.skulpturenpark-waldfrieden.de

 




Ins Innere der Dinge vordringen – die Wuppertaler Werkschau des Tony Cragg

Tony Cragg (Foto Mart Engelen)

Tony Cragg (Foto Mart Engelen)

Eine dermaßen weit ausgreifende Einzelausstellung hat es im Wuppertaler Von der Heydt-Museum noch nie gegeben: Für diesen Künstler hat Museumschef Gerhard Finckh gleich alle drei Etagen des Hauses freiräumen lassen. Der 1949 in Liverpool geborene Bildhauer Tony Cragg, so Finckh, sei ein „Weltstar“ der Kunst. Noch dazu lebt der Brite seit den 1970er Jahren in Wuppertal.

Nun also richtet ihm seine Wahlheimat die erste umfassende Retrospektive aus – und nicht etwa London oder Paris. Gar üppig, ja geradezu ausufernd füllt skulpturale Formenvielfalt mitsamt begleitenden Arbeiten 26 Räume. Cragg und sein 20köpfiges Team haben die aufwendige Aufstellung weitgehend selbst besorgt. Rund 120 dreidimensionale Arbeiten, manche um die 800 Kilogramm schwer, breiten sich jetzt aus, dazu Fotografien und Zeichnungen. Hier ist tatsächlich ein facettenreiches Lebenswerk zu besichtigen.

Tony Cragg: "Castor & Pollux", 2015, Holz. (© VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto Michael Richter)

Tony Cragg: „Castor & Pollux“, 2015, Holz. (© VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto Michael Richter)

Tony Cragg, der auf dem Titel des schwergewichtigen Katalogs korrekt mit vollem Namen Anthony Cragg heißt, hat wahrlich seine großen Meriten. Er ist Träger so renommierter Auszeichnungen wie Turner-Preis und Praemium Imperiale, auch war er (bis 2013) Rektor der weltweit geachteten Kunstakademie in Düsseldorf. Die Liste der Verdienste und Ehrungen ließe sich länglich fortführen.

Mit Vorgefundenem und Vorhandenem, vorzugsweise mit „ärmlichem“ Material hat es in aller Bescheidenheit begonnen. Craggs frühe Fotos im Geiste des Minimalismus und der Land Art hängen am Beginn der Schau, gruppiert um ein imposantes Stapel-Kunstwerk, das so etwas wie eine schichtenhafte „Geologie der Dinge“ vor Augen führt.

Tony Cragg: "Secretions", 1998, Plastikwürfel. (Sammlung Deutsche Bank - © VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto Dave Morgan)

Tony Cragg: „Secretions“, 1998, Plastikwürfel. (Sammlung Deutsche Bank – © VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto Dave Morgan)

Nach und nach hat Cragg dann die vielfältigen Möglichkeiten und Eigenarten so mancher Stofflichkeiten von Glas bis Holz, Metall und Plastik erkundet. Jedes Material verlangt eine andere Herangehensweise, einen anderen Prozess. Vielfach gibt es – nicht nur mit Glas – zunächst Bruch und Chaos, bevor schließlich die angestrebte Form entsteht.

Wenn man erlebt, wie nervös und ruhelos, aber vor allem ständig inspiriert Tony Cragg zwischen seinen Schöpfungen erläuternd hin und her geht, erahnt man sein demiurgisches Wesen, das sich so viele Formen und Materialien bezwingend anverwandelt. „Abenteuer mit dem Material“ nennt er das und man darf wohl glauben, dass es dabei aufregend zugeht.

Tony Cragg: "Versus", 2012, Bronze. (© VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto Michael Richter)

Tony Cragg: „Versus“, 2012, Bronze. (© VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto Michael Richter)

Schöner noch: Mit britischem Humor und feinsinnigem Understatement weiß er einem seine Kunst auf sympathische Weise nahezubringen. Schlecht habe er übrigens in den letzten Tagen geschlafen, denn gerade diese Ausstellung am Wohnort müsse besonders gelingen. Er wolle auch künftig ohne Gewissensbisse durch Wuppertal gehen…

1966-68, noch vor seinen Kunststudien, hat Cragg als junger Mann zeitweise als Techniker in einem Chemielabor gearbeitet. Vielleicht hat ihn diese Erfahrung dazu gebracht, gleichsam ins verborgene Innere der Dinge vordringen zu wollen, um möglichst sichtbar zu machen, was die Welt im Innersten zusammenhält oder auch antreibt? Die Wissbegier reicht sozusagen bis hinab zur molekularen Ebene. „Parts oft the World“ (Teile der Welt) heißt ja auch die ganze Schau.

Tony Cragg: "Making Sense", 2007, Fiberglas. (© VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto Michael Richter)

Tony Cragg: „Making Sense“, 2007, Fiberglas. (© VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto Michael Richter)

Doch die Wissenschaften, so Craggs Überzeugung, tragen zwar zahllose Erkenntnisse zusammen, die allerdings emotional blass bleiben und einen nicht ergreifen. Erst die Künste verwandelten ihren Gehalt in spürbare Emotionen. In einer Zeit, in der sich die Welt mit theoretischen Konstrukten anfüllt, begreift er ein umfassendes Sichtbarmachen offenbar als seine Mission.

Und so wirken etliche seiner Werke einerseits, als basierten sie auf minutiösen Form-Analysen, die dann freilich wieder zur Synthese gelangt sind und jeweils ein (vielfältiges) Ganzes ergeben, um das man staunend herumgeht, immer neue Aspekte wahrnehmend. Diese Art der Bildhauerei erweist sich – durch die Jahrzehnte hindurch – als ständige Erfindung ungeahnt neuer Formen. Damit entstünden auch neue Begriffe und neue Freiheiten, sagt der Künstler selbst.

Tony Cragg: "Runner", 1985, Plastik. (© VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto Michael Richter)

Tony Cragg: „Runner“, 1985, Plastik. (© VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / Foto Michael Richter)

Faszinierend ist es zu sehen, wie zunächst abstrakt anmutende, beispielsweise wirbelsäulenförmige Figurationen, auf frappante Weise lebendige Körperlichkeit enthalten und vitale Zeitabläufe energiereich „speichern“. Diese Arbeiten oszillieren zwischen organischen und geometrischen Impulsen. Ein spannender Widerstreit.

Oft ist es, als seien Dinge und Körper zu verschiedenen Zeitpunkten immer wieder anders gewendet, besehen und geformt worden, so dass sie schließlich gar nicht mehr recht zu fassen sind. Herkunft verpflichtet: Auch eine überdimensionale Teekanne hat der Brite auf solche Art gestaltet, indem er simultan verschiedenste Ansichten derselben vorführt.

Neuerdings bedient sich Cragg auch der Möglichkeiten des Computer Aided Design (CAD), doch wird er seine schier unendlichen Formfindungen gewiss nicht von digitaler Technik beherrschen lassen. Dazu hat er wohl einfach zu viele Phantasien im Kopf und im Herzen, die ihn zum (un)steten Schaffen drängen. Der Computer bleibt Hilfsmittel.

Die Werkgruppen, die in Wuppertal präsentiert werden, reichen bis hin zu neuesten, bisher noch nicht gezeigten Skulpturen. Selbstverständlich hat sich im Laufe der Jahre manches entwickelt, was anfangs noch nicht da war. Doch gerade im Rückblick zeigt sich, dass sich dieses Lebenswerk wie ein Baum verzweigt hat und auch immer wieder zum Angestammten zurückkehrt.

Tony Cragg: „Parts oft he World“ – Retrospektive. 19. April bis 14. August 2016 im Von der Heydt-Museum, Wuppertal, Turmhof 8. Geöffnet Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr. Mo geschlossen. Himmelfahrt, Pfingstsonntag und Fronleichnam geöffnet, 1. Mai und Pfingstmontag geschlossen. Eintritt 12 Euro, ermäßigt 10 Euro. Katalog 38 Euro, DVD 15 Euro. Internet: www.tonycragg-ausstellung.de




Waldfrieden in Wuppertal – wunderbar!

Beim ersten Blick auf das Wort „Waldfrieden“ denkt man vielleicht an eine Begräbnis-Stätte, einen Platz für Urnen unter Bäumen, aber solche Orte heißen meist „Friedwald“, also ein umgekehrt zusammengesetztes Wort. Waldfrieden in Wuppertal dagegen ist ein inzwischen international bekannter Skulpturenpark mit einem kulturellen Wert sondergleichen.

Cragg-Skulptur im Park Waldfrieden. (Foto: Pöpsel)

Cragg-Skulptur im Park Waldfrieden.
(Foto: Pöpsel)

Ein etwa vierzehn Hektar großes Park-Grundstück oberhalb von Elberfeld mit altem Baumbestand umgibt die ehemalige Villa Waldfrieden des Lackfabrikanten Kurt Herberts, der das Haus durch den Künstler-Architekten Franz Krause in den ersten Nachkriegsjahren bis 1950 dort errichten ließ. Im Jahre 2006 erwarb der Bildhauer Tony Cragg das gesamte Anwesen, um ein Ausstellungsgelände für Skulpturen zu schaffen – eben diesen so sehenswerten Park Waldfrieden, den man als Ruheort im industriell geprägten Wuppertal kaum vermuten würde.

Cragg ließ den historischen Baubestand restaurieren und zusätzlich einen Glaspavillon als Ausstellungshaus errichten. 2008 eröffnete die Cragg Foundation den Park als Ort der Begegnung mit zeitgenössischer und aktueller Skulptur. Entlang der Wege in dem weitläufigen Gelände findet man daher nicht nur Skulpturen des Künstlers Cragg selbst, sondern auch Werke zahlreicher anderer Bildhauer, zum Beispiel von Thomas Schütte. Außerdem gibt es vor dem Eingang im ehemaligen Gärtnerhaus ein nettes Cafe, und im Sommerhalbjahr kann man unter dem Titel „Klangart“ eine hochwertige Konzertreihe erleben. Aber auch im Herbst und Winter lohnt sich ein Besuch im Park Waldfrieden, dessen Haupteingang allerdings im verwinkelten und bergigen Straßensystem Wuppertals nicht einfach zu finden ist.

Seit dem 19. Oktober und noch bis zum 12. Januar 2014 gibt es neben der Dauerausstellung eine Sonderschau mit Skulpturen von Harald Klingelhöller zu sehen. Der Professor an der Kunstakademie Karlsruhe stellte auch auf der documenta aus und erhielt in diesem Jahr für sein Lebenswerk den Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg. Klingelhöller wurde 1954 in Mettmann geboren und studierte in Düsseldorf bei Klaus Rinke, unter anderem zusammen mit Thomas Schütte und Ludger Gerdes.

Skulpturenpark Waldfrieden, Hirschstraße 2 in Wuppertal. Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Dezember bis Februar nur Freitag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt 8/6 Euro. www.skulpturenpark-waldfrieden.de




Puppenbild am Beichtstuhl, Krücken an den Wänden – Kunst kehrt in die Kirche zurück

Von Bernd Berke

Münster. An die Wände der Lambertikirche hat jemand lauter Krücken gestellt. Im selben Gotteshauses hängt, gleich neben dem Beichtstuhl und scheinbar höchst unpassend, ein im „wilden“ Stile gemaltes Bild, auf dem Kinder mit einer zerstörten Puppe zu sehen sind. Und in der Überwasser-Kapelle hat sogar einer die Wände vollgeschrieben. Welche Frevler waren da am Werk?

Gar keine. Es geht um eine Aktion, mit der in Münster das schwierige Verhältnis zwischen Kunst und Kirche ausgelotet wird. Seit Maler und Bildhauer in die Abstraktion abgewandert sind, fanden Amtskirche und praktizierende Christen die Werke nicht mehr anschaulich genug – und damit untauglich zur Glaubensvermittlung.

Bis zum 18. Jahrhundert schienen Kunst und Kirche verschwistert, dann riß die Verbindung zusehends. Hinter dem Münsteraner Projekt „Gegenbilder“, das Arbeiten von 13 Künstlern in vier Kirchen versammelt, stehen Vertreter der beiden großen christlichen Konfessionen als Beiräte. Für die Auswahl war der Galerist und Kunstvermittler Eberhard Lüdke zuständig: „Anfangs bin ich auf Widerstand gestoßen“, bekennt er. Doch Gespräche mit den Gemeindevorständen hätten manches Mißtrauen beseitigt. Ein Begleitprogramm soll nun das Thema vertiefen. Die Kirchenbesucher werden mit Hinweistafeln eingestimmt.

Ein geschlossenes und ein allseits offenes System

Lüdke zum Kern des Problems: „Die Kirche ist ein eher geschlossenes System, die Kunst ein allseits offenes. Das erzeugt Reibung.“ Die Kunst richte ihr Augenmerk eben auf die Zersplitterung der Welt, die Kirche auf den großen Zusammenhang. Desto mehr war Lüdke überrascht, wie bereitwillig die Künstler mitwirkten; geradezu, als hätten sie auf den Anstoß gewartet und als habe das Thema in der Luft gelegen.

Auch bekanntere Größen wie Stephan Balkenhol und Tony Cragg sind dabei. Sie fertigten ihre Arbeiten eigens für Münster an, um auf räumliche Gegebenheiten einzugehen. Mischa Kuball bedient sich der Bildprojektion, Jan van Munster verpaßt dem Steinfußboden irritierende Muster, Stephan Balkenhol hat zwei nackte Holzfiguren geschnitzt: Adam und Eva. Mark Formarek stellt einen Automaten auf, der auf Knopfdruck Trostworte spendet, und Dieter Kießling hat einen Kunst-Brunnen ans Taufbecken platziert.

Norbert Rademacher stellte die erwähnten „Krücken“ auf, die sich ästhetisch in die Säulen-Ordnung der Kirche einfügen. Es sind Pilgerstöcke, also keineswegs unchristliche Gegenstände. Überhaupt ist das Wort „Gegenbilder“ nicht als Attacke zu verstehen, sondern im Sinne eines behutsam-kritischen, freundlich gestimmten Gegenübers. Ganz klar: Ausgesprochene Kirchenfeinde oder Tempelstürmer wurden gar nicht erst eingeladen.

Fragt sich, was geschieht, wenn die Ausstellung vorbei ist. Möglich, daß etwa die Schriftzüge in der Überwasserkirche übertüncht werden. Möglich auch, daß es hier und da zu Ankäufen kommt. Welche Gemeinde hat Mut?

„Gegenbilder“. Münster (Apostel-, Dominikaner-, Lamberti- und Überwasserkirche). Bis 31. Oktober, tägl. 10-18 Uhr. Katalog 20 DM. Infos/Führungen 0251/25687.