„Herbert Knebel ist kein Kotzbrocken“ – Gespräch mit dem Komiker Uwe Lyko über seine Revier-Figur

Von Bernd Berke

„Herbert Knebel“, der Ruhrgebiets-Frührentner mit Prinz-Heinrich-Mütze, Trevira-Jacke und Hornbrille, ist samt „Affentheater“ wieder auf Tour: Zumal über Auswüchse des Strukturwandels im Revier kann sich Knebel alias Uwe Lyko auf der Bühne mächtig komisch aufregen.

Vor vielen Jahren gab’s mal in Berlin eine dann konsequent abgesagte Veranstaltung mit null (!) Zuschauern. Doch längst sind „Knebel“ und Gruppe populär – zumal in der Region. Die WR traf Uwe Lyko (46) in der Essener „Zeche Carl“ zum Interview.

Wie verwandelt sich Uwe Lyko in Herbert Knebel?

Uwe Lyko: Ich merke eigentlich nichts davon. Ich setz‘ Kappe und Brille auf und bin hinterm Vorhang noch Uwe Lyko. Dann geht das Licht im Saal aus, ich nehme eine andere Körperhaltung an, eine andere Stimme. Dann bin ich auf einmal Herbert Knebel. Was da vor sich geht, könnt‘ ich nicht sagen.

Wie kann man’s nennen: Kabarett? Comedy?

Lyko: Dat hat von allem wat. Als wir angefangen haben, da gab’s den Begriff Comedy in Deutschland noch gar nich‘. Wir haben uns damals Musiktheater genannt so wie „N8chtschicht“ in Dortmund. Dann hat Knebel immer mehr Raum eingenommen, und der hat durchaus kabarettistische Züge. Der ist nicht nur reiner Komödiant. Er ist auch Geschichten-Erzähler. Egal. Hauptsache, die Leute lachen.

Woher nehmen Sie den Ruhrgebiets-Sound? Kneipe, Kiosk, Stadion?

Lyko: Ach, den hat man ja teilweise selber. Ich bin in Duisburg aufgewachsen. Und ich hab ne schrullige Oma. Von der hab ich so’n bisschen die Sprache übernommen, weil die sonne ungelenke Ausdrucksweise hat – wie viele Leute im Ruhrgebiet, die mit der Grammatik kämpfen müssen und dabei witzigerweise eine eigene Grammatik entwickelt haben. Ich mach‘ mich nich‘ drüber lustig. Ich bin ja selber so.

Ist Knebel im weiteren Sinn eine proletarische Figur?

Lyko: Ach, dat weiß ich nich. Der Knebel ist nicht am Reißbrett entstanden, sondern intuitiv. Übrigens ist er kein Kotzbrocken. Er ist zwar ständig am Rumnörgeln. Er hat aber wat Menschliches. Sonst hätte die Figur nie diesen Erfolg gehabt.

Inzwischen haben Sie einen Plattenvertrag mit dem Konzern Sony Music. Was hat sich dadurch verändert?

Lyko: Gar nix. Wenn Sony morgen sagt: Wir wollen euch nicht mehr; dann sagen wir: Ja, und? Einmal drängten die, dass wir endlich ’n Hit machen. Da haben wir gesagt: Nee! Wir verdienen ja unser Geld live, kaum mit CDs.

Könnte Knebel ein „Verfallsdatum“ haben? Weil sich das Ruhrgebiet so entwickelt, dass die Figur nicht mehr funktioniert?

Lyko: Das kann passieren. Aber er wirkt nicht nur, weil er Ruhrgebiets-Dialekt spricht, sondern auch als Typ. Er ist kein Auslaufmodell.

Ganz am Anfang Ihrer Laufbahn haben Sie auch mal mit Helge Schneider auf der Bühne gestanden…

Lyko: Ja, damals kannte uns noch kein Mensch. Privat war’s sehr witzig, aber mit dem Helge kann man nicht zusammenarbeiten. Unmöglich! Der ist viel zu chaotisch – was ja auch einen Teil seiner Genialität ausmacht.

Beim Gelsenkirchener Gastspiel im Schatten der Schalke-Arena kamen Buhrufe, sobald die Worte Dortmund oder Borussia fielen.

Lyko: Es iss einfach so, dat ich Borussia-Fan bin. Seit meiner .Kindheit. Und ich bin kein Populist, der extra für Gelsenkirchen eine Schalke-Nummer schreibt.

Sie kommen auch nach Südwestfalen. Klappt dieser Komik-Export?

Lyko: Es gibt da keine Humorgrenze. Im Gegenteil. Im Sauerland gibt’s ein sehr euphorisches Publikum. Das Sauerland iss richtich klasse!




„Filmland NRW“ lockt mit Mammutprogramm in zehn Städten

Von Bernd Berke

Im Westen. Mit einem Paket von 78 Filmen geht jetzt die Veranstaltung „Filmland NRW“ bis zum Jahresende auf eine Tournee durch zehn Städte.

Gestartet wird der massive Einsatz des heimischen Films am 21. März in Münster; vom 27. April bis 10. Mai macht die Musterschau in Essen Station, zwischen dem 17. und 25. September ist sie in Dortmund. Spielstätten sind örtliche Programmkinos, Museen oder Volkshochschulen.

Noch nie wurde ein so breites Spektrum des hiesigen Filmschaffens in so kompakter Form präsentiert – vom Zweiminuten-Streifen bis zum abendfüllenden Beitrag sind alle Längen und Genres vertreten. Kurze „Kulturfilme“ aus den 50er und 60er Jahren sind ebenso im Angebot wie politische Animationsfilme der Landeszentrale für politische Bildüng, Kinder- und Jugendfilme, Preisträger der Oberhausener Kurzfilmtage und Spielfilme aus den Jahren 1958 bis 1984 (z. B. Winkelmanns „Abfahrer“, Ulrich Schamonis „Alle Jahre wieder“, Herbert Veselys „Das Brot der frühen Jahre“).

Der Beginn der Zelluloid-Rundreise markiert zugleich den Start für das Projekt „Kultur NRW ’84 – Beispiele für Vielfalt“, das in den kommenden Monaten über 30 Veranstaltungen aus allen Bereichen landesweit koordiniert bzw. aus der Taufe hebt (u.a.: Autorentreffen in Lüdenscheid, Kulturmesse in Unna, Laienmusikfest in Bad Berleburg). Landeszuschuß für den kulturellen Kraftakt: 4,3 Mio. DM.

Als eine unter 30 Veranstaltungen nimmt sich „Filmland NRW“ mit einem Zuschußtopf von 300 000 DM fast noch bescheiden aus. Immerhin soll aber jeder der zehn Veranstaltungsorte heben dem allgemeinen Filmpaket seine ganz spezielle Erstaufführung erleben. In Münster wird etwa Muschas „Decoder“ gezeigt (der freilich schon im Jungen Forum der Berlinale lief), in Köln steigt die Premiere von „Der Sprinter“ des Bochumer Filmemachers Christoph Böll.

Zum Beiprogramm gehören jeweils Diskussionen mit Filmemachern und Gauklerspiele rund um das „Kinomobil“, das für die Kinder- und Jugendfilme auf Reklamefahrt geht. Auf Einzelheiten zum Thema Filmförderung in NRW wollte sich Dr. Joachim Klinger, Filmreferent im Kultusministerium, bei der gestrigen Vorstellung des „Filmland“-Projektes in Düsseldorf nicht einlassen: „Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe“. Zur Erinnerung: Nachdem NRW in den 50er Jahren bundesweit beispielhaft förderte, muß man sich nun sputen, den Anschluß an die anderen Bundesländer zurückzugewinnen, denn erst seit September 1981 gibt es in NRW wieder eine Landesfilmförderung.




Duisburg schickt dreidimensionale Kunst auf Weltreise

Von Bernd Berke

Duisburg. Die Treppe zum Hauptraum hinuntergehend, sieht man die Spitze eines metallischen Geschosses auf sich gerichtet. Das überdimensionale Projektil steckt in einer zersplitterten Holzsäule. Es hätte sonst genau den Betrachter getroffen. Man ist „ganz knapp noch einmal davongekommen“.

Das Objekt stammt vom 1936 in Gelsenkirchen geborenen Wolfgang Liesen, heißt „Umformer Nr. XVII“ und gehört zur gestern im Duisburger Lehmbruck-Museum eröffneten Ausstellung „Dreidimensional – aktuelle Kunst aus der Bundesrepublik Deutschland“ (bis 23. April).

Die 68 Bildhauerarbeiten und Objekte (flankiert von 120 Zeichnungen derselben 40 Künstler) gehen nach der Duisburger Ausstellung für volle acht Jahre als „Botschafter“ in Sachen Kunst auf Weltreise. Das in Stuttgart ansässige Institut für Auslandsbeziehungen, Zweig des auswärtigen Amtes in Bonn, läßt die Werke dann in fünf Container verpacken und verschiffen. Stationen: Tokio und Städte u. a. in Korea, Indien, Australien sowie Südamerika.

In Anlehnung an den Ausstellungstitel kann festgestellt werden: Die dritte Dimension ist, nachdem besonders in den 60er Jahren horizontale, flache Bodenplastiken dominierten. mit Vorstößen in die Vertikale „wiedererobert“ worden. Das lassen zumindest die in Duisburg gezeigten, von einer Fachjury ausgewählten Objekte vermuten, die einen repräsentativen Querschnitt durch die aktuelle Kunst darstellen sollen.

Eine weitere Akzentverschiebung bei den Arbeiten, die von Künstlern der Jahrgänge zwischen 1920 und 1952 stammen und fast ausnahmslos in den letzten fünf Jahren entstanden, bezieht sich auf die Wahl der Materialien. Industriell vorgefertigte Stoffe und Teile sind eindeutig von naturnäheren, wie zum Beispiel Holz, Stein und Textil zurückgedrängt worden.

Die Gestaltungsformen sind jedoch so verschieden und subjektiv geprägt, daß der Querschnitt ein fast vollständiges Kompendium der Bearbeitungstechniken illustrieren könnte. Beispiele: Franz Bernhard versetzt ein klobiges Konstrukt aus Holz und Eisen in spielerische, scheinbare Bewegung (Titel: „Tänzerisch“); Otto Boll hängt an kaum sichtbaren Fäden einen hauchdünn sich verjüngenden Stahl- und Aluminiumbogen auf, der wie aus einer anderen Welt herniederzuschweben scheint; Timm Ulrichs hat „Schlemihls Stuhl“ entworfen – ein irritierendes Spiel mit dem Schatten.