Schlagwort-Archive: Übersetzer

Übersetzen und überleben (1): Was mache ich da eigentlich?

Unsere Nachbarn denken vermutlich, mein Mann und ich seien arbeitslos. Schließlich sind wir den ganzen Tag zu Hause, außer wenn wir einkaufen oder mit dem Hund rausgehen. Direkt darauf angesprochen hat uns noch keiner – und das ist vielleicht auch besser so.

Das Hochlegen der Füße kann besonders bei schwierigen Stellen die Arbeit voranbringen (c) Ann Catrin Bolton

Das Hochlegen der Füße kann gerade an schwierigen Stellen die Arbeit entscheidend voranbringen (Foto Ann Catrin Bolton)

Die Aussage „Ich bin freiberuflicher Übersetzer“ ruft nämlich gelegentlich Reaktionen hervor, die selbst bei einem versierten Linguisten für akute Wortinsuffizienz sorgen können und die man wohl nicht zu hören bekäme, hätte man etwas Ordentliches wie Mathelehrer oder Verwaltungsfachangestellte gelernt. Die beliebtesten sind:

„Nein, ich meine, was du beruflich machst? Womit verdienst du dein Geld?“

„Das ist doch kein Beruf. Da muss … Weiterlesen

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Goethe und Novalis – rückwärts übersetzt und dadurch verhunzt

Es gab einmal ein wunderliches Experiment: Da wurden Goethes berühmtestes Gedicht von der Ruhe über allen Wipfeln und andere seiner Poeme zunächst ins Japanische übersetzt, und dann bat man einen japanischen Übersetzer, die Gedichte zurück ins Deutsche zu übersetzen. Heraus kam eine ziemlich unverständliche, holperige Fassung jener Werke, die wir wegen ihrer Sprachkraft so lieben.

Der Dichter Novalis

Eher unfreiwillig komisch wirkt da ein Vorgang, den in der vergangenen Woche die Frankfurter Allgemeine Zeitung aufgespießt hat: Die „Deutsche Zeitschrift für Philosophie“ widmete ihr neues Heft (60. Jahrgang, 2012) dem 1998 verstorbenen griechischen Denker Panajotis Kondylis, und der hatte sich unter anderem mit dem deutschen Dichter Novalis beschäftigt. In einem nun nachgedruckten Aufsatz zitierte Kondylis einen Textausschnitt von Novalis, aber anstatt … Weiterlesen

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Bärbeißiger Menschenfreund – zwischen Stadtstreicher und alttestamentarischer Figur: Harry Rowohlt wird 60

Von Bernd Berke

Seine Lesungen, zu denen oft viele hundert Leute kommen; hat er einmal „Schausaufen mit Betonung“ genannt. Zeugenaussagen schwanken allerdings: Manche behaupten, Harry Rowohlt vertilge bei abendlichen Auftritten mühelos eine Flasche Whisky oder mehr. Andere sagen, alles sei halb so wild. Und wir wollen hier keinerlei Tatsachenbehauptung aufstellen.

Denn wer immer über Harry Rowohlt schreibt, muss sich hüten oder notfalls ducken. Der Mann schlägt mitunter verbal ganz scheußlich zurück; wie jetzt auch seine in Buchform gesammelten Briefe (1966 bis Ende 2004) vielfach beweisen. Am Sonntag wird die wohl verwegenste Gestalt der deutschen Kulturszene 60 Jahre alt.

Kongeniale Übersetzung aus dem Englischen

Vor allem als Übersetzer aus dem Englischen hat der Mann ungeheure Verdienste. Das Spektrum seiner kongenialen Übertragungen … Weiterlesen

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Grass: Das Geschenk der Einheit vergeudet – Kritische Töne auf der Frankfurter Buchmesse

Von Bernd Berke

Frankfurt. Ein Hauptgeschäft bei der Buchmesse ist der Verkauf internationaler Nachdruck-Lizenzen. Wenn dieser Handel getan ist, beginnt ein womöglich noch schwierigeres „Geschäft“, das der Übersetzung.

Nicht jeder Autor kann sich gleich mit einem ganzen Kranz renommierter Dolmetscher umgeben wie Günter Grass, der sich gestern in Frankfurt mit einem Dutzend beinahe anonymer Sprachkünstler aufs Podium begab, die just seinen umstrittenen Bestseller „Unkenrufe“ in alle möglichen Idiome übertragen haben — von Katalanisch bis Türkisch, von Dänisch bis Polnisch. Welche Untiefen sich dabei auftun können, machte der polnische Übersetzer deutlich, der die Aufgabe hatte, gebrochenes Deutsch redende Polen sprachlich ins Polnische „hinüberzuretten“.

„Auschwitz immer mitdenken“

Einmütig stellten die Übersetzer fest, daß Grass‘ Roman mit seiner Kritik an deutschen Zuständen allerorts … Weiterlesen

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