Rund um das neue Weltkulturerbe Corvey: Klosterlandschaft mit Leben erfüllt

Die Nachricht war lang ersehnt: Das westfälische Kloster Corvey, heute auf dem Stadtgebiet von Höxter, ist von der Unesco in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Als 39. Kulturstätte in Deutschland dürfen sich das karolingische Westwerk und die „civitas“ Corvey nun im Glanz des begehrten Titels sonnen. Seit 1999 standen die Reste der 822 gegründeten Benediktinerabtei auf der Warteliste.

Mit seinem 885 geweihten und im 12. Jahrhundert umgestalteten Westwerk, mit seiner reichen Geschichte und der barocken Klosteranlage – heute Schloss Corvey – ist das neue Weltkulturerbe wohl das bedeutendste, aber nicht das einzige Kloster im Raum zwischen Weserbergland und Teutoburger Wald. 28 monastische Stätten zählt die Region – von der Einsiedelei bis zu aktiven Frauenklöstern mit modernem spirituellem Leben. Das Netzwerk Klosterlandschaft Ostwestfalen-Lippe arbeitet seit Jahren erfolgreich daran, diese Orte der Kunst-, Kultur- und Glaubensgeschichte zu vernetzen und mit Leben zu erfüllen. Das Ziel ist, ein lebendiges Erbe zu gestalten: Klöster als Orte der Gemeinschaft, der inneren Einkehr, als Räume des Rückzugs und Oasen der Stille, aber auch als Bereiche des Glaubens und der Reflexion.

Um sich die Kirchen, Klöster, Gärten und Orte der Kultur zwischen Gütersloh und Höxter, Minden und Warburg zu erschließen, bietet sich der Sommer mit seinen zahlreichen Veranstaltungen an. In einer Broschüre hat das Netzwerk Klosterlandschaft zusammengestellt, was es an Musik und Kunst, aber auch an Freizeit und Kulinarik zu entdecken gibt.

Die 1180 fertiggestellte romanische Kirche kündet noch vom ersten Kloster der Benediktinerinnen in Gehrden, das bis 1810 bestand. Foto: Kulturland Höxter

Die 1180 fertiggestellte romanische Kirche kündet noch vom ersten Kloster der Benediktinerinnen in Gehrden, das bis 1810 bestand. Foto: Kulturland Höxter

Das vierte „Klosterfestival“ etwa füllt die Räume und Landschaften mit Musik – von Vorbarock bis Jazz. Die ehemalige Benediktinerinnen-Abtei Gehrden ist ein reizvoll gelegener Ort für den Auftakt am 25. Juli: Die um 1140 erbaute romanische Klosterkirche ist ein idealer Auftrittsraum für das Collegium Vocale aus Hannover, das unter Florian Lohmann das Eröffnungskonzert gestaltet. Anschließend taucht ein „Hörspiel“ den zauberhaften Ort in Licht und Klang.

Einen Tag später, am 26. Juli, dürfte die ehemalige Abteikirche Marienmünster die Freunde der Musik Johann Sebastian Bachs anziehen: An der 1738 erbauten Orgel von Johann Patroclus Möller spielt um 20 Uhr Harald Vogel (Bremen) Werke des Thomaskantors, um 22 Uhr singt und spielt das Ensemble Marescotti Musik des 14. bis 17. Jahrhunderts. Drei Mal stehen „Bach-Wanderungen“ im Programm. Die dreistündigen Wege durch die Landschaft enden jeweils mit einem Konzert in Corvey (27. Juli), Willebadessen (10. August) und Marienmünster (17. August). Im Abschlusskonzert am 30. August, 18 Uhr, singt der Deutsche Ärztechor Bach-Motetten in der früheren Abteikirche in Corvey.

Ein breit gefächertes Programm für Orgelfreunde bietet der „Herforder Orgelsommer“ zwischen 6. Juli und 31. August. Eröffnet wird er mit Händels „Dettinger Te Deum“ im Herforder Münster am 6. Juli, 18 Uhr. Meist sonntags folgen Orgelkonzerte, etwa mit „Orgelmusik aus Venetien“ (13. Juli) und – dem diesjährigen Thema „Hansestädte“ folgend – mit Musik aus Belgien, den Niederlanden, Skandinavien und dem Ostseeraum. Unter den Gästen sind Kathedralorganisten wie Hans Leitner (München), Ignace Michiels (Brügge) oder Markku Hietaharju (Turku).

Ein Besuch des Orgelmuseum in Borgentreich – zwischen Brakel und Warburg – und der größten Barockorgel Westfalens in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist sollte für Orgelfreunde auf dem Weg liegen. Das dreimanualige Instrument mit 45 klingenden Registern wurde bis 2011 für 1,7 Millionen Euro restauriert. Das Wochenende 19./20. Juli lockt mit einem Konzert der „Musica fiata“ Köln, einem Festhochamt und der Besichtigung von Museum, Orgel und Kirche bei Rundgängen. Außerdem wird die erste CD-Aufnahme nach der Restaurierung vorgestellt.

In Corvey selbst dürfe das Gartenfest vom 1. bis 3. August zu einem vielbesuchten Dank- und Jubelfest anlässlich der Erhebung zum Weltkulturerbe werden. Ein Tipp für Jazz-Fans sind die Jazz-Tage Corvey & Holzminden von 18. bis 21. September. Und in Kloster Dalheim mit seinem LWL–Landesmuseum für Klosterkultur findet vom 1. bis 27. August das Kulturfestival „Dalheimer Sommer“ statt – mit Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“ im „Schafstall“, dem Eröffnungskonzert am 3. August mit Geistlicher Musik aus Italien, Spanien und Mexico oder einem Konzert zum 300. Geburtstag Carl Philipp Emanuel Bachs am 17. August in der Klosterkirche. Anziehungskraft über die Region südlich von Paderborn hinaus hat der Dalheimer Klostermarkt, der in diesem Jahr am 30. und 31. August stattfindet.




Brückenpläne an der Loreley – ein Risiko für den Status des Unesco-Weltkulturerbes?

Das Rheintal bei St. Goarshausen ist ein Inbegriff deutscher Romantik – auch für Japaner und Amerikaner. Nun ist die liebliche Gegend ins Gerede gekommen. Denn ausgerechnet im nahen Umkreis des berühmten Loreley-Felsens, den Heinrich Heine lyrisch besungen hat, möchte das Land Rheinland-Pfalz eine neue Brücke über den Rhein errichten.

Heines unsterbliche Loreley-Zeilen („Ich weiß nicht, was soll es bedeuten”) gelten in dieser Hinsicht nicht: Spätestens seit dem Dauerstreit um die Dresdner Waldschlösschenbrücke weiß man nämlich nur zu gut, dass solche Vorhaben schnell die Unesco als Hüterin des Weltkulturerbes auf den Plan rufen. Denn es könnte ja sein, dass die schönen Landschaftsbilder durch derlei Bauten empfindlich beeinträchtigt werden.

Seit 2002 genießt das mittlere Rheintal den prestigeträchtigen, auch touristisch bedeutsamen Welterbe-Status. Die Aufnahme in die Liste galt seinerzeit als kulturpolitischer Erfolg des Mainzer Ministerpräsidenten Kurt Beck, der mittlerweile bekanntlich auch SPD-Parteichef ist.

Im Februar (der genaue Termin ist bislang Geheimsache) wird sich eine Unesco-Kommission aus Paris ein Bild von der Lage an der Loreley machen. Die Mainzer Landesregierung will offenbar keinesfalls das Welterbe riskieren und hat im Vorfeld alle verlangten Papiere eingesandt.

Christian Schüler-Beigang, im Mainzer Bildungsministerium fürs Thema Welterbe zuständig, zur WR: „Wir halten uns strikt ans Unesco-Verfahren.” Anders als in Dresden, wo man die UN-Kulturorganisation praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt habe, beziehe Rheinland-Pfalz die Unesco-Fachleute von Anfang an mit ein. Ohne eine Einigung werde es keine konkreten Planungen geben. Schon vor Vergabe des Welterbe-Siegels habe die Landesregierung deutlich gemacht, dass eines Tages eine Brücke nötig sein könne. Besonders die regionale Wirtschaft fordert den Bau dringlich. Bisher gibt es auf rund 100 Kilometern Rheinlänge (zwischen Koblenz und Mainz) keine einzige Rheinbrücke.

Auch Svea Thümler, Sprecherin des Mainzer Wirtschaftsministeriums, versichert: „Wir haben die Unesco frühzeitig in alle Entscheidungen eingebunden. Wir haben aus den Fehlern von Dresden gelernt.” Aus Finanzgründen bevorzuge man eine Brücke, werde notfalls aber einen Tunnel bauen – vielleicht mit Zuschüssen des Bundes? Ein Tunnel wäre nämlich mit etwa 72 Millionen Euro rund 30 Millionen teurer als eine Brücke und brächte das Land ziemlich in die Bredouille.

Befremdet zeigt man sich in Mainz über eine frühzeitige Stellungnahme von Prof. Michael Petzet, dem Präsidenten von Icomos (Deutscher Rat für Denkmalpflege), der die Unesco berät. Der einflussreiche Petzet lehnt nicht nur jegliche Brückenlösung ab, sondern auch einen Tunnel. Er empfiehlt, die Fährdienste zu erweitern. Aber würde deren Kapazität ausreichen?

Giulio Marano von Icomos kann sich nicht vorstellen, dass Rheinland-Pfalz gegen den Willen der Unesco die Brücke baut: „Sie werden die Pläne im Konfliktfalle wohl aufgeben.” Es seien ohnehin nur lokale Wirtschaftsinteressen im Spiel. Mainz habe sich nicht auf Vorschläge einlassen wollen, die Brücke an anderer Stelle des Rheins zu errichten.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, ist skeptisch: „In Dresden hätten wir auch nicht gedacht, dass sich alles so zuspitzt. Jetzt bloß nicht wieder Fakten schaffen wie an der Elbe!” Seltsam sei doch in beiden Fällen, dass man Brückenpläne erst aus der Schublade geholt habe, als das Welterbe bescheinigt war.

Schon Dresden, so Zimmermann, habe dem Ruf Deutschlands schwer geschadet. Europa und Deutschland seien bislang beim Welterbe eher bevorzugt worden: „Für manche Länder auf anderen Kontinenten wäre es ein gefundenes Fressen, wenn wir unsere Stätten nicht sorgfältig pflegen würden.” Noch so ein peinlicher Vorgang – und man müsse gar keine Anträge mehr bei der Unesco stellen. „Die würden dann sowieso gleich abgelehnt.”

__________________________________________________

INFO:

Seit Heines Gedicht ein mythischer Ort

  • Kulturelles Welterbe ist das mittlere Rheintal. Die Loreley ist der berühmteste Ort dieser Region.
  • Die Loreley ist ein 120 Meter hoher Schieferfelsen bei St. Goarshausen.
  • Durch Heinrich Heines Loreley-Gedicht (1824) wurde die auf dem Felsen sitzende Jungfrau, die Schiffer ins Verderben zieht, zum Mythos.
  • In Dresden (Waldschlösschenbrücke im Elbtal) droht im Sommer 2008 schlimmstenfalls die Aberkennung des Welterbes.
  • Deshalb wurde jetzt in Dresden ein neuer, optisch gemilderter Brücken-Entwurf vorgelegt.
  • Ob man dort die Bedenken der Unesco zerstreuen kann, ist fraglich, denn die vierspurige Brückenbreite bleibt erhalten.