Kaum Licht im Dickicht der Verschwörungstheorien – „Dunkle Mächte“ von Sineb El Masrar im Westfälischen Landestheater

„Dunkle Mächte“ – Szene mit (v.l.) Oliver Möller, Bashar Al Murabea, Sima Laux und Talisa Lara Schmid (Foto: Westfälisches Landestheater/Volker Beushausen)

Wir werden alle von Bill Gates manipuliert, Corona ist nur eine Erfindung zur vollständigen Kontrolle der Menschheit, die „Umvolkung“ ist im vollen Gange – so oder so ähnlich lauten einige aktuelle Verschwörungsmythen, dazu noch hässlich rassistisch grundiert und als vermeintliches Rebellentum etikettiert. Hat es immer schon gegeben, könnte man sagen, in Zeiten Kalten Krieges wurden wir von den Kommunisten unterwandert und desinformiert, später schickte der Neoliberalismus seine Sachwalter vorbei.

Bei scheinreligiösen Organisationen wie beispielsweise Scientology kann man ja wirklich ins Grübeln kommen. Doch so schlimm wie heute war es früher doch nicht, oder? Das Westfälische Landestheater (WLT) jedenfalls hat sich nun des nicht mehr ganz taufrischen Themas Verschwörungstheorien angenommen und das Stück „Dunkle Mächte“ von Sineb El Masrar auf die Bühne gestellt.

Szene mit (v.l.) Sima Laux und Talisa Lara Schmid (Foto: Westfälisches Landestheater/Volker Beushausen)

Kreuzbraves Vierpersonenstück

Doch wird es uns die Augen öffnen? Wer auf Enthüllung und Erklärung setzte, gar dunklen Mächten leibhaftig zu begegnen hoffte, wird enttäuscht. Ein zunächst einmal kreuzbraves Vierpersonenstück nimmt auf der Bühne (Ausstattung: Anja Müller) seinen Lauf, naturalistisch gespielt, fast ein wenig boulevardesk.

Zwei Schwestern lernen wir kennen, Musliminnen mit und ohne Kopftuch, Influencerin die eine (Sima Laux), Schneiderin die andere (Talisa Lara Schmid); ein junger Mann (Oliver Möller) – Biodeutscher, reicher Industrieerbe – betritt die Schneiderei, um bestellte Hemden seines verstorbenen Vaters abzuholen, schließlich tritt auch sein muslimischer Diener (Bashar Al Murabea) auf, das Personal ist komplett.

Oliver Möller und Talisa Lara Schmid (Foto: Westfälisches Landestheater/Volker Beushausen)

Schwer zu folgen

Der freundliche Kammerton hat nur kurzen Bestand. Bald schon beleidigt man einander nach Kräften, besteht auf seinen Vorurteilen, formuliert bizarre Weltkonzepte aus Kapitalismus und Antisemitismus, usw.

Doch auch nach längerem Zuschauen wird nicht ganz klar, wer für welche Hass- und Verschwörungsbotschaften zuständig ist. Immer monströser und verschwurbelter wird das ganze, und die Bemühungen der eigentlich vernünftigen Schwester Schneiderin um Erdung des erhitzten Personals misslingen. Strukturen sind in dieser Auseinandersetzung schwer auszumachen, was natürlich auch am Fehlen einer rationalen Diskussionsebene liegt. Anzuerkennen ist aber fraglos die Leistung des Ensembles, in endlos langen Sätzen einschlägige Behauptungen zum Vortrag zu bringen. Der Unterhaltungswert dieser Vorträge indes ist, zurückhaltend ausgedrückt, gering.

Die eigene Situation

Die Auseinandersetzung mit dem Internet, mit rassistischen „sozialen Netzwerken“, „Echokammern“ und ähnlichem hätte gern ausführlicher ausfallen können, auch Wechselbeziehungen zwischen verpeilter Weltsicht und eigener Lebenssituation wären von Interesse gewesen. Gewiss, einiges erfahren wir schon. Die ältere Schwester – Schneiderin, kein Kopftuch – wurde von den Eltern inniglich geliebt und durfte immer bei ihnen bleiben, die jüngere Schwester – Influencerin, Medizinstudentin, Kopftuch – wurde zu den Großeltern gegeben und fühlt sich ungeliebt. Religion spielt eine Rolle, doch ob und in welchem Ausmaß biographische Details die Weltsicht prägen, steht dahin, und es wird nicht ganz klar, ob das an der Textvorlage oder vielleicht doch eher an der etwas unentschlossenen Art der Inszenierung (Christian Scholze) liegt.

Kasperle und Hakawati haben rote Hüte auf

Kein Happy End, keine Handlungsanweisungen an das Publikum; statt dessen beginnt und endet das Stück mit dem Auftritt zweier Gestalten mit roten Kopfbedeckungen. Es sind, wie der Programmzettel verrät, Kasperle und Hakawati, zwei volkstümliche, eigentlich fröhliche Figuren aus zwei verschiedenen Kulturkreisen, die sich (hier) gar nicht unähnlich zu sein scheinen und dem ganzen mit bedauerndem Humor zusehen. In der Tat: Gegen seelische Verhärtungen hilft oft Humor. Etwas mehr davon hätte man sich auch in der Inszenierung gewünscht.

  • Termine:
  • 14.01.2022 19.00h, Velbert, Theater Schloss Hardenberg
  • 14.01.2022 11.00h, Velbert Theater Schloss Hardenberg
  • 24.11.2022 20.00h, Nordhorn Konzert- und Theatersaal



Ohne Schweiß kein Trick – Ausstellung in Velbert erzählt die Geschichte des gezeichneten Films

Von Bernd Berke

Velbert. Wenn 140 Zeichner rund 200.000 Bilder herstellen. was kommt dann heraus? Der neue „Asterix“-Zeichentrickfilm beispielsweise, gut 90 Minuten lang. Was hinter solchen Streifen steckt, zeigt eine Ausstellung im Forum Niederberg zu Velbert.

In der kleinen Schau wird auch die Vorgeschichte des Zeichentricks aufgeblättert. Eine einfache Vorform kennt jedes Kind: Schattenspiele mit bloßen Händen bei Kerzenschein. Naja, Sie wissen schon: der Hase an der Wand, der mit den Ohren wackelt usw. Auch das Daumenkino zum raschen Durchblättern ist noch denkbar simpel.

Doch dann wird es schon technischer. Man sieht z. B. ein Motoskop. Das ist eine Art Diabetrachter, bei dem die Bilder mit einer Kurbel bewegt werden können. Gleich daneben: ein Praxinoskop. Darunter versteht man ein Rundum-Panorama für den Wohnzimmertisch, das man wie ein Karussell drehen kann. Blickt man durch eine verspiegelte Öffnung ins Innere, lernen die Einzelbilder laufen.

Mit derlei Geräten, die um die Jahrhundertwende der familiären Unterhaltung dienten, konnte man nur ganz simple Vorgänge darstellen: Vögel, die sich gerade mal schwerfällig zum Flug erhoben, oder seilchenspringende Figuren. Auf und ab, auf und ab. Mehr war nicht möglich.

Über sogenannte Schiebebilder, die berühmte „Laterna Magica“ und sekundenkurze Phasenfilme arbeitet sich der Besucher zum eigentlichen Trickfilm vor. Der erste derartige Streifen wurde am 28. Oktober 1892 in Paris vorgeführt, dauerte eine Viertelstunde und hieß „Der arme Pierrot“.

Einzelbilder werden in Galerien gehandelt

Dieses Ur-Exemplar kann man in Velbert zwar nicht bewundern. Für die Trick-Abteilung haben die Museumsleute jedoch zahlreiche Plakate und vor allem Original-Folienzeichnungen aufgetrieben, die heute zu erklecklichen Beträgen in Spezial-Galerien gehandelt werden. Oft werden sie schon bei der Filmproduktion kopiert und dann in geringen Stückzahlen gehörtet, um die Preise hoch zu halten.

Wir begegnen einer Phalanx s von niedlichen oder grotesken Trickgestalten: Zwei Geier ei- len mit einer Bahre herbei – Krankenpfleger, die uns wenig Vertrauen einflößen. Eine Maus wankt betrunken durchs Bild, vermutlich verträgt sie bei ihrem Körpergewicht nicht viel. Und dann die Prominenz: Mickey Mouse und Asterix samt Anhang, „Bernard und Bianca“, Brösels „Werner“ und „Lucky Luke“. Auch kurze Werbefilmchen in Tricktechnik zählen zum Repertoire.

Wie kompliziert die Sache ist, kann man besonders gut am Beispiel der aufwendigen TV-Trickserie „Als dieTiere den Wald verließen“ nachvollziehen. Wie viele Zeichnungen sind allein erforderlich, um den Fuchs eine kurze Wegstrecke durch den Forst ziehen zu lassen! Noch schlimmer wird’s, wenn Reineke andere Tiere trifft. Dann müssen die Bewegungsabläufe haargenau koordiniert werden. Nichts bleibt dem Zufall überlassen: Dreh- und Szenenpläne, die auch zur Ausstellung gehören, listen ebenso penibel wie für den Laien verwirrend jede szenische Sekunde auf. Immerhin: Koloriert wurde früher von Hand, heute macht es der Computer.

Wer die Einzelbilder gesehen hat, kann per Video den fertigen Film begutachten. Man sieht die Streifen nun wohl mit anderen Augen. Jeder komische oder rührende Moment hat bei der Herstellung viele Stunden Arbeit gekostet. Selten so bewußt gelacht.

„Zwölf Stunden für eine Sekunde“ – Geschichte und Herstellung des Zeichentrickfilms. Forum Niederberg, Velbert, OstStraße 20 (02051/26 22 97). Bis 26. September. Di-Fr 10-17, Sa 10-13, So 10-13 und 14-16 Uhr. Eintritt 1,50 DM. Kinder 0,50 DM. Es gibt keinen Katalog, aber ein Zeichentrick-Themenheft des Deutschen Filmmuseums (Frankfurt) für 5 DM.