WDR: Rege Reaktion auf das Essener „Fensterprogramm“ – Anrufe vorwiegend von Rentnern und Arbeitslosen

Von Bernd Berke

Im Westen. Rege Reaktionen auf seine Hörfunk-Fensterprogramme meldet der Westdeutsche Rundfunk (WDR). Zum Beispiel Studio Essen: Etwa 40 bis 50 Anrufe erreichen die fürs Revier und Südwestfalen zuständige Redaktion täglich – und das, obwohl dieser am 4. Juni gestartete Teil der Funk-Regionalisierung schon zum Alltag gehört.

Für die morgens zwischen 6 und 9 Uhr (auf WDR 1 bzw. WDR 4) mit Wortbeiträgen der leichteren Art und ebensolcher Musik ausgestrahlten Sendeblöcke gibt es freilich noch keine genaueren Aufschlüsse über Umfang und Struktur der Hörerschaft. Wie es gestern beim Studio Essen hieß, werden präzise Ergebnisse erst in einem halben Jahr erwartet. Bis dahin kann allenfalls darüber spekuliert werden, ob vielleicht die Anrufer für die Zusammensetzung der gesamten Hörerschaft repräsentativ sind.

Laut WDR-Pressestelle in Köln greifen vor allern Kranke, Rentner, Behinderte und Arbeitslose zum Telefon, um Beifall und Kritik beim Essener Team anzumelden. Angelika Böhrke, Redakteurin im Studio Essen, bestätigt dies, warnt aber vor übereilten Schlußfolgerungen: „Wer um acht zur Arbeit muß, ruft bestimmt seltener bei uns an als jemand, der den ganzen Tag im Haus ist.“

Besonders in der Startphase habe es negative Äußerungen gehagelt. Die Stammhörerschaft, bis zum Start der Fensterprogramme auf diesen Wellen und zu dieser Stunde an reine Musiksendungen gewohnt, lief Sturm, selbst gegen die äußerst knapp bemessenen Wortbeiträge des „Fensters“. Diese Art von Kritik, so Angelika Böhrke, habe merklich nachgelassen. Man darf rätseln, ob die damals Verärgerten zufriedener sind, ob sie resigniert haben oder ob sie jetzt andere Stationen bevorzugen.

Am Konzept der kurzen Wortbeiträge will man in Essen auf jeden Fall festhalten: „Wir sind kein kleines .Morgenmagazin'“, wehrt Angelika Böhrke jeden Vergleich mit der erfolgreichen Muntermacher-Sendung im 2. WDR-Hörfunkprogramm ab. Man setze weiterhin auf Beteiligung der Hörer, auf „erzählende Elemente“. Auch künftig wolle man keinen Nachrichtenblock aus der Region anbieten.

Wie dieses Konzept in die Praxis umgesetzt wird, das steht allerdings auf einem anderen Blatt. Eine Sendung, deren Informationswert – den mehrfach wiedergekäuten Wetterbericht einmal ausgenommen – hart gegen „Null“ tendiert, müßte dann wenigstens die unterhaltsamen Einsprengsel inspirierter handhaben, als dies hier meistens geschieht. Überhaupt pendeln manche Beiträge sehr unentschlossen auf halbem Wege zwischen Unterhaltung und Information. Die Abstinenz von „harten“ Nachrichten erzeugt mitunter seltsame Zwittergebilde, die denn doch eine Botschaft transportieren wollen, aber auf launige Weise. Das wirkt vielfach gequält. Gestern früh gab’s zum Beispiel, als wolle man sich für ein ernstes Thema entschuldigen, gleich drei Sketche über Waschmittel, nachdem zur sparsamen und umweltschonenden Verwendung derselben aufgerufen worden war.

Eins steht fest: Wer über das Tagesgeschehen (und seien es auch nur Verkehrshinweise) informiert sein möchte oder muß, befindet sich hier auf einer Art „Abstellgleis“. Viele Beiträge, die man serviert bekommt, sind von erstaunlicher Beliebigkeit. Sie könnten heute gesendet werden, morgen, in drei Wochen – oder gar nicht.




Rundfunk-Premiere: Hörer sollen Themen selbst kommentieren – Idee aus dem WDR-Studio Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Hörer als Kommentatoren vor dem Rundfunkmikrophon – diese im WDR-Studio Dortmund aufgekommene Idee wird jetzt heiß diskutiert.

Bei Vorüberlegungen zum neuen Konzept der Sendung „Echo West“ (1. WDR-Hörfunk- Programm), die ab 1. Oktober im Rahmen der Regionalisierung um täglich eine Stunde verlängert wird, keimte der Gedanke: Warum, so fragten sich die Rundfunkleute, soll nicht einmal ein Stahlarbeiter zur Lage in der Stahlindustrie Stellung beziehen, warum soll nicht eine Hausfrau die Lebensmittelpreise aufs Korn nehmen oder ein Landwirt die unzuverlässigen Wettervorhersagen geißeln? Sollte die Idee verwirklicht werden, so wäre der WDR der erste Sender in der Bundesrepublzk, der die Zeitläufte von „Normalverbrauchern“ kommentieren läßt.

Claus-Werner Koch, Leiter von „Echo West“, wendet sich schon jetzt gegen Bevormundung durch die Funk-Profis: „Wenn s nach mir geht, können die Leute drei bis vier Minuten lang frei von der Leber weg reden“. Koch zum Ablauf: „Wenn zum Beispiel Stahlarbeiter demonstrieren, könnten wir hingehen und fragen: Wer hat Lust

zu sagen, wo der Schuh drückt? Ob der Kommentar dann auf der Straße oder im Studio gesprochen wird, ist Nebensache.“ Koch hält das alles „eigentlich nicht für eine große Sensation, sondern für selbstverständlich. Der Stahlarbeiter weiß doch in seinem Metier Bescheid“. Also könne er auch eine fundierte Meinung äußern.

Überhaupt solle „EchoWest“ (durchschnittliche Hörerzahl pro Tag derzeit bei einer halben Million) attraktiver, nämlich „hörernah“ gestaltet werden. Koch: „Wir bosseln noch daran“. Jedenfalls werde man das Team ab 1. Oktober öfter als bisher mit dem Mikrophon vor Ort antreffen, es solle mehr Aktionen geben, an denen sich die Hörer beteiligen können und jedes „Echo West“ solle einem Schwerpunkt-Thema gewidmet sein.