WDR 4: Radio für Senioren – aber ganz anders als früher

Webcam-Blick ins Studio: vorn rechts Moderator Jürgen Mayer, hinten in der Mitte Moderatorin Cathrin Brackmann, links Nachrichtenfrau Katja Latsch, alle coronagerecht durch Plexiglasscheiben voneinander getrennt. (Screenshot: WDR)

Wir erinnern uns, nicht allzu gern: Die Hörfunkkette WDR 4 stand mal für vieles, was einem musikalisch und vom zugehörigen Lebensstil her zuwider war. Da gab’s bestenfalls elmargunschige Beruhigungs-Stimmen (wobei der alte Knabe wirklich gut und anheimelnd geklungen hat), ansonsten dudelten – horribile dictu – schier endlos deutsche Schlager oder Operetten-Auszüge. Radio für Senioren also. Echt ätzend.

Im Westen weiß man längst, dass es bei WDR 4 seit einiger Zeit ganz anders zugeht. Es wird ungleich lockerer geplaudert. Vor allem aber hauen sie dort Stones, Cream, Kinks, Who, Deep Purple und Konsorten raus, die ganze Pop- und Rock-Chose seit den glorreichen Sechzigern bis in die Achtziger. Wir sind uns doch sicherlich einig, dass es auf diesem Sektor nie bessere Musik gegeben hat, oder etwa nicht? Ruhe da hinten! Unverschämtheit!

Aber Moment mal: Sollte das etwa immer noch bzw. wieder Radio für Senioren sein – nur eben für eine andere Generation in Ehren ergrauter Menschen? Jaja, meinethalben. Is‘ ja auch egal. *räusper* *hüstel* *grumpf*

Wieso ich ausgerechnet jetzt auf all das komme? Nun, heute, morgen und übermorgen (Donnerstag bis Samstag, 29. bis 31. Oktober) absolvieren sie bei WDR 4 einen speziellen Pop-Marathon. Wie bei populären oder Popularität anstrebenden Medien üblich, haben die Hörer(innen) abgestimmt, rund 130.000 an der Zahl. Resultat: die 444 beliebtesten Musiktitel („Top 444″), die nun – einer hübsch nach dem anderen – allesamt abgespielt werden, im munteren Wechsel flott anmoderiert von Cathrin Brackmann und Jürgen Mayer oder Stefan Vogt und Carina Vogt. Per Webcam dürfen die sicherlich ergriffen Zuhörenden währenddessen Live-Blicke ins Studio werfen – aus zwei verschiedenen Perspektiven, aber nur mit den Ton-Anteilen, die auch über den Sender gehen. Man soll und möchte ja zwischendurch auch nicht das womöglich halbprivate Geplänkel der WDR-Leute im Ohr haben.

Übrigens hat das Ganze mit dem Revier zu tun. Normalerweise entstehen die Sendungen für WDR 4 nämlich im Landesstudio Dortmund. Die Aktion mit den 444 Pop-Titeln ist freilich eigens in die Kölner Zentrale gezogen.

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P. S.: Soeben (Donnerstag, 13.30 Uhr) war Platz 358 an der Reihe, beim Aufstieg bis zum Spitzenreiter ist es also noch lange hin. Wenn alle 444 Titel verklungen sind, kann man die komplette Playlist herunterladen und mit dem eigenen Geschmack vergleichen.

 

 




WDR: Rege Reaktion auf das Essener „Fensterprogramm“ – Anrufe vorwiegend von Rentnern und Arbeitslosen

Von Bernd Berke

Im Westen. Rege Reaktionen auf seine Hörfunk-Fensterprogramme meldet der Westdeutsche Rundfunk (WDR). Zum Beispiel Studio Essen: Etwa 40 bis 50 Anrufe erreichen die fürs Revier und Südwestfalen zuständige Redaktion täglich – und das, obwohl dieser am 4. Juni gestartete Teil der Funk-Regionalisierung schon zum Alltag gehört.

Für die morgens zwischen 6 und 9 Uhr (auf WDR 1 bzw. WDR 4) mit Wortbeiträgen der leichteren Art und ebensolcher Musik ausgestrahlten Sendeblöcke gibt es freilich noch keine genaueren Aufschlüsse über Umfang und Struktur der Hörerschaft. Wie es gestern beim Studio Essen hieß, werden präzise Ergebnisse erst in einem halben Jahr erwartet. Bis dahin kann allenfalls darüber spekuliert werden, ob vielleicht die Anrufer für die Zusammensetzung der gesamten Hörerschaft repräsentativ sind.

Laut WDR-Pressestelle in Köln greifen vor allern Kranke, Rentner, Behinderte und Arbeitslose zum Telefon, um Beifall und Kritik beim Essener Team anzumelden. Angelika Böhrke, Redakteurin im Studio Essen, bestätigt dies, warnt aber vor übereilten Schlußfolgerungen: „Wer um acht zur Arbeit muß, ruft bestimmt seltener bei uns an als jemand, der den ganzen Tag im Haus ist.“

Besonders in der Startphase habe es negative Äußerungen gehagelt. Die Stammhörerschaft, bis zum Start der Fensterprogramme auf diesen Wellen und zu dieser Stunde an reine Musiksendungen gewohnt, lief Sturm, selbst gegen die äußerst knapp bemessenen Wortbeiträge des „Fensters“. Diese Art von Kritik, so Angelika Böhrke, habe merklich nachgelassen. Man darf rätseln, ob die damals Verärgerten zufriedener sind, ob sie resigniert haben oder ob sie jetzt andere Stationen bevorzugen.

Am Konzept der kurzen Wortbeiträge will man in Essen auf jeden Fall festhalten: „Wir sind kein kleines .Morgenmagazin'“, wehrt Angelika Böhrke jeden Vergleich mit der erfolgreichen Muntermacher-Sendung im 2. WDR-Hörfunkprogramm ab. Man setze weiterhin auf Beteiligung der Hörer, auf „erzählende Elemente“. Auch künftig wolle man keinen Nachrichtenblock aus der Region anbieten.

Wie dieses Konzept in die Praxis umgesetzt wird, das steht allerdings auf einem anderen Blatt. Eine Sendung, deren Informationswert – den mehrfach wiedergekäuten Wetterbericht einmal ausgenommen – hart gegen „Null“ tendiert, müßte dann wenigstens die unterhaltsamen Einsprengsel inspirierter handhaben, als dies hier meistens geschieht. Überhaupt pendeln manche Beiträge sehr unentschlossen auf halbem Wege zwischen Unterhaltung und Information. Die Abstinenz von „harten“ Nachrichten erzeugt mitunter seltsame Zwittergebilde, die denn doch eine Botschaft transportieren wollen, aber auf launige Weise. Das wirkt vielfach gequält. Gestern früh gab’s zum Beispiel, als wolle man sich für ein ernstes Thema entschuldigen, gleich drei Sketche über Waschmittel, nachdem zur sparsamen und umweltschonenden Verwendung derselben aufgerufen worden war.

Eins steht fest: Wer über das Tagesgeschehen (und seien es auch nur Verkehrshinweise) informiert sein möchte oder muß, befindet sich hier auf einer Art „Abstellgleis“. Viele Beiträge, die man serviert bekommt, sind von erstaunlicher Beliebigkeit. Sie könnten heute gesendet werden, morgen, in drei Wochen – oder gar nicht.