TV-Nostalgie (33): „Wetten, dass…?“ – mit Elstner fing alles an (und jetzt hört es auf)

Zugegeben: Eigentlich habe ich die Show gar nicht so oft gesehen, noch seltener in voller Länge. Trotzdem fand ich es immer irgendwie beruhigend, dass es so etwas wie „Wetten, dass…?“ noch gab.

Eine familiäre Sendung, die mindestens von der halben Nation gesehen wurde, war das etwa nichts? Heute bringen das nur noch ganz große Fußballpartien zuwege.

Einladende Geste: MOment aus der allerersten Ausgabe von "Wetten, dass...?" mit Frank Elstner vom 14. Februar 1981. (Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=jfCBKJI8R4M)

Einladende Geste: Moment aus der allerersten Ausgabe von „Wetten, dass…?“ mit Frank Elstner vom 14. Februar 1981. (Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=jfCBKJI8R4M)

Gigantische Quoten hat die ZDF-Wettshow allerdings schon längst nicht mehr erzielt. Vor einigen Wochen, am 4. Oktober, waren nur noch 5,48 Millionen Zuschauer dabei – abermals ein Minusrekord für den umstrittenen Showmaster Markus Lanz, der denn auch am kommenden Samstag, 13. Dezember, die allerletzte Ausgabe präsentieren wird.

Rekord mit über 23 Millionen Zuschauern

Das Sehverhalten seit der Premiere (14. Februar 1981) hat sich grundlegend verändert. Zu Zeiten von Frank Elstner, des Erfinders und ersten Moderators von „Wetten, dass…?“, saßen manchmal über 20 Millionen Zuschauer vor den Geräten, der absolute Rekord wurde am 9. Februar 1985 mit 23,42 Millionen Zuschauern aufgestellt. Als 1987 Thomas Gottschalk übernahm, blieb man meist auch bei über 60 Prozent Marktanteil.

Nach einem Intermezzo mit Wolfgang Lippert (1992/93) wurde erneut Thomas Gottschalk engagiert – von 1994 bis 2011. Er pflegte einen anderen, flotteren und frecheren, auch glanzvolleren Stil als der allzeit nette, betont seriöse Elstner. Manchmal streifte „Tommy“ die Grenzen des guten Geschmacks, er wusste das aber meist mit Charme zu überspielen.

Redlich und bescheiden

Wahre Fernseh-Nostalgiker erinnern sich vielleicht am allerliebsten an die Anfangszeiten mit Elstner. Der einstige Moderator von Radio Luxemburg („Die vier fröhlichen Wellen“) hatte sich die Sache ausgedacht und alles in Schwung gebracht. Daraus wurde die größte Show Europas.

Im Internet ist noch ein Ausschnitt aus der Premierensendung von „Wetten, dass…?“ greifbar (siehe Link in der Bildzeile). Schon im Februar 1981 hatte Frank Elstner die nicht allzu weltmännische Ausstrahlung eines redlichen Sachbearbeiters. Er war freilich eine Vertrauensperson, ging einfühlsam und anständig mit seinen Gästen um, gab sich bescheiden und profilierte sich nicht auf Kosten anderer. Das ist keine intellektuelle Offenbarung gewesen, doch durchaus aller Ehren wert.

…und was kommt danach?

Wir wollen hier nicht lang und breit über Einzelheiten aus fast 34 Jahren reden, über Saal-, Städte-, Kinder- und Buntstiftwetten. Doch muss man den schrecklichen Unfall von 2010, bei dem sich der damals 23jährige Student Samuel Koch schwer verletzte und seither gelähmt blieb, wenigstens erwähnen. Danach mochte Thomas Gottschalk nicht mehr weitermachen, als wäre nichts gewesen. Es war gewiss ein Anfang vom Ende der Show. Samuel Koch wird übrigens am Samstag Gast der letzten Ausgabe sein. Hoffentlich bringt man es ohne Peinlichkeit über die Bühne.

Statistiken aller Art kann man im Internet nachlesen – von der längsten Sendezeit-Überziehung (Gottschalk mit 73 Minuten) über die häufigsten Wettpaten (11 Mal Iris Berben, 8 Mal u. a. Boris Becker, Veronica Ferres, Til Schweiger) und Musikauftritte (17 Mal Peter Maffay, 15 Mal Udo Jürgens). Doch was besagt das schon über Wert und Wirkung dieser Sendung? Das, was da nachkommt, wird wohl schwerlich besser sein, oder?

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Vorherige Beiträge zur Reihe:

“Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), “Wünsch Dir was” (17), Ernst Huberty (18), Werner Höfers “Frühschoppen” (19), Peter Frankenfeld (20), “Columbo” (21), “Ein Herz und eine Seele” (22), Dieter Kürten in “Das aktuelle Sportstudio” (23), “Der große Bellheim” (24), “Am laufenden Band” mit Rudi Carrell (25), “Dalli Dalli” mit Hans Rosenthal (26), “Auf der Flucht” (27), “Der goldene Schuß” mit Lou van Burg (28), Ohnsorg-Theater (29), HB-Männchen (30), “Lassie” (31), „Ein Platz für Tiere“ mit Bernhard Grzimek (32)

“Man braucht zum Neuen, das überall an einem zerrt, viele alte Gegengewichte.” (Elias Canetti)




Samstagabend auf dem Sofa: Drei Stunden Fernsehzeit mit Wetten und Boxen

„Wetten dass…“ – reloaded im ZDF. Zehnmal „danke“ und aufgewärmte Witze. Ein blöder Vorschlag an den krächzenden Elton zur Außenwette. Herr Lanz verspricht, bei verlorener Wette ein (!) rohes Ei zu schlürfen, zusammen mit Sylvester Stallone (was macht der schon wieder hier?). Harrison Ford sitzt und Lanz meint „Ein Wahnsinn“. Der charmante ältere Herr Ford antwortet auf Lanzens blöde Fragen seriös und souverän. Er besitze mehrere Flugzeuge. Lanz freut sich währenddessen (warum?). Ford sagt, er könne nicht zwei Flugzeuge gleichzeitig fliegen und Lanz findet: „Das ist das Problem bei dieser Sache“.

Markus Lanz (li.) und Harrison Ford am 5. Oktober 2013 in "Wetten, dass...?" (© ZDF/Sascha Baumann)

Markus Lanz (li.) und Harrison Ford am 5. Oktober 2013 in „Wetten, dass…?“ (© ZDF/Sascha Baumann)

Ich hole mir einen Joghurt mit Früchten. „Thomas Gottschalk hat auch Blubberfragen gestellt, aber nie wirkliches Interesse vorgegaukelt“, erwische ich mich denkend. Ford sagt: „Big production“ beim Anblick von Helen Fischers Bühnenbild. Lanz sagt: „Deutschland“. Ford soll eine Mailbox besprechen. „Sensationell“. Die Eierwette wurde vergeigt.

Zappe zum ersten Mal rüber zu RTL. Es läuft der Countdown zum wieder völlig überinszenierten Boxkampf. Unser Wladimir gegen den Russen Dingsbums. Werbung. Helene Fischer sitzt auf der Bank, eine nette Person. Bei RTL stehen die Experten.

Lanz fragt das Kind nicht, ob es Indiana-Jones-Fan sei. Schade. Das Kind läuft über Lippenpflegestifte und fällt runter. Wieder vergeigt. In der Probe immer geschafft. Frau Fischer im Rhönrad – ein Wahnsinn. Cher kommt und singt. Boxen. George Foreman spricht. Lanz fragt Cher, ob sie was mit Jimi Hendrix gehabt habe und „Wie war Michael Jackson?“ Ford und Cher hauen wieder ab. Der Boxsprecher Michael sagt den Kampf an. Ja! Heavy weight championship of the woooorrrllldd! Und jetzt gibt’s in die Fresse und nicht auf die Eier!

Im ZDF ziehen vier Tiroler ein schweres Mähschiff (!) schwimmend mit einer Blaskapelle an Bord von einer Seite auf die andere. Das ist unfassbar schwer. „Die Idee entstand im besoffenen Kopf“, sagt einer der Tiroler. Bei RTL singen alle inbrünstig die russische Hymne, als wollten sie gen Ukraine ziehen. Frau Isetbajuwa (?), die Stabspringerin, sitzt am Ring und ist sicher, dass Povetkin nicht schwul ist. Die Schwimmer aus Tirol sind wohlgemeint ganz knapp im Ziel. Gong. Bums! Führhand. Kein Platz für die Hände von Povetkin. Ringkampf eher als Boxkampf. John Newman – irgendein knödelnder Newcomer aus England singt live. Box! Zu wild, zu wild, sagt der Experte. Er macht sich über die Außenbahn zu lang. Angezählt. „Sensationell“, sagt Lanz. Führhände an den Körper. Anja Kling kommt dazu. Wladimir trifft nicht genau genug. Klitschko-Werbung für alles. Anja hat zwei Kinder und ist totenblass geschminkt. Die Boxer wollen sich dauernd umarmen. Eine Tablet-Wette. Intelligent. Man sieht nichts. Dampfwalzen-Wette. Bierflaschenöffnen. Klitschko gewinnt.

Rocky wollte ein Bild malen. Es kommt nicht dazu. Ich trinke einen Eierlikör und sehe, wie Eintracht Braunschwieg gegen Wolfsburg gewinnt, zappe um zu Jägermeister.