Magische Momente mit „Magnum“ und mehr: Starker Start für C/O Berlin an neuer Stätte

Der einsame Mann, der sich auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens in todesmutiger Verzweiflung einer Panzer-Kolonne entgegenstellt und vergeblich versucht, ein Massaker zu verhindern. Che Guevara, der mit dem selbstbewussten Charme des siegreichen kubanischen Revolutionärs seine Zigarre pafft. Die lasziv auf einem U-Bahn-Luftschacht posierende Marilyn Monroe, deren Kleid im Wind flattert. Drei Momente, drei Bild-Ikonen, die sich ins kollektive Gedächtnis eingegraben haben.

Fotografen der berühmten Agentur Magnum haben im richtigen Moment auf den Auslöser ihrer Kameras gedrückt und die perfekte Synthese aus Sensibilität und Technik, Form, Zufall und purer Intuition geschaffen. Doch was geschah kurz vorher, und was sah der Fotograf kurz danach?

Die Kontaktbögen der Fotografen dokumentieren den Arbeitsprozess und die Entscheidung für den einen Moment und das perfekte Bild. Normalerweise werden diese Abzüge unter Verschluss gehalten. Dass sie jetzt unter dem Titel „Magnum Contact Sheets“ im Amerika Haus, der neuen Heimstatt der Fotogalerie C/O Berlin gezeigt werden, ist ein Tabubruch und eine kleine Sensation. Die grandiose Ausstellung gibt Einblicke in die Fotowerkstatt und wirkt wie ein Blättern im künstlerischen Skizzenbuch. Doch sie ist nur eine von vier Foto-Installationen, mit der C/O Berlin ihre frisch renovierte Herberge eröffnet.

Jahrelang war die international hoch angesehene Galerie auf Wanderschaft, hatte in einer leer stehenden Gießerei und im ehemaligen Postfuhramt in Berlin-Mitte neue Talente entdeckt und Bilder legendärer Künstler wie Annie Leibovitz oder Robert Mapplethorpe gezeigt. Nachdem ein Immobilien-Investor ihre letzte temporäre Bleibe aufkaufte, um sie profitabel zu vermarkten, zog C/O Berlin weiter, verließ das angesagte Szene-Milieu und landete ausgerechnet im West-Teil der Stadt, der seit der Wende als spießige Kunst-Einöde verpönt ist.

Doch nun, so scheint es, werden in Berlin die Kunst-Karten neu gemischt. Und C/O Berlin, inzwischen eine Stiftung mit einem 21 Jahre laufenden Mietvertrag, hat dem Amerika Haus, in dem einst den Berlinern Nachhilfestunden in Demokratie erteilt wurden, neues Leben eingehaucht. Es ist der passende Ort, um die Fotos von Will McBride zu präsentieren: „Ich war verliebt in diese Stadt“, sagt der inzwischen hoch betagte Fotokünstler, der in den 1950er Jahren aus Amerika nach Berlin kam und fasziniert war vom Freiheitsgefühl in der Frontstadt. Seine Schwarz-Weiß-Bilder zeigen eindringlich, wie zwischen Ruinen und Trümmerlandschaften neues Leben erblühte und eine freche und forsche Jugend sich Freiräume erkämpfte.

Luise Schröder und Hannah Petersohn, beide Jahrgang 1962, beschäftigen sich in „Arbeit am Mythos“ mit der Zerstörung Dresdens und übermalen fotografisch die Bilder von Tod und Leid. Bei „Picture Yourself“ schließlich können Besucher in eigens installierten Fotoautomaten Bilder im Stile der Magnum-Fotografen machen. Eine neckische Spielerei. Gespannt sein darf man, ob die Euphorie des Anfangs in die Niederungen des Alltags hinüber gerettet werden kann und C/O Berlin, nur einen Steinwurf vom maroden Bahnhof Zoo entfernt, ein dauerhafter Publikumsmagnet werden kann.

Alle erwähnten Ausstellungen bis zum 16. Januar 2015. C/O Berlin im Amerika Haus, Hardenbergstraße 22-24, täglich 11-20 Uhr, weitere Infos unter www.co-berlin.org

(P.S.: Die Illustrationen wurden Mitte Januar 2015 entfernt, weil die Leihgeber und Veranstalter das Publikationsrecht auf die Dauer der Ausstellung begrenzt haben).




In einem Lachen kann der Zeitgeist stecken – Rheinisches Landesmuseum in Bonn zeigt Fotografien von Will McBride

Von Bernd Berke

Bonn. Fröhliche Szene im Strandbad. Meint man im ersten Moment. Doch dann blickt man genauer hin, und da heißt das Bild: „Ertrunkenes Mädchen wird geborgen“. Nun sieht man plötzlich auch die fassungslosen Gesichter auf dem 1956 in Berlin aufgenommenen Foto. So ist das bei Will McBride. Seine Bilder bleiben oft im Bewußtsein stecken wie ein Pfeil.

McBride, dem Bonn jetzt eine Überblicks-Ausstellung widmet, war US-Soldat in Nachkriegsdeutschland. Er blieb hier, sah mit Sympathie und Distanz, wie das Land sich veränderte. Er wohnte vor allem in Berlin und Frankfurt. In beiden Städten wehte der Zeitgeist früher und heftiger als andernorts. Besonders zur Zeit der Studentenrevolte.

Vorformen des speziellen „68er-Gefühls“, jener kaum definierbaren Aufbruchstimmung, sind bereits in McBrides Bildern aus den späten 50er Jahren zu spüren – als hätte er Vorahnungen gehabt. Dabei war es „nur“ der präzise Blick, auch bei scheinbar ganz privaten Anlässen (Fluß-Fete „Riverboat Shuffle“, 1959). Das Lachen eines jungen Mädchens erzählt da mehr vom erhofften Durchbruch zur Freiheit as ganze Aufsätze. Dazu würde schon eher die Musik der „Doors“ als von Elvis passen.

Keine Landschaften, kaum Stilleben. McBride und seine Kamera suchen immer den Menschen. Den Freak beim Rockfestival porträtiert er ebenso gültig wie Willy Brandt (tieftraurig, einen Tag nach dem Berliner Mauerbau 1961).

Kein Wunder, daß Will McBride zum Star des stilbildenden Magazins „twen“ wurde. Dort ließ man ihm Raum für vielteilige Foto-Essays. „Ziellos zu wandern, wohin du willst“ heißt eine dieser Serien. Es könnte ein Leitmotiv sein.

Ob im bitterarmen Kalkutta oder im Edel-Internat Salem: Der Mensch beschäftigt diesen Fotografen ganz und gar, also auch die Uralt-Motive Geburt und Tod – und der nackte Körper. Die langhaarigen Darsteller des Musicals „Hair“ quetscht McBride 1968 unbekleidet in Pappkartons: Körper als Zeichen, als „Buchstaben“ aus Fleisch, die von ihren Beziehungen zueinander sprechen.

Will McBride. Schwarz-Weiß-Fotografien. Rheinisches Landesmuseum, Bonn, Colmantstraße 14-16. Bis 27. September. Katalog 45 DM.