„Zitterpartie“ für Dortmunder Museum: Angebliches Friedrich-Bild wird genau untersucht

Sieht Anzeichen für die Echtheit der Dortmunder „Winterlandschaft“: Dr. Kurt Wettengl vom Museum für Kunst und Kulturgeschichte. (WR-Bild: Werner Strasdat)

Von Bernd Berke

Dortmund. Für die Leute vom Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte wird in rund sechs Wochen eine „Zitterpartie“ beginnen: Dann wird die umstrttene, bis zum Beweis des Gegenteils Caspar David Friedrich zugeschriebene Dortmunder „Winterlandschaft“ nach Düsseldorf gebracht. Dort soll das Bild mit naturwissenschaftlichen Methoden auf „Herz und Nieren“ geprüft werden.

Schon jetzt fiebern der Leiter des Museums an der Hansastraße, Wolfgang E.Weick, und sein Referent für Kunstgeschichte, Kurt Wettengl, dem Resultat entgegen. Beide Museumsmänner versicherten gestern, es gebe nach wie vor „gute Gründe“, sowohl das Dortmunder Bild als auch die 1987 von der Londoner National Gallery für 4,6 Mio. DM ersteigerte Variante für echte „Friedrichs“ zu halten. Darin sei man sich übrigens mit London einig.

Hoffnung saugen die Dortmunder vor allem aus dem Umstand, daß Friedrich des öfteren mehrere Fassungen eines Motivs anfertigte. Von Friedrichs Hand gibt es z. B. sogar je vier (!) Varianten der Bilder „Kreuz an der Ostsee“ und „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“. Klar, daß sich die Dortmunder daran klammem: Friedrich könnte, so finden sie, auch zweimal die „Winterlandschaft“ gemalt haben.

Weiterer Silberstreif für Dortmund: Kurt Wettengl befand, daß die Pinselführung des Dortmunder und des Londoner Bilds sich enorm unterscheide. Überraschende Schlußfolgerung: Hätte ein anderer als Friedrich das Bild kopiert, hätte er sich um größere Detailtreue bemüht.

Näheres soll sich demnächst in Düsseldorf erweisen, wenn das Restaurierungszentrum am Ehrenhof (Kunstmuseum) das Dortmunder Bild mit Röntgenstrahlen und Infrarot-Kameras untersucht, um die unteren Malschichten zu analysieren. Winzige Farbpigmente könnten später in London unters Mikroskop genommen werden.

Selbst wenn sich ergeben sollte, daß die Dortmunder „Winterlandschaft“ eine Kopie von fremder Hand ist: Auf jeden Fall will man 1990 in Dortmund eine Ausstellung zeigen, bei der man das Londoner Bild im direkten Vergleich sehen kann – ob aus Dortmunder Sicht) triumphal oder zähneknirschend, steht dahin. Weitere Friedrich-Varianten und eine Dokumentation zu Methoden der Echtheitsprüfung sollen den Rahmen abgeben für einen hochkarätigen Experten-Kongreß wahrend der Ausstellung. Der Berliner Professor Helmut Börsch-Supan, der dem Dortmunder Bild die Echtheit abgesprochen hat, soll dabei sein.

Derzeit versucht man auch herauszufinden, wo sich das Dortmunder Bild vor 1941 befunden hat. Bis dahin hatte es als verschollen gegolten. 1942 erwarb es die Stadt Dortmund (für zwei Grundstücke und 3500 Reichsmark) von einem Dresdner Kunsthändler.




C. D. Friedrich – Bildvergleich wäre viel zu aufwendig / Experte: London kann kein Interesse an Klärung haben

Von Bernd Berke

Dortmund/Münster. Die ersten Wogen in Sachen Caspar David Friedrich haben sich gelegt: Nachdem – wie berichtet – die Londoner National Gallery Friedrichs „Winterlandschaft“ für 4,6 Mio. DM in Monaco ersteigert hat und das Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte nachdrücklich einen Vergleich mit seinem Zwillings-Exemplar forderte, sollte jetzt die Wissenschaft das Wort haben – wenn sie es überhaupt bekommt.

Denn, so ein Experte des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) gestern zur WR: „In London kann man doch gar kein Interesse mehr an einem eingehenden, naturwissenschaftlichen Vergleich haben – jetzt, nachdem man so viel Geld für das angeblich echte Bild ausgegeben hat“. London habe sich riskanterweise auf eine rein stilkritische Analyse gestützt, also nicht auf naturwissenschaftliche Methoden zurückgegriffen.

Welche Methoden kämen da eigentlich in Frage? Neben Stilkritik und Analyse der Maltechnik könnten z. B. Art und Beschaffenheit der Leinwand, der Grundierung, der Bindemittel (Leinöl usw.) und der Farb-Pigmente untersucht werden. Die winzige Pigmentprobe etwa, die durch einen kleinen (später optisch nicht wahrnehmbaren) „Stich“ in das Bild genommen wird, wird in einem komplizierten Verfahren verdampft. Dabei kann das jeweils ganz spezifische chemische Spektrum der Farbpartikel fotografiert werden. Weitere Verfahren sind z. B. Röntgen- und Infrarotaufnahmen.

Nur: Bei allem Fortschritt der Technik stellt sich die Sache gerade bei Bildern aus dem Umkreis der Romantik und ganz besonders beim Werk C. D. Friedrichs kompliziert dar. Der LWL-Experte, der „um Gottes Willen nicht genannt sein möchte“, da „das Verfahren schwebt“, meinte zur WR, im Grunde müsse man das gesamte (!) Werk C. D. Friedrichs erst einmal Revue passieren lassen. Erst nach einem solchen Überblick könne man wirkliche Vergleichskriterien für die beiden „Winterlandschaften“ gewinnen. Über Friedrichs‘ Werk gebe es aber bislang noch gar keine größeren und aussagekräftigen Reihenuntersuchungen. Wer aber könnte und wollte dieses Riesenpensum auf sich nehmen? Sicher nicht die National Gallery, und die Dortmunder – schließlich würde das Unsummen kosten – wohl auch nicht.

Im übrigen, so der Münsteraner Experte, kenne er das Dortmunder Bild ziemlich gut und habe „keinerlei Zweifel“, daß es sich zumindest um das Werk eiries Friedrich-Zeitgenossen handle. Da liege überhaupt ein Schwachpunkt in der Argumentation des Berliner Professors Börsch-Supan, der das Dortmunder Bild für eine Kopie hält. Börsch-Supan habe in seinen Gutachten seinen Kopie-Begriff gar nicht geklärt. So könne eine Kopie zum Beispiel eben zeitgenössisch und mit Friedrichs Zustimmung entstanden sein, oder aber sehr viel später. Falls es sich um einen Zeitgenossen handele, helfe auch Sie ganze chemische Analyse nicht viel weiter. Dann könne es keine Klärung über „echt“ und „kopiert“ geben. In diesem Fall werde man nämlich nur auf die Information stoßen, daß beide Bilder im selben Zeitraum entstanden sind.