Sprachphilosophie aus der Bauernstube – Brian Friels Stück „Translations“ zum englisch-irischen Konflikt in Essen

Von Bernd Berke

Essen. Anno 1833 in einem irischen Dorfe. So weltfremd sind die Leute, daß sie nur Gälisch reden und als Erwachsene lieber lateinische und griechische Brocken hinzulernen, als sich die Sprache der englischen Kolonisatoren anzueignen. Oder ist dies schlaue Verweigerung?

Brian Friel hat seinem Stück „Translations“ (Übersetzungen) auch eine quasi politische Dimension gegeben. Doch darüber hinaus entwirft der Text eine staunenswert vielschichtige Reflexion über Sprache – und dies anhand von Dialogen in einer bäuerlichen Stube. Leider müssen wohl etliche Nuancen des englisch-irischen (Sprach-)Konflikts im Deutschen verlorengehen.

1991 spielte man in Freiburg den Text des irischen Autors unter dem interpretierenden Titel „Sprachstörungen“. In Essen (Regie: Katharina Kreuzhage) bleibt es beim Original „Translations“. Ort der Handlung ist besagte Dorfschule, in der der versoffene Hugh (liebenswert knorrig und knarzig: Berthold Toetzke) auch Knechten und Mägden die antiken Sprachen beizubiegen sucht. Hei, wie quietschen da die Griffel auf den Schiefertafeln!

Verbale Vorzeichen der Gewalt

Doch das seltsame, eigentlich schon verstörte Idyll der rückständigen Verschrobenheit wird bedroht, wenn zwei Engländer als Landvermesser auftauchen. Sie machen sich, als militärischer Vortrupp, die Gegend nicht nur kartographisch untertan, sondern erobern sie auch sprachlich, indem sie die urtümlichen gälischen Kehllaute der Orts- oder Flurnamen durch hier eher platt und geschäftlich klingende englische Neuschöpfungen ersetzen. Sprache als Enteignung, als „Entsorgung“ von Geschichte und Herkunft, als Vorbotin künftiger Gewalt.

Während der englische Leutnant Yolland (Michael Schütz) dabei gelinde Skrupel verspürt, hat sich der Ire Owen (Axel Holst) dem Zeitenwandel anbequemt. Der Mann, der den Engländern als Übersetzer assistiert, bleibt freilich wortkarg, wenn das Eigentliche gesagt werden müßte. Er täuscht seine Landsleute über ihre desolate Lage hinweg. Sprache als Lüge.

Eine unsagbare Liebe

Schon eingangs hat man gesehen, wie die junge Irin Sarah (Katrin Brockmann) ihren Namen hersagen soll und sich jeden einzelnen Laut abringen muß. Schmerzlich erfährt sie die Sprache als Zwang. Und als sich zwischen Yolland und Maire (Marie Therese Futterknecht), die einer des anderen Sprache nicht reden, eine englisch-irische Liebe anbahnt, sind sie ganz auf ihre hilflosen Gesten zurückgeworfen. Buchstäblich unsagbar ist diese Liebe – in der quälenden Szene mischen sich Komik und Verzweiflung.

Am Ende wird die Sprache in wahnhaftes Gebrabbel ausufern. Sie ist nun gleichsam geisterhaft allgegenwärtig, doch ihre herkömmliche Bedeutung ist zerstört, denn inzwischen haben die Engländer mit soldatischer Gewalt gedroht. Im Bühnenhintergrund lodert schon das Feuer.

Gottlob hat die Regie der Versuchung widerstanden, die sprachliche Kolonisation etwa auf west-ostdeutsche Verhältnisse umzumünzen. Überhaupt enthält sich die konzentriert zu Werke gehende Inszenierung aller Mätzchen. In einem schlichten, just spieltauglichen Bühnenbild (Wolf Münzner schuf einen grünlich schimmernden Raum mit himmelwärts weisender Leiter) stellt sich das homogene Ensemble ganz in den Dienst des Textes. Beachtliche Vergegenwärtigung einer lohnenden Vorlage.




Harte Zeiten für Kämpfer – Jürgen Bosse inszeniert Brechts „Im Dickicht der Städte“

Von Bernd Berke

Essen. Schaut nach Mafia-Überfall aus, was sich da in Chicago abspielt: Mit Wortsalven wie aus Maschinengewehren dringen der malaiische Holz-Magnat Shlink und seine Leute in die schäbige kleine Leihbibliothek ein und kujonieren den Angestellten Garga. Ein paar Bücher werden auch zertrampelt. Es ist Kampfeszeit, und Bert Brechts frühes Stück „Im Dickicht der Städte“ ergeht sich in Kampfeslust.

Gestritten werden soll ohne Grund und Motiv, es dreht sich alles um taktische Finessen. Brecht war damals ein Anhänger des Boxsports. Doch Jürgen Bosses Inszenierung in Essen kommt uns nicht mit läppischen Anspielungen auf Henry Maske & Co. Sie ähnelt eher einer fernöstlichen Zen-Meditation über Sinn und Sinnlosigkeit des Kämpfens in kapitalistischen Zeiten. Zumal „Shlink“-Darsteller Matthias Kniesbeck, beleibt und kahlköpfig, hier beinahe wie eine Buddha-Figur wirkt.

Die Bühne (Wolf Münzner) ist zumeist in fahles Licht getaucht; dazwischen ein paar Exotika wie jener asiatische Wandschirm, auf dem sich manchmal die Menschen im Schattenspiel abzeichnen. Die Szenen changieren zwischen überscharfen Umrissen und leicht verhuschten Traumgesichten.

Verlöschendes Feuer im Schneegestöber

Das noch glühende, jugendwilde, aber schon erkennbar genialische und oft außerordentlich sprachkräftige Stück setzt einer Inszenierung Widerstände entgegen. Es handelt ja zu allem Überfluß nicht nur vom Kampf, sondern auch von dessen Unmöglichkeit: Denn die Menschen seien einander so entfremdet, daß sie nicht einmal zur Reibungsnähe eines wirklichen Streites sich zusammenfinden können. Der Regisseur läßt Ungereimtheiten gelegentlich einfach stehen und geschehen.

Nicht sonderlich kühn, aber doch einigermaßen beherzt, schlägt Bosse einen großzügig weiten Bogen über den Text. Und er hält einen gewissen Spannungsgrad bis zum Schluß aufrecht.

Achtbare Leistung des Ensembles, das eben nicht kurzerhand „alle Register zieht“, sondern die vielfach aufs absurde Theater vorausweisende Typen-Komödie mit der nötigen Trennschärfe versieht. Sehr plastisch werden vor allem die Wirkungen des listig-bösen Rollentauschs herausgearbeitet: Shlink überschreibt Garga seinen Holzhandel, er will damit dessen Lebenskonzept zerstören, gewohnte Liebes- und Familienbindungen unterhöhlen. Wir sehen nun, wie sich Shlink zum Philosophen der Macht(losigkeit) wandelt und wie andererseits Garga (Michael Schütz) vom fahrigen Underdog zum stolzierenden Hahn wird – einprägsames Körperspiel.

Am Ende ist „das Chaos aufgebraucht“, wie es im Text heißt. Und das letzte Bild wirkt ganz leer und erschöpft: verlöschendes Feuer im Schneegestöber. Der Kampf ist vorbei, der Mensch ganz allein.

 




Mit Kokain und Schäferhund in den deutschen Untergang – Ruhrfestspiele: Hansgünther Heymes Versuch mit Schillers „Räubern“

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Die Jungs von der Räuberbande balgen sich wie Kindsköpfe, sie tollen herum wie Welpen. Doch Vorsicht: Schon bald fällt das böse Wort vom „Deutschen Heldenblut“. Das ist kein Spiel mehr, das wird schrecklich. Denn Hansgünther Heyme hat für seine Ruhrfestspiel-lnszenierung Schillers „Räuber“ nach unguter Deutschtümelei abgegrast.

Besagte Bande des von seinem Vater (Hans Schulze) verstoßenen, fürchterlich-genialischen Karl Moor (Matthias Redlhammer) ist zunächst ein loser Haufen, offenbar aus allen möglichen „Szenen“ zusammengewürfelt. Ein paar Freaks, die die Umverteilung à la Robin Hood anstreben, sind dabei. Doch da ist auch schon einer, der ein T-Shirt mit deutschnationalem Aufdruck trägt.

Alsbald gebärdet sich das Trüppchen wie eine „Wehrsportgruppe Moor“, die mit einem alten, flippig bemalten Armeelastwagen unterwegs ist zum Morden und Brandschatzen. Vorn an der Stoßstange hängt schlaff ein toter Schäferhund, mit dessen Blut der fatale Räuberbund rituell besiegelt wird. Merke: Schäferhund gleich Rechtsradikalismus. Ausnahmslos.

…bis sie alle Stahlhelme tragen

Die Kerle werden jedenfalls immer martialischer und immer einheitlicher – bis sie allesamt mit schweren Ledermänteln und schließlich Stahlhelmen herumlaufen. Jaja, in Deutschland sind selbst wohlmeinende Rebellen immer in der Gefahr, dem Faschismus anheimzufallen. Und Karl, der doch nur das Beste wollte, erkennt viel zu spät den Fluch der bösen Tat. Sein Traum von schrankenloser Freiheit gebiert schrankenlosen Schrecken.

Der intrigante Bruder Franz (Peter Kaghanovitch), die Kanaille, zeigt denn auch nur die andere Seite der Medaille. Er ist gar nicht schlimmer als Karl, er ist sich der eigenen Bosheit nur früher bewußt und setzt sie gezielter ein.

Man kann sich einem Stück nähern, indem man spiel und schaut, was sich ergibt. Man kann aber auch sofort seine hehren Gedanken und Besorgnisse aufpfropfen und sich den Text danach zurechtbiegen. Letzteres ist hier wohl der Fall. Im Programmbuch heißt es über Karl: „Sein Aufbruch wird zum mörderischen Vergehen gegen Schwache, Kranke und ,Andere‘ und damit zum Menetekel – gerade heute“. So sieht die Inszenierung auch aus: unablässige Mühsal mit Polit-Pädagogik, die jedoch keinen Halt am Text findet.

Personen stehen da wie Monumente

Ganz sonderbar die Figurenführung: Da wird nichts sorgsam entwickelt, sondern die Personen stehen jeweils bei ihrem ersten Erscheinen ganz stark und entschieden da, wie Monumente fast. Doch dann scheinen sie zusehends zu zerbröckeln und zu verblassen, als hätte man sie unterwegs vergessen. Da verrät sich eine sträfliche Ungeduld der Regie, die sich auf der Bühne des öfteren in unmotivierte Erregungs-Handlungen ergießt, die wiederum nie recht bei ihren Gegenständen sind: unbeteiligte Wallungen. So paradox muß man es sagen. Kein Wunder, wenn Karls geliebte Amalia (erst „kesser Vater“, dann schutzloses Mädchen: Marina Matthias) sich erst mal eine Linie Kokain genehmigt.

Das Bühnenbild (Wolf Münzner) besteht vornehmlich aus blutrot beleuchteten Tüchern und einem Wassergraben, jenem wohl am meisten zuschanden gerittenen Bühnen-Zeichen der letzten fünfzehn Jahre. Der Graben hat keine Funktion, bleibt bloßes Schaustück. Nur „Pitschpatsch“ macht es, wenn sie hindurchwaten, und hernach verteilt sich das Theaterblut so pittoresk im Wasser…

Mit seiner gleichsam dampfenden Sprache erscheint der junge Schiller in dieser Inszenierung wie ein Nihilist oder Nietzsche-Apostel vor der Zeit. Nichts da mit einer Gnade der frühen Geburt! Unser haßgeliebter Idealist ist auch ein abgründiger Autor und Künder künftiger Katastrophen. Das könnte ein Ansatz sein. Aber wehe, wenn man ihn überall und partout beim Wort nehmen will. Und wehe, wenn eine Inszenierung ihrer Mittel so wenig sicher ist, wenn sie Statik und Dynamik, Tempo und Verzögerung so glücklos einsetzt wie diese. Dann wird Geschichte ortlos und zeitenleer, dann wird Schiller zum ungestümen Dampfplauderer. Gespielt wird das alles mit heißem, nein: überhitztem Bemühen. Auf dem schwankenden Boden des Konzepts geraten alle ins Straucheln.

Erschöpft-lustloser Beifall nach vier Stunden eines ebenso länglichen wie kurzatmigen Unterrichts. Selbst die Buhs klangen ermattet.

Nächste Vorstellungen im Festspielhaus: 4., 5., 6.. 7. Mai, jeweils 19.30 Uhr). 8. Mai (18 Uhr) / Tel.: 02361/91 84 40.




Schlag zu bei Shakespeare… – Jürgen Bosse inszeniert Shakespeares „Was ihr wollt“ als große Gaudi

Von Bernd Berke

Essen. Vergoldete Papp-Säulen mit allerlei altertümlichem Zierat rahmen die Bühne ein. Man fühlt sich in Vorzeiten des Theaters versetzt. Gewiß wird wohl gleich ein stocksteifes Spiel anheben? Doch das Gegenteil ist der Fall. Shakespeares „Was ihr wollt“ wird in Essen als pralles Lachtheater serviert.

Der neue Schauspielchef Jürgen Bosse versteht Shakespeares Komödie offenbar als reinste Gaudi. Die Aufführungspraxis der letzten Jahre, die mit manchmal gequälter Vorliebe den psychologischen Windungen des Stücks nachspürte und es als Spiegelkabinett erotischen Begehrens begriff, wird beherzt beiseite gewischt. Auch den Ehrgeiz einer eigenen Deutung läßt man in Essen fahren. Und so wird die Geschichte der jungen Viola, die – als Junge verkleidet – bei der verstockten Gräfin Olivia den Liebesboten des Herzogs Orsino macht und dabei selbst aufs Karussell gerät, zum durchweg derben Schwank.

Das ist bei Shakespeare bis zu einem gewissen Grad legitim, er hat ja wirklich nicht fürs Mädchenpensionat geschrieben. Aber die zarteren Liebes-Verwirrungen, die sich aus der Handlung ja auch ergeben, werden einfach ruppig überspielt. Roll over Shakespeare.

„Fuck Yourself“: Theater-Kirmes mit Catchen

Theater-Kirmes in Essen: Bosse kostet zumal die Szenen um Sir Toby von Rülp, Sir Andrew von Bleichenwang, den Narren und den lachhaft ichsüchtigen Malvolio (der sich mit Selbstauslöser in eitlen Posen fotografiert) bis zur Neige aus.

Eilhard Jacobs und Bosse haben das Stück neu übertragen und bearbeitet. Da grölt der närrische Chor auch schon mal irische Säuferballaden („Wild Rover“) oder einen Kanon mit den goldenen Worten „Fuck yourself“. Auch deutsche Dialekte kommen zum Einsatz. Vielleicht hätte man den Titel gleich elektrisch umpolen sollen: „Watt ihr Volt“.

Nichts, wird ausgelassen. Man sieht sogar zwei beleibte Glatzköpfe beim veritablen Catchkampf, das Publikum pfeift und johlt wie bei vergleichbarer Gelegenheit in der kleinen Westfalenhalle. Schlag zu bei Shakespeare! Und beim Jux-Duell erklingt aus der Mundharmonika – na, was wohl? – die berühmte Melodie von „Spiel mir das Lied vom Tod“. Kurz: Man erlebt den Ausverkauf gängiger Mythen und Marotten gegen kleine Münze. Fehlte nur noch eine „Polonäse Blankenese“…

Immer fröhlich zur Rampe hin

Es gibt wirklich was ,zu lachen in dieser Aufführung, die Darsteller spielen komödiantische Routine aus. Mit draller Lust und Könnerschaft agieren sie zur Rampe hin. Doch in ihrem Frohsinn, ihrer Clownspower geht alles andere so ziemlich unter. Von Melancholie, von der das Stück doch auch eine ganze Menge weiß, bleibt kaum eine Spur. Das betrifft besonders die Rollengestaltung des Orsino (Soeren Langfeld), die keine rechte Kontur gewinnt, während die junge Katja Hensel als Viola mit naiver Frische all die komischen Attacken recht gut übersteht, unverwundbar wie ein Hans im Glück.

Auf der beengten Bühne des Grillo-Theaters spielt man in hintereinander gestaffelten Durchsichten – eine Art Fenster-Dramaturgie mit voyeuristischen Effekten. Die Figuren definieren sich im Grunde schon durch ihre Kostüme (samt Bühnenbild: Wolf Münzner) und durch deren bläuliche, rosarote oder schwarze Farbgebung. In derlei Typisierung zeichnet die Aufführung scharfe Umrisse. Man weiß immer gleich, woran man ist.

Es war so recht ein Theaterabend zwischen Schlußverkauf und Karneval. Und was machen wir am Aschermittwoch?

Weitere Aufführungen heute (15. Februar), 18. und 24. Februar, jeweils 19.30 Uhr.

 




Kambodschas Geschichte als fünfstündiges Bühnendrama – Hansgünther Heyme inszeniert Hélène Cixous in Essen

Von Bernd Berke

Essen. Verkehrte Verhältnisse im Essener Grillo-Theater: Die Sitzreihen befinden sich im Bühnenraum, die Szene ist dort, wo sonst die Zuschauer Platz nehmen.

Wenn das Publikum die umgebaute Theaterstätte betritt, platzt es mitten in den Prolog der Gemüseverkäuferin Khieu Samnol (Astrid Gorvin) {Astriâ ‚Gorvin), die – wie auf einem Jahrmarkt – die Leiden des kambodschanischen Volkes ausruft. Gedränge und Geschiebe der Zuschauer, die Plätze sind nicht numeriert; und wenn man sitzt, muß man sich recken, um etwas zu sehen. Man kommt sich vor wie inmitten einer Volksmenge. Doch mit diesem Gefühl und den Klagen der Khieu Samnol hat das Volk auch schon ausgespielt. In den folgenden fünf Stunden ist es nur noch Manövriermasse.

„Die schreckliche, aber unvollendete Geschichte von Norodom Sihanouk, König von Kambodscha“, das Stück von Hélène Cixous, 1985 im Pariser „Théâtre du Soleil“ der Ariane Mnouchkine uraufgeführt und am Samstag in Hansgünther Heymes Regie erstmals deutschsprachig gezeigt, ist (auch) ein Schnellkurs in kambodschanischer Historie. Was zur Premiere als Doppelabend (Epoche 1955-1970/1970-1979) herauskam, wird später auf zwei Abende verteilt.

Wer sich nicht gerade einen Südostasienexperten nennen kann, tut gut daran, die theatralische Tour durch 24 Jahre kambodschanischer Geschichte anhand der Nacherzählung im Programmheft zu verfolgen. Vom feudalen Gerichtstag Sihanouks (1955) bis zum Einmarsch vietnamesischer Truppen in Kambodscha (1979) verdichtet sich das Netz politischer Intrigen im Kräftefeld zwischen USA, UdSSR, China, Vietnam und den Roten Khmer. Die von Prinz Sihanouk angestrebte Neutralität Kambodschas gerät zur Farce. Das Land wird in den Vietnam-Krieg hineingezogen und später von Pol Pots Revolutionsgarden mit Terror überzogen.

Dabei scheint anfangs alles wie ein Spiel: Sihanouk (großartig: Volker K. Bauer) schlängelt sich körperlich wie stimmlich zwischen den Fronten hindurch, bedient sich der geschichtlichen Bedingungen, als lägen sie frei verfügbar in einer Spielzeugkiste. Doch das Ziel einer weltpolitisch neutralen, sozialistischen Monarchie erweist sich sehr bald als naiv. Sihanouk, zunehmend eine tragische Figur, muß Konzessionen nach allen Seiten machen und Geister anrufen, die er nicht mehr loswird.

Das große Welttheater, in dem Kissinger, Kossygin und Tschu Enlai die Fäden ziehen, endet im Geisterreich. Tote (u. a. Sihanouks Eltern, gespielt von Wolfgang Robert und Margit Carstensen) huschen gespenstisch durch den zweiten Teil.

Cixous Geschichtsdrama (passend: Alfons Nowackis Musik, die oft an Brechtsche Songs erinnert), ist streckenweise zu geschwätzig, um die Größe des mehrfach beschworenen Shakespeare zu erreichen, liefert aber viele Szenen für pralles Theater, das in Essen auch Rauch und Theaterdonner nicht verschmäht. Die Ensemble-Leistung kann sich sehen lassen. Sehr zu loben: Wolf Münzners Bühnenbild und Kostüme, die jeden falschen Exotismus meiden.

Immenser Beifall, der sich für Hauptdarsteller Volker K. Bauer zum Bravo-Orkan steigerte und auch die Regle einschloß.