Vor 50 Jahren hob das Raumschiff „Orion“ ab

Der folgende Beitrag ist erstmals am 13. August 2013 in den Revierpassagen erschienen. Anlass der neuerlichen Veröffentlichung: Gestern (17. September) vor 50 Jahren hat die Ausstrahlung der legendären Reihe begonnen. Hier also nochmals der Text von 2013:

So hat man sich vor 47 Jahren die Zukunft vorgestellt: Die Menschen leben in einer keimfreien Unterwasserwelt. Das Mobiliar sieht poppig und furchtbar avantgardistisch aus. Leute in Einheitskluft vollführen schon mal seltsam roboterhafte Tänze. Vor allem aber brechen sie tagtäglich in die unendlichen Weiten fremder Galaxien auf.

Dietmar Schönherr, Wolfgang Völz und Eva Pflug in der Auftaktfolge von "Raumpatrouille". (Screenshot von http://www.youtube.com/watch?v=FGcIy76N9sY)

Dietmar Schönherr, Wolfgang Völz und Eva Pflug in der Auftaktfolge von „Raumpatrouille“. (Screenshot von http://www.youtube.com/watch?v=FGcIy76N9sY)

Willkommen bei der „Raumpatrouille“, der legendären Science-Fiction-Spielserie aus den 1960er Jahren! Willkommen an Bord des Raumschiffs „Orion“!

Der „alte Adam“ ist noch lebendig

Als „Märchen von übermorgen“ wird das Ganze schon im Vorspann der einstündigen Auftaktfolge bezeichnet, die ich mir jetzt noch einmal angesehen habe. Unter den Erdbewohnern herrscht Frieden, es gibt keine Nationalstaaten mehr. Doch der blaue Planet muss sich unentwegt gegen extraterrestrische Angreifer wehren – allen voran die geheimnisvoll glitzernden, ungreifbaren „Frogs“, gegen die auch Laserpistolen nichts ausrichten können. Trotzdem sind sie an einem Punkt verwundbar…

Auch der „alte Adam“ ist in dieser fernen Zukunft noch lebendig. Es gibt immer noch Hierarchien und Intrigen, aber auch Teamgeist und Freundschaft. Und es gibt immer noch diese uranfängliche, zuweilen etwas komplizierte Sache zwischen Männern und Frauen.

Dietmar Schönherr als smarter Kommandant

Im Zentrum der am 17. September 1966 gestarteten, siebenteiligen ARD-Reihe schwebt natürlich das Raumschiff „Orion“ unter dem Kommando des smarten Allister McLane (Dietmar Schönherr). Weil der oft allzu husarenhaft und eigenmächtig vorgegangen ist, degradieren ihn die Chefs für eine Bewährungsfrist von drei Jahren. Auch stellen sie ihm als Aufpasserin die rigide Sicherheitsoffizierin Tamara Jagellovsk (Eva Pflug) zur Seite, was der eingeschworenen „Orion“-Besatzung gar nicht in den Kram passt. Ein Hauptstrang der Serie schildert denn auch gruppendynamische Prozesse.

Der „Kalte Krieg“ und die Verweigerung

Man beachte den russisch klingenden Namen Jagellovsk und stelle sich vor, dass das alles mitten im Kalten Krieg (und vor der ersten Mondlandung) gesendet wird. Da ist es schon eine kleine Sensation, dass jene Tamara gelegentlich menschliche Seiten durchschimmern und mit sich reden lässt. Das Dauerthema Gehorsams-Verweigerung deutet, wenn man so will und genau hinhört, schon zaghaft auf die Rebellion von 1968 voraus. Jedenfalls ist es sozusagen sternenweit entfernt vom „Kadavergehorsam“ im Zweiten Weltkrieg, der damals gerade erst 21 Jahre zurücklag.

So erlesen auch das Darsteller-Ensemble war (außer Schönherr und Pflug u. a. Wolfgang Völz, Benno Sterzenbach, Friedrich Joloff usw.), wurde es doch beinahe in den Schatten gestellt, nämlich von den ungemein kreativ ausgeklügelten Spezialeffekten, die mit einfachsten Mitteln bewerkstelligt wurden. Computer im heutigen Sinne gab es halt noch nicht. Aber Phantasie und Tüftlergeist waren reichlich vorhanden!

Spezialeffekte mit Reis, Rasierklinge und Bügeleisen

So wurde ein interstellarer Lichtsturm mit Hilfe hochgeworfener Reiskörner erzeugt. Kosmische Strahlen? Die ritzte man mühsam in die einzelnen Filmbilder ein – per Handarbeit mit einer gewöhnlichen Rasierklinge. Berühmtheit erlangte das Bügeleisen, aus dem im Handumdrehen ein Bestandteil der futuristischen Raumschiff-Armaturen wurde. Oft halfen bewusst unscharf aufgenommene Bilder, viele aufgeregt blinkende Glühbirnchen oder wallende Nebelschwaden, um den galaktischen Budenzauber zu inszenieren. Und dabei haben wir noch gar nicht die futuristische Geräuschkulisse mit ihren bizarren Halleffekten erwähnt.

Es wurde spannend erzählt, doch keineswegs ohne Humor und einen Schuss Selbstironie. Der technische Jargon wurde bis zur Parodiereife ausgereizt, menschliche Schwächen geradezu wonnewoll ausgekostet. Trotz tollster Raumfahrttechnik lebten die uralten Instinkte aus Verfolgungsjagden in Dialogen dieser Art fort: „Sie kommen!“ – „Nichts wie weg hier!“ So ähnlich muss sich das schon in der Steinzeit angehört haben.




TV-Nostalgie (13): „Stahlnetz“ – der Krimi-Straßenfeger von damals

Ganz tiefer Griff in die Nostalgie-Kiste: Wer erinnert sich noch an Jürgen Rolands Krimiserie „Stahlnetz“, die von 1958 bis 1968 lief?

Und wer weiß noch, wer die Drehbücher dazu geschrieben hat? Richtig, es war Wolfgang Menge, der uns später historische TV-Stücke wie „Das Millionenspiel“ oder „Ein Herz und eine Seele“ („Ekel Alfred“) beschert hat.

„Dieser Fall ist wahr“

Die „Stahlnetz“-Macher betrieben geradezu einen Kult der Wirklichkeitsnähe. Hier wurden wahre Kriminalfälle nachgespielt und es sollte die echte Polizeiarbeit im Vordergrund stehen. Um die Präzision zu unterstreichen, nannte eine Erzählerstimme zwischendurch immer wieder die minutengenaue Uhrzeit. Im Vorspann der allerersten Folge stand „Dieser Fall ist wahr!… Er hat sich so zugetragen, wie wir es zeigen.“ Nun ja.

Ganz entspannt beim Aktenstudium:  der Düsseldorfer Kommissar (Heinz Engelmann, links) und sein Assistent (Wolfgang Völz) in der "Stahlnetz"-Folge "In der Nacht zum Dienstag" von 1961. (Screenshot aus http://www.youtube.com/watch?v=W4pGO99lwB8)

Ganz entspannt beim Aktenstudium: der Düsseldorfer Kommissar (Heinz Engelmann, links) und sein Assistent (Wolfgang Völz) in der „Stahlnetz“-Folge „In der Nacht zum Dienstag“ von 1961. (Screenshot aus http://www.youtube.com/watch?v=W4pGO99lwB8)

Doch bei allem Bemühen um Realitätstreue: Das war natürlich arg geflunkert. Selbstverständlich wurde hier zugespitzt und dramatisiert – anfangs noch ziemlich unbedarft, später deutlich geschickter und routinierter. 1961 gab man sich schon ungleich lockerer als zu Beginn, es gab hin und wieder launige Dialoge und nicht mehr so viel Laienspiel. Effekt: Das „Tam-Tataaa-Tamm“ der Titelmusik wurde alsbald berühmt, die „Stahlnetz“-Reihe entwickelte seinerzeit „Straßenfeger“-Qualitäten.

Gesucht wird ein „Schlägertyp“

Im ersten Fall (ARD-Ausstrahlung am 14. März 1958) geht es um mörderische Schüsse in einer Karlsruher Kneipe. Der smarte, aber ruppig-ungeduldige Kommissar (im klischeegerechten Trenchcoat: Hellmut Lange) ist ratlos, denn jeder der zahlreichen Zeugen will etwas anderes gesehen haben.

Die Spur führt dann ins Ruhrgebiet: In Oberhausen verdingt sich ein Kumpan des Mörders als betrügerischer Teppichhändler. Ein solcher „Schlägertyp“, wie es geradezu rührend naiv heißt, muss damals wohl etwas derart Besonderes gewesen sein, dass er unter Tausenden auffiel. Als die beiden bösen Buben sich dann noch neue Passbilder machen lassen und der Fotograf Verdacht schöpft, zieht sich das Stahlnetz zu.

Einübung in den Rechtsstaat

Nebenher werden Grundbegriffe der Polizeiarbeit, die uns allen längst geläufig sind, noch wie nach dem Lehrbuch erklärt, beispielsweise: Was ist überhaupt Spurensicherung? Was sind V-Leute? Gibt es einen Unterschied zwischen Fundort der Leiche und Tatort? Oft werden ganze Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch vorgelesen. Vielfach klingt das – nicht allzu lange nach der Nazizeit – auch wie eine Einübung in den Rechtsstaat, in dem eben stichhaltige Beweise beigebracht werden müssen.

Einfach einen Klaps auf den Po

Wie lange das alles her ist, zeigt sich auch an Details: Da fallen altbackene Sätze wie „Der Lümmel hat sich verkrümelt“. Da wird in jeder Lebenslage kräftig geraucht. In einem „Stahlnetz“-Fall von 1961 darf der Kommissar („Overstolz“-Werbeikone Heinz Engelmann) einer soeben festgenommenen Prostituierten ganz selbstverständlich und breit grinsend einen Klaps auf den Po geben. Man wagt sich gar nicht auszumalen, welch einen „Shitstorm“ eine solche Szene heute zur Folge hätte.

Und noch eine bemerkenswerte Einzelheit von vorgestern: In den beiden Folgen von 1958 und 1961, die ich mir jetzt angesehen habe, taucht – ausgesprochen aufdringlich – nur eine einzige Automarke auf, nämlich Opel. Sollte es damals schon vereinbarte Schleichwerbung gegeben haben, womöglich noch für die eine oder andere Gegenleistung? Heidewitzka, Herr Kapitän!

P.S.: Historisch weit entfernt auch der Umstand, dass der Oberhausener Kommissar 1958 gerade neue Dienstmöbel bekommen hatte und somit viel besser ausgestattet war als sein Kollege in Karlsruhe. Das waren noch Zeiten im damals prosperierenden Revier…

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Vorherige Beiträge zur Reihe: “Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), „Kir Royal“ (12)




Christo baut Mauer aus 13000 Ölfässern – Verhüllungskünstler sorgt 1999 für Attraktion im Gasometer

Von Bernd Berke

Oberhausen. Das wird ein Ding: Der berühmte Verhüllungskünstler Christo und seine Gefährtin Jeanne-Claude wollen 1999 im Oberhausener Gasometer eine Mauer aus 13.000 Ölfässern errichten lassen. Als beide gestern die Grundzüge des Projekts präsentierten, war auch NRW-Kulturministerin Ilse Brusis schon im voraus begeistert. „Weltkünstler“ und „wunderbar“ waren die zentralen Stichworte ihrer kurzen Ansprache.

Prof. Karl Ganser, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung „IBA Emscher Park“, die im nächsten Jahr u. a. mit dem Christo-Spektakel in die Zielgerade geht, ist gleichfalls schon jetzt vom Gelingen mit enormer Werbewirkung fürs Revier überzeugt: „Christo ist ein Ereignis per se“, befand er.

Das Grandiose ist schon ausgemachte Sache

Wenn also das Grandiose an dem Vorhaben bereits ausgemachte Sache ist, kann man sich getrost den profanen Details zuwenden, soweit sie bekannt sind: 13.000 Ölfässer werden im 117 Meter hohen Gasometer (wo zuletzt die Fernseh-Schau „Der Traum vom Sehen“ Furore machte) so aufgetürmt, daß sie eine 26 Meter hohe, 68 Meter breite und 7,23 Meter tiefe, undurchdringliche Wand im Inneren des Industriebaus bilden und diesen gleichsam in zwei Hälften spalten. Der Titel der gigantischen Arbeit lautet denn auch „The Wall“ (Die Mauer).

Mit dem Aufbau sollen rund 25 Helfer schon Anfang Januar beginnen, denn am 30. April 1999 soll das Werk in voller Schönheit aufragen. Dies sagte Projektkoordinator Wolfgang Volz, der bereits Christos legendäre Reichtagsverhüllung in Berlin organisiert hat. Bauvorschriften würden auch in Oberhausen peinlich genau beachtet, damit „The Wall“ nicht etwa wankt oder stürzt.

Bei den Ölfässern werde es sich keineswegs um verrostete, sondern um nagelneue Exemplare handeln, verriet Jeanne-Claude, ohnehin ungleich beredsamer als Christo. Grund für den Neueinkauf: Die frischen bunten Lackierungen sollen eine Art Mosaik ergeben. Und nach der Aktion, so wurde ökologischen Bedenkenträgern versichert, gehen die Metallfässer in den normalen Wirtschafts-Kreislauf samt Recycling ein. Beruhigend.

„Den Menschen Freude und Schönheit bringen“

Wiederum war es Jeanne-Claude, die all dies mit einem hübschen Motto drapierte: ,Joy and beauty“ wolle man den Menschen mit dieser Arbeit bringen, Freude und Schönheit also. Wem wird es dabei nicht warm ums Herz? Und dann hörte man noch, daß Christo und Jeanne-Claude einen Teil ihrer Herzen just in Nordrhein-Westfalen verloren haben. Denn in Köln hatten sie anno 1961 ihre erste gemeinsame Einzelausstellung, weswegen sie jetzt besonders gern wieder in diesem Lande…

Freude bringen – ja. Freude schenken – diesmal nicht. Anders als bei den meisten bisherigen Christo-Aktionen, an denen man sich gratis sattsehen konnte, ist das Revier-Ereignis kostenpflichtig. Der Eintritt in den Gasometer wird 10 DM betragen. Erst nach diesem Obolus darf man staunend vor dem machtvollen Raum-Zeichen, dem Ruhrgebiets-Weltwunder stehen – oder mit gläsernem Aufzug vertikal daran vorübergleiten. Außerdem gibt s eine Doku-Schau zu artverwandten Christo-Projekten.

Die Veranstalter in Oberhausen wappnen sich für einen großen Ansturm. Man will die Öffnungszeiten flexibel halten, sprich: Ausweitungen sind jederzeit möglich.