Heino wird 80 – Sind denn alle Geschmäcker nivelliert?

Auch nicht mehr der Jüngste: Heino. (© ZDF / petersohn, michael)

Auch nicht mehr der Jüngste: Heino. (© ZDF / petersohn, michael)

Kinder, wie die Zeit vergeht! Denkt euch nur: Morgen (13.12.) wird Heino schon 80. Obwohl: Etliche Leute haben bereits vor vier bis fünf Jahrzehnten gesagt, er sei ein Mann des Ewiggestrigen und wirke ziemlich alt.

Was sonst nur ganz wenigen – *räusper, räusper* – Kulturschaffenden widerfährt: Das ZDF hat ihn jetzt mit einer 45-Minuten-Sendung zur Prime Time gewürdigt. Darin wird der sonore Volkslied-Barde überwiegend im milden Licht der (Lebens)-Abendsonne betrachtet. Selbst die meisten Achtundsechziger, so erfahren wir, hätten irgendwann und irgendwie ihren Frieden mit Heino gemacht. Ein Rebell von damals ist sogar seit Jahren sein Produzent und hat ihn offenbar als Profi schätzen gelernt.

Hat sich also alles relativiert, sind alle Unterschiede nivelliert und alle einst so tiefen Gräben zugeschüttet worden? Je nun. Jörg Müllners Film mit dem schulterklopfenden Titel „Mensch Heino!“ spart auch kritische Fragen nicht gänzlich aus – und nicht alle haben sich mit der Zeit ohne weiteres erledigt; wenngleich Heino selbstzufrieden meint, der Erfolg gebe ihm in jedem Sinne Recht.

Eine von Heinos ersten Autogrammkarten aus den frühen 1960er Jahren. (© ZDF/Privatbesitz Heino)

Eine von Heinos ersten Autogrammkarten aus den frühen 1960er Jahren. (© ZDF/Privatbesitz Heino)

Trotz Apartheid in Südafrika aufgetreten

In die äußere rechte Ecke gehört er wohl wirklich nicht. Jedoch: Zumindest „blauäugig“, naiv und fahrlässig, hat Heino (bürgerlich Heinz Georg Kramm) gelegentlich Liedgut ausgegraben und neu zu beleben versucht, das schon in der Nazizeit zum forschen Absingen und Marschieren taugte. Auch ist er gegen alle Vernunft und wider allen Anstand in Südafrika aufgetreten, als dort noch die rassistische Apartheid herrschte.

Immer wieder zog es ihn nach Namibia (zu Kolonialzeiten „Deutsch-Südwest“), um dem dortigen Deutschtum dienstbar zu frönen und dabei stets das historisch anrüchige „Südwester-Lied“ anzustimmen. In und um Windhoek hat er seine vielleicht treueste Fangemeinde, allenfalls annähernd erreicht von Scharen ehemaliger DDR-Bürger, die ihn früher partout nicht hören sollten (worüber sogar die Stasi wachte). Filmemacher Jörg Müllner präsentiert auch ein schräges Archiv-Fundstück aus der Fernseh-Steinzeit: Karl-Eduard von Schnitzler (berüchtigt als „Sudel-Ede“) mit einem harschen Verdammungsurteil über Heino im „Schwarzen Kanal“, dem legendären DDR-Propagandamagazin.

Liaison mit einer bildhübschen Prinzessin

Schlagerkollege Roberto Blanco hingegen huldigt ihm auf fast schon ergreifend schlichte Weise. Heino habe Millionen glücklich gemacht. Neben Weggefährten und Managern kommt selbstverständlich auch Gattin Hannelore (seit 1979 seine dritte Ehefrau) zu Wort. Fotografien zeigen sie als bildhübsche, in ihrer ersten Ehe adelig angeheiratete Prinzessin von Auersperg. Die Boulevard-Presse überschlug sich damals ob dieser Promi-Liaison. Freilich drohte zugleich ein Imageschaden beim rückständigen Publikum. Hatte der treudeutsche Heino nicht auch ehelich felsenfest zu bleiben?

Überzeichnet wie eine Comicfigur

Ein Deutungsansatz des Films besagt, dass dieser Heino sich zu einer Art Comicfigur habe stilisieren lassen, alles an ihm sei auf gewisse Weise übersteigert – das Blonde, das Deutsche, das Heimattreue; auch die monströsen Sonnenbrillen, die er als Markenzeichen weiter trug, als seine Augenkrankheit längst geheilt war. Just dieses Übertriebene zog wie von selbst den Spott auf sich – bis hin zum berühmten Gruft- und Zombie-Auftritt eines erschröcklich vervielfältigten Heino in „Otto – der Film“.

Vaterlos aufgewachsen: Kindheitsbild aus der frühen Nachkriegszeit mit Mutter Franziska und Schwester Hannelore. (© ZDF/Privatbesitz Heino)

Vaterlos aufgewachsen: Kindheitsbild aus der frühen Nachkriegszeit mit Mutter Franziska und Schwester Hannelore. (© ZDF/Privatbesitz Heino)

Längst ist Heino souverän und selbstironisch genug, um beispielsweise Cover-Versionen alter Rocksongs zum Besten zu geben oder auch mit den Brachial-Typen von „Rammstein“ gemeinsam aufzutreten – und das vor 80.000 Hardrock- bzw. Metal-Fans beim Wacken Open Air. Natürlich steckt aber vor allem geschicktes Marketing hinter derlei forcierten Crossover-Bestrebungen. Heinos Karriere, die schon zu verblassen schien, lebte damit noch einmal kultverdächtig auf.

Ärmliche Kindheit in Düsseldorf

Der Film blendet auch weit zurück zu den Anfängen – in die recht ärmliche, vaterlose Düsseldorfer Kindheit, zur nicht so sehr geliebten Bäcker- und Konditorlehre, zu den ersten Auftritten mit dem Trio OK Singers. Um die schmale Kasse aufzubessern, mussten Heino und seine Mitstreiter anfangs auch schon mal im Hafen Säcke schleppen oder sich auf dem Schrottplatz verdingen.

Der Durchbruch kam 1965 in Quakenbrück. Dort traf Heino den Schlagersänger und Produzenten Ralf Bendix („Babysitter-Boogie“), der ihn allmählich zum unverkennbaren Markenzeichen formte. Heino machte demnach widerspruchslos alles, was Bendix wollte. Und tatsächlich: Alsbald hatte Heino sein frühes Vorbild Freddy Quinn nicht nur erreicht, sondern auch überflügelt, was die Verkaufszahlen anging. Spätere Bilanz: 50 Millionen abgesetzte Tonträger in Deutschland, dazu ein Bekanntheitsgrad von angeblich 98 Prozent.

Wenn er so sein Bankkonto betrachtet…

Der junge Heino wurde von Bendix gezielt als Kontrastprogramm zur Beat-Musik und zu den nachfolgenden Richtungen aufgebaut – mit der schwarzbraunen Haselnuss, dem blau, blau, blau blühenden Enzian und allem volltönenden Karamba Karacho. Ihr wisst schon: diese manchmal arg dröhnenden Klänge fürs tümliche oder tümelnde Volk.

Finanziell sollte er das alles nicht bereuen. Wenn er so sein Bankkonto betrachte, sinniert der in der Eifel lebende Heino nun rückblickend im Film, dann habe er wohl alles richtig gemacht. Doch das ist eine gewagte, wenigstens einseitige Schlussfolgerung. Denn es liegen, wie der Film gleichfalls verrät, auch einige Schatten auf seiner Familiengeschichte. Alles hat seinen Preis…

In der Mediathek ist der ZDF-Film „Mensch Heino! Der Sänger und die Deutschen“ noch für ein Jahr abzurufen – bis zum 10. Dezember 2019.

 

 

 

 




Beide waren heute nicht in der Kirche, hatten aber ihre spirituellen Momente – das „TV-Duell“ Merkel vs. Schulz

Längere Zeit habe ich mit mir gerungen, dann habe ich es doch getan: Ja, ich bekenne, ich habe das so genannte „TV-Duell“ zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz gesehen. Zur Gänze. Zum Schluss war ich doch ziemlich erschöpft. Obwohl es jetzt intellektuell nicht gar zu anstrengend gewesen ist.

Artikes Shake-Hands zwischen Angela Merkel und Martin Schulz zum TV-Duell in Berlin-Adlershof. (Foto © WDR/Herby Sachs)

Artiges Shake-Hands zwischen Angela Merkel und Martin Schulz zum TV-Duell in Berlin-Adlershof. (Foto © WDR/Herby Sachs)

In den meisten Fragen waren die beiden Probanden ähnlicher oder gar der gleichen Auffassung. Schulz hatte gelegentlich seine liebe Mühe und Not im steten Bemühen, Unterschiede zwischen den Positionen herauszukitzeln.

Locker den Amtsbonus ausgespielt

Merkel hatte das gar nicht nötig, sie konnte die (zumeist ziemlich zahnlosen) Attacken des Widersachers getrost abwarten und gelassen kontern. Hie und da spielte sie, ganz nonchalant und wie nebenbei aus dem Handgelenk, ihren Amtsbonus aus, wenn sie etwa ankündigte, in den nächsten Tagen mal eben mit den USA, Japan und China zu reden…

Ungemein lange hielt man sich anfangs mit der Flüchtlings- und Integrationspolitik auf. Etwa die Hälfte der Sendezeit (insgesamt nur um 120 Sekunden überzogen: 97 statt 95 Minuten, jede halbgare Show darf mehr über die Stränge schlagen) ging dafür ins Land. Auch hierbei unterschieden sich die Kandidaten allenfalls in Nuancen.

Klare Kante gegen Erdogan

Lediglich in der Haltung zur Türkei des „Autokraten“ (man könnte gewiss auch noch kantigere Worte finden) Erdogan gab sich Schulz eine Spur kämpferischer. Als Kanzler, so betonte er mehrfach, wolle er dafür sorgen, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara sofort abgebrochen werden.

Apropos Kanzlerschaft: Schulz‘ in den Vormonaten zwischenzeitlich zur Schau getragene Selbstgewissheit (nach dem Motto: „Ich als Kanzler werde…“) scheint übrigens dahin zu sein. Mehrfach hieß es jetzt aus seinem Munde, f a l l s er das Mandat der wahlberechtigten Bürger erhalte, werde er… Das klingt doch schon weitaus bescheidener.

Was erlauben Strunz?

Die Fragesteller der vier übertragenden TV-Anstalten (warum musste es eigentlich gleich ein Quartett sein?) ARD, ZDF, RTL und SAT1 agierten – wie üblich – im Modus der bedeutsam geschwollenen medialen Wichtigtuer.

Die Damen Maybrit Illner (ZDF) und Sandra Maischberger (ARD), die für die öffentlich-rechtlichen Anstalten antraten, waren noch einigermaßen erträglich – im Vergleich zu den zwei Privatsender-Gockeln Peter Kloeppel (RTL) und vor allem Claus Strunz (SAT1), der schon mal gern quasi-populistische Töne anschlägt. Am liebsten hätte er es wohl gehabt, wenn Merkel und Schulz ihm auf den Leim gegangen wären und noch entschiedener versucht hätten, die eine oder andere AfD-Stimme abzufischen. Um mal eine berühmte Fußballfloskel zu zitieren: Was erlauben Strunz?

Soziale Wohltaten angekündigt

Sowohl Merkel als auch Schulz gerieten hie und da ins Stocken oder Stammeln. Wir wollen das mal als menschlichen Faktor verbuchen und nicht gleich als politische Unsicherheit. Und überhaupt: In diesen Zeiten möchte man nicht unbedingt mit ihnen tauschen…

Nach den vergleichsweise geradezu epischen Auslassungen zur „Flüchtlingsfrage“ und zur Türkei ging es hernach zunehmend hopplahopp. Die katastrophale Gemengelage zwischen Kim und Trump wurde ebenso hastig abgehakt wie die Themenkomplexe „Soziale Gerechtigkeit“, Maut und Diesel sowie Steuern. Natürlich gelobten beide, die Bürger spürbar zu entlasten, Schulz legte sich – inklusive Wegfall der Kita-Beiträge – auf rund 200 bis 250 Euro für eine vierköpfige Familie mit 3500 Euro Monatseinkommen fest, Merkel warf Gesamt-Wohltaten von rund 15 Milliarden Euro in die Manege.

Hektische Runde zum Schluss

Da man sich ein wenig verplaudert hatte (und halt kein weiteres „Duell“ ansteht), sah man sich schließlich zur irrwitzigen Hektik einer Ja-Nein-Fragerunde genötigt. Ehe für alle, Fußball-WM-in Katar, Gerhard Schröders Russland-Jobs, Wahlrecht für 16-Jährige, Terrorabwehr und Polizei-Ausstattung wurden nur noch atemlos durchgehechelt.

Vorher haben wir übrigens noch staunend erfahren, dass weder Merkel noch Schulz heute in der Kirche die Messe begangen haben. Beide beeilten sich allerdings zu sagen, dass sie dennoch spirituelle Momente an Gräbern und in Kapellen gehabt haben.

Nahezu grotesk das allerletzte Statement von Martin Schulz. Zu einer kurzen Schlussaussage aufgefordert, fragte er: „Wieviel Zeit habe ich?“ Nach der Information „60 Sekunden“ (die ihm gewiss vorab bekannt war) kamen ihm sogleich „spontan“ über die Lippen: die  so unterschiedlichen Verdienste einer Krankenschwester und eines Managers in just 60 Sekunden. Auch diese wohlfeile Schläue wird ihm nicht entscheidend genutzt haben.

Ich lege mich – ebenfalls wohlfeil – fest: Wenn nichts Weltumstürzendes geschieht, wird, in welcher Parteien-Konstellation auch immer, die nächste Kanzlerin wiederum Angela Merkel heißen. Welcher Hasardeur würde dagegen wetten wollen?




TV-Nostalgie (33): „Wetten, dass…?“ – mit Elstner fing alles an (und jetzt hört es auf)

Zugegeben: Eigentlich habe ich die Show gar nicht so oft gesehen, noch seltener in voller Länge. Trotzdem fand ich es immer irgendwie beruhigend, dass es so etwas wie „Wetten, dass…?“ noch gab.

Eine familiäre Sendung, die mindestens von der halben Nation gesehen wurde, war das etwa nichts? Heute bringen das nur noch ganz große Fußballpartien zuwege.

Einladende Geste: MOment aus der allerersten Ausgabe von "Wetten, dass...?" mit Frank Elstner vom 14. Februar 1981. (Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=jfCBKJI8R4M)

Einladende Geste: Moment aus der allerersten Ausgabe von „Wetten, dass…?“ mit Frank Elstner vom 14. Februar 1981. (Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=jfCBKJI8R4M)

Gigantische Quoten hat die ZDF-Wettshow allerdings schon längst nicht mehr erzielt. Vor einigen Wochen, am 4. Oktober, waren nur noch 5,48 Millionen Zuschauer dabei – abermals ein Minusrekord für den umstrittenen Showmaster Markus Lanz, der denn auch am kommenden Samstag, 13. Dezember, die allerletzte Ausgabe präsentieren wird.

Rekord mit über 23 Millionen Zuschauern

Das Sehverhalten seit der Premiere (14. Februar 1981) hat sich grundlegend verändert. Zu Zeiten von Frank Elstner, des Erfinders und ersten Moderators von „Wetten, dass…?“, saßen manchmal über 20 Millionen Zuschauer vor den Geräten, der absolute Rekord wurde am 9. Februar 1985 mit 23,42 Millionen Zuschauern aufgestellt. Als 1987 Thomas Gottschalk übernahm, blieb man meist auch bei über 60 Prozent Marktanteil.

Nach einem Intermezzo mit Wolfgang Lippert (1992/93) wurde erneut Thomas Gottschalk engagiert – von 1994 bis 2011. Er pflegte einen anderen, flotteren und frecheren, auch glanzvolleren Stil als der allzeit nette, betont seriöse Elstner. Manchmal streifte „Tommy“ die Grenzen des guten Geschmacks, er wusste das aber meist mit Charme zu überspielen.

Redlich und bescheiden

Wahre Fernseh-Nostalgiker erinnern sich vielleicht am allerliebsten an die Anfangszeiten mit Elstner. Der einstige Moderator von Radio Luxemburg („Die vier fröhlichen Wellen“) hatte sich die Sache ausgedacht und alles in Schwung gebracht. Daraus wurde die größte Show Europas.

Im Internet ist noch ein Ausschnitt aus der Premierensendung von „Wetten, dass…?“ greifbar (siehe Link in der Bildzeile). Schon im Februar 1981 hatte Frank Elstner die nicht allzu weltmännische Ausstrahlung eines redlichen Sachbearbeiters. Er war freilich eine Vertrauensperson, ging einfühlsam und anständig mit seinen Gästen um, gab sich bescheiden und profilierte sich nicht auf Kosten anderer. Das ist keine intellektuelle Offenbarung gewesen, doch durchaus aller Ehren wert.

…und was kommt danach?

Wir wollen hier nicht lang und breit über Einzelheiten aus fast 34 Jahren reden, über Saal-, Städte-, Kinder- und Buntstiftwetten. Doch muss man den schrecklichen Unfall von 2010, bei dem sich der damals 23jährige Student Samuel Koch schwer verletzte und seither gelähmt blieb, wenigstens erwähnen. Danach mochte Thomas Gottschalk nicht mehr weitermachen, als wäre nichts gewesen. Es war gewiss ein Anfang vom Ende der Show. Samuel Koch wird übrigens am Samstag Gast der letzten Ausgabe sein. Hoffentlich bringt man es ohne Peinlichkeit über die Bühne.

Statistiken aller Art kann man im Internet nachlesen – von der längsten Sendezeit-Überziehung (Gottschalk mit 73 Minuten) über die häufigsten Wettpaten (11 Mal Iris Berben, 8 Mal u. a. Boris Becker, Veronica Ferres, Til Schweiger) und Musikauftritte (17 Mal Peter Maffay, 15 Mal Udo Jürgens). Doch was besagt das schon über Wert und Wirkung dieser Sendung? Das, was da nachkommt, wird wohl schwerlich besser sein, oder?

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Vorherige Beiträge zur Reihe:

“Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), “Wünsch Dir was” (17), Ernst Huberty (18), Werner Höfers “Frühschoppen” (19), Peter Frankenfeld (20), “Columbo” (21), “Ein Herz und eine Seele” (22), Dieter Kürten in “Das aktuelle Sportstudio” (23), “Der große Bellheim” (24), “Am laufenden Band” mit Rudi Carrell (25), “Dalli Dalli” mit Hans Rosenthal (26), “Auf der Flucht” (27), “Der goldene Schuß” mit Lou van Burg (28), Ohnsorg-Theater (29), HB-Männchen (30), “Lassie” (31), „Ein Platz für Tiere“ mit Bernhard Grzimek (32)

“Man braucht zum Neuen, das überall an einem zerrt, viele alte Gegengewichte.” (Elias Canetti)




TV-Nostalgie (28): „Der goldene Schuß“ mit Lou van Burg – „Kimme, Korn – ‚ran!“

Hier geht’s um einen Mann, der im Fernsehen der frühen Jahre gleichsam barocke Figur machte. Wohlgenährt, sinnenfroh und schwungvoll unterhielt der Charmeur Lou van Burg, gern auch familiär „Onkel Lou“ oder „Mister Wunnebar“ genannt, die Nation zwischen „Wirtschaftwunder“ und ersten Krisen.

Wollte stets gute Laune verbreiten: Lou van Burg (Screenshot aus: http://www.retro-tv.de/folge-80:3)

Wollte stets gute Laune verbreiten: Lou van Burg (Screenshot aus: http://www.retro-tv.de/folge-80:3)

Die mit Abstand erfolgreichste Show des Holländers war von 1964 bis 1967 „Der goldene Schuß“ im ZDF. Was sich heute wohl kein Fernsehmacher außerhalb der Kulturkanäle trauen würde: Vorbild für die Spielidee war der dramatische Apfelschuss aus Schillers „Wilhelm Tell“. Während viele andere deutsche TV-Erfolge ausländische Vorbilder hatten, war „Der goldene Schuß“ ein deutscher Exportschlager.

Fast schon „interaktiv“

Die Regeln der Show waren allerdings teilweise so umständlich, dass Lou van Burg manchmal selbst ins Schlingern geriet. Im Kern ging es um Geschicklichkeitsspiele, etliche Gesangseinlagen (zu denen auch der Showmaster beitrug) und – vor allem – ums möglichst zielsichere Schießen mit der Armbrust.

Für damalige Verhältnisse ziemlich modern: Ausgewählte TV-Zuschauer konnten von daheim Kommandos geben („rechts, links, höher…“), die ein Kameramann so ausführte, dass Millionen am Fernsehgerät die Lage von Kimme, Korn und Zielscheibe genau verfolgen konnten. Ja, es war eine Vorform des „interaktiven“ Fernsehens.

Quote bis zu 72 Prozent

Beim entscheidenden „Goldenen Schuss“, der in diversen Zusammenhängen Eingang in die Alltagssprache gefunden hat, sollte ein Säckchen mit Gold (Wert: immerhin rund 8000 Mark) abgeschossen werden, das am dünnen Faden hing. Da durfte man auch als Kind schon zuschauen – und hat glühend mitgefiebert.

Der Quotenrenner erzielte bis zu 72 Prozent Sehbeteiligung und zog im Gesangs- und Promi-Teil viele Berühmtheiten an. Sogar weltweite Größen wie Grace Kelly und Frank Sinatra traten bei Lou van Burg auf.

Pikantes Liebesleben

Das alles half nichts, als besonders die Boulevardpresse ein paar pikante Details aus „Onkel Lous“ Liebesleben verbreitete. Der Mann war noch verheiratet, lebte aber längst mit einer Freundin, der Sängerin und Schauspielerin Angèle Durand, zusammen. Diese wiederum verriet den Journalisten, Lou van Burg habe eine Affäre mit seiner jungen Assistentin. Die war ihrerseits anderweitig verheiratet, erwartete aber von „Onkel Lou“ bereits ein Kind. Das alles war zu viel für die damaligen Moralvorstellungen. Das ZDF trennte sich im Juli 1967 für neun Jahre von dem populären Entertainer.

Vico Torriani übernahm die Sendung und durfte somit am 25. August 1967 die allererste große Show des am selben Tag eingeschalteten deutschen Farbfernsehens leiten. Mit dem vergleichsweise blassen Torriani lief „Der goldene Schuß“ bis 1970. In den ZDF-Archiven lagern nur noch vier komplette Folgen, alles andere ist verschollen.

Rituale und Redewendungen

Lou van Burg, der joviale Mann von Welt mit dem neckischen Menjoubärtchen, präsentierte später noch die eine oder andere Musiksendung, doch den ganz großen Coup konnte er nicht mehr landen.

Dafür hat uns „Onkel Lou“ (1917-1986) ein paar unvergessliche Rituale und Redewendungen hinterlassen – vom „Schützenfest der Heiterkeit“ über den Wechselgesang mit seinem frohsinnigen Publikum („Hallo Freunde! – „Hallo Lou!“), den Spruch zum Laden der Armbrust („Bitte, Peter, den Bolzen“), das Kommando zum Schuss („Kimme, Korn – ran!“) bis hin zu den freudigen Ausrufen „Wunnebar!“ und „Der Kandidat hat 100 Punkte!“

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Vorherige Beiträge zur Reihe:

“Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), “Wünsch Dir was” (17), Ernst Huberty (18), Werner Höfers “Frühschoppen” (19), Peter Frankenfeld (20), “Columbo” (21), “Ein Herz und eine Seele” (22), Dieter Kürten in “Das aktuelle Sportstudio” (23), “Der große Bellheim” (24), “Am laufenden Band” mit Rudi Carrell (25), “Dalli Dalli” mit Hans Rosenthal (26), „Auf der Flucht“ (27)

„Man braucht zum Neuen, das überall an einem zerrt, viele alte Gegengewichte.” (Elias Canetti)




TV-Nostalgie (26): Immer hübsch harmlos bleiben – Als Hans Rosenthal „Dalli Dalli“ rief

Alles Gute, alles Liebe – Ihr Hans Rosenthal“. Wer sich nach der Show so von seinem Publikum veabschiedet und dazu noch einen tiefen Diener macht, der will einfach nur nett sein und nirgendwo anecken. Rosenthal war mit „Dalli Dalli“ beim harmonieträchtigen ZDF genau richtig.

Die Spielshow lief von 1971 bis 1986 allmonatlich und brachte es auf 153 Folgen. Wahrhaftig ein „Dauerbrenner“.

Nichts für junge Leute

Ganz ehrlich: Als wir damals jung waren, haben wir die Sendung noch nicht mal ignoriert. Solche Unterhaltung war uns völlig egal, so überaus bieder, brav und saubermännisch kam sie daher. Unausgesprochenes Motto: Allen wohl und keinem weh.

Der nette Herr Rosenthal vor der Waben-Deko im Stil der 70er Jahre (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=y8sKHHGRXqw)

Der nette Herr Rosenthal vor der Waben-Deko im Stil der 70er Jahre (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=y8sKHHGRXqw)

Heute urteilt man milder und sieht in den alten Sendungen lauter Zeichen der Zeit – von den durchweg harmlosen Fragethemen (z. B. Briefmarkensammeln) über die Haarmode bis zu den Umgangsformen. Die wabenförmige Bühnendekoration verströmte ebenfalls den Geist der 70er Jahre. Und Rosenthals Geplauder mit den Gästen („Ja, wenn Männer mal die Hausfrauenarbeit machen…“) klang oft ziemlich konservativ.

Neckische Spielchen

Ich habe mir jetzt die Ausgabe vom 21. November 1974 noch einmal in voller 90-Minuten-Länge angesehen. Früher hat man allenfalls mal kurz den Kopf ins Wohnzimmer gesteckt, wenn Eltern oder Großeltern „Dalli Dalli“ guckten…

Acht mehr oder weniger Prominente traten jeweils paarweise gegeneinander an. In der genannten Ausgabe waren u. a. Heidelinde Weis, James Krüss, Irene Koss und Reinhard Mey dabei. Die neckischen Frage- und Aktionsspielchen (z. B. „Woran denken Sie beim Wort ‚Umzug’?“) mussten in 15-Sekunden- oder höchstens Minutenschnelle absolviert werden.

Mal hektisch, mal geduldig

Bei „Dalli Dalli“ lief also immer die Uhr mit. Gar mancher hat sich unter diesem Zeitdruck verhaspelt. Doch Rosenthal hat sich – anders als andere Showmacher – nie über Mitspieler mokiert. Bei ihm konnte sich jeder gut aus der Affäre ziehen. Blamagen ließ er nicht zu. Eigentlich ein feiner Zug.

Ging’s bei den Spielen oft hektisch her, so nahm man sich hingegen enorm viel Zeit für Gesangseinlagen, Kleinkunst oder schauspielerische Darbietungen. Da wurden (damit alle Kandidaten gleiche Chancen hatten) auch schon mal langwierige Operetten-Auszüge gleich zweimal hintereinander abgespult, und zwar live. Derlei Geduld wird heute keinem TV-Konsumenten mehr abverlangt. Damals saß das (weit überwiegend ältere) Publikum adrett gekleidet in einem Theatersaal und war rundum dankbar für die Ablenkung vom Alltag; ähnlich wie Millionen Zuschauer „draußen im Lande“.

Berühmter Luftsprung

Hans Rosenthal war sichtlich bemüht, alles locker und entspannt wirken zu lassen, doch man konnte merken, wie penibel der Ablauf vorbereitet war. Da der Showmaster wohl einsah, beileibe kein Komiker zu sein, delegierte er die Scherze an das Jurymitglied Ekkehard Fritsch, der den Witzbold vom Dienst zu geben hatte. Ansonsten galt die Devise: bloß keine Politik, bloß keine Schleichwerbung. Und immer hübsch harmlos bleiben.

Seinen später so berühmten Luftsprung („Das war Spitze!“) vollführte Hans Rosenthal übrigens erst in den Sendungen ab September 1976. Ab 1981 wurde dieser Sprung dann kurz optisch „eingefroren“ – seinerzeit eine technische Meisterleistung.

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Vorherige Beiträge zur Reihe:
“Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), “Wünsch Dir was” (17), Ernst Huberty (18), Werner Höfers “Frühschoppen” (19), Peter Frankenfeld (20), “Columbo” (21), “Ein Herz und eine Seele” (22), Dieter Kürten in “Das aktuelle Sportstudio” (23), “Der große Bellheim” (24), „Am laufenden Band“ mit Rudi Carrell (25)

“Man braucht zum Neuen, das überall an einem zerrt, viele alte Gegengewichte.” (Elias Canetti)




Immer munter und vergnügt: Vom Leben älterer Menschen rund um den Erdball

Stets selbst mit im Bild: ZDF-Reporterin Anja Roth - hier mit dem sardischen Schäfer Tonino Tola (84). (Bild: ZDF/Frederic Ulferts)

Stets selbst mit im Bild: ZDF-Reporterin Anja Roth – hier mit dem sardischen Schäfer Tonino Tola (84). (Bild: ZDF/Frederic Ulferts)

Im ZDF haben sie mal wieder alle Probleme dieser Welt einfach weggelächelt.

„Wie geht die Welt mit ihren Alten um?“ lautete das Thema – und wurde weitgehend verfehlt. Es war gedankenarmes Wohlfühl-Fernsehen nach Art eines Boulevard-Magazins, mit dem uns die Reporterin Anja Roth vom Leben älterer Menschen rund um den Erdball berichtet hat. Immer lachend, immer munter und vergnügt. Wirklich gravierende Probleme oder gar bedrückende Armut kamen ja auch in dieser neuen Ausgabe von „außendienst XXL“ kaum vor. Im Gegenteil: Die meisten der gezeigten Leute konnten sich das bessere Leben schlichtweg finanziell leisten.

Fit und schön in Brasilien

Immer selbst mit im Bild: Reporterin Roth, die anscheinend weltweit keinen Dolmetscher brauchte. Sie war dabei, als sich „Senioren“ in Brasilien bis ins hohe Alter sportlich erstaunlich fit hielten und in Schönheitssalons strömten. Auch erfuhr sie, dass das Land den Weltrekord im Viagra-Verbrauch hält. Betagte Männer heiraten in zweiter Ehe oft junge Frauen. In diesem Zusammenhang fiel ein herzlich dummer Satz: „Bei so viel jüngerer Konkurrenz heißt es für die älteren Frauen: Gas geben.“ Ach, du meine Güte…

Prost auf die Hundertjährigen

Fröhlich ging’s weiter nach Japan, wo sich eine ältere Dame als Erntehelferin betätigte. Die schwere Arbeit wurde ihr von einem neuartigen Roboter (Stückpreis umgerechnet rund 7000 Euro) erleichtert, der ungeahnte Körperkräfte verlieh. Anja Roth fand’s verrückt und crazy – wie beinahe alles, was sie auf dem Globus so erlebte.

Auch auf der Insel Sardinien, wo es in bestimmten Gegenden viele über hundertjährige Menschen gibt, war sie rundum froh. Ein alter Schäfer schwor auf lebensverlängernden Käse und Rotwein. Prost!

Kostspielige Reise

Aber es war noch ein bisschen Gebührengeld übrig. Also durfte Anja Roth mit ihrem Team auch noch in die USA (sündhaft teure High-Tech-Häuser für alte Menschen), nach Israel (Cannabis-Behandlung gegen Schmerzen) und Ghana (fröhliche Beerdigungen) reisen. Mehrfach wurde immerhin klar, wie wichtig fürs gute Leben im Alter eine Einbindung in die – möglichst aus mehreren Generationen bestehende – Familie ist. Man hat so etwas allerdings schon mal gehört.

Zum postkartengerechten Sonnenuntergang verriet Anja Roth schließlich ihr Fazit: Der Mensch brauche auch im Alter eine Aufgabe oder eine Leidenschaft. Und man müsse immer offen bleiben für neue Ideen. Ach was! Für diese Weisheiten hat man die lachlustige junge Frau kostspielig um die ganze Welt geschickt?




TV-Nostalgie (24): „Der große Bellheim“ – Die älteren Herren wollen es noch einmal wissen

Vier ältere Herren wollen es noch einmal wissen – und wie! Wohl selten ist der Segen langjähriger Berufserfahrung so schlüssig vor Augen geführt worden wie im legendären Vierteiler „Der große Bellheim“.

Drei vom Quartett (v. li.): Mario Adorf, Will Quadflieg, Hans Korte - es fehlt nur Heinz Schubert. (Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=qP0JA3vx_gs)

Drei vom Quartett (v. li.): Mario Adorf, Will Quadflieg, Hans Korte – es fehlt nur Heinz Schubert. (Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=qP0JA3vx_gs)

Regisseur Dieter Wedel konnte bei den Dreharbeiten (1991/92) auf eine ungemein erlesene Darstellerriege vertrauen – allen voran das Quartett Mario Adorf (in der Titelrolle des Peter Bellheim), Heinz Schubert, Will Quadflieg und Hans Korte. Sie raufen sich nach und nach zusammen, um das altehrwürdige Kaufhaus Bellheim zu sanieren, das in Schieflage geraten ist und überdies von fiesen Finanzjongleuren (Heinz Hoenig, Leslie Malton) skrupellos attackiert wird.

Langweiliger Ruhestand

Eigentlich hatte sich Peter Bellheim schon mit 57 Jahren nach Spanien zurückgezogen, um den sonnigen Ruhestand zu genießen. Kurz vor seinem 60. Geburtstag erfährt er, dass die Hannoversche Kaufhauskette in Schwierigkeiten steckt. Die Hiobsbotschaft kommt ihm sozusagen gerade recht. „Der große Bellheim“ wollte ohnehin nicht mehr dauernd herumsitzen, nicht mehr jeden Tag bis zum Überdruss ausspannen. Oder wie ein Freund es formuliert: Irgendwann ist die Briefmarkensammlung halt fertig sortiert.

Ausgefuchste Wirtschaftsprofis

Auch die drei anderen, allesamt ebenso ausgefuchste Wirtschaftsprofis, wollen sich – allen Zipperlein zum Trotz – endlich mal wieder beweisen. Anfangs zieren sie sich noch ein wenig, doch Peter Bellheim muss keine allzu großen Überredungskünste aufwenden, um sie mit ins Boot zu holen. Gewiss, sie sind noch ein paar Jährchen älter als Bellheim und nicht mehr ganz so fit wie ehedem, doch Klugheit und Erfahrung machen das bei weitem wett. Da zeigen sie es allen jungen Schnöseln. Die klopfen derweil ziemlich dumme Sprüche: „Die Eskimos machen es richtig, die setzen ihre Alten einfach aus…“

Wedels Vierteiler (Erstsendung im Januar 1993 im ZDF, Gesamtlänge satte 455 Minuten) ist eine großartig gespielte Komödie über die besondere Leistungsfähigkeit von „Senioren“, wobei dieses immer etwas gönnerhaft klingende Wort hier so gar nicht passend erscheint. Es sind einfach gestandene Burschen, die es immer noch „drauf haben“. Punkt.

Das Thema bleibt aktuell

Die über 20 Jahre alte Reihe ist zeitgeschichtlich interessant, weil sie die Anfänge der Banken- und Börsenzockerei in Deutschland aufgreift und mit Blicken hinter die Kaufhaus-Kulissen auch den ziemlich freudlosen Stechkarten-Alltag der einfachen Angestellten einbezieht.

Außerdem mutet die Handlung aus heutiger Sicht sehr aktuell an. Die gegenwärtig wieder neu aufgeflammte Debatte, ob unsere Gesellschaft es sich leisten kann, fähige Menschen zu früh in den Ruhestand zu entlassen, wird hier in höchst unterhaltsamer Form angestoßen. Kurz und gut: Das ist ein Stoff, aus dem Fernsehklassiker gemacht sind.

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Vorherige Beiträge zur Reihe: “Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), “Wünsch Dir was” (17), Ernst Huberty (18), Werner Höfers “Frühschoppen” (19), Peter Frankenfeld (20), “Columbo” (21), “Ein Herz und eine Seele” (22), Dieter Kürten in „Das aktuelle Sportstudio“ (23)

“Man braucht zum Neuen, das überall an einem zerrt, viele alte Gegengewichte.” (Elias Canetti)




TV-Nostalgie (23): Dieter Kürten und die große Zeit beim „Aktuellen Sportstudio“

Mit den Jahren beschleicht einen bei manchen Dingen das Gefühl, dass sie früher einfach besser gewesen sind. So auch beim „Aktuellen Sportstudio“ im ZDF. Das wurde – im Gegensatz zu heute – in der guten alten Zeit noch live gesendet. Und gern erinnert man sich an sympathische Moderatoren wie Harry Valérien und Dieter Kürten.

Wir konzentrieren uns mal auf Dieter Kürten (geboren 1935 in Duisburg), der 1963 über eine Düsseldorfer Boulevardzeitung zum ZDF kam. Von 22. Oktober 1967 bis zum 30. September 2000 (!) hat er „Das aktuelle Sportstudio“ 375 Mal moderiert – ein phänomenaler Rekord.

Locker und seriös zugleich

Spaßeshalber (und es hat wirklich Freude gemacht) habe ich mir noch einmal eine Sendung von 1985 angeschaut, außerdem einige weitere Ausschnitte, in denen stets die Qualität des Dieter Kürten deutlich wird. Er verfügt über enorme Fachkenntnis, mit der er aber nicht prunkt und protzt. Vom Erscheinungsbild her verbindet er eine gewisse Lockerheit und Seriosität auf geradezu ideale Weise.

Dieter Kürten am 9. März 1985 im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF. (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=8VLZyGx8Wac)

Dieter Kürten am 9. März 1985 im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF. (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=8VLZyGx8Wac)

Der Mann, der sein journalistisches Nachrichtenhandwerk spürbar von Grund auf gelernt hatte, besticht besonders durch unaufgeregte und souveräne Gesprächsführung. Man merkt, dass Dieter Kürten sich auf die jeweiligen Interviewpartner einstellt und sich in sie einfühlt, ohne dass er deswegen an Sachlichkeit einbüßen würde. Ein wunderbares Fundstück ist – nicht nur in dieser Hinsicht – Kürtens 1971 geführtes Gespräch mit dem gerade 19jährigen, eben erst zu Bayern München gekommenen Uli Hoeneß. Man schaue und genieße…

Nicht zu vergessen: Dieter Kürten war dem Metier auch sprachlich gewachsen. Nachträgliche Sprachkritik, so heißt es glaubhaft, habe zu seiner Zeit in den Redaktionskonferenzen eine wichtige Rolle gespielt.

Es waren entspanntere Jahre

Und überhaupt: Noch bis in die Mitte der 80er Jahre fällt „Das aktuelle Sportstudio“ angenehm durch geduldiges Herangehen und entspannte Sichtweisen auf. Kürten und Kolleg(inn)en können es sich noch erlauben, zahlreiche, oft recht ausführliche Beiträge über sogenannten „Randsport“ zu bringen, also über Sportarten, die nicht unbedingt Millionen mobilisieren.

Von der heute oft so anbiedernden Fußball-Lastigkeit, ja erst recht von haltloser Fußball-Vergötterung war man damals jedenfalls noch ein ganzes Stück entfernt. Man darf vermuten, dass sich dies mit dem Aufkommen der privaten Fernsehkonkurrenz allmählich geändert hat. Seither spielen Zuschauerquoten eine immer größere Rolle und man muss „dem Affen Zucker geben“.

Dieter Kürten hat 2003 seine Erinnerungen unter dem Titel „Drei unten, drei oben“ herausgebracht. Dreimal darf man raten, worauf sich der Titel bezieht. Ja, sicher. Natürlich aufs Torwandschießen, diese herzlich simple und doch so herrlich langlebige „Sportstudio“-Erfindung.

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Vorherige Beiträge zur Reihe: “Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), “Wünsch Dir was” (17), Ernst Huberty (18), Werner Höfers “Frühschoppen” (19), Peter Frankenfeld (20), “Columbo” (21), „Ein Herz und eine Seele“ (22)

“Man braucht zum Neuen, das überall an einem zerrt, viele alte Gegengewichte.” (Elias Canetti)




Christian Wulff als Talk-Gast: Einblicke ins Räderwerk zwischen Politik und Presse

Im Februar 2012 ist Christian Wulff von seinem Amt als Bundespräsident zurückgetreten. Jetzt begab er sich erstmals wieder in eine TV-Talkshow: Maybrit Illner (ZDF) hatte also eine kleine Sensation zu bieten, für die sie auch ihre Sommerpause verschob und die Sendezeit überzog.

Man bekam immerhin ein paar kleine Einblicke ins ratternde Räderwerk zwischen Politik, Presse und Justiz.

Feldzug gegen Kampagne

Wulff, inzwischen gerichtlich von allen Vorwürfen der Vorteilsnahme und Korruption freigesprochen, zieht seit einigen Wochen mit einem Buch („Ganz oben, ganz unten“) gegen die Pressekampagne zu Felde, die ihn damals in den Rücktritt getrieben habe. Es scheint so, als sei auf allen Seiten Selbstgerechtigkeit im Spiele.

Lag’s daran, dass er als Präsident gesagt hat „Der Islam gehört zu Deutschland“? War das eine Provokation? Jedenfalls schien er alsbald für weite Teile der Medien „zum Abschuss freigegeben“ und es war, als wollten manche Journalisten einmal zeigen, dass sie auch ein Statsoberhaupt aus dem Amt schreiben können. Ihre Recherchen reichten zuweilen bis tief in die Privatsphäre und unter die Gürtellinie. Jeder minimale Vorwurf war willkommen – und auch die Staatsanwaltschaft bekleckerte sich im Ermittlungsverfahren nicht gerade mit Ruhm.

Fehler auf allen Seiten

Presse und Justiz müssen sich also einige selbstkritische Fragen stellen. Doch auch Christian Wulff hat etliche Fehler gemacht. Er war, wie sich bei Maybrit Illner abermals zeigte, zu naiv und zu wenig souverän. Er offenbarte, als es auf offensive Ehrlichkeit angekommen wäre, die Wahrheit nur verdruckst in Salamitaktik und sagt noch jetzt, er sei ja seinerzeit nach bestimmten Dingen gar nicht gefragt worden…

Wie überempfindlich der Mann geworden ist, wurde auch im Umgang mit der Talkmasterin Illner klar, der er vorhielt, sie werfe alles durcheinander. Freilich stichelte Frau Illner hin und wieder auch ein wenig. Und die Rolle des Fernsehens kam bei aller Presseschelte so gut wie gar nicht zur Sprache. Warum eigentlich nicht?

Naiv und wenig souverän

Recht behutsam, differenziert und sachlich gingen hingegen die weiteren Talkgäste, Ex-Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) und Heribert Prantl (Chefredaktion Süddeutsche Zeitung), mit dem Fall Wulff um. Sie machten deutlich, dass in dieser Sache die eine oder andere Grenze überschritten worden ist.

Doch so mancher andere, der damals mit den Wölfen geheult hat, ruft heute auch nach Bedachtsamkeit. Also ist mitunter Heuchelei nicht fern.

Geradezu tragisch oder auch tragikomisch ist das Verhältnis Christian Wulffs zur „Bild“-Zeitung und deren Chefredakteur Kai Diekmann. Wulff hat offenbar geglaubt, mit dem Boulevard-Blatt einen Pakt auf gegenseitige Freundlichkeit schließen zu können. Welch ein Irrtum! Spät, doch entschieden und mit dubiosen Mitteln wendete sich die Zeitung mit den großen Buchstaben gegen Wulff. Da auch Spiegel und FAZ ihm nicht wohlgesonnen waren, hatte er den Kampf um die öffentliche Meinung schon früh verloren.

Da fragt man sich schon, ob Gewaltenteilung und Kräftebalance in unserem Gemeinwesen wirklich funktionieren.

P.S.: Seinen irritierenden Ausspruch, er wäre heute noch der Richtige fürs Bundespräsidentenamt, hat Christian Wulff in der Talkshow zurückgezogen: „Das hätte ich nicht sagen sollen.“




TV-Nostalgie (20): Peter Frankenfeld – ein Showmaster, der alle Tricks kannte

Um mal die alte Redensart zu verwenden: Kein deutscher Showmaster war mit mehr Wassern gewaschen als Peter Frankenfeld (1913-1979). Wenn man das Wort Vollprofi bebildern wollte, so könnte man bedenkenlos sein Foto nehmen.

Vor dem Krieg hatte er in Berliner Varietés das Unterhaltungshandwerk gelernt. Zeitweise war er beim Zirkus und zeigte Zauberkunststücke. Sogar in der Reklame war er tätig – als gewiefter Texter und Illustrator. Er kannte alle Tricks und wusste, wie man das Publikum fing.

Größter Erfolg „Vergißmeinnicht“

Der aus Berlin-Kreuzberg stammende Peter Frankenfeld wurde – neben Kulenkampff – zum erfolgreichsten TV-Entertainer der 60er Jahre. Legendär wurde vor allem seine ZDF-Spielshow „Vergißmeinnicht“ (1964-1970), mit der die Postleitzahlen populär gemacht werden sollten. Diese Sendung – u. a. mit dem Geldbriefträger Walter Spahrbier – gab auch dem 1963 begründeten Mainzer Sender einen kräftigen Anschub und erzielte Quoten bis zu 78 Prozent.

Festliche Eleganz: Peter Frankenfeld in "Musik ist Trumpf" (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=g2bsg9ecodQ)

Festliche Eleganz: Peter Frankenfeld in „Musik ist Trumpf“ (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=g2bsg9ecodQ)

Der Perfektionist Peter Frankenfeld beherrschte die ganze Klaviatur – vom kleinen Sketch über den „Bunten Abend“, die Conférence und den Talentschuppen bis hin zur ganz großen Show. Und er bediente manche Geschmäcker zwischen Schenkelklopfer und Hintersinn. Der Humor der breiten Mehrheit war ihm ebenso geläufig wie vertracktere Spielarten, die er vor allem im Hörfunk erprobte („Peters Bastelstunde“).

In Live-Sendungen viel riskiert

Kein anderer Showmaster hat bei Live-Sendungen so viel riskiert wie Peter Frankenfeld. In den großen Hallen der Republik suchte er seine Kandidaten für Geschicklichkeitsspiele am liebsten ganz spontan aus – zeitweise mit Hilfe eines eines schwirrenden Propellers, der durch den Saal sauste. Da musste der Showmaster geschmeidig bleiben und oft genug improvisieren. Weit weniger riskant waren (Ehe)-Sketche, die Frankenfeld gemeinsam mit seiner Frau spielte, der einstigen Schlagersängerin Lonny Kellner.

Peter Frankenfeld mit seiner Frau Lonny Kellner (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=g2bsg9ecodQ)

Peter Frankenfeld mit seiner Frau Lonny Kellner (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=g2bsg9ecodQ)

Manche Kritiker haben ihm vorgeworfen, er bringe Kandidaten zuweilen in peinliche Situationen und liefere sie schadenfrohem Gelächter aus. Tatsächlich durften Menschen, die bei ihm auftraten, keine Mimosen sein und mussten schon mal über sich selbst lachen können. Mal großzügig gedacht: Könnte man gewisse Züge Frankenfelds nicht gar als Vorvorläuferschaft zu Gestalten wie Stefan Raab oder auch Harald Schmidt deuten?

Meister der Dialekte

Egal. Jede Dekade bevorzugt andere Typen. In den 70er Jahren entsprach Frankenfeld dem Zeitgeist nicht mehr so recht, einige Programmchefs wollten ihn nicht mehr einsetzen. Dennoch hatte er noch einen großen Erfolg: Es war die Wunschkonzert-Gala „Musik ist Trumpf“, die er bis 1978 präsentierte – mit großer Showtreppe und zahlreichen Stargästen der „leichten Muse“. Nach Frankenfelds Tod übernahm Harald Juhnke die Sendung bis 1981.

Immer wieder hat Peter Frankenfeld im Laufe seiner Karriere die verblüffende Fähigkeit bewiesen, die deutschen Dialekte kreuz und quer über die Landkarte perfekt nachzuahmen. So mancher Sketch und Gag bekam erst dadurch richtigen Pfiff.

Die berühmte grob karierte Jacke trug Frankenfeld im Fernsehen übrigens nur ein paar Jahre lang (bis 1961), dennoch wurde sie für immer zu seinem Markenzeichen. So macht sich die Öffentlichkeit ein (verzerrtes) Bild von den Prominenten.

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Vorherige Beiträge zur Reihe: “Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), “Wünsch Dir was” (17), Ernst Huberty (18), Werner Höfers „Frühschoppen“ (19)




„SS-Siggi“ genießt den Medienrummel

Mit dem rechtsradikalen Angriff auf die Wahlparty im Rathaus hat Dortmund abermals traurige Bekanntheit erlangt. Die alarmierenden Vorgänge am 25. Mai haben natürlich breiten Widerstand ausgelöst.

Es ist allerdings eine Gratwanderung. Eine ungewollte Folge ist, dass der Gruppierung „Die Rechte“, die – ebenso wie die NPD – ein einziges Mandat im Dortmunder Rat hat, inzwischen eine bundesweite und internationale Beachtung über alle Maßen hinaus zuteil wird. Ich weiß: Anderer sind da anderer Meinung und würden am liebsten jeden Tag die Notsirenen aufheulen lassen. Bloßes Ignorieren geht ja nun auch wirklich nicht.

Der längst nicht mehr nur stadtbekannte Rechtsradikale Siegfried Borchardt (Spitzname „SS-Siggi“) und seine Hilfstruppen können jedenfalls in gewisser Weise zufrieden sein. Zitat aus den heutigen Ruhrnachrichten: „Das große Medieninteresse an ihm war Borchardt sichtlich ein Vergnügen. Bereitwillig kam er Interview-Wünschen nach.“

Gemeint war die gespenstische Szenerie rund um die gestrige Ratssitzung, die unter massivem Polizeischutz stattfand. Auch hatte die Stadt zusätzlich private Sicherheitsdienste mobilisiert. Beileibe nicht nur das Team der „heute“-Nachrichten (ZDF) war zur Stelle, um das Thema abends höchst prominent und bildwirksam zu platzieren. Auch eine Journalistin der „New York Times“ hatte sich zuvor eingefunden, um die USA über Dortmunder Umtriebe aufzuklären.

Die WAZ lässt es – aus welchen Beweggründen auch immer – auf ihrer Seite 3 heute stellenweise geradezu „menscheln“. Borchardt, der nun für „Die Rechte“ im Rat sitzt, kommt mit einer Einschätzung über die Anzahl seiner Wählerstimmen zu Wort und freut sich über die neue Publicity: „So viele Flugblätter kann ja keiner verteilen.“ Und weiter: „Ob er seinen Spitznamen mag, wird er gefragt. ‚Ich wäre lieber SA-Siggi.’“ So erfährt man brühwarm aus der Presse, was man niemals wissen wollte.




TV-Nostalgie (17): „Wünsch Dir was“ – als Dietmar Schönherr für Skandale sorgte

Kandidat in unbequemer Haltung: Dietmar Schönherr befragt den Sohn einer Familie, Vivi Bach schaut zu. (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=efKe5q0mEQU)

Kandidat in unbequemer Haltung: Dietmar Schönherr befragt den Sohn einer Familie, Vivi Bach schaut zu. (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=efKe5q0mEQU)

Das waren noch Zeiten, in denen eine Show wie „Wünsch Dir was“ als „antiautoritär“ galt. Die Familienspiele mit Dietmar Schönherr und seiner Frau Vivi Bach liefen von Ende 1969 bis Ende 1972 im ZDF und produzierten damals mehrere Skandale.

Wenn man sich das heute noch einmal ansieht, staunt man über Fernsehen wie aus einer anderen Welt. Damals war es innovativ und gab sich „querdenkerisch“, heute wirkt es seltsam altbacken. Jeweils drei Familien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz traten gegeneinander an. Wie adrett und bieder das Publikum und die Kandidaten seinerzeit noch wirkten! Und worüber man sich damals noch empören konnte!

Empörung über eine rote Nelke

Beispiel: Am 27. März 1971 (Live-Übertragung aus der Wiener Stadthalle) wagte es Dietmar Schönherr, damals mit maßvoller „Pilzkopf“-Frisur, eine rote Nelke im Knopfloch zu tragen. Etliche Zuschauer riefen an und beschwerten sich über diesen „politischen Affront“. Sichtlich verärgert, legte Schönherr mit ein paar bissigen Bemerkungen die Blume weg. Er hatte nun einmal den Ruf, „links“ zu sein und war einigen Anfeindungen ausgesetzt.

Riskantes Wettspiel im Wasserbassin

In derselben Sendung gab es allerdings einen handfesten Aufreger, der in die bundesdeutsche Fernsehgeschichte eingegangen ist. Zwei je vierköpfige Familien wurden nacheinander in ein Auto verfrachtet und so in ein drei Meter tiefes Wasserbassin versenkt. Einer Frau gelang es nicht, aus eigener Kraft ihre Tür zu öffnen. Sie musste von einem der Rettungstaucher befreit werden. Das war nun wirklich ein riskantes Wettspiel. Es passte sozusagen in eine Zeit, in der nicht einmal Sicherheitsgurte üblich waren.

Wettspiel mit versenktem Auto... (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=efKe5q0mEQU)

Wettspiel mit versenktem Auto… (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=efKe5q0mEQU)

In einer vorherigen Ausgabe der Show hatte sich im November 1970 eine 17jährige Kandidatin in durchsichtiger Bluse blicken lassen. Auch darüber erregten sich Millionen. Viele Jahre später hat Schönherr tatsächlich bekannt, dass er mit seiner Show die „heile Welt“ der Familie unterlaufen wollte. Ob er zu diesem Zweck immer die richtigen Mittel gewählt hat? In manchen Momenten (Spiel mit Riesenschlangen etc.) war „Wünsch Dir was“ fast ein früher Vorläufer der Ekelshows.

Abstimmung mit dem Lichtschalter

In der Show vom März 1971, die ich mir noch einmal ganz angeschaut habe, fällt aus heutiger Sicht auf, wie umständlich und manchmal sogar etwas ungelenk die neckischen Wettspiele (Ideen kamen u. a. von André Heller) umgesetzt wurden. Schönherr war nicht immer nur charmant, sondern würgte Kandidaten auch schon mal mitten im Satz ab.

Trotzdem überzog Dietmar Schönherr mit diesem „Straßenfeger“ (Quote bis zu 66%) meistens die Sendezeit. Für die eher niedlichen Momente war ja auch vor allem Vivi Bach zuständig, die sich ihm als Assistentin deutlich unterordnete. Geradezu putzig übrigens die Abstimmungstechnik: Zuschauer in einer bestimmten Stadt sollten daheim die Lichter an- oder ausschalten, ein Mann vom E-Werk verkündete dann am zugeschalteten Telefon, um wie viele Megawatt der Verbrauch sich verändert hatte.

Eine ganz zentrale Rolle in der Sendung, die unter Federführung des österreichischen Fernsehens (ORF) entstand, spielte das Wort „autoritär“. Immer wieder wollte Schönherr wissen, ob etwas autoritär sei oder nicht – ganz offensichtlich eine Nachwirkung des rebellischen Jahres 1968. Lang, lang ist’s her.

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Vorherige Beiträge zur Reihe: “Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10), Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16)




„Die Anstalt“: Harte Arbeit an der ZDF-Satire

Es sieht ganz so aus, als wollten sie nicht mehr in erster Linie komisch sein, sondern vor allem (ge)wichtig und relevant. Sie attackieren frontal die Deutsche Bank, sie zeigen gar deutliche Sympathien für Positionen der Linkspartei, als wollten sie die leitenden Herrschaften beim ZDF mal so richtig ärgern. Doch sie spielen auch schon die Illusion mit, die sich darin verbirgt.

Sie, das sind Max Uthoff und Claus von Wagner, die jetzt von Urban Priol und Frank-Markus Barwasser (Pelzig) die Satiresendung des ZDF übernommen haben. Die heißt nicht mehr „Neues aus der Anstalt“, sondern schlichtweg „Die Anstalt“ und hatte heute ihre Premiere.

Neue Chefs in der "Anstalt": Max Uthoff (li.) und Claus von Wagner (© ZDF/Jürgen Nobel)

Neue Chefs in der „Anstalt“: Max Uthoff (li.) und Claus von Wagner (© ZDF/Jürgen Nobel)

Was der Sendung leider fehlt, ist eine wirklich prominente und zugkräftige Leitfigur. Ersichtlich fahrig und hektisch strampelt man sich ab, um den mangelnden Bekanntheitsgrad wettzumachen. Man kokettiert mit der eigenen, mutmaßlich durchschlagenden Wirkungslosigkeit, erklärt die Sendung aber vollmundig für „besetzt“ und träumt nicht nur insgeheim davon, dass das ZDF einem „den Saft abdreht“. Doch dazu besteht vorerst denn doch wenig Anlass.

Gewiss. Man arbeitet sich nicht mehr so sehr parodierend an einzelnen Figuren des Politikbetriebs ab, wie es Urban Priol kräftezehrend vollführt hat. Doch so mancher personalisierende Kalauer (Gauck als „moralische Knautschzone“ usw.) rutscht auch jetzt noch durch. Sei’s drum.

Gewiss. Eine Wut über so manche Verhältnisse (Fernsehprogramm-Elend, Schwulen-Diskriminierung, irrwitzige Banken-Macht, unbarmherziger Umgang mit Flüchtlingen) ist spürbar. Doch das wirkt zum Auftakt noch etwas wahllos gestreut, ja mitunter geradezu diffus – und gelegentlich auch flau und undifferenziert.

Gewiss. Da gibt es den einen oder anderen erhellenden, aufklärerischen Moment. Doch vieles kommt noch herzlich unkomisch und somit flügellahm daher. Der depressive Gestus von Nico Semsrott und der dampfende Zorn von Matthias Egersdörfer setzen immerhin gegenläufige Akzente mit etwas Kontur. Simone Solga steht freilich ein wenig hilflos dazwischen.

Aus der Sendung kann jedoch noch etwas werden, wenn man nach und nach die richtigen Mitstreiter an Land zieht und einen wirklich eigenen Stil entwickelt. Wahrlich keine leichte Aufgabe, diese Kärrnerarbeit an der ZDF-Satire…




TV-Nostalgie (6): Erik Ode als „Der Kommissar“ – Mal gütiger, mal strenger Vater

Du meine Güte, wie lang ist das her! Am 3. Januar 1969 ging im ZDF „Der Kommissar“ auf Sendung, die legendäre Krimireihe von Herbert Reinecker und Helmut Ringelmann. Erik Ode bestritt als Kommissar Keller auf seine altväterliche Art 97 Folgen.

Kaum zu fassen, in welch unvordenkliche Zeiten „gemütlicher“ Möblierung und vor allem des bundesdeutschen Patriarchats uns gleich die allererste Episode (Titel: „Toter Herr im Regen“) führt.

„Du bist dumm, aber lieb!“

Zum Anbeginn der Serie sehen wir Erik Ode beim wohlverdienten Gläschen Rotwein, daheim seine Briefmarkensammlung ordnend. Natürlich kommt dann ein Anruf vom Tatort. Keller muss bei strömendem Regen noch einmal ’raus. Die fürsorgliche Gattin (Rosemarie Fendel) zieht ihm eigenhändig Stiefel und Galoschen an, was er nur widerwillig über sich ergehen lässt: „Du bist dumm, aber lieb!“ Das sagt er ihr geradewegs ins Gesicht.

Kommissar Keller (Erik Ode, Mitte), Inspektor Heines (Reinhard Glemnitz, links), Inspektor Grabert (Günther Schramm (rechts). (© ZDF/3Sat - Screenshot von: http://www.youtube.com/watch?v=_8_JB6R_WeM)

Kommissar Keller (Erik Ode, Mitte), Inspektor Heines (Reinhard Glemnitz, links), Inspektor Grabert (Günther Schramm (rechts). (© ZDF/3Sat – Screenshot von: http://www.youtube.com/watch?v=_8_JB6R_WeM)

Hernach wird Keller seine Sekretärin Rehbein(chen) (Helma Seitz) mit ähnlich halbgaren Sprüchen durchs Büro scheuchen. Ist der Kaffee denn immer noch nicht fertig? Kurz darauf wird über eine Zeugin Auskunft begehrt: „Frau oder Fräulein?“ Damit das Lebenswichtige schon mal geklärt ist.

Besserer Herr bei käuflicher Dame

Einen Fall gibt’s auch noch. Der wohlhabende und zynische Dr. Steiner, der all seine Mitmenschen gequält und verhöhnt hat, ist nahe beim Rummelplatz erschossen worden. Man kann sich beinahe schon denken, dass dieser Herr aus den „besseren Kreisen“ da draußen im „Nachtjackenviertel“ (wie man damals zu sagen pflegte) bei einer käuflichen Dame (wie man damals zu sagen pflegte) namens Annchen Kopeke (!) gewesen ist, deren Mutter auch in München mileugerecht zu berlinern hatte. Ist Prostitution also etwas Preußisches?

Steiners Stiefsohn Wolfgang schwelgt geradezu in seinem Hass auf den Altvorderen. Auch alle anderen Verdächtigen benehmen sich nun überaus verdächtig. Entgleisende Gesichtszüge, wohin man auch blickt. Dämliche Verplapperer, wohin man auch lauscht. Keller muss eigentlich immer nur abwechselnd gütig, streng, ahnungsvoll oder allwissend schauen, um ihnen nach und nach alle Geheimnisse zu entlocken.

Andererseits tauchen in der Serie häufig erstrangige Darsteller auf, auch sorgen Regisseure wie Wolfgang Staudte und ambitionierte Kameraleute für bleibende Momente. Sonst wäre „Der Kommissar“ gewiss nicht zur Fernseh-Legende geworden.

Fels in der Brandung der 70er Jahre

Viele Jahre später haben ziemlich kluge Leute festgestellt, Erik Odes eigentliche Funktion sei es gewesen, die rasanten Veränderungen der späten 60er und frühen 70er Jahre emotional aufzufangen und beruhigend abzufedern, so gut es eben ging. Wie oft musste er dabei die Jugend ermahnen oder trösten, die auf schiefe Bahnen zu geraten drohte! Selbst seine Mitarbeiter (Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper) waren ja eine unreife Rasselbande, die lauter Anfängerfehler beging. Kein Wunder, dass das Personal allzeit hohen Bedarf an Zigaretten und Cognac hatte.

Der erste Mord der Reihe wurde übrigens mit einer Offizierswaffe aus dem Zweiten Weltkrieg begangen. Jenen finsteren Zeiten, so war immer mal wieder zu spüren, war man seinerzeit noch nicht allzu lange entronnen. Keller stellte in der Auftaktfolge fest, er sei nun 30 Jahre im Dienst. Man rechne einmal zurück…




Mercedes gegen BMW: Duell des Zufalls

Das hört sich so simpel an wie eine Kinderfrage: Welches Auto ist besser – BMW oder Mercedes? Allen Ernstes wollte das ZDF diese Frage beantworten. Allen Ernstes? Naja, doch nicht so ganz.

Wahrlich ein Luxusproblem. Dass zwei solch starke Edelmarken aus Deutschland kommen, ist ja nun wirklich ein Pfund. Und dann gibt’s auch noch Audi, Porsche und ein paar andere. Man muss es sich diese Laufkultur nur leisten können…

Sinnarme Hektik

In knapp 45 Minuten sollte „BMW gegen Mercedes – Das Duell“ entschieden sein. Da ging es um Fahrverhalten, Wirtschaftlichkeit, Service-Qualität, „Kultfaktor“, Sicherheit, Werthaltigkeit beim Wiederverkauf und faire Arbeitsbedingungen bei der Herstellung. Bei so wenig Zeit und so vielen Kriterien war sinnarme Hektik angesagt.

Mercedes kontra BMW (@ ZDF/Uwe Kielhorn)

Mercedes kontra BMW (@ ZDF/Uwe Kielhorn)

Mal davon abgesehen, dass nur bestimmte Modelle miteinander verglichen wurden (Ober- und Mittelklasse, Geländewagen), wurde vielfach dem puren Zufall Tür und Tor geöffnet. Beispiel: Gerade mal zwei Werkstätten der beiden Marken sollten die Service-Qualität der Konzerne belegen. Zwei andere Autohäuser hätten vielleicht schon völlig andere Ergebnisse gebracht. Immerhin war’s wirklich peinlich, dass in beiden Fällen von sieben (durch Manipulation bewusst erzeugten) Fehlern nur je zwei gefunden wurden. O jemine! Und das bei diesen ziemlich teuren Fahrzeugen und den gesalzenen Reparaturpreisen…

Peinlichkeit beim Pannendienst

Drastischer und womöglich noch aussagekräftiger fiel der Vergleich der zentralen Pannendienste aus: BMW war nach 20 Minuten zur Stelle und sorgte gratis für Abhilfe, der angebliche „24-Stunden-Dienst“ von Mercedes war freitags um 16:30 Uhr gar nicht mehr erreichbar. Schönes Wochenende, kann man da nur sagen.

Unangenehm für BMW fiel allerdings der kurze Geländewagen-Test aus: Der X 5 kam ziemlich lädiert aus der Marterstrecke heraus, während das ML-Modell von Mercedes unbeschadet seine Bahnen zog.

Ansonsten wurden einige Vorurteile tendenziell bestätigt: BMW ist in aller Regel etwas agiler und innovativer, Mercedes dafür gediegener. Dass Mercedes am Ende mit hauchdünnem Vorsprung „siegte“, lag am minimalen Unterschied beim Blitzertest: 3,3 Prozent der BMW-Fahrer fuhren zu schnell, hingegen lediglich 2,4 Prozent der Mercedes-Fahrer. Auch hier gilt: Gestern oder morgen wär’s vielleicht anders ausgegangen.

Kinder sollten entscheiden

Geradezu auf alberne Weise wurde der Punkt „Kultfaktor“ zugunsten von Mercedes entschieden. Bis dahin gab’s ein Patt, deshalb durften 7 Kinder aus der Kita entscheiden, welche von den acht Bobby-Cars (je vier im Design der beiden Marken) sie bevorzugen. Ein BMW-Spielzeugauto blieb unbeachtet stehen, also ging diese Wertung an Daimler-Benz. Da hätte man gleich würfeln oder Münzen werfen können.

Die flotte, leidlich unterhaltsame, streckenweise aber auch etwas flapsige Sendung wird uns also die eigene Entscheidung nicht abnehmen können. Vielleicht mögen wir ja auch ganz andere Marken. Ja, es soll sogar Menschen geben, die sich vollends vom Auto abwenden.

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Der Beitrag ist in ähnlicher Form zuerst bei www.seniorbook.de erschienen




Veronica Ferres als Seelsorgerin: Barmherzige Bibelsprüche und viel Psycho-Jargon parat

Weiß der Himmel, woran das liegt: Jedenfalls ist Veronica Ferres eine Schauspielerin, an der sich die Geschmäcker scheiden. Gern gebe ich zu, dass ich nicht zu ihren Anhängern zähle und daher auch ihren neuesten Fernsehfilm „Lena Fauch – Gefährliches Schweigen“ (ZDF) mit gehöriger Skepsis eingeschaltet habe.

Lena Fauch (Veronica Ferres, li.) spendet Muriel (Xenia Assenza) Trost. (© ZDF/Bernd Schuller)

Lena Fauch (Veronica Ferres, li.) spendet Muriel (Xenia Assenza) Trost. (© ZDF/Bernd Schuller)

Nun muss man aber zugestehen, dass die Geschichte alles in allem ordentlich erzählt wurde. Kameraarbeit und Musikeinsatz konnten sich sehen bzw. hören lassen, wenn auch die Stilmittel der Zeitlupe, der leeren weißen Flächen und der tröpfelnden Klavierklänge eine Spur zu oft verwendet wurden. Aber egal. Seien wir nachsichtig.

Wüste Kreuz- und Querbezüge

Polizeiseelsorgerin Lena Fauch (Ferres) siedelt aus dörflicher Idylle nach München um und lernt dort gleich so manche Härten des Berufsalltags kennen. Vor allem der höchst aggressive Polizist Gregor Hoffmann (Normann Hacker) macht ihr zu schaffen. Er ist zutiefst verfeindet mit dem selbstgerechten Kollegen und bibelfest-bigotten Christenmenschen Christian Fenn (Alexander Held).

Obwohl Fenns Tochter Muriel in den anschließenden Kriminalfall um Drogenhandel, Sex und Erpressung verwickelt wird, ermittelt der Vater in der Sache weiter. Überhaupt sind die Kreuz- und Querbezüge der Handlung zuweilen etwas wüst und wildwüchsig. Sehr bald weiß man auch, wo das Böse sitzt, nämlich im Zweifelsfalle bei den Männern. Dennoch entbehrt der insgesamt passable Film (Regie: Johannes Fabrick) nicht einer gewissen Spannung – in einzelnen Szenenfolgen.

Hinderliche Schweigepflicht

Die ach so einfühlsame „Frau Pastorin“ Lena Fauch weiß alsbald mehr über die Tathergänge als die Kommissare, weil zumal die Frauen sich ihr anvertrauen. Sie reitet geradezu darauf herum, dass sie allerdings der seelsorgerischen Schweigepflicht unterliege und also nicht direkt zur Klärung beitragen könne. Freilich lenkt sie das Geschehen doch noch bestimmt, aber sanftmütig im Sinne der höheren Gerechtigkeit.

Zum Ausgleich fürs Schweigegebot hat Lena Fauch alias Veronica Ferres nicht nur stets den besseren, weil barmherzigeren Bibelspruch parat (notfalls tun es auch Gandhi-Zitate), sondern darf auch allerlei gestanzte Merksätze aus dem Psycho-Jargon vom Stapel lassen: „Im Herzen, ist es da wahr?“ – „Was hat Sie so zynisch gemacht?“ – „Hören Sie auf zu hassen!“ – „Liebe, die Bedingungen stellt, ist keine.“ Und so weiter, und so fort.

Mit dem Fahrrad unterwegs

Sie müsste aber im Grunde nicht einmal den Mund auftun, sondern nur verständnisvoll und betroffen dreinschauen. Dass sie ein guter, naturnaher und nachhaltiger Mensch ist, kann man schon ahnen, wenn sie in der Polizeikantine ein vegetarisches Gericht wählt und hernach immerzu mit dem Fahrrad unterwegs ist.

Die Titelfigur ist also ein wenig arg konstruiert und redet manchmal daher, dass das Drehbuchpapier vernehmlich raschelt. Damit hat es Frau Ferres in dem beachtlichen Ensemble nicht gerade leicht. Ich sage beileibe nicht, dass sie die schwächste Darstellerin war, jedoch wurde sie hie und da übertroffen und war bei weitem nicht so überragend, wie einige Vorab-Kritiken sie haben sehen wollen.

Dass die Kirche als Zuflucht immer mal wieder vorkommt, gehört ebenfalls zum Rollenprofil und gleichsam zur Geschäftsgrundlage. Man wüsste ja gerne, ob das Filmteam kirchliche Beratung oder Unterstützung in Anspruch genommen hat. Nur mal so.




„Zeitreise-Show“: Kerner ist wieder beim ZDF

Früher war der Mann aus dem ZDF-Programm gar nicht wegzudenken: Da hat Johannes B. Kerner bei den Mainzern alles wegmoderiert, was angefallen ist. Sport, Talk, Shows. Egal. 2009 kam der Karriereknick. Bei SAT.1 häufte Kerner einige Misserfolge an. Jetzt ist er – nach fast vier Jahren Pause – wieder beim ZDF.

Von der „Heimkehr des verlorenen Sohnes“ war schon vorab die Rede. Aber gemach. So biblisch muss man das wirklich nicht formulieren. Sagen wir’s einigermaßen nüchtern: Sein neuer Job ist „Die große Zeitreise-Show“ – und dabei handelt es sich um ein Geschichtsquiz, das überwiegend mit Raten, manchmal auch mit schlauem Schlussfolgern, aber nicht so sehr mit Wissen und der Kenntnis von Zusammenhängen zu tun hat.

Haltlos johlendes Saalpublikum

Das schon anfangs haltlos johlende Saalpublikum gab die Vorschusslorbeeren nach Anweisung. Muss das sein? Am Schluss durfte Kerner eine Viertelstunde überziehen. Eine Prestigefrage.

Johannes B. Kerner in seiner neuen ZDF-Show (© ZDF/Max Kohr)

Johannes B. Kerner in seiner neuen ZDF-Show (© ZDF/Max Kohr)

Und wie war’s wirklich?

Eine echte Familie (diesmal die Nimbachs aus Braunschweig, übrigens allesamt BVB-Fans) tritt gegen Promis an, zum Start waren das Barbara Wussow, Barbara Meier, Christian Neureuther und Hannes Jaenicke. Es geht um 50 000 Euro. Vier mögliche Antworten stehen jeweils zur Wahl, es gibt zwischendurch „Action“-Spiele und in der Finalrunde kann man Joker setzen.

Flackerndes Brimborium

Die Regeln sind im Prinzip so simpel, dass es keiner Jury bedarf. Da aber jeweils nur ein Mitglied eines Teams an der Reihe ist, können die anderen ihren Mitstreitern Zeichen geben und damit „vorsagen“. Wo ist die gute alte Kabine geblieben, in der Quizkandidaten zwischendurch verschwinden können?

Dass Kerner vorher nicht weiß, in welche Jahre und Epochen seine „Zeitreise“ führen wird, kann er – wie man so sagt – seiner Großmutter erzählen. Die vorbereiteten, teils etwas albernen Einspielfilmchen heben jedenfalls genau auf die Jahre ab, die der Quizmaster mit seinem „Zeitreise-Hebel“ erreicht hat. Auch das „futuristische“ Studio-Design und das ganze technisch flackernde Brimborium drumherum sind ein wenig lächerlich. Aber bitte. Irgendwie muss man die Sache ja verpacken.

Immer noch der Schwiegersohn

Ansonsten gibt Kerner das Gute-Laune-Bärchen. Auch mit 48 Jahren ist er noch der jungenhafte Schwiegersohn-Typ, immer etwas harmlos wirkend. Bringt er einen Gag, so merkt man gleich, dass es eingeübt und forciert ist. Nicht immer sind seine Scherze geschmackssicher. Als es um die Einführung der Notrufnummern 110 und 112 ging, witzelte er, bei Reiner Calmund und Minister Peter Altmaier käme beim Notruf das Pizza-Taxi…

Trotzdem war’s stellenweise unterhaltsam. Man hangelte sich durch allerlei Fragen zu den 1970er Jahren, dem antiken Rom, dem 19. Jahrhundert und dem Jahr 1989. Manche richtige Antwort war verblüffend. Hätten Sie gewusst, dass Cäsar und Kleopatra einen Sohn gezeugt haben? Hie und da konnte man sogar eine Kleinigkeit hinzulernen.

Schließlich entschied die Stichfrage zur DDR-Einwohnerzahl von 1989. Die Familie räumte 50000 Euro ab. Rührend war’s, wie der 84jährige Großvater zuvor mit seiner Enkelin vor lauter Spannung Händchen gehalten hat.

Und jetzt? Jetzt gucken alle auf die Zuschauerquoten, die Kerner erzielt hat. Da kann er noch so nett und freundlich sein: Das ist es, was heute in erster Linie zählt.

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Deutschland – Österreich: Die alte Hassliebe – diesmal völlig unaufgeregt

Lange nicht mehr einen solch leidenschaftslosen Fußballabend erlebt wie diesen. Das Resultat beim alten Hassliebe-Duell Deutschland gegen Österreich war mit 3:0 klar wie Kloßbrühe.

Das Münchner Stadionpublikum blieb denn auch vergleichsweise still. Und der ZDF-Kommentator Oliver Schmidt fiel allenfalls durch Zurückhaltung auf. Der Mann versucht gar nicht erst zu glänzen oder aufzutrumpfen. Ob er es im Fall des Falles könnte, lassen wir mal dahingestellt.

Ein Duo zwischen Krampf und Komik

Das Geplänkel vor dem Spiel tue ich mir in der Regel nicht an. Da wird doch meistens enorm viel heiße Luft in den Äther geblasen. Diesmal mussten Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein und Experte Oliver Kahn (unterstützt von optisch aufgemotzten Einspielfilmchen) rund eine halbe Stunde bis zum ersehnten Anpfiff überbrücken.

ZDF-Fußballexperte Oliver Kahn (Foto: ZDF/Sascha Baumann)

ZDF-Fußballexperte Oliver Kahn (Foto: ZDF/Sascha Baumann)

Dieses Duo wirkt immer ein wenig verkrampft. Während sie die Tendenz hat, leichthin über alles hinwegzutraben, windet und kämpft er sich mühsam zu Meinungen durch, die meist darin gipfeln, dass Oliver Kahn „mehr Aggressivität“ von den Spielern einfordert. Im Zusammenspiel sind die beiden hin und wieder unfreiwillig komisch.

Gerne einer Meinung mit „Jogi“

Ansonsten bestätigt Kahn immer gern die Meinung des Bundestrainers Löw oder rudert sogar eilends zurück, falls er mal nicht mit „Jogi“ übereingestimmt hat. Dass der Ex-Bayer Kahn vor allem im Dortmunder Mats Hummels (der heute auf der Ersatzbank blieb) einen Sündenbock für Defensiv-Defizite ausgemacht hat – geschenkt! Löw hatte Hummels ja nicht aufgestellt, also konnte Kahn quasi nach Herzenslust über den BVB-Spieler herziehen.

Eine Bemerkung zwecks größerer Transparenz: Ja, das sage ich als Dortmunder, aber nicht von ungefähr. Kahns Bayern-Lastigkeit ist ebenso nachvollziehbar wie überprüfbar. An seinem ARD-Pendant Mehmet Scholl (ebenfalls ein Bayer) könnte er sich in jeder Hinsicht ein Beispiel nehmen.

Irgendwann begann das Spiel dann endlich. Es war nicht übel, aber eben auch nicht allzu spannend. Insofern konnte man auch vom Kommentator keine emotionalen Ausbrüche erwarten. Allerdings hätte er in einem Match, in dem die Ellenbogen derart häufig und gesundheitsgefährdend eingesetzt wurden, diese arg rustikale Spielweise thematisieren müssen.

Die altbewährte Namens-Sirene

Stellenweise war man allerdings schon froh, dass das ZDF diesmal nicht den sonst allzeit präsenten Béla Réthy einsetzte, so dass einem dessen oft unsinnige Prosa erspart blieb. Immerhin pflegt Oliver Schmidt eine Marotte, nämlich das unnötig eingeschobene „Ja“. Beispielsatz: „Deutschland und Österreich, zwei Länder, die sich – ja – sehr nahe sind.“ Größere Chancen quittiert er mit der altbewährten Namens-Sirene: „Öziiiiiil…“ Und wenn er auf Bayerisch „dahoam“ (daheim) sagen will, hört sich das an wie verunglücktes Englisch.

Nach dem Spiel lobte Oliver Kahn – na, was wohl – die „Aggression“ der deutschen Mannschaft, aber auch die „Kreativität“. Katrin Müller-Hohenstein rief abermals aus, Miroslav Kloses 68. Länderspieltor sei etwas „für die Geschichtsbücher“. Kann jemand der Frau bitte mal erklären, was wirklich geschichtsträchtig ist?

Zum Ritual eines Länderspielabends gehört es seit jeher, das Statement des Bundestrainers abzuwarten. Doch auch das blieb diesmal ziemlich blass und farblos. Alles in allem: eine Partie, nach der man vollkommen ruhig schlafen kann. Und das ist doch auch etwas!

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Angela Merkel im ZDF-Porträt: Fast perfekte Machtstrategie – mit einem Schwachpunkt

„Wenn man sie unterschätzt, hat man verloren“, sagt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) über Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Wahrheit dieses Satzes haben schon manche erfahren müssen, vor allem etliche Parteifreunde aus der CDU.

Und so lautete denn auch eine Prognose im Merkel-Porträt des ZDF, dass die CDU am Boden liegen dürfte, wenn diese Kanzlerin irgendwann aus ihrem Amt scheidet. Die geradezu beängstigenden personellen Verluste in den eigenen Reihen, die Merkels Weg nun einmal pflastern, sind offenkundig eine Schwäche ihres ansonsten perfekten Machtsystems. Apropos: Dass Hessens Ex-Ministerpräsident Roland Koch sich nur zu nichtssagenden Aussagen durchringen mochte, ist doppelt schade. Er hätte uns verraten können, wie sich eine Niederlage gegen Merkel anfühlt. Aber er wird schon wissen, warum er sich so zurückhält.

Das Kanzleramt als Trutzburg

Man kann sich derzeit kaum vorstellen, dass jemand im Duell um die Kanzlerschaft gegen Merkel eine nennenswerte Chance hat. Der Kanzleramtsbau wirkte in der Darstellung von „Macht Mensch Merkel“ wie eine Trutzburg, an der alles abprallt oder abgleitet. Aus jeder Krise scheint die Amtsinhaberin unbeschadet oder gar gestärkt hervorzugehen.

Angela Merkel Ende Mai 2013 bei einem Staatsbesuch. (© ZDF/Regina Schmeken)

Angela Merkel Ende Mai 2013 bei einem Staatsbesuch. (© ZDF/Regina Schmeken)

Ganz gleich, ob holprige Energiewende, Griechenland- und Euro-Desaster oder ausufernde Bespitzelung durch US-Geheimdienste, Frau Merkel scheint noch stets einen Ausweg zu finden; notfalls, indem sie einfach ihre Worte hütet. Das mehrt ihren Nimbus. Ihr Machtinstinkt ist phänomenal, mit ihrer „Strategie des Kümmerns“ (so eine Leitformel des Films von Bettina Schausten und Mathis Feldhoff) umschifft sie anscheinend alle Klippen. Dass sie vielen Südeuropäern verhasst ist, spielt für unsere Wahlen keine Rolle.

Selbst Gysi wird nicht giftig

Man hatte insgesamt den Eindruck, dass dieser Beitrag der Kanzlerin weniger ans Leder wollte (und konnte), als vor Wochenfrist das Steinbrück-Porträt am gleichen Programmplatz. Übrigens: Während Steinbrücks Frau Gertrud recht ausgiebig zu Wort kam, glänzte Merkels Ehemann Joachim Sauer im ZDF-Film durch totale Abwesenheit. Und noch eine Abschweifung: Sowohl Merkel als auch Steinbrück sind in Hamburg geboren. Da kann man fast vom Hanseaten-Duell sprechen. Fast.

Alles in allem herrschte der oft etwas langweilige, allseits ausgewogene und abgezirkelte Proporz. Beide Sendungen waren selbstverständlich gleich lang und ungefähr nach dem gleichen Muster gestrickt. Maßvoll kritische Stimmen wurden jeweils nach dem Goldwaagen-Prinzip eingestreut. Selbst Linksaußen Gregor Gysi sprach nicht etwa giftig, sondern eher augenzwinkernd über Angela Merkel. War’s etwa ein heimlicher Solidarpakt Ost?

Überhaupt wurde hier der weithin bekannte Stand der Dinge recht solide zusammengefasst, doch erfuhr man beileibe nichts Neues. Es sei denn, man betrachte die Einschätzung eines Physikers, die einstige Fachkollegin Merkel zeichne sich durch kleine Schritte, pragmatisches Vorgehen und Geduld aus, als entscheidenden Durchbruch in der Merkologie.

„Alles gemanagt, nichts gestaltet“

CDU-Mann Jörg Schönbohm brachte Merkels Regentschaft immerhin auf einen plausibel klingenden Begriff. Es werde offenbar „alles gemanagt, aber nichts mehr gestaltet“. Merkels letzte verbliebene Rivalin, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), ist unterdessen klug genug, sich einstweilen vollkommen loyal zu geben. Wer weiß, vielleicht erleben wir es eines Tages, dass sie gegen Hannelore Kraft (SPD) antritt und es somit zur reinen Kanzlerinnen-Wahl kommt.

So bleibt als schmale „Erkenntnis“ vor allem haften, dass Angela Merkel sich mit den Jahren verändert habe. Mittlerweile beherrsche sie, anders als früher, auch den Bierzelt-Wahlkampf zur Blasmusik. Andererseits sei sie mit den Jahren auch härter geworden, hieß es. Mit anderen Worten: Nichts Genaues weiß man nicht. Und genau darin liegt wohl eine ihrer größten Stärken. Die Undurchsichtigkeit kommt ihr zupass.




„Terra X“ zur Ernährung der Deutschen: Zahlensalat bis weit über die Sättigungsgrenze

Was für eine flackernde Welt: Da springen einen überall Zahlenkolonnen an, da gleicht fast jede menschliche Geste der Wischbewegung auf dem i-Pad-Bildschirm oder dem Fingerspreizen auf dem Handy neuerer Bauart. „Terra X“ (ZDF) bombardiert die Zuschauer bis zum Abwinken mit statistischem Material. Und das Fernsehen tut mal wieder so, als wäre es ein Computer.

Da die dreiteilige Terra X-Reihe „Deutschland – Wie wir leben“ jetzt mit unserer Ernährung endete, darf man durchaus auch von akuter Übersättigung sprechen. Mehr Zahlensalat kann man wirklich nicht in 45 Minuten Sendezeit packen, als es hier geschehen ist. Und zahlenhöriger kann man Statistiken nicht herbeten.

Auswahl zwischen 1500 Wurstsorten

Zunächst begleitete man die deutsche Durchschnittsfamilie (ein gewisser „Thomas Müller“ mit Frau Sabine und Sohn Jan) durch den recht traditionellen Einkaufs- und Ernährungsalltag, in dem die beruflich nur halbtags tätige Frau noch das Sagen hatte, während der Mann fürs Haupteinkommen sorgte und sich nebenher um Technik und Auto kümmerte. Das hatten wir doch schon mal?

Kaum ein Bild ohne eingeblendete Zahlen oder statistische Kurven... (© ZDF/Holm Holmsohn)

Kaum ein Bild ohne eingeblendete Zahlen oder statistische Kurven… (© ZDF/Holm Holmsohn)

Ansonsten wurde quasi jedes Gramm Fleisch, Kartoffeln oder Tomate atemlos aufgerechnet. Wir haben 1500 Wurstsorten, 9 Prozent von uns sind Vegetarier, ein bäuerlicher Betrieb ernährt 140 Menschen. Und und und. Die Ziffern prasselten im Halbsekundentakt, doch rein gar nichts wurde vertieft.

Bilanz mit der Brechstange

Statt gelegentlich mal bei einem Themenstrang zu bleiben, wurden unentwegt neue Fässer aufgemacht. Schließlich ging’s längst nicht mehr nur um Ernährung, sondern auch um Energie- und Wasserverbrauch, Ökologie und Glücksempfinden der Deutschen. Mit der Brechstange wurde Bilanz gezogen, dass es nur so knirschte. Die nahezu euphorisch berauschten Schlussminuten glichen dann beinahe einem Weichzeichner-Werbefilmchen der großen Parteien zur Wahl. Wir Deutschen sind demnach schon ziemlich große Klasse, wenn nicht gar Weltklasse.

Gern hätte man zuvor bei der einen oder anderen Information innegehalten. Denn es gab ja stellenweise durchaus Interessantes zu berichten. Auch sah man – neben den hilflosen Resultaten unsinnigen Bebilderungs-Wahns – etliche atemberaubende Aufnahmen (vor allem die Luftbilder, die freilich vielfach aus Freddie Röckenhaus‘ ZDF-Film „Deutschland von oben“ stammten) oder sinnfällige Verdichtungen.

Bloß nicht unter die Oberfläche dringen!

Eindrucksvoll war’s beispielsweise, alle Tiere auf einer Weide versammelt zu sehen, die der Durschnittsdeutsche im Laufe seines Lebens verzehrt: 945 Hühner, 46 Schweine, 4 Kühe, 12 Gänse… Auch der Einfall, dass fast die gesamte Einrichtung in Thomas Müllers Wohnung zu Öl zerfloss (weil es bei der Herstellung aller Plastik-Produkte literweise verwendet wurde), konnte sich buchstäblich sehen lassen.

Doch kaum drohte es mal wirklich interessant zu werden, da hechelte man schon wieder weiter. Die Devise schien zu lauten: Bloß nicht unter die Oberfläche dringen, bloß keine heißeren Eisen anpacken! Auf diese Weise ließ man so manchen Themenansatz sträflich links liegen.

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„Du musst auch eine Drecksau sein“: Notizen vom ZDF-Talk zum Spiel Dortmund vs. Bayern

Allmählich drehen die Medien durch. Seit Wochen überschlägt sich die Berichterstattung vor dem Finale der Champions League. Borussia Dortmund gegen Bayern München im Londoner Wembley-Stadion ist das Spiel der Spiele. Jetzt ging es auch in Maybrit Illners ZDF-Talk um dieses Match, das am Samstag (20:45 Uhr) ins Haus steht.

Ich halte es mit dem guten alten Spruch des BVB-Altvorderen Adi Preißler: „Entscheidend is auf’m Platz.“ Alles Gerede vorher und nachher ist herzlich zweitrangig. So auch bei dieser Talkshow, deren Gästeliste nicht gerade Endspiel-Niveau erreichte. Vor allem fragte man sich, was um Himmels Willen Andrea Kiewel („ZDF-Fernsehgarten“) in dieser Runde zu suchen hatte. Sie war schon beim Sendereigen zum 50jährigen ZDF-Jubiläum – ebenfalls von Maybrit Illner moderiert – höchst präsent. Man kennt sich, man mag sich, man lädt sich ein…

Musste auch als Fußball-Talkerin herhalten: Andrea Kiewel vom ZDF-Fernsehgarten. (Foto: ZDF/Carmen Sauerbrei)

Musste auch als Fußball-Talkerin herhalten: Andrea Kiewel vom ZDF-Fernsehgarten. (Foto: ZDF/Carmen Sauerbrei)

Bloß keinen Aspekt auslassen

Maybrit Illner mühte sich, dem Thema alles, aber auch alles abzupressen. Bloß keinen Aspekt auslassen. Da ging es vor allem um den Mythos „Malocher gegen Millionäre“ und alle anderen Animositäten zwischen Bayern und dem BVB, die weidlich ausgekostet wurden. Bei Licht betrachtet, blieb jedoch von diesem angeblichen „Kulturkampf“ (Illner) substanziell nicht allzu viel übrig.

Man hatte versucht, die Runde möglichst gleichgewichtig zu besetzen. Ex-BVB-Kicker Frank Mill, der derzeit vereinslose Trainer Christoph Daum und Andrea Kiewel halten es eher mit der Borussia, der Journalist Claus Strunz und Moderator Markus Kavka hingegen mit den Bayern. Kleine Spitzen flogen hin und her, doch man tat einander nicht weh. Hörfunk-Fußballreporterin Sabine Töpperwien (WDR) gab sich öffentlich-rechtlich neutral, legte aber stets Wert auf die Formulierung „Ich habe übertragen“; ganz so, als sei sie für ihren Sender immer allein tätig. Nun gut. Ich gestehe freimütig, dass ich ihre Bundesliga-Berichte in ihrem ganzen knödelnden und gepressten Tonfall unsäglich finde.

Deutsche Gipfelgefühle

Apropos unerträglich. Man hält ja all diese Gipfelgefühle kaum noch aus: Deutschland ist doppelt an der Spitze des europäischen Fußballs angekommen, zudem gab ausgerechnet die britische BBC gestern bekannt, dass „wir“ weltweit das beliebteste Land seien. In dieser Talk-Sendung kam man freilich mental wieder etwas herunter, denn es wurde alles, aber auch wirklich alles durchgehechelt, was nur irgend aufs Finale in London bezogen werden konnte – bis hin zu den Chancen bei der nächsten Weltmeisterschaft oder den Scheichs und Oligarchen, die sich vor allem britischer Vereine bemächtigt haben. Wo aber wird solide gewirtschaftet? Richtig. Bei uns. Wo sonst?

Stammtischverdächtig

Wie bitte? Ja, selbstverständlich. Natürlich wurden auch Uli Hoeneß‘ Steueraffäre, der Götze-Transfer und Christoph Daums Kokain-Skandal von anno 2000 nochmals bekakelt. Und der wohltuend zurückhaltende Frank Mill musste zum wohl tausendsten Mal den Filmausschnitt von seinem legendären Pfostenschuss aus einem Meter Entfernung über sich ergehen lassen. Heilig’s Blechle!

An manch einem bayerischen oder westfälischen Stammtisch dürfte ähnlich (un)kundig debattiert werden. Stammtischverdächtig, aber irgendwie herrlich knorrig und kernig war auch der Satz des Abends, der von Christoph Daum eingeworfen wurde: „Du darfst nicht nur schön spielen, du musst auch eine Drecksau sein.“ In diesem Sinne freuen wir uns jetzt aufs Endspiel. Oder auch ganz anders. So mehr von innen heraus.




Zweiteilige Gala „50 Jahre ZDF“: Keine Atempause, der Jubel wird gemacht

„50 Jahre ZDF“ – das muss natürlich groß gefeiert werden. Mal so richtig in Erinnerungen schwelgen und sich dabei köstlich amüsieren, das versprach ganz vollmundig Maybrit Illner, die die zweiteilige Gala-Show zum Mainzer Jubiläum moderiert. Dafür wurden auch altgewohnte Phänomene wie Big Band (Pepe Lienhard) und das Fernsehballett wiederbelebt.

Oft hat man das ZDF in den letzten Jahren als „Seniorensender“ verunglimpft. Geradezu lächerlich, dass man nur bis 49 zur „werberelevanten Zielgruppe“ zählt. Schwamm drüber. Freuen wir uns lieber heute noch, dass die Pläne des damaligen Kanzlers Konrad Adenauer, zu Beginn der 60er Jahre neben der ARD einen Staats- und Unternehmer-Sender zu etablieren, vor Gericht so gründlich fehlgeschlagen sind. So wurde das ZDF, das am 1. April 1963 auf Sendung ging, bisweilen zur echten Alternative. Mal mehr, mal weniger.

Maybrit Illner war zu jedem Scherz bereit

War Maybrit Illner eigentlich die Richtige, um eine solche Gala zu präsentieren? Gewiss, Peinlichkeiten weiß sie stets geschmeidig zu umgehen. Doch ihre dauerhafte Verzückung wirkte ein wenig antrainiert. Unentwegt sprach sie von „Großem Kino“, auch rutschte ihr mal die Formulierung „Großes Aua“ heraus, als es um Schmerzen ging. Sie war offenbar bereit, jeden Kindergartenscherz mitzumachen. Doch dann unterliefen der klugen Frau auch Wörter aus dem Seminar („Meta-Ebene“), die dazu nicht so recht passen mochten.

Maybrit Illner mit den Mainzelmännchen (Foto: ©ZDF/Thomas Kierok)

Maybrit Illner mit den Mainzelmännchen (Foto: ©ZDF/Thomas Kierok)

Natürlich marschierte jede Menge TV-Prominenz auf – nicht nur in nostalgischen Archivfilmchen, sondern auch auf der Gästecouch, genauer: auf den Sofalandschaften, in denen selbstverständlich die ZDF-Designerfarbe Orange dominierte. Damit der Westen nicht unter sich blieb, durfte vor allem Wolfgang Stumph („Stubbe“) die – sanft geglättete – ostdeutsche Sicht der Dinge repräsentieren.

Einstieg mit viel Musik

Mit legendären Musikformaten zwischen „Hitparade“ und „Disco“ (Dieter Thomas Heck, Ilja Richter, Howard Carpendale & Co.) ging’s los, es folgten Forschung und Information (vertreten u. a. von Klaus Kleber, Wolf von Lojewski). Doch auch bei den ernsteren Themen blieb kaum Zeit zum Innehalten. Die geballte Stoff-Fülle aus 50 Jahren ist einfach zu groß, um sie leichthändig zu bewältigen. Besonders die Wissenschaftssendungen wurden geradezu als Klamauk verkauft.

Der erste Teil der Feier endete mit breitwandig inszeniertem Lob und Preis auf die populären Reihen „Schwarzwaldklinik“ und „Traumschiff“, da lauerten ein paar Abgründe. Apropos: Zuschauer haben über die zehn beliebtesten ZDF-Sendungen aller Zeiten abgestimmt. Die Plätze eins bis fünf werden erst in Teil zwei (Samstag, 30. März, 20.15 Uhr) verraten. „Wetten, dass…“ Thomas Gottschalk trotz aller Fährnisse mit vorne dabei sein wird?

Wer hat denn nun die besten Krimis?

Zum Thema Krimis nannten die Gäste als bleibende Erinnerungen überwiegend ARD-Produktionen, nachdem Maybrit Illner das ZDF als Krimisender Nummer eins beschworen hatte. Eine kleine Panne, wenn man so will. Passiert schon mal. Doch immerhin kann das ZDF auf diesem Felde den Kommissar (Erik Ode), „Derrick“ (Horst Tappert), „Der Alte“ (Siegfried Lowitz und Nachfolger), „Ein Fall für zwei“ (Claus Theo Gärtner), „Bella Block“ (Hannelore Hoger) und manches andere vorweisen. Auch nicht so übel.

Wollte man böswillig sein, so würde man die Sendung mit „Viel Archivmaterial und etliches Brimborium drumherum“ zusammenfassen. Es war gelegentlich wie bei einem Klassentreffen. Großes Hallo, viele Umarmungen. Manchmal fragte man sich unwillkürlich, ob denn unbedingt Zuschauer dabei sein mussten. Zwangsläufig hatte das Ganze die Tendenz zum pflichtschuldigen Abhaken und zur forcierten Selbstbejubelung. Wer wird denn auch zum Geburtstag Schlechtes reden wollen? So blieben kritisch angehauchte Zwischentöne den wenigen Comedians und Kabarettisten (großartig: Olaf Schubert) vorbehalten, die die Hofnarrenrollen übernahmen.

Wie die Zeit verflogen ist

Schade, schade, dass solche prägenden Gestalten wie Peter Frankenfeld, Wim Thoelke, Hans Rosenthal oder auch Erik Ode („Der Kommissar“) nicht mehr dabei sein und von früher erzählen können. Ihre alten Sendeausschnitte lassen einen wehmütig spüren, wie die Zeit verflogen ist. Gemeinsam mit dem ZDF sind wir eben…ein wenig reifer geworden.

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Der Zweite Weltkrieg in Nahansicht: Zum ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“

Es wurde mal wieder hohe Zeit für ein solches Großereignis im Fernsehen: Der Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ (ZDF) scheint die Schrecken des Zweiten Weltkriegs noch einmal ganz nah heranzurücken. Wir wissen, dass damals Millionen elendiglich gestorben sind. Und doch werden uns immer Einzelschicksale am meisten berühren.

Fünf Freunde beim Abschied im Sommer 1941. Von links: Greta (Katharina Schüttler), Wilhelm (Volker Bruch), Charlotte (Miriam Stein), Friedhelm (Tom Schilling), Viktor (Ludwig .  (Foto: © ZDF/David Slama)

Fünf Freunde beim Abschied im Sommer 1941. Von links: Greta (Katharina Schüttler), Wilhelm (Volker Bruch), Charlotte (Miriam Stein), Friedhelm (Tom Schilling), Viktor (Ludwig Trepte). (Foto: © ZDF/David Slama)

Der entsprechenden Dramaturgie, die uns gleichsam mitten ins Geschehen führt (Bewunderung gilt nicht zuletzt den Kulissenbauern und Kostümbildnern), folgt auch die Spielhandlung, die Regisseur Philipp Kadelbach mit einem großartigen Schauspieler-Ensemble in Szene gesetzt hat: Fünf Freunde treffen sich im Sommer 1941 noch einmal in Berlin. „Weihnachten sehen wir uns wieder“, glauben sie allen Ernstes und prosten einander fröhlich zu. Sie sind jung, lebenshungrig und halten sich für unsterblich. Wie tragisch sie sich irren!

Fünf Freunde und ihre Illusionen

Der Anlass des Abschieds-Umtrunks: Wilhelm (Volker Bruch) und sein schöngeistiger jüngerer Bruder Friedhelm (Tom Schilling) müssen an die Ostfront nach Russland ziehen, „den Iwan ein bisschen verhauen“, wie anfangs naiv gescherzt wird. Charlotte (Miriam Stein) folgt ihnen als Krankenschwester ins Feldlazarett. Greta (Katharina Schüttler) und ihr jüdischer Freund Viktor (Ludwig Trepte) bleiben unterdessen in Berlin, wo auch sie in ein Gestrüpp von Lüge und Verrat hineingerissen werden. Denn Viktor wird von NS-Schergen verfolgt und da nützt es gar nichts, dass Greta, die als Sängerin Karriere machen will, sich mit einem ebenso hochrangigen wie schmierigen Nazi einlässt, um Ausreisepapiere für Viktor zu beschaffen. Freilich lässt sie sich auch von der Aussicht auf Rundfunkaufnahmen betören.

Erschießungen gegen jedes Völkerrecht

Im steten Wechsel schwenkt die Handlung zwischen Berlin, der Front und dem Lazarett hin und her. In Russland zeigt sich mehr und mehr, wie schmutzig dieser Krieg geführt wird – mit Exekutionen wider jedes Völkerrecht, mit willkürlichen Erschießungen und Gräueltaten. Das Lazarett erweist sich als Schlachthaus, in dem Tag und Nacht die Schmerzensschreie durch Mark und Bein dringen. Und dann kommt auch noch der eisige russische Winter, in dem der zuerst so zartsinnige Friedhelm zum Zyniker und härtesten Hund von allen wird.

Der Film lässt drastische Szenen nicht aus. Schon in der ersten Folge bleiben keine Zweifel, dass der Krieg in jedem das Schlechteste weckt. Entweder Täter und Verräter oder Opfer – dazwischen gibt es praktisch nichts – bei allem Bemühen um Differenzierung. Das ist umso schrecklicher, als diese Generation unserer Mütter und Väter (wie hier sehr deutlich herausgearbeitet wird) wunderbar normal hätte sein und leben können, wenn sie nur nicht diesem verfluchtem Regime verfallen wären.

Ein Projekt für alle Generationen

Im Vorfeld dieses Dreiteilers hatte Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), die Bedeutung dieser Produktion beschworen und mahnend festgestellt, dass allmählich die allerletzten Zeitzeugen des Weltkriegs sterben. Deshalb sollten sich die verbliebenen Generationen diesen Film unbedingt gemeinsam anschauen. Er hat recht. Tatsächlich habe ich mir an etlichen Stellen des ersten Teils gewünscht, ich hätte ihn noch gemeinsam mit meinen Eltern sehen können.

Mein Vater ist – wie so viele andere – immer sehr wortkarg gewesen, wenn es um seine Erlebnisse an der Ostfront ging. Dieser Film, der anschließend von einer Dokumentation und einer Spezialausgabe von Maybrit Illners Talk begleitet wurde, hat vielleicht die Wucht und überhaupt die Qualität, doch noch diese oder jene Zunge zu lösen.

Teil zwei und drei (Montag, 18. März, und Mittwoch, 20. März, jeweils 20.15 Uhr) sollte man sich nicht entgehen lassen.

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Wie ein Weihnachtsgeschenk: Britische Serie „Downton Abbey“ endlich im deutschen Fernsehen

Robert Crawley (Hugh Bonneville, rechts) und der Duke of Crowborough (Charlie Cox, li.) (Bild: ZDF/Nick Briggs)

Robert Crawley (Hugh Bonneville, rechts) und der Duke of Crowborough (Charlie Cox, li.) (Bild: ZDF/Nick Briggs)

Apokalypse stand auf dem Programm – und was packen unsere Fernsehsender in selbiges, wenn Quote angesichts des Weltenendes anscheinend keine Rolle mehr spielt? Der Abend des prophezeiten Weltuntergangs fiel definitiv aus dem Rahmen. Schon filmtechnisch wusste man sich kaum zu entscheiden, welcher Film es auf die Festplatte schafft und welcher sofort konsumiert wird. „Stolz und Vorurteil“ oder „In weiter Ferne so nah“.

Das Beste aber kam vorweg. Endlich, endlich mal wieder eine Fernsehserie zur Weihnachtszeit, die intelligenten Spaß macht. Der Spartensender ZDF Neo startete am Freitag „Downton Abbey“, die hochgelobte, vielfach preisgekrönte Fernsehserie aus Großbritannien. Schon vorher rollte eine Welle der Vorfreude durch die Gemeinde der bekennenden Serienfans, die sich nach dem Ende von „Lost“ verloren an den „Mad Men“ festhielten. Nun hat „Downton Abbey“ sicher wenig mit den vorgenannten Serien zu tun, Gemeinsamkeiten gibt es aber: gut erzählte Geschichten, die Liebe zum Detail und Hochwertigkeit in allen Bereichen.

„Downton Abbey“ begeistert vom ersten Moment an. Sorgfältig besetzte Rollen, punktgenau gezeichnete Charaktere, messerscharfe Dialoge. Die Rahmenhandlung ist schnell umrissen. Die Serie erzählt vom Leben, Leiden und Lieben der Familie Crawley auf dem fiktiven Landsitz Dwonton Abbey, zeitlich beginnend in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg und bringt so einen Mikrokosmos der edwardianischen Gesellschaft auf unsere Bildschirme. Zeitgeschichtliche Bezüge sind wie selbstverständlich in die Handlung eingearbeitet, auch die sozialkritische Komponente kommt nicht zu kurz, der erhobene Zeigefinger bleibt aber unten. Man will unterhalten, allerdings auf hohem Niveau. Das merkt man auch der detailgetreuen Austattung an. Selbst wenn man keinen Spaß an großen und kleinen Dramen und Intrigen finden sollte, bleibt immer noch der Blick auf grandios gefilmte Landschaften, detailgetreu inszenierte Gesellschaftsereignisse und traumschöne Kostüme. Eaton Place reloaded.

Tipp: Muttersender ZDF zieht ab heute nach und beginnt mit der Ausstrahlung der ersten Folge ab 17:05 Uhr. Bei diesem Wetter eine echte Alternative für entgangene Adventspaziergäng.

http://www.zdf.de/Downton-Abbey/Downton-Abbey-25334960.html




Die Minute, da wir explodierten – Ein Fußball-Länderspiel zwischen religiöser Erwartung, Königsdrama und Farce

Von Bernd Berke

Dortmund. Die Kollegen der Sportredaktion haben ihre Teil getan, nun darf auch noch das Feuilleton ‚ran. Denn natürlich ist ein Fußball-Länderspiel, wie jetzt Deutschland – USA in Dortmund, letztlich auch ein geballtes Kulturereignis. Bei der WM werden wir’s sogar multi-kulturell erleben.

Man denke nur ans ganze Drumherum, an die vielen Rituale: vom eher pflichtschuldigen Absingen der Nationalhymnen bis zur permanenten chorischen Begleitung durch die Fans; von der mitunter opernhaften Arena-Situation (mit Vorläufern wie dem griechischen Amphitheater oder dem römischen Colosseum) bis hin zur sprachlichen Bewältigung des Geschehens durch Spieler, Trainer und Journalisten.

Sodann die Spielchen mit den historisch überkommenen National-Klischees („Die Amis“, „Die Urus“ usw.), stets frisch aktualisiert durch die Typengalerie der jetzigen Mannschaften.

Überdies wabert ein ständiges Krisengerede, welches Theater und Literatur seit Hunderten von Jahren begleitet – warum also nicht auch den vergleichsweise blutjungen Fußball? Vom Glauben an Mythos und Magie (wieder weiße statt rote Hemden = erhöhte Siegchance) ganz zu schweigen. Das Spektrum großer Spiele liegt denn auch irgendwo zwischen quasi-religiösen Erwartungen, Shakespeares schroffen Königsdramen und einer grotesken Farce.

In Dortmund gibt’s fürs Nationalteam offenbar kein Verlieren. 4:1 ging es bekanntlich aus, rein rechnerisch also die exakte „Wiedergutmachung“ fürs Florentiner Italien-Debakel. Lange blieb’s freilich abermals ideenlos und uninspiriert, so ganz und gar nicht künstlerisch. Schmerzlich yermisste man die Leichtigkeit des Seins, die ein Fußball-Ensemble hervorbringen kann und die Deutschlands Sache oft nicht ist, was wiederum gern mit der gesamten Befindlichkeit des Landes kurzgeschlossen wird. Fußball als Staatsaffäre, deren Akteure sich oft furchtbar ernst nehmen.

Kein Wunder, wenn die Jungs auf dem Spielfeld verkrampfen. Doch diesmal, vor allem aber der 73. Minute, „sind wir explodiert“ (O-Ton Oliver Kahn), und es gab auf einmal die gute alte Katharsis, sprich: die befreiende Reinigung vom Übel. Das waren endlich ein paar schöne, ästhetisch befriedigende Momente.

Wie sonnig geht’s doch in derlei Erfolgsfällen beim ZDF zu: „Analysen“, wie sie Franz Beckenbauer und Johannes B. Kerner liefern, brächte wohl jeder bessere Stammtisch zu- stande. Doch es ist nahezu pervers: Irgendwie giert man ja selbst masochistisch nach dem öligen Palaver von „Kaiser Franz“ oder auch nach den eher barschen Urteilen von Günter Netzer bei der ARD. Selbst ein „Literaturpapst“ wie Marcel Reich-Ranicki dürfte seine Freude daran haben. Und Harald Schmidt sowieso.

Zum Ritus gehört auch das Erscheinen des Bundestrainers, der traditionell Rede und Antwort stehen muss. Jetzt lacht er wieder, der „Klinsi“. War es etwa nicht amüsant, wie beflissen der Regisseur Klinsmann neben dem Generalintendanten (Beckenbauer) stand; wie er diesmal „die Herren Medien“ geißelte oder wie er den „Abnutzungskampf“ beschwor? Goldig auch sein Satz über die der letzten Tage vor dem Match: „Wer mich kennt, hat mich nach wie vor lächeln gesehen.“ Wahrscheinlich war’s daheim im Keller.




Vom Bergmann zum Baulöwen mit Rolex – Peter F. Bringmanns klischeereicher Dortmund-Krimi „Der Schnapper“

Von Bernd Berke

Ganoven tragen vorzugsweise Rolex-Uhren, büchsen gern nach Rio aus und müssen irgendwann aus diesem Grunde sterben: „Er wusste zu viel…“

Mit solchen längst totgesagten Klischees (Marke 50er Jahre) wirft Peter F. Bringmanns Dortmund-Krimi „Der Schnapper“ (ZDF, Sa., 20.15 Uhr) nur so um sich. Es wäre zum Verzweifeln, gäbe es da nicht die erzsympathische Titelfigur, Horst Krause als Kommissar Schrader. Der verabscheut Handys und all den neumodischen Kram. Auch nimmt er stets den Bus. Nur keine Hektik. Ja, selbst seine Ehe ist, völlig krimi-untypisch, noch nach 25 Jahren glücklich. Mit einer Mischung aus barockem Wesen und ortsüblichen Kumpel-Qualitäten hebt Krause einfach die Laune. Und man hält natürlich zu ihm, wenn er es mit einem jungen Chef-Schnösel zu tun bekommt.

Apropos Kumpel: Der Kriminalfall, den man beinahe aussparen könnte, ergibt sich zwischen ehemaligen Bergbau-Kollegen, die vor 15 Jahren zu plötzlichem Reichtum gelangt sind. Damals gab es eine Explosion mit mehreren Toten, bald darauf machte der Pütt dicht. Alles Zufall? Wohl kaum: Ein Ex-Sprengmeister hat es gar zum Baulöwen gebracht, der die halbe Stadt zubetoniert und offenbar Leute im zuständigen Amt besticht. Oha! Und das in Dortmund. Kaum zu glauben, oder?

Das erste Opfer (einst Steiger, dann Inhaber einer Lottostelle in Aplerbeck) muss gleich zu Beginn in der Halle der stillgelegten Zeche zu Tode stürzen. Sehr dekorativ. Natürlich hat jemand nachgeholfen. Wir sehen ja alles mit an, wie denn überhaupt der ganze Film zwar konfus und hanebüchen daherstolpert, aber letztlich völlig rätselfrei bleibt: Der alte Kumpan Rolf (Edgar M. Böhlke) war’s, zum Schrecken seiner früheren Spießgesellen aus Brasilien zurückgekehrt und in einer schäbigen Absteige hausend. Dort sinnt er weiter auf Erpressung und Mord.

Mit lahmer Routine hakt Rolf sein dürftiges Repertoire ab. Es ist allemal von vorgestern. Zwischen Szenen mit tödlichem Schlangenbiss (Serum in Reichweite, doch der Schurke zertritt die Ampulle) und einzementierter Leiche spielen Bergmannskapellen ihr „Glück auf“ und dergleichen. Auch sagen die Leute „watt“ und „datt“. Putzige Folklore fürs übrige Deutschland. Etwa so, wie sie in Hawaii vor Touristen Hula tanzen. Gebt Baströckchen für Dortmund!




Gehäuftes Dichterlob aus Dortmund – Das „Literarische Quartett“ gastierte in der neuen Botta-Bibliothek

Von Bernd Berke

Dortmund. Marcel Reich-Ranicki und die Seinen gastieren mit ihrem „Literarischen Quartett“ (ZDF) für gewöhnlich an Orten, die den schönen Künsten sehr zugeneigt sind. Gern plaudern sie beispielsweise in altehrwürdigen Universitäts-Städten wie Tübingen, in der Festspielstadt Salzburg oder zur Buchmesse in Goethes Geburtsstadt Frankfurt am Main. Nun aber ließen sie sich in Dortmund herbei.

Tagelang hatte sich das ZDF-Team in der Stadt- und Landesbibliothek umgetan, hatte Beleuchtungs-Feinheiten und dergleichen geprobt. In einigen Bereichen mußte dafür gar die Ausleihe eingeschränkt werden. Aber was tut man nicht alles für die Leute vom Fernsehen. Rund 150 Besucher durften die Live-Sendung am Ort des Geschehens genießen. Schön zu sehen, wie Sigrid Löfflers Teint (Minuten vor der Sendung) noch etwas nachgepudert wurde; nett zu hören, wie sich Marcel Reich-Ranicki nach dem Zustand des Mineralwassers erkundigte…

Als alles tadellos gerichtet war, fing’s denn auch an. Mag sein, daß man sich hier von Reich-Ranicki ein paar Einleitungssätze mehr erhofft hatte als nur die schlichte Mitteilung, man befinde sich diesmal in der neuen Bibliothek zu Dortmund, die von Mario Botta entworfen wurde. Punkt. Schluß. Schon schritt man zur üblichen Buch-Behandlung. Der kulturelle Wanderzirkus auf Durchreise. Wo waren wir eigentlich gestern?

Trösten wir uns damit, daß diesmal weder der Präzeptor noch seine Mitstreiter Hellmuth Karasek, Sigrid Löffler oder die Gastkritikerin Eva Demski zu Verrissen aufgelegt waren. Vielleicht hat ja die milde Stimmung auch ein ganz klein wenig am Genius loci (Geist des Ortes) gelegen?

Marcel Reich-Ranicki ist in der Runde ein vulkanisches Ereignis

Dermaßen gehäuftes, zumeist auch noch einhelliges Lob für die besprochenen Bücher hat man jedenfalls im „Quartett“ all die Jahre über wohl noch nie vernommen. Reich-Ranickis Schlußbemerkung, man sei kein verlängerter Arm der Verlags-Werbeabteilungen, schien diesmal beinahe nötig.

Sigrid Damms Abhandlung „Christiane und Goethe“? Ein Meisterwerk! Hanna Kralls „Da ist kein Fluß mehr“? Unvergleichlich! Ernst Weiß‘ „Der arme Verschwender“, James Salters „Dämmerung“, Erri de Lucas „Das Meer der Erinnerung“? Oh, allesamt auch nicht zu verachten.

Was man daheim am Fernsehgerät nicht mitbekommt: Reich-Ranicki versinkt, wenn er zwischendurch nicht gezeigt wird, immer mal wieder in eine Art Erschlaffung, in einen Dämmerschlaf, aus dem er freilich schlagartig, ja fast explosiv auffährt, sobald er das Wort ergreift. Der Mann ist schon ein vulkanisches Ereignis.

An witzigen Momenten fehlte es auch diesmal nicht. Man hätte das Publikum in der Bibliothek gar nicht, wie zuvor geschehen, eigens bitten müssen, eine lebhafte Zuhörerschaft zu sein. Der Streit, ob Goethe ein übler Opportunist gewesen sei, hatte einfach Sketch-Qualität. Hellmuth Karasek verstieg sich zur gewagten Behauptung, ein Genius, der Gedichte wie „Wanderers Nachtlied“ verfaßt habe, dürfe ruhig auch ein Fiesling gewesen sein. Und Reich-Ranickis rhythmischer, nahezu lyrischer Merksatz, als der Name des Serbien-freundlichen Dichters Peter Handke fiel, dürfte gleichfalls in die „Quartett“-Annalen eingehen: „Es wird gebeten, über Handke nicht zu reden“.




Die letzte Gala-Nacht der „TeleStars“

Von Bernd Berke

Im Recklinghäuser Süden scheint ein Nest zu sein, aus dem gelegentlich Fernsehprominenz schlüpft. Als am Samstag im Kölner Edelhotel „Maritim“ die begehrten „TeleStar“-Preise von ARD und ZDF verliehen wurden, gab es kraftvolles Lokalkolorit aus der Stadt der Ruhrfestspiele.

Fußballreporter Werner Hansch, zur allgemeinen Verblüffung Preisträger in der Sparte Information/Dokumentation (mit seinem wie gewohnt kernigen Bericht vom siegreichen Schalker UEFA-Cup-Finale), war in der weitläufigen Atriumhalle des Hotels mit einem TeleStar-Gewinner ganz anderen Zuschnitts ins Gespräch gekommen: Heinrich Breloer, Autor und Regisseur von „Das Todesspiel“, jenes bewegenden Dokumentar-Dramas über den „Deutschen Herbst“ des Jahres 1977. Hansch: „Wir haben festgestellt, daß wir beide die Marienschule in Recklinghausen besucht haben – unter dem selben Rektor.“ Hört, hört! Vielleicht sollte man hoffnungsvollen TV-Nachwuchs künftig sofort an dieser Lehranstalt rekrutieren.

Breloer bekam gleich dreifach bescheinigt, daß er für das wohl nachhaltigste Fernsehereignis des Jahres gesorgt hat. Nicht nur er selbst wurde für „Das Todesspiel“ ausgezeichnet, sondern auch Produzent Ulrich Lenze und Hauptdarsteller Hans Brenner, der den von der RAF entführten und dann ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer ungeheuer nuanciert gespielt hatte. Brenner bewies auch in seinen Dankesworten Einfühlungsvermögen: „Für diese Rolle einen Preis zu bekommen, ist nicht unproblematisch.“

„Ich faß‘ es nicht. Wunderbar!“ gluckste hingegen Evelyn Hamann, als sie zur besten Seriendarstellerin („Adelheid und ihre Mörder“) ernannt worden war. Dieter Pfaff wurde derweil zum besten männlichen Serienhelden für seine Rolle des „Bruder Esel“ gekürt.

Entzückendes Tigerkleid

Was keinen mehr wunderte: Harald Schmidt durfte sich natürlich auch in Köln seinen Preis (in der Sparte Unterhaltungs-Moderation) abholen. Großes Gelächter gab’s im Saale, als Schmidt sich linkisch wie ein Pennäler gab und die Wahl „eine Überraschung“ nannte. Jedenfalls dürfte sein Pokalschrank allmählich gefüllt sein. Und man fragt sich, was für die nächsten Jahre noch bleibt.

Auf Länge gesehen (gestern im ZDF gab es nur Ausschnitte), erwies sich das Verfahren der Preisvergabe als etwas eintönig. Moderator Kai Böcking besorgte die Überleitungen, dann kamen die Lobredner (Hera Lind, Ulrich Wickert, Didi Hallervorden, Roger Moore und Co.) jeweils durch einen wabernden Trockeneis-Nebel auf die Bühne, öffneten schließlich den Umschlag mit dem Namen des Gewinners – und es folgte das meist herzlich belanglose Bitteschön-Dankeschön-Ritual.

Da ließ sich der allgemeine „Bussi Bussi“-Reigen der TV-Prominenz zur nachfolgenden Schlacht am Buffet schon entspannter an. Und Roswitha Schreiner (ehedem Martin Lüttges zierliche Mitstreiterin am Düsseldorfer „Tatort“) trug ein ganz entzückendes Kleid mit getigertem Muster, das die Fotografen in Scharen anlockte…

Im nächsten Jahr wollen ARD und ZDF die „TeleStars“ zumindest mit den „Goldenen Löwen“ von RTL zusammenlegen. Auch SAT.1 soll mitmachen, ziert sich aber noch. Kai Böcking wandelte den Werbespruch Senders ab: „SAT. 1 – Ich drück mich…“




Rituale wie in einer Familienserie – Seit fünf Jahren gibt es das „Literarische Quartett“

Vieles, vieles wandelt sich auf dieser Welt, doch es gibt sie noch: die letzten Rituale. Zum Exempel „Das literarische Quartett“ (ZDF. 22.15 Uhr).

Zugegeben: Als die Sendung vor fünf Jahren – am 25. März 1988 – erstmals ins Programm kam, konnte man sich schon über die Unverfrorenheit ärgern, mit der MarcelReich-Ranicki etwa gleich seine Lieblingsautorin Ulla Hahn auf den Schild hob. Doch im Lauf der Zeit zeigte sich, daß es gerade jene krähende Chuzpe und unverwüstliche Selbstgewißheit des Literatur-„Papstes“ ist, von der diese Sendereihe lebt.

Manchen Versatzstücken, die todsicher in jeder Folge auftauchen, fiebert man direkt entgegen: Wann wird Marcel heute wieder ausrufen, daß ihn das Leben ganzer Kontinente – egal, ob Amerika, Asien oder Afrika – „nicht interessiert“, sondern nur, ob dort „gut geschrrrrieben“ wird? Wann wird er wieder lauthals verkünden, daß er sich bei einer Lektüre furchtbar gelangweilt habe? Wann hat er Sigrid Löffler so weit, daß Verbitterung ihre Mundwinkel umspielt? Und wann wird er dem „Buben“ Hellmuth Karasek wieder einen auf die Nuß geben?

Die Mischung aus festgefahrenem Ritual und Resten von Gruppendynamik ist das eigentliche Phänomen des „Quartetts“. Reich-Ranicki, Karasek und Löffler sind inzwischen so aufeinander eingespielt, sie haben eine so lange gemeinsame Profilierungsgeschichte, daß ihre Konflikte denen einer langlebigen Familienserie gleichen.

Schriller war es zur Gründerzeit, als Jürgen Busche den idealen Prügelknaben für die drei anderen abgab. Ein ums andere Mal mußte er sich literarisch belehren lassen und blickte dann drein wie ein armer Tropf. Fehlte nur noch das „Busche, setzen! Fünf!“ Echte Fans trauern diesen kultischen Szenen bis heute nach.

Seit Busche entnervt ausstieg, bittet man wechselnde Gäste als „Nummer vier“ hinzu, die manchmal so frech sind, Widerworte zu geben. Jedenfalls wäre es töricht zu verlangen, die Runde möge sich nur auf die Bücher konzentrieren. Der Spaß wäre glatt halbiert.

Für eine letztlich doch recht anspruchsvolle Kulturreihe ist die Sendung sehr erfolgreich. Man hat jetzt sechs statt wie zuvor vier Termine pro Jahr. Mindestens eine Million Leute schalten zur späteren Abendstunde regelmäßig ein. Bei den Verlagen gilt eine Berücksichtigung im „Quartett“ (gleichgültig, ob Huldigung oder Verriß) als höchst erstrebenswert. Werke, die man sich hier vorknöpfte, waren am nächsten Tag oft „Renner“ in den Läden.

Also bis zum Abend, an dessen Ende es unfehlbar wieder heißt: „Und also sehen wir betroffen: Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

                                                                                                                  Bernd Berke




Profifußball – schleichendes Gift / Michael Lentz‘ Fernsehfilm „Alles paletti“

Von Bernd Berke

Essen. Zunächst fällt auf, was „Alles paletti“ n i c h t ist: Der Film des Esseners Michael Lentz (geplanter Sendetermin: ZDF, 16. April, 19.30 Uhr) ist, obwohl im Ruhrgebiet gedreht, kein Revier-Film und er ist, obwohl Fußball die Handlung in Gang bringt, kein Fußballfilm.

Im Mittelpunkt steht vielmehr Kai Wodar (Levin Kress), genannt „Fips“, der vierzehnjährige Sohn des aus Jugoslawien stammenden Bundesligatrainers Milan Wodar (Branko Plesa). Dessen Verein „BlauWeiß“ (Vorbild Schalke?) ist abstiegsbedroht. Dies bekommt der Sohn an allen Ecken und Enden zu spüren. In der Schule vollziehen sogenannte Fans kurzerhand eine Sippenstrafe und demolieren Kais Fahrrad, der Vater wird im Abstiegsstrudel zunehmend auch als Erzieher hilflos. Für den Ernstfall hat er (zu Kais Entsetzen) bereits Kontakte nach Istanbul geknüpft – Jupp Derwall hat’s vorexerziert.

Der Einstieg in die Handlung erfolgt mit großer Geduld und Zähigkeit, wirkt unscheinbar, ja zunächst fast läppisch. Lentz nähert sich seinen Themen sehr vorsichtig von den Rändem her, tastet behutsam den Alltag ab. Und der ist nun einmal grau.

Das Innere des Stadions sieht man erst zum Schluß. Fußball ist denn auch eher das geheime Zentrum der Handlung, gleichsam ein zuerst kaum sichtbares Gift, das in den Alltag einsickert. Auch daß die Geschichte im Revier spielt, wird nie in den Vordergrund gestellt. Wohhuend: Das Ruhrgebiet ist hier eine weder gebeutelte noch glorifizierte Selbstverständlichkeit; selbstverständliche Heimat auch für Kai, der hier Freunde gefunden hat und nicht schon wieder entwurzelt werden will. Unter anderem deshalb fängt er auch allmorgendlich den Postboten ab und versteckt vor seinem Vater die schmutzigen Drohbriefe enttäuschter „Freunde“ des Vereins.

Kai ist 14. Also liegt es nahe, daß dies auch, eine Pubertätsgeschichte ist. Der erste Suff, die erste Liebe, ersterer komisch, letztere leidlich gefühlvoll ins Bild gesetzt. Den Weltschmerz allerdings hat Lentz durch die Figur „Rico“, den sterbenskranken Freund Kais, ein wenig zu dick aufgetragen. Mit makabren Sprüchen und einer gehörigen Portion Melancholie gibt Peter Lohmeyer dem „Rico“ zwar einen gewissen Aufmerksamkeitswert. Warum die Figur als solche aber notwendig ist, bleibt bis zum Schluß unerfindlich. Vielleicht ist es die Leidenschaft für alte Hollywood-Klassiker, die Lentz wohl mit „Rico“ teilt, die allerdings auch zuweilen mit ihm durchgeht. Da gibt es – verzichtbar – eine ganze Schwarz-Weiß-Sequenz mit den US-Stars von „damals“.

Der Schluß: Durch ein mit Ach und Krach erkämpftes Unentschieden seiner Mannschaft- gegen den Hamburger SV kann der Trainer seinen Kopf noch einmal knapp aus der sprichwörtlichen Schlinge ziehen. Keine Rettung, eher eine Verschnaufpause. „Alles paletti“? Bis auf Weiteres.




Wenn sich die Künstler drängeln – Die „Nacht der Lieder“ des ZDF in der Westfalenhalle

Von Bernd Berke

Dortmund. Weniger wäre wieder einmal mehr gewesen. Die „ZDF-Nacht der Lieder“ in der nicht ganz gefüllten Westfalenhalle bot nicht weniger als zehn Programmpunkte, die sich – im steten Wechsel zwisehen zwei Bühnen – schier endlos von 16 Uhr bis nach 2 Uhr früh hinzogen. Das macht bei einem Vorverkaufspreis von 25 DM schlappe 2,50 DM pro Gruppe. Wo gibt’s das schon?

Aber auch die Gegenrechnung hat einiges für sich: zehn Gruppen, das bedeutet neunUmbaupausen; es bedeutet, daß jede Formation nur kurz auftreten und sich nicht richtig entfalten kann; es bedeutet, daß das Publikum über eine Marathondistanz von 10 Stunden ausharren und diesmal – wollte es nicht um die ersten Gruppen geprellt werden – wochentags zur frühen Nachmittagsstunde auf der Matte stehen mußte. Schließlich dürfte es auch dem gewieftesten Veranstalter schwerfallen, zehn Auftritte zusammenzustellen, die mehr miteinander zu tun haben, als daß jeweils Stimmen und Instrumente erklingen. „Lieder“ ist ein sehr dehnbarer Begriff.

Ein eindeutiger Glanzpunkt, wie ihn vor Jahresfrist Angela Branduardi setzte, fehlte diesmal. Es gab freilich auch keine „Ausfälle“. Randy Newman, der zynische Beschreiber US-amerikanischen Spießerlebens, dessen Live-Auftritte so rar sind, konnte einem leid tun. Die große Halle war sicher nicht das richtige Forum für seine Lieder, die intimere Atmosphäre brauchen. Newman war denn auch der einzige, dem keine Zugabe abgefordert wurde. Zuvor hatte Stefan Waggershausen, seit Beginn seiner Plattenkarriere erstmals auf der Bühne, ein passables Live-Debüt gegeben. Die holländischen „Bots“ mühten sich, mit ihren friedensbewegten Liedern die allmählich sattsam bekannten Rituale („Aufstehn!“) auszulösen.

Sally Oldfields Gruppe bot wohltuend entspannte und entspannende Musik. Zu später Stunde folgten die drei Auftritte, die am meisten umjubelt wurden: Chris de Burgh, Wolfgang Ambros und der Italiener Lucio Dalla brachten den lang entbehrten Schwung in die Halle. Dallas Anlage war freilich so großzügig ausgesteuert, daß man in Lautsprechemähe das große Ohrenflattem bekam. Seine Titel, so mitreißend sie auch sind, weisen sämtlich ein Einheitsstrickmuster auf. Nach Mitternacht erzeugte „Zupfgeigenhansel“ mit leiseren Folkloretönen noch einmal „alternative Nestwärme“, bevor Klaus Lage & Druck für Kehraus-Klang in der schon halbleeren Arena sorgten.

Das ZDF sendet Ausschnitte aus dem Konzert am 26. März




TV-Team auf Kurzbesuch in Dortmund: Kulturabbau im „Pott“? Nichts wie hin!

Daß ein Kulturmagazin einmal ein paar Minuten fürs Revier, gar für Dortmund, übrig hat, ist verwunderlich genug. Kann man in so einem Fall nicht fast darauf wetten, daß von Düsternis, sozusagen von „Ruß am Kulturhimmel“ zu berichten ist? Aber ja! Dortmunds Schauspiel ist in Gefahr – das Team von „Aspekte“ (ZDF) wird hellhörig: N o c h weniger Kultur im „Pott“? Nichts wie hin!

Kein Einwand, hätten sich die Mainzer des Themas wirklich angenommen. Doch was die TV-Leute mit diesem Beitrag boten, war Kürze ohne Würze. Keine hinreichende Beschreibung der Probleme, schon gar keine fundierte Stellungnahme. Da huschte die Kamera mal fix über den oder jenen Zeitungsausschnitt, da ließ man Oberspielleiter Roland Gall nur sekundenlang zu Wort kommen, vollführte einen gelungenen Schwenk übers Große Haus – und damit hatte es sich dann auch schon. D e n „Aspekte“-Beitrag möchte ich sehen, der die Schließung auch nur eines einzigen größeren Sprechtheaters in München und Berlin ähnlich salopp abhandelt!

Fehlte nur noch, daß Moderator Alexander U. Martens das Kürzestfilmchen kommentierte. Schlimm nur: er tat’s wirklich! Die Dortmunder Vorgänge seien „bedauernswert“, doch die Stadt ächze halt unter Defizit und habe „über 10 Prozent“ Arbeitslose. Basta! Das hörte sich an, als seien „die“ Dortmunder schuld an der Misere, als sollten sie gefälligst ohne Murren den harten, angeblich unvermeidlichen Schnitt tun. Als habe es vor allem deshalb Arbeitsplatz-Verluste gegeben, weil in Dortmund Theater gespielt wurde. Daß bei Schließung der Sprechbühne ebenfalls Arbeitsplätze verschwinden, hielt Martens erst gar nicht für erwähnenswert. Auch weniger Greifbares – Stichwort „kulturelle Verödung“ – findet er offenbar halb so wild.

Näher am Zeitgeist wähnte sich der Moderator wohl gleich zu Beginn der „Aspekte“-Ausgabe. Im Gespräch mit Martens durfte der „Neokonservative“ Gerd Klaus Kaltenbrunner drauflos schwadronieren. Die Deutschen seien ein Kulturvolk – und das schon „seit 1000 Jahren“. Man möchte hinzufügen: Wenigstens eine Unterbrechung gab’s schon – und für die waren auch „1000 Jahre“ vorgesehen.                  Bernd Berke

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Leserbrief

Betr.: TV-Team auf Kurzbesuch in Dortmund

Auf den Beitrag „TV-Team auf Kurzbesuch in Dortmund: Kulturabbau im „Pott“? Nichts wie hin!“ von Bernd Berke in der Westfälischen Rundschau vom 20. September muß ich antworten, denn selten habe ich einen Bericht gelesen, der so durch Voreingenommenheit getrübt war. Herr Berke unterstellt, wir würden über das Ruhrgebiet nur berichten, wenn „Ruß am Kulturhimmel“ zu konstatieren sei. Wenn er unsere Sendüng besser kennen würde, würde er wissen, wie oft wir aus dem Revier – einschließlich einer 45minütigen Schwerpunkt-Sendung – berichtet haben. Daß dabei allerdings öfter vom Bochumer Theater oder von Kulturaktivitäten in Kamen oder Unna die Rede war als vom Dortmunder Schauspiel, liegt nicht an uns.

Der „Aspekte“-Bericht zu Dortmund war zweieinhalb Minuten lang – gewiß ein Kurzbericht als erste Information über eine Absicht. Ist das journalistisch nicht legitim? Wir werden auf das Thema schon noch zurückkommen. Wo aber sind in München oder Berlin bereits Sprechtheater geschlossen worden, über die wir hätten berichten können? Und ist das in Dortmund schon beschlossene Sache – Fakt oder Absicht?

Ganz schlimm ist, wie Herr Berke die Äußerungen meines Kollegen Martens zu dem Kurzbeitrag interpretiert. Aus dem Hinweis auf die schwierige wirtschaftliche Situation in Dortmund abzuleiten, wir hätten gemeint, die Dortmunder seien selbst schuld an ihrer Misere, ist ebenso absurd, wie die Unterstellung, wir würden eine Theaterschließung „halb so schlimm“ finden.                          Dr. Dieter Schwarzenau, „Aspekte“-Redaktion

 




Diskussionsrunde zerredet gekürzten Umwelt-Film vollständig – Bernward Wembers „Vergiftet oder arbeitslos“ im ZDF

Von Bernd Berke

Selten dürfte ein TV-Film in derart zerstückelter Form ins Programm gehoben worden wie dieser: Bernward Wembers Beitrag „Vergiftet oder arbeitslos“, der für natürlichenLandbau und gegen chemische Dünge- und Vertilgungsmittel Partei ergreift, wurde gleich von zwei Diskussionen eingerahmt. Machart und Inhalt des Streifens wurden separat zerredet. Außerdem schaltete sich Redakteur Helmut Greulich mehrfach ein, um kundzutun, daß das Werk an der betreffenden Stelle gekürzt worden sei.

Zu nachtschlafener Zeit (das Ende war um 0.50 Uhr erreicht) wurde damit ein von 97 auf 60 Minuten verstümmelter Film auch noch häppchenweise ausgestrahlt, der zuvor volle zwei Jahre auf Eis gelegen hatte. Höhepunkt des Gerangels um den mißliebigen Beitrag, der den ZDF-Oberen allzu „grün“ vorkam, war ein erstmals in der bundesdeutschen Fernsehgeschichte angesetzter Zuschauertest, bei dem 100 Vorgucker den Film positiv beurteilten.

Zumindest formalv erobert Wembers Opus tatsächlich Neuland. Die Bildausschnitte, die per Tricktechnik gegeneinander versetzt und verschoben wurden, wirkten inmitten der sonstigen Bilderflut des Fernsehens geradezu erholsam. Zudem wurde der erwünschte Effekt erzielt, daß nämlich der unter anderem von Gustl Bayrhammer gesprochene Text im Einklang mit den Bildern steht. Was die pointierte Stellungnahme gegen die chemische Industrie angeht, der nichts Geringeres als die „verbrecherische“ Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen vorgeworfen wurde, mag man verschiedener Meinung sein. Keine Frage jedoch, daß diese Auffassung von weiten Kreisen der Bevölkerung geteilt wird und somit in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt dargestellt werden darf, ja muß.

Gerade das wurde Wember jedoch in der aufgezeichneten Schlußdiskussion nicht zugestanden. Peter Sweerts-Sporck, Chef eines industrienahen Chemie-Magazins, witterte „perfekte Indoktrination“. Prof. Klaus Töpfer, Umweltminister von Rheinland-Pfalz, bat beinahe händeringend um Berücksichtigung der angeblich voll wirksamen Umweltpolitik. Halbherzige Unterstützung bekam Wember nur von Christian Schütze, dem Chefredakteur einer Umwelt-Zeitschrift.

Am ärgsten gebärdete sich in der sterbenslangweiligen Debatte Hans Heiner Boelte, der als Vertreter der ZDF-Chefredaktion erschienen war. Er giftete Wember an, verstieg sich zu Vergleichen mit Nazi-Propaganda und zog sich, wenn er gerade nicht das Wort ergriff, mit unwirschen Gesten und angewiderter Miene in den Schmollwinkel zurück.




Den Täter vor sich selbst bewahren – Auftakt zur neuen ZDF-Krimiserie „Ein Fall für zwei“

Von Bernd Berke

Im Vorspiel zur Kriminalserie „Ein Fall für zwei“, mit der das ZDF den Zuschauer im Monatsrhythmus bis mindestens 1983 beglücken will, wimmelte es von Zufällen. Erst sagt der Polizeibeamte Jupp Matula (Claus Theo Gärtner) bei einem Prozeß gegen einen Jugendlichen aus, der daraufhin eine Bewährungsstrafe erhält. Dann lernt Matula, anläßlich einer nächtlichen Ruhestörung, die fürsorgliche Schwester des Jugendlichen kennen und – bei einem weiteren überraschenden Zusammentreffen – lieben.

Doch derlei Zufälle, so konstruiert und gewollt sie auch schienen, brachten eine über weite Strecken originelle Handlung in Gang. Schon die Vorspielepisode berechtigte zu der Hoffnung, daß hier die zuletzt immer schlaffer gewordenen „Tatort“-Krimis ernstzunehmende Konkurrenz vom zweiten Kanal bekommen.

Allein die Tatsache, daß es hier weniger darum ging, den Täter dingfest zu machen, als vielmehr darum, ihn vor seiner eigenen Labilität zu bewahren, ermöglichte eine sensible Einführung in die Figuren. Dies wäre bei einer simplen Jagd auf Bösewichter kaum der Fall gewesen. Ins Blickfeld kam auch die zwiespältige Rolle der Polizei, und zwar weitaus wirksamer als im üblichen „Tatort“-Strickmuster der unverbindlichen Selbstironie. Bei Karl-Heinz Willschreis gekonntem Drehbuch hatten offenbar auch die gesellschaftskritischen schwedischen Krimi-Autoren Sjöwall/Wahlöö Pate gestanden.

Was die personelle Grundlage der gesamten Serie ausmachen wird, nämlich daß Anwalt Renz (Günter Strack) Jupp Matula als Privatdetektiv engagiert, kam am Schluß nur ganz nebenbei ins Spiel, ebenso unaufdringlich wie der ganze Film. Kleine Schwächen (warum wurde so ausführlich gezeigt, wie Laura mit Hilfe eines Plattenspielers Krach erzeugt?) übersah man daher gern. „Ein Fall für zwei“ kostet pro Episode 700000 DM, eine US-Krimifolge etwa 80 000 DM. Würde das Niveau der ersten Folge gehalten, so wäre die deutsche Produktion zwar nicht billiger, wohl aber wertvoller.