Berg & Klammern, Bus & Eile


Foto einer Zeichnung in einem Skizzenbuch, dahinter ein Tablett mit einer Kaffeetasse

Eisdielenzeichnungsambientefoto

Bisher: Herr Scherl, Held unserer Erzählung, will seit Tagen eine nötige social-media-Pause machen, er kommt aber nicht dazu, weil immer was dazwischen kommt (für dieses »zu – zwi« müßt man (=ich) mal was erfinden. Nà, heut nicht mehr).
Zu Anfang dieser Aufzeichnungen weilt er nach einem Arzt-(genauer: Ärztin-)besuch (nur was abholen, da muß man sich ja wegen jedem Mist selber materialisieren) wie immer in der Eisdiele seiner Wahl, wo er, wie immer, zeichner- und soziologische Studien betreibt.

Klar, Wohlstand usw usf, wie immer. Faules Künstlerpack – nix arbeiten, aber immer Pause machen und rauchen und immer Kaffee saufen. Oder noch Schlimmeres! Jaja… (ja – ich weiß, was »jaja« heißt, deswegen schreib ichs ja hin)

Bei der Doktorette haben sie sich wieder gefreut, weil ich da (wie immer) so fleißig die Aquarelle vom Doktorettenvadder anguck: Anfang-Mitte des Jahrhunderts (ja freilich des vergangenen, Mensch!), allesamt Bergmotive und teils gar nicht schlecht (und wenn ich das sag, dann wills was heißen). Und heut wars sogar eins, das ich noch nicht entdeckt hatte.

Ich wart also auf der Doktorettes Kaiser Wilhelm für die Überweisung und guck Aquarelle und es freuen sich: die Doktorette, vier (sic!) Doktorettenhelferinnen (Doktoreusen waren heut keine da, zu wenig Siechen bei dem schönen Wetter) und einer, bei dem ich noch nicht rausgekriegt hab, was er da treibt. Aber er macht die Ansagen auf dem AB und ist glaub der Olle von der Doktorette (und spricht wirklich, nuja – »angenehm«. Dachte immer, das sind gekaufte Intros, bis ich ihn neulich mal himself am Apparat hatte. Konnt erst gar nix sagen, so hab ich mich erschrocken). Wird also Büroleiter oder sowas sein und aufpassen, daß die Doktorette und die Doktoreusen und die Doktorettenhelferinnen alle alles richtig machen.

Brot noch, bin schon wieder unter Meldestufe »Obacht!«. Der Bäck hatte aber natürlich grad Feierabend bzw die Bäckerin (ja-doch, ich mach ja schon ganz genau: die Bäckereifachverkäuferin, wie man brav-bundesdeutsch ja sagen muß) die Kasse abgesperrt (das ersetzt heut auch Gott: »Ich kann nix tun, Kasse ist schon zu, tja!«) und die Eisdiele macht auch gleich dicht und kalt ists eh und ich muß noch zum andern Bäcker dackeln. Oder auch nicht. Gibts eben nix. Oder nur Wurscht. Haha! Künstler halt.

(…)

Jetzt aber zum Bus – husch husch!, damit er mir nicht wieder vorm Näschen wegfährt und ich ne halbe Stunde warten muß (auch wieder): gegenüber vom Dönershop und neben meiner einstigen Stammkneipe (aber das ficht mich ja nicht mehr).

Foto eines roten Schuhs im Schaufenster eines Schuhladens

»die roten in gelb bitte«

Guck ins Schuhladenschaufenster (kurz!): die roten in gelb bitte, in meiner Größe und zu nem Preis, den ich zahlen kann.
Ich hör die Schuhladenfachverkäuferin vor meinem inneren Auge ganz leis kichern (wenn man jemanden vor dem inneren Auge … na, wurscht (darf man ( =ich) das jetzt noch »Wurscht« nennen? (Auch wurscht)))((Irgendwann vergeß ich bestimmt mal, ne Klammer zuzumachen)(oder auf (?))(… naja … wobei … eigentlich ist mir bei denen die Spitze zu spitz: also nee (sprach ich, Fuchs (zu den Trauben)))

Und vielleicht nen Kalender: links ne Eisdielenzeichnung, rechts das Eisdielenzeichnungsambientefoto und hinten druff der Text dazu. Das wär doch was. Oder hinten das Eisdielenzeichnungsambientefoto und der Text. Und so, daß mans so oder so aufhängen kann. (Pin im Brägen: Drucker wegen nem Angebot fragen (und Werbung dafür machen)) Da darf der Text aber nicht zu lang … husch husch!

Quatscht mich einer an, mit irgendwas Grünem an den Klamotten, grünes Basecap, nen grünen Baumel um den Hals und was man halt noch so anhaben muß als junger Mensch, der sich von der uniformierten Masse abhebt. Daneben zwei andere mit dem gleichen Fummel, der aussagt, daß sie sich auch von der uniformierten Masse abheben.

Ich hab erst gar nicht verstanden, was der Knilch von mir will, weil er so geredet hat, wie man als junger Mensch so reden muß, wenn man sich von der uniformierten Masse abhebt.

Habs dann aber – trotz Bus & Eile! – aus ihm rausgekriegt (curiosity killed bekanntlich the cat): von Greenpeace sei (ah, daher der ganze grüne Plunder) er, beziehungsweise sie, und sie würden diese Woche und hier – und nestelt was herbei, das um seinen (ah, der Baumel) Hals hängt – sei sein Ausweis und …

»… und ihr wollt jetzt Geld von mir«, feix ich ihn an.
»Äh … ja«: er.
»… und das hab ich keins«, ich, immer noch guter Dinge.

Die anderen Knilche eilen ihm zur Hülf:
»Ja, aber«
»Nur noch«
»Greenpeace«
»Umwelt«

Ich: »Muß zum Bus. Hab eh kein Geld«, schon ein bisserl ungehalt’ner und geb Gas – Bus, halbe Stunde, gegenüber vom Dönermann (und neben meiner Stammkneipe, meiner einstigen (aber das ficht usw usf)).

»Wir brauchens auch erst in zwei Wochen«, knödelt Knilch zwo.

Ich seh den Bus abfahren. Und gleich dahinter den zweiten. Halbe Stunde, Dönershop, Stammkneipe (aber).

»Alter! Ich bin Künstler! Das, was ich im Monat hab, verfreßt ihr in einer Woche, mindestens. Und da fährt mein Bus!« und versenge alle drei mit meinem Flammenblick.

Ok – halbe Stunde. Ich guck die Preisliste vom Dönerladen an und frag mich, wieso ich die Preisliste vom Dönerladen anguck: Pommes Dreifuffzig, Döner Sechsfuffich, Bratwurschtn Fünfer. Nee, laß mal. Hab nochn halbes Butterbrot im Rucksack und da kommt eh der Bus.

Text, keine Korrekturen: zwanzig Minuten. Paßt doch. Und auf dem Heimweg pfeif ich mir an kleijnes Liedl.

(Aber Pause hab ich heut nicht gemacht (schon wieder (nicht)))

 

Anmerkung: das mit der halben Stunde und den keinen Korrekturen war natürlich, wie immer, nicht gelogen (damals).


Cover des Buchs "Öfter mal das Unbekannte" von Thomas Scherl
Buch »Öfter mal das Unbekannte – Geschichten und -chen« erscheint voraussichtlich im November 2025

Zu Bestellen beim Herrn Scherl über www.facebook.com/thomas.scherl.7





„Das ist doch keine Kunst“ – Strips und Cartoons in der Ludwiggalerie Oberhausen

01 Das ist doch keine Kunst, 2015 © Ruthe, Sauer, Flix

Bilder von Ralph Ruthe, Joscha Sauer und Felix Görmann hängen jetzt in Oberhausen im Schloß. Dieses Motiv ziert den Katalog. (Foto: Ludwiggalerie Oberhausen/Ruthe, Sauer, Flix)

In der Ludwiggalerie im Oberhausener Schloß hängen jetzt Cartoons und Comics an den Wänden. Ralph Ruthe, Joscha Sauer und Felix Görmann („Flix“) heißen die Zeichner, die man namentlich möglicherweise nicht kennt, deren bunte Bildgeschichten jedoch weit verbreitet sind, in Zeitungen und Zeitschriften, im Internet oder auch in Büchern auftauchen. Im Museum jedoch erwartet man Cartoons und Comics eher nicht. Gehören sie überhaupt dort hin?

Dr. Christine Vogt, Direktorin der Ludwig-Galerie, würde diese Frage jederzeit heftig bejahen und vielleicht auf vergangene Projekte verweisen. Ralph König und Walter Moers („Das kleine Arschloch“, „Käpt’n Blaubär“), die beiden wohl bedeutendsten deutschen Zeichner der Gegenwart, hatten in Oberhausen bereits ihre Einzelausstellungen. Ruthe, Sauer und Flix entstammen in gewisser Weise einer nachfolgenden Generation, sind alle in den 70er Jahren geboren, jetzt schon etliche Jahre erfolgreich im Geschäft und bieten sich somit für eine Nachfolge an.

02 Ralph Ruthe, Frühreif!, 2014 © www.ruthe.de

„Frühreif“-Dreibilderstrip von Ralph Ruthe, 2014 (Foto: Ludwiggalerie Oberhausen)

Kurz und klassisch

Ralph Ruthe erzählt seine Geschichten bevorzugt mit dem Einzelbild. Auch wenn er einmal mehrere Bilder verwendet, zielt er doch auf die eine Pointe und den spontanen Lacher. Ganz offenbar ist er ein Freund des gnadenlosen Kalauers, wenn er beispielsweise den Postboten zum Bauern schickt, weil der „ein Feld bestellt hat“. Andere Arbeiten sind poetischer, stiller, doch ein Lacher ist eigentlich immer drin. Von Ruthe stammt übrigens der meist dreibildrige Strip „Frühreif“, dessen Held ein neunmalkluger Bengel in den Wirren der beginnenden Pubertät ist und der unter anderem in der Wochenendbeilage der WAZ läuft.

Akribische Handwerker

Alle drei Zeichner, das macht diese Museumsschau deutlich, sind akribische Handwerker, die offenbar noch ganz altmodisch mit Stiften auf Papier zeichnen und nicht auf das iPad. Vorentwürfe und verschiedene Ausführungen hängen hier nebeneinander, man ahnt die Widrigkeiten, die die Animation der später so schwerelos auftretenden Strichmännchen und –weibchen in manchen Schaffensphasen bereitet. Entwurfsarbeiten sind übrigens meistens größer als die letztlich gedruckten Comics und Cartoons.

06 Joscha Sauer, NICHTLUSTIG 2, 2004 © Joscha Sauer

Abgründiges aus der Reihe NICHTLUSTIG von Joscha Sauer, 2004 (Foto: Ludwiggalerie Oberhausen)

Sensenmann und Lemminge

Eine gewisse Abgründigkeit durchzieht das Werk Joscha Sauers. Immer wieder kommt bei ihm der Sensenmann ins Spiel, haben die Lemminge Probleme mit ihrem selbstmörderischen Lebensentwurf. Und dem Hahn auf dem Hof reicht das Krähen nicht mehr, weshalb er dem Bauern bei Sonnenaufgang mit der Wasserspritze auf die Pelle rückt. Sauers Skizzenbuch, Blätter daraus sind in einer Vitrine zu sehen, hat die Anmutung eines wüsten Underground-Comics, doch seine Cartoons sind auf geradezu bedächtige Weise komponiert und ausgeführt.

Konservative Pinselführung

Konventionalität in der Ausführung fällt allerdings bei allen drei Artisten ins Auge. Auch Flix, der vor einigen Jahren dazu überging, dem männlichen Personal seiner Comics trapezförmige glatte Nasen zu verpassen, erzählt ansonsten mit eher konservativem Malduktus. Gleichwohl ist er von allen Dreien der experimentierfreudigste. Perspektiven und Formate wechseln heftig, außerdem scheint er Spaß an vielen schön widergegebenen Bilddetails zu haben. Besonders eindrucksvoll gerieten „Handtuchbilder“ aus der Vogelperspektive, die viele leicht bekleidete Frauen im Freibad auf ihren Handtüchern liegend zeigen. Das eine Männchen im Bild, das von so viel Weiblichkeit geradezu erschlagen dumm dasteht, muss natürlich sein, sonst wäre das Bild nur ein Bild und noch keine Geschichte. Aber Comics und Cartoons erzählen nun einmal abgeschlossene Geschichten, und seien sie noch so kurz. Auch die schnell hingeworfenen Animationszeichnungen von Flix, die in einer Vitrine liegen und ein bisschen an altmeisterliche Skizzenbücher denken lassen, zeugen von dessen Könnerschaft.

04 Flix, Faust, 2010 © www.der-flix.de

Faust von Flix, 2010 (Foto: Ludwiggalerie Oberhausen)

Die meisten in Oberhausen ausgestellten Arbeiten sind lieb und nett, enden keineswegs unerwartet. Amerikanische Zeichner wie Robert Crumb oder Gilbert Shelton, die in anstoßerregenden Strips einst Drogenexzesse und sexuelle Obsessionen zu Papier brachten, finden hier nicht ihre Nachfahren. Das ist kein Vorwurf, nur eine einordnende Feststellung.

Und gehört das nun ins Museum oder nicht? Unbestreitbar sind Bilder, die für Printmedien geschaffen werden, dort auch am besten präsentiert. Es ist für sich genommen nicht sinnvoll, verkürzt gesagt, Seiten aus einem Comic-Strip herauszunehmen und gerahmt an die Wand zu hängen. Die Oberhausener Schau erzählt jedoch eine Menge mehr über die drei Zeichner und ihr Werk, und angesichts der klugen und stilsicheren Präsentation verblasst die Frage nach der Sinnhaftigkeit recht bald.

  • „Ruthe Sauer Flix – Das ist doch keine Kunst. Comics und Cartoons zwischen Shit happens, Nicht lustig und Schönen Töchtern“
  • Bis 17. Januar 2016. Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, Konrad Adenauer Allee 46.
  • Geöffnet Di-So 11-18 Uhr, Eintritt 8 Euro.
  • Der empfehlenswerte Katalog erschien im Carlsen-Verlag und kostet 29,80 Euro.
  • www.ludwiggalerie.de