Gartenvernichtung mit Oberhalunkenmaschine

gartenfrevel - die riesige Oberhalunkenmaschine

Thomas Scherl: »Die riesige Oberhalunkenmaschine«, Tusche auf Zeichenpapier, 25x30cm, 2020

Der Nachbar hat ja das Haus verkauft – da, wo mein Atelier war, Ende April war Übergabe (an einen Arzt aus dem Krankenhaus übrigens, die hams ja) und seither sind dort alle möglichen Halunken zugange, die renovieren und was weiß ich.

Wer diese Burschen kennt, weiß, daß 98,7% der aufgewandten Energie in Schall umgesetzt werden, 92,3% in Dreck, 91,7% in Gestank und der Rest in das gewünschte Ergebnis.

Jetzt wütet in dem schönen alten Garten mit den schönen alten Bäumen und den schönen alten Büschen seit dem frühen Morgengrauen ein ruchloser Oberhalunke mit einer riesigen Oberhalunkenmaschine, die gleichzeitig schon tragende Bäume fällt und mundgerecht zerlegt, die Hecke und die blühende Büsche, in denen Vögel brüten, bis unter die Grasnarbe schneidet, den üppigen Rasen bis unter dieselbe mäht, die gute Mutter Erde bis dicht über den Erdkern aufwühlt und die Steine, ja, die Steine, alles gleich shreddert, pulverisiert, atomisiert und die Atome dann unter lautem Schreien der geschundenen Materie in ihre Elementarteile zerreißt, zerfetzt, zerbeißt, verletzt und meine armen Trommelfelle gleich mit und der Fallout der vernichteten Existenz legt sich wie ein Leichentuch über meine Skizzenbücher und mich.

Die Meisen, die Schmetterlinge, die Hummeln und die Bienen, die Katze, der Hund und ich verachten ihn und seine Maschine, deren Erfinder und den neuen Besitzer, der das nicht selber von Hand machen kann wie alle anderen auch, und den Geist, der meint, daß er nur genug Krach machen muß, damit was »Arbeit« ist, mit jeder Faser unserer Körper, Seelen und… tja, was noch?

Ich kann so nicht arbeiten.

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(Text und anderes auch auf scherl.blogspot.com)




„Das ist doch keine Kunst“ – Strips und Cartoons in der Ludwiggalerie Oberhausen

01 Das ist doch keine Kunst, 2015 © Ruthe, Sauer, Flix

Bilder von Ralph Ruthe, Joscha Sauer und Felix Görmann hängen jetzt in Oberhausen im Schloß. Dieses Motiv ziert den Katalog. (Foto: Ludwiggalerie Oberhausen/Ruthe, Sauer, Flix)

In der Ludwiggalerie im Oberhausener Schloß hängen jetzt Cartoons und Comics an den Wänden. Ralph Ruthe, Joscha Sauer und Felix Görmann („Flix“) heißen die Zeichner, die man namentlich möglicherweise nicht kennt, deren bunte Bildgeschichten jedoch weit verbreitet sind, in Zeitungen und Zeitschriften, im Internet oder auch in Büchern auftauchen. Im Museum jedoch erwartet man Cartoons und Comics eher nicht. Gehören sie überhaupt dort hin?

Dr. Christine Vogt, Direktorin der Ludwig-Galerie, würde diese Frage jederzeit heftig bejahen und vielleicht auf vergangene Projekte verweisen. Ralph König und Walter Moers („Das kleine Arschloch“, „Käpt’n Blaubär“), die beiden wohl bedeutendsten deutschen Zeichner der Gegenwart, hatten in Oberhausen bereits ihre Einzelausstellungen. Ruthe, Sauer und Flix entstammen in gewisser Weise einer nachfolgenden Generation, sind alle in den 70er Jahren geboren, jetzt schon etliche Jahre erfolgreich im Geschäft und bieten sich somit für eine Nachfolge an.

02 Ralph Ruthe, Frühreif!, 2014 © www.ruthe.de

„Frühreif“-Dreibilderstrip von Ralph Ruthe, 2014 (Foto: Ludwiggalerie Oberhausen)

Kurz und klassisch

Ralph Ruthe erzählt seine Geschichten bevorzugt mit dem Einzelbild. Auch wenn er einmal mehrere Bilder verwendet, zielt er doch auf die eine Pointe und den spontanen Lacher. Ganz offenbar ist er ein Freund des gnadenlosen Kalauers, wenn er beispielsweise den Postboten zum Bauern schickt, weil der „ein Feld bestellt hat“. Andere Arbeiten sind poetischer, stiller, doch ein Lacher ist eigentlich immer drin. Von Ruthe stammt übrigens der meist dreibildrige Strip „Frühreif“, dessen Held ein neunmalkluger Bengel in den Wirren der beginnenden Pubertät ist und der unter anderem in der Wochenendbeilage der WAZ läuft.

Akribische Handwerker

Alle drei Zeichner, das macht diese Museumsschau deutlich, sind akribische Handwerker, die offenbar noch ganz altmodisch mit Stiften auf Papier zeichnen und nicht auf das iPad. Vorentwürfe und verschiedene Ausführungen hängen hier nebeneinander, man ahnt die Widrigkeiten, die die Animation der später so schwerelos auftretenden Strichmännchen und –weibchen in manchen Schaffensphasen bereitet. Entwurfsarbeiten sind übrigens meistens größer als die letztlich gedruckten Comics und Cartoons.

06 Joscha Sauer, NICHTLUSTIG 2, 2004 © Joscha Sauer

Abgründiges aus der Reihe NICHTLUSTIG von Joscha Sauer, 2004 (Foto: Ludwiggalerie Oberhausen)

Sensenmann und Lemminge

Eine gewisse Abgründigkeit durchzieht das Werk Joscha Sauers. Immer wieder kommt bei ihm der Sensenmann ins Spiel, haben die Lemminge Probleme mit ihrem selbstmörderischen Lebensentwurf. Und dem Hahn auf dem Hof reicht das Krähen nicht mehr, weshalb er dem Bauern bei Sonnenaufgang mit der Wasserspritze auf die Pelle rückt. Sauers Skizzenbuch, Blätter daraus sind in einer Vitrine zu sehen, hat die Anmutung eines wüsten Underground-Comics, doch seine Cartoons sind auf geradezu bedächtige Weise komponiert und ausgeführt.

Konservative Pinselführung

Konventionalität in der Ausführung fällt allerdings bei allen drei Artisten ins Auge. Auch Flix, der vor einigen Jahren dazu überging, dem männlichen Personal seiner Comics trapezförmige glatte Nasen zu verpassen, erzählt ansonsten mit eher konservativem Malduktus. Gleichwohl ist er von allen Dreien der experimentierfreudigste. Perspektiven und Formate wechseln heftig, außerdem scheint er Spaß an vielen schön widergegebenen Bilddetails zu haben. Besonders eindrucksvoll gerieten „Handtuchbilder“ aus der Vogelperspektive, die viele leicht bekleidete Frauen im Freibad auf ihren Handtüchern liegend zeigen. Das eine Männchen im Bild, das von so viel Weiblichkeit geradezu erschlagen dumm dasteht, muss natürlich sein, sonst wäre das Bild nur ein Bild und noch keine Geschichte. Aber Comics und Cartoons erzählen nun einmal abgeschlossene Geschichten, und seien sie noch so kurz. Auch die schnell hingeworfenen Animationszeichnungen von Flix, die in einer Vitrine liegen und ein bisschen an altmeisterliche Skizzenbücher denken lassen, zeugen von dessen Könnerschaft.

04 Flix, Faust, 2010 © www.der-flix.de

Faust von Flix, 2010 (Foto: Ludwiggalerie Oberhausen)

Die meisten in Oberhausen ausgestellten Arbeiten sind lieb und nett, enden keineswegs unerwartet. Amerikanische Zeichner wie Robert Crumb oder Gilbert Shelton, die in anstoßerregenden Strips einst Drogenexzesse und sexuelle Obsessionen zu Papier brachten, finden hier nicht ihre Nachfahren. Das ist kein Vorwurf, nur eine einordnende Feststellung.

Und gehört das nun ins Museum oder nicht? Unbestreitbar sind Bilder, die für Printmedien geschaffen werden, dort auch am besten präsentiert. Es ist für sich genommen nicht sinnvoll, verkürzt gesagt, Seiten aus einem Comic-Strip herauszunehmen und gerahmt an die Wand zu hängen. Die Oberhausener Schau erzählt jedoch eine Menge mehr über die drei Zeichner und ihr Werk, und angesichts der klugen und stilsicheren Präsentation verblasst die Frage nach der Sinnhaftigkeit recht bald.

  • „Ruthe Sauer Flix – Das ist doch keine Kunst. Comics und Cartoons zwischen Shit happens, Nicht lustig und Schönen Töchtern“
  • Bis 17. Januar 2016. Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, Konrad Adenauer Allee 46.
  • Geöffnet Di-So 11-18 Uhr, Eintritt 8 Euro.
  • Der empfehlenswerte Katalog erschien im Carlsen-Verlag und kostet 29,80 Euro.
  • www.ludwiggalerie.de



In der Zeichnung zeigt sich der wahre Meister – Ausstellung in Münster reicht von Dürer bis Beuys

Von Bernd Berke

Münster. Zeichnungen gelten oft als bloße Vorstufen zu großen Ölgemälden, ja als eigentlich unfertige Kunstwerke. In Münster ist man ganz anderer Meinung. Mit der Ausstellung „Zu Ende gezeichnet“ will das Landesmuseum beweisen, daß ästhetische Abrundung und Perfektion sehr wohl auch mit dem Stift erzielt werden können.

Von Dürer über Picasso bis hin zu Beuys wartet die Schau mit rund 200 Exponaten und etlichen großen Namen auf. Alle Stücke stammen aus dem offensichtlich hervorragend bestückten Kupferstichkabinett zu Basel.

Die historische Spannweite zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert eröffnet reizvolle Vergleichsfelder. Die Geschichte schnurrt wie im Zeitraffer ab. Um 1500 war auch die Zeichenkunst ganz selbstverständlich in biblischen und mythischen Stoffen verankert, sie stand auf verläßlichem Grund. Somit war auch die Formensprache fest gefügt, denn sie spiegelte ja die weitgehend intakte kosmische Ordnung. Doch ein Bild wie Ludwig Schongauers „Vorbereitung zur Kreuzigung Christi“ muß für damalige Gemüter schockierend gewesen sein. Höchst sachlich werden hier die Instrumente zur biblischen Qual bereitet; fast so, als übe man ein ganz biederes Handwerk aus.

Kühne Ausschnitte kündigen die Moderne an

Über Berühmtheiten wie Albrecht Dürer (Bildnis des Salzburger Kardinals Matthäus Lang, um 1518), Hans Holbein den Älteren, Hans Baldung und Albrecht Altdorfer, gelangt man allmählich in die barocken Gefilde. Hier ragt natürlich ein Peter Paul Rubens (u. a.: „Die Kreuzigung Petri“, um 1638) heraus. Folgt man der chronologischen Hängung, so steht man später vor sanften romantischen Landschaften und dann – vielleicht der interessanteste Teil der Zusammenstellung – im Vorhof der Moderne.

Der Bruch kündigt sich zunächst in ganz leichten, aber schon befremdlichen Perspektiven-Verschiebungen an, in der Wahl kühner Ausschnitte. Wenn etwa der eines übertriebenen Fortschrittswahns eigentlich unverdächtige Adolph von Menzel anno 1880 den „Blick in einen besonnten Hof mit einer Frau an einer Wasserpumpe“ zeigt, so hat er die jahrhundertelang gewohnte Zentralsicht längst hinter sich gelassen. Es geht nicht mehr um Abbildung der Wirklichkeit, sondern um ihre Splitter und Essenzen. Georges Seurats „Spaziergängerin mit Sonnenschirm“ (um 1882) steht für den Übergang des festumrissenen Gegenstandes ins impressionistische Flimmern. Im Gefolge des Kubismus löst sich dann die Form vollends auf.

Spannend ist es nun zu beobachten, wie einfallsreich die Künstler seither auf den Formenschwund „geantwortet“ haben. Vielfältig und manchmal verzweifelt sind die Versuche, diesem Zustand wieder neue tragfähige Konzepte abzugewinnen. Die Skala der Möglichkeiten reicht von hauchzarten Entwürfen am Saum des Verschwindens (Wols, Cy Twombly) bis hin zu ungehobelter Kraftprotzerei („Neue Wilde“).

Die stilistische Vielfalt ist also mindestens ebenso breit wie in der Ölmalerei. Außerdem befindet man sich, indem man Zeichnungen anfertigt oder auch nur betrachtet, meist noch ein Stückchen näher am Ursprung, an der „Geburt“ der bildlichen Idee als bei geduldig ausgeführter Schönmalerei. Und: Wenn ein Künstler nicht auf der Höhe seiner Mittel wäre, so verriete sich das in der Zeichnung mitunter deutlicher, als wenn er mit Ölfarbe gar manche Schwäche überdeckt und vertuscht.

„Zu Ende gezeichnet“. Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster (Domplatz). Bis 5. November, tägl. außer montags 10-18 Uhr. Katalog 35 DM.