„Die Gleichschaltung der Bilder“ – Pressefotos in der NS-Zeit

Von Bernd Berke

Essen. Mal wurde dem Göring der Schmerbauch wegretuschiert, mal ein Foto, das Hitler mit Brille zeigte, nicht freigegeben. Doch meist bedurfte es solch eindeutiger Manipulationen gar nicht: „Die Gleichschaltung der Bilder“ – so der Titel einer jetzt in Essen eröffneten Ausstellung mit Pressefotos – erfolgte ab 1933 vielfach ohne große Reibungsverluste.

Die Originale und Reproduktionen aus Illustrierten sollen ausschnittweise die Art der journalistischen Bildberichterstattung zwischen 1930 und 1936 dokumentieren. Die Exponate, zusammengestellt vom „Berliner Forschungsprojekt zur Geschichte der Pressefotografie“, waren bisher nur an der Spree zu sehen.

Die begrenzte Auswahl kann nur Schlaglichter auf die Problematik werfen. Zuweilen vermißt man ausführlichere, erläuternde Texte. Dennoch ahnt man, daß die faschistischen Machthaber zwar im Oktober 1933 mit dem „Schriftleitergesetz“ die wenigen noch widersetzlichen Presseorgane ins Joch zwangen, sich im Großen und Ganzen aber auf die Selbstzensur der Journalisten verlassen konnten. Zudem wachte ein 23-jähriger SS-Mann als dilettierender Foto-Amateur gleich zum Leiter der Bildpressestelle im Propagandaministerium befördert, mit zwölf Hilfswilligen in der Pressemetropole Berlin über die Einhaltung der Zensur.

Illustriertenfotos, vor der Glanzzeit des Tonfilms wohl das schlagkräftigste Medium, erlebten in den letzten Jahren der Weimarer Republik ihre eigentliche Blütezeit. Doch von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaprizierte man sich schon vor 1933 auf Harmlosigkeiten oder auf vermeintlich unpolitische Sensations-Bebilderung, so daß der Übergang zu den „Kraft-durchFreude“-Illustrationen der NS-Jahre fast nahtlos erfolgen konnte. Außerdem: Durch neue Textzeilen konnte ein und dasselbe Bild einen genehmen Sinn erhalten.

Prof. Diethard Kerbs, Leiter des Projekts Pressefotografie, sucht nach weiterem Belegmaterial (Kontaktadresse: Schillerstraße 10, 1000 Berlin 12). Dies sei umso notwendiger, als die größten Bilddienste sehr einseitig archiviert hätten. Kerbs: „Vom Vorzeige-Militär Mackensen gibt es noch Hunderte von Fotos, von Carl von Ossietzky nur einige wenige.“

„Die Gleichschaltung der Bilder“. Pressefotografie 1930-36. Alte Synagoge, Essen, Alfredistraße, bis 11. März.




Farce von Dario Fo in Dortmund: Unbequeme Fragen nach dem Tod eines Anarchisten – und scharfe Kritik am Intendanten

Von Bernd Berke

Dortmund. Mitten in der Premiere des Dario Fo-Stücks „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ hielt Claus-Dieter Clausnitzer das Programmheft in die Höhe und rief, im ironischen Brustton der Überzeugung: „Wir haben hier doch keine Zensur!“

Die Zuschauer quittierten die Anspielung mit Beifall. Gemeint war die Entscheidung des Generalintendanten Paul Hager, eine erste Fassung des Programmhefts wegen einiger, nicht gerade polizeifreundlicher Karikaturen und wegen eines Aufsatzes aus der Feder von Peter-Paul Zahl nicht zu veröffentlichen. Schon vor der Aufführung, die sich übrigens auch Paul Hager nicht entgehen ließ, kursierten im Publikum achtseitige Sonderdrucke, herausgebracht von mehreren alternativen Stadtmagazinen, in denen (neben dem von Hager gestrichenen Zahl-Aufsatz) schärfste Angriffe gegen den Intendanten selbst zu lesen waren.

Neben all dem gab es auch noch Theater, und zwar nicht von der schlechtesten Sorte. Das vor elf Jahren entstandene Stück des Italieners Dario Fo rollt die höchst zwielichtigen „Zufälle“ auf, die sich bei polizeilichen Untersuchungen gegen einen Anarchisten häufen. Ihm wird ein Attentat zur Last gelegt, das in Wahrheit von Faschisten begangen wurde. Während eines Verhörs stürzt der fälschlicherweise Beschuldigte tödlich aus einem Fenster im vierten Stock des Polizeigebäudes: Selbstmord, Unfall, unterlassene Hilfeleistung? Diese unbequemen Fragen zu stellen, setzt Dario Fo die Figur des „Verrückten“ ein, der behende in jede Rolle schlüpfen kann, auch in die eines Untersuchungsrichters, der die Polizei aus einer Verwirrung in die andere stürzt.

Dario Fo hat eine Farce geschrieben, also kommt es nicht auf subtile Charakterzeichnung, sondem auf Situationskomik an. und die entfaltete sich vor dem überwiegend jungen Publikum im Studio der Dortmunder Bühnen bisweilen so turbulent, daß der Spielraum zu eng wurde. Aber dies ist eben der Preis für den Kontakt zwischen Darstellern und Zuschauern, wie er im Studio möglich ist.

Abgesehen von einigen Text-Unsicherheiten, die wohl dem Premierenfieber zuzuschreiben sind und in dem temporeichen Stück nicht sehr ins Gewicht fallen, präsentierte sich das Ensemble (Regie: Sebastian Bissmeier) in guter Spiellaune. Allen voran, stellenweise umwerfend komisch, Claus-Dieter Clausnitzer. Hervorzuheben auch Peter Loth als Polizeipräsident. Die weiteren Mitwirkenden (Barbara Blümel, Boris Burgstaller, Jürgen Mikol) spielten solide. Günter Hüttmann als Komissar Bertozzo fiel dagegen etwas ab. Freilich bot seine Rolle auch die geringsten Entfaltungsmöglichkeiten.

Die Meinung des Publikums: langanhaltender, herzlicher, für CIausnitzer sogar frenetischer Beifall mit vereinzelten Bravo-Rufen.