Im Bann der miesen Machenschaften – Andreas Maiers Roman „Der Teufel“

Eine Kindheit in den frühen 1970er Jahren, vermeintlich recht speziell und doch wohl typisch. Da wird der kleine Junge dauernd vor dem Fernsehgerät „geparkt“ und guckt schier alles weg – von der Sesamstraße bis zum „Blauen Bock“. Bald darauf bemisst sich die soziale Stellung unter Schulfreunden danach, ob jemand eine Carrera-Bahn hat oder nicht. Kommt einem irgendwie bekannt vor, wenn man ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, nicht wahr?

Immer wieder lesenswert sind all die Episoden, die Andreas Maier so unprätentiös aus seiner Kindheit und Jugend hervorholt. Was muss der Mann für einen Schatz an Notizen und Tagebüchern haben! Oder ein untrügliches Gedächtnis, gepaart mir ausschmückender Phantasie… Jedenfalls hat er Friedberg, die Wetterau, Bad Nauheim und angrenzende Gebiete nachhaltig der literarischen Landkarte einbeschrieben. Er entwirft keine großen Geschichten und erfasst doch – von unscheinbaren Rändern her – abermals einige Essenzen der 70er und 80er Jahre. Auch dieser Band ist wieder Teil seines fortwährenden Projekts der Vergegenwärtigung.

In Maiers neuem Buch „Der Teufel“ geht es wiederholt um heftig gewollte, bewusst lancierte Zuschreibungen guter und vor allem böser Eigenschaften, nicht zuletzt in den Fernsehnachrichten. Alle paar Jahre wurden dort neue „Teufel“ ausgerufen und hernach vorzugsweise flugs mit Hitler verglichen, die man bis dahin nicht einmal namentlich gekannt hatte. Beispielsweise in Panama, in Rumänien, im Irak, in Serbien (Noriega, Ceausescu, Saddam, Milosevic). Wie da auf einmal der vormals so nette und gastfreundliche Dragoslaw vom örtlichen Jugo-Grill misstrauisch beäugt wurde! Und so weiter, immer fort. Mehrfach taucht zwischendurch und gegen Ende hin der gemalte „Friedberger Teufel“ auf, wie er offenbar in der örtlichen Stadtkirche vorgefunden werden konnte, die – allen linken Umtrieben zum Trotz – eine seltsame Anziehungskraft auf den Heranwachsenden ausübt. Oder sollte dieser Teufel schließlich unversehens verschwunden sein, wie so vieles aus der Vergangenheit?

Jene Zeiten waren ein vielfaches Entweder-Oder: entweder katholisch oder evangelisch, entweder CDU oder SPD, entweder Fleischmann oder Märklin, entweder links oder spießig und (schon etwas feiner justiert): entweder Led Zeppelin oder Roxy Music. Es waren jene Jahre, als man in links sich wähnenden Kreisen Svende Merians sensibilistisch frauenbewegtes Buch „Der Tod des Märchenprinzen“ las. Um es mit einem Titel von Peter Rühmkorf zu sagen: „Die Jahre, die ihr kennt“. Im Gefolge Merians hat sich der jugendliche Erzähler fest vorgenommen, beim Debüt mit der neuen Freundin bloß nicht machomäßig zu ejakulieren. Und so sehr betont er im Nachhinein, man sei damals keinesfalls „uniformiert“ herumgelaufen, dass das Dementi geradezu eine Bekräftigung ist.

Prägnant auch jene eingestreuten Skizzen, etwa vom grotesken Tanzlehrer, vom allfälligen kollektiven Abhängen in Jugendjahren, vom geistig geschwächten Onkel, der sich in ängstlicher Beflissenheit an den schütteren Meinungsfragmenten seines Bruders (Vater des Erzählers) zu orientieren sucht, wenn sie gemeinsam Tagesschau gucken. Auch die gleichförmigen Tage der Oma, die zusehends auf den Tod zulebt, verdichten sich ebenso qualvoll wie anrührend von Zeile zu Zeile. Sodann 1989 und die Folgen: die lästigen „Ossis“, die nun auch in Hessen penetrant auftauchten und z. B. in HiFi-Geschäften begehrlich Bauklötze staunten.

Andreas Maier lotet das Verhältnis des privaten Nahbereichs zu den großen Polit-Machenschaften der Zeit aus. Die Letzteren erweisen sich als üble Kulissenschieberei, während es doch für die Einzelwesen aufs Privatleben ankommen sollte. Verfeindet sind freilich auch Zweige der Familie, die einander wiederum teuflische Eigenschaften zuschreiben. Allenthalben werden Teufel an die Wand gemalt. Fast möchte man meinen, es sei hohe Zeit für eine Teufelsaustreibung. Aber wie? Doch nicht etwa wie gehabt?

Andreas Maier: „Der Teufel“. Roman. Suhrkamp Verlag, 248 Seiten, 25 Euro.

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P. S.: Hier noch ein krittelnder Hinweis auf Seite 62, zur Nachbearbeitung empfohlen: „…und schindeten dadurch Eindruck bei den Frauen…“ ist einfach kein herkömmlich korrektes Deutsch. Oder lässt der Duden auch das schon wieder gelten?

 

 




Humor mit Fleiß und Akribie: Loriot-Werkschau in Oberhausen

Na, wenn das keine typische Loriot-Figur ist…. (© Studio Loriot)

In der etwas älteren Generation, so ungefähr ab 45 oder 50 Jahren, können eigentlich alle Leute aus Sketchen von Loriot herauf und herunter zitieren. Es reichen schon kleine Anspielungen auf Jodeldiplom oder Kosakenzipfel, auf die hochnotpeinliche Nudel im Gesicht, zwei Herren in derselben Badewanne („Die Ente bleibt draußen!“) oder ein schief hängendes Bild als Chaos-Auslöser – und schon ist man mittendrin im Schwelgen und Schmunzeln. Da könnte man glatt von einer „Generation Loriot“ sprechen.

Unter dem lakonischen Titel „Ach was“ (auch so ein unvergänglicher Loriot-Ausspruch) zeigt die Ludwiggalerie Schloss Oberhausen eine umfassende Werkschau dieses Großmeisters des feinsinnig distinguierten Humors, der 1923 als Vicco von Bülow in Brandenburg an der Havel geboren wurde und 2011 in Ammerland (Starnberger See/Bayern) gestorben ist. Der Pirol (französisch: Loriot) war übrigens das Wappentier der altehrwürdigen Familie. Womit das auch geklärt wäre.

Groteske Liebeserklärung: legendäre Nudel-Szene mit Loriot und Evelyn Hamann. (© Radio Bremen – Do Leibgirries)

Frühe Bilder im Stile Albrecht Dürers

Ganz anders als bei vielen Künstlern, die von den Eltern zu einträglichen „Brotberufen“ gedrängt wurden, hat Loriots Vater den anfangs noch zaudernden Sohn vom Kunststudium überzeugt. In Hamburg lernte Loriot die Kunst auf geradezu altmeisterliche Art. Es sind aus jenen Jahren gar Bilder im Stile eines Albrecht Dürer erhalten. Im Spätwerk hat Loriot wiederum „Große Deutsche“ wie Goethe, Richard Wagner, Nietzsche oder Thomas Mann durchaus liebevoll mit seinem mittlerweile längst etablierten Markenzeichnen, der Knollennase, versehen und ansonsten klassisch porträtiert. So ikonisch waren solche Nasen, dass sie bereits Merchandising-Figürchen inspiriert haben. Loriot hatte eben auch ein Gespür für geldwerte Trends.

Aus dem Spätwerk: Loriots Dürer-Porträt mit Knollennase (© Studio Loriot)

Die Exponate stammen zu wesentlichen Teilen aus einer Schau des Frankfurter Caricatura Museums, die für Oberhausen nochmals erweitert wurde, u. a. um eine interessante Dokumentation zu Loriots erster Ausstellung in der DDR (anno 1985, just in Brandenburg), auf die SED und Stasi erst im Nachhinein grollend aufmerksam wurden.

Werbegraphiker und Opern-Liebhaber

Vor allem mit rund 350 Original-Zeichnungen sowie Szenenbildern aus Film und Fernsehen ergibt sich eine frappierende Vielfalt, die auch Kennern von Loriots Schaffen noch etliche Neuigkeiten bieten dürfte. Nicht alle wissen beispielsweise, dass Loriot in seiner Frühzeit oft als Werbegraphiker tätig war (z. B. mit pfiffiger Reklame für Fiat-Automobile, Zigaretten oder strapazierfähige Bodenbeläge). Außerdem hat der leidenschaftliche Musikliebhaber zuweilen Opern inszeniert und dafür auch Bühnenbilder und Kostüme entworfen. Zwei seiner Szenenmodelle sind in Oberhausen zu bestaunen. Ja, sogar das nahezu niedliche Originalmodell jenes Atomkraftwerks, das bei „Familie Hoppenstedt“ in einem legendären Weihnachts-Sketch unterm Tannenbaum explodierte, ist hier zu sehen.

Doch keine „Wirtschaftswunder-Mutti“

Bemerkenswert auch die Geschichte zu Loriots langjähriger Sketchpartnerin Evelyn Hamann. Eigentlich hatte Loriot eine dralle Wirtschaftswunder-Mutti gesucht, doch dann überzeugte ihn die so ganz anders auftretende Hamann mit ihrer kongenialen Schauspielkunst. Weiterer Wissenszuwachs: Loriots berühmtes altes Sofa (in Oberhausen als halbwegs ähnliches Exemplar vorhanden) war zunächst knallrot, weil man das Potenzial des damals gerade eingeführten Farb-Fernsehens ausreizen wollte. Als derlei Effekte nicht mehr so gefragt waren, nahm man ein vergleichsweise dezentes Sitzmöbel in Grün.

Loriots Touristen-Verulkung, die beinahe schon auf Smartphone-Gepflogenheiten vorauszudeuten scheint. (@ Studio Loriot)

Beim Rundgang durch die Ludwiggalerie finden sich viele herrliche Beispiele für Loriots Sprachkunst der erzkomisch misslingenden Kommunikation, die seiner bildnerischen Hochbegabung kaum nachsteht. Überhaupt hat Loriot – auf der Basis ausgefeilter handwerklicher Fähigkeiten – die Arbeit am Humor mit geradezu „preußischer“ Akribie und unermüdlichem Fleiß betrieben. Das Leichte, das bekanntlich schwer zu machen ist… Wie es heißt, ruhte Loriot auch an Wochenenden und zu Ferienzeiten nicht. Zudem soll er an Schlaflosigkeit gelitten und zahlreiche Nachtstunden mit Texten und Zeichnen zugebracht haben. Womöglich sind dabei auch so langlebige Serien wie die über 17 Jahre im „Stern“ allwöchentlich fortgesetzten Bildergeschichten über „Reinhold das Nashorn“ entstanden.

Loriot, sozusagen mit Hunden (Möpsen) „im Handgepäck“. (© Holger Jacobs)

Mit feinem Florett gefochten

Trefflich lässt sich darüber debattieren, ob Loriots Komik recht eigentlich „harmlos“ sei. Sie ist tatsächlich niemals gemein und verletzend, sehr wohl aber hintersinnig und tiefgründig zielsicher. Sie zündet nicht sofort und direkt, dafür aber umso nachdrücklicher. Er focht filigran mit dem Florett, nicht mit dem Degen.

Während Loriots Lebenswerk aus dem Frankfurter Caricatura Museum nach Oberhausen kommt, gastiert die vorherige Oberhausener Schau über Walter Moers in der Mainmetropole. Fürwahr ein hochkarätiger Austausch. Apropos: Die „Neue Frankfurter Schule“ des parodistischen Humors (Robert Gernhardt, F. K. Waechter, F. W. Bernstein usw.) zählte zu den Bewunderern Loriots. Dass dies wohl für eine Mehrheit der Cartoon-Zunft gilt, belegt eine kleine Abteilung mit Hommage-Arbeiten jüngerer Adepten, sprich: Die „Generation Loriot“ hat ihre Erben.

Loriot – Künstler, Kritiker und Karikaturist. Noch bis 18. Mai 2025.

Neu: verlängert bis 15. Juni! Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, Konrad-Adenauer-Allee 46. Geöffnet Di-So 11-18 Uhr. Eintritt 12 Euro,ermäßigt 6 Euro. Kinder/Jugendliche bis 17 Jahre Eintritt frei. Kein Katalog, aber zwei begleitende Booklets mit je 16 Seiten zu je 5 Euro. Infos/Buchungen (Führungen) Tel. 0208 / 41 249 28. www.ludwiggalerie.de

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Der Text ist in ähnlicher Form erstmals im Kulturmagazin Westfalenspiegel (Münster) erschienen: www.westfalenspiegel.de




„Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin“: 100 Jahre Rundfunk als Massenmedium

Aus frühen Radiozeiten: historische Rundfunkempfänger im Radiomuseum Hans Necker zu Bad Laasphe. (Aufnahme von 2007: Bernd Berke)

Am 29. Oktober 1923 beginnt die Geschichte des Rundfunks als Massenmedium in Deutschland. Auf „Welle 400 Meter“ ist der Sprecher Friedrich Georg Knöpfke zu hören, wie er mit getragenem Pathos „Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin, im Vox Haus“ ansagt. In Nordrhein-Westfalen und dem besetzten Ruhrgebiet startet die Radiogeschichte jedoch erst ein Jahr später.

An jenem Oktobertag, Punkt acht Uhr abends, teilt der Direktor der „Funkstunde Berlin“ den 253 Personen, die bereits eine Hör-Lizenz besaßen, mit, „dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig. Als erste Nummer bringen wir: Cellosolo mit Klavierbegleitung, Andantino von Kreisler, gespielt von Herrn Kapellmeister Otto Urack, am Flügel Herr Fritz Goldschmidt.“

An diese erste Sendung erinnert sich Otto Urack in einem dreißig Jahre später entstandenen Interview: „… am Tag vorher hatten wir schon ein Programm zusammengestellt von einer Stunde und dieses Programm wurde am 29. Oktober vormittags nach dem Abgeordnetenhaus probeweise übertragen. Nach Ende des Konzert habe Hans Bredow, damals Staatssekretär für das Telegraphen-, Fernsprech- und Funkwesen im Reichspostministerium, angerufen: „Kinder, das hat gut geklungen, wir fangen an.“ Urack erinnert sich: „Als wir uns erkundigten, wann wir anfangen sollten, sagte er: Heute Abend.“

Anregung für ein „freudloses Volk“

Bredow erkennt weitsichtig, dass sich der „Rund-Funk“ für jedermann als neues Massenmedium eignet. Vorher hatte es nach ersten militärischen Experimenten ab 1920 die Ausstrahlung von Wirtschaftsnachrichten für Banken und von aktuellen Mitteilungen für Journalisten und Presseorgane gegeben. Bredow umreißt die Aufgabe der neuen technischen Möglichkeit, Worte und Musik zu übertragen: Der Rundfunk solle einem „freudlosen Volk“ Anregung und Freude bringen, es durch künstlerisch und geistig hochstehende Vorträge aller Art unterhalten. Er sollte mit seinen Sendungen der geistigen Verarmung der Bevölkerung entgegenwirken, für Erholung und Zerstreuung sorgen und die Arbeitsfreude steigern.

Der erste Käufer einer Lizenz ist der Berliner Zigarettenhändler Wilhelm Kollhoff. Nur mit der Hörgenehmigung kann er sich einen Radioapparat bei Telefunken bestellen. Aber schon ein halbes Jahr nach dem Start des Rundfunks überschreitet die Zuhörerzahl der Funk-Stunde die Marke von 100.000. Schnell gründen sich weitere Rundfunkanstalten: Noch 1923 der Südwestdeutsche Rundfunkdienst in Frankfurt (SWR), 1924 der Mitteldeutsche Rundfunk in Leipzig, die Deutsche Stunde in Bayern in München, die Nordische Rundfunk AG (Norag) in Hamburg und in Bremen. Da im besetzten Ruhrgebiet kein Sender eingerichtet werden darf, sendet die Westdeutsche Funkstunde AG (WEFAG) ab 10. Oktober 1924 aus Münster. Erst 1925 werden die „Nebensender“ Dortmund und Elberfeld eingerichtet; der Münsteraner Sender ein gutes Jahr später nach Köln verlegt. Die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft in Berlin fasst 1925 die regionalen Sender unter einem Dach zusammen. Da war die Zahl der Rundfunkteilnehmer schon auf über eine Million angestiegen.

Fußball live im Radio

Das Interesse an der technischen Neuentwicklung ist gewaltig. Noch 1924 findet in Hamburg die erste Funkausstellung statt. 1925 strahlt der Nordische Rundfunk mir Richard Hughes‘ „Gefahr“ das erste Hörspiel in Europa aus. Am 1. November kommentiert Bernhard Ernst erstmals live ein Fußballspiel im Radio – eine Begegnung von Preußen Münster und Arminia Bielefeld; im folgenden Jahr schon gibt es die erste Live-Übertragung eines Länderspiels (Deutschland – Niederlande) aus Düsseldorf. 1927 ordnet die Internationale Weltfunkkonferenz in Washington Frequenzen und Wellenbereiche weltweit.

Eine Sendung aus den Pioniertagen des Rundfunks hat bis heute überlebt: Mehr als 3.500 Mal war seit 9. Juni 1929 das Hamburger Hafenkonzert zu hören, das am Sonntagmorgen ausgestrahlt wird. In dieser Zeit werden Sendeanlagen in ganz Deutschland ausgebaut, auch die Radiogeräte entwickeln sich stürmisch weiter. Der Röhrenempfänger mit Lautsprecher erobert den Markt. Die Nationalsozialisten erkennen den Nutzen des Rundfunks für propagandistische Zwecke. Die selbständigen Rundfunkgesellschaften werden aufgelöst.

Joseph Goebbels sieht in dem Medium „das aller modernste und … aller wichtigste Massenbeeinflussungsinstrument, das es überhaupt gibt“. Der „Volksempfänger“ sollte den Rundfunk weiter popularisieren. Führerreden werden übertragen, Kriegsberichtserstattung nimmt breiten Raum ein. Die pathetische Hymne aus Franz Liszts „Les Préludes“ ist bis heute vergiftet durch den Missbrauch als Ankündigung für Sondermeldungen von der Front.

„Radio Hamburg“ und der WDR

Nach dem Krieg bauen die Alliierten den Rundfunk schnell wieder auf. Schon am Tag der Besetzung Hamburgs, am 4. Mai 1945, beginnt „Radio Hamburg“ mit dem Sendebetrieb im unzerstörten Funkhaus unter der Aufsicht britischer Offiziere. Im Herbst 1945 wird in allen Zonen ein Vollprogramm ausgestrahlt. In der Sowjetzone entstand aus dem „Berliner Rundfunk“ der künftige, staatlich gelenkte Rundfunk der DDR mit fünf Programmen. Im Westen entwickeln die Briten mit dem am 1.  Mai 1948 lizenzierten Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) die spätere Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit einem Verwaltungsrat, bestehend aus Vertretern aller gesellschaftlichen Gruppen, als Kontrollgremium.

Die neu entstandenen Landesrundfunkanstalten schließen sich 1950 zur ARD zusammen. Am 25. Dezember 1952 fällt nach zwei Versuchsjahren der Startschuss für ein reguläres Fernsehprogramm. Die erste „Tagesschau“ einen Tag später können nur 1000 Haushalte empfangen. Am 1. Januar 1956 entstehen aus dem NWDR die beiden selbständigen Rundfunkanstalten NDR und WDR mit seinem Hauptsitz in Köln.

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Die „Geburtstagssendung“ des WDR: https://www1.wdr.de/radio/wdr3/thementag-hundert-jahre-radio-102.html?wt_mc=mail.wdr.newsletter.Happy+Birthday%2C+liebes+Radio.link

Im Technoseum Mannheim ist noch bis 12. November 2023 die Sonderausstellung „Auf Empfang! Die Geschichte von Radio und Fernsehen“ zu sehen: https://www.technoseum.de

In Königs Wusterhausen bei Berlin erinnert das Museum Funkerberg u.a. an die Sendestelle, von der 1920 das erste Rundfunkkonzert ausgestrahlt wurde: https://museum.funkerberg.de/

Historische Rundfunksendungen sind u.a. hörbar auf https://www.swr.de/swr2/wissen/archivradio/

 




Podcasts überall – Tipps aus Politik, Kultur und Fußball

Links die derzeit liebsten Radiosender, rechts dito Podcasts und Mediatheken-Inhalte: Meine (teilweise temporären) Favoriten-Listen auf der geschätzten Seite radio.de (Screenshot: BB)

Zugegeben: Ich bin reichlich spät an der Reihe, habe ich mich doch erst in jüngster Zeit darauf verlegt, gelegentlich Podcasts zu hören. Jetzt aber!

Diese Form der akustischen Versorgung scheint die herkömmlichen Angebote der Radio-Stationen seit einiger Zeit geradewegs zu überwuchern. Unschätzbarer Vorteil: hören, wann immer es genehm ist; nach Gusto unterbrechen und den Faden später neu aufnehmen. Nicht nur das „lineare“ Fernsehen hat weithin abgedankt, auch das Radio nach festem Programmschema hat wohl seine besten Zeiten hinter sich. Doch Radioleute, vor allem aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor, und überregionale Zeitungen mischen bei den Podcasts kräftig mit. Bei den großen Blättern hat praktisch jedes Ressort wenigstens einen eigenen Podcast. Mit entsprechendem Know-how kann inzwischen praktisch jede(r) einen Podcast aufsetzen, so wie theoretisch auch alle Leute Bücher im Selbstverlag herausbringen können.

Längere Strecken ohne lästiges Gedudel 

Zuallermeist können Podcasts kostenlos gehört werden. Kurze Werbeunterbrechungen scheinen allerdings hie und da zuzunehmen. Tatsache ist: Es gibt inzwischen Abertausende von Podcasts aller denkbaren Genres, allein schon in deutscher Sprache. Wenn man dann noch die anglophonen Angebote hinzunimmt, wird’s schon etwas unübersichtlich. Jedenfalls ist eine spezialisierte Suche unabdingbar (dazu zwei Hinweise am Schluss dieses Beitrags).

Einige Podcasts weisen erstaunliche Zugriffszahlen auf. Das lässt buchstäblich aufhorchen, deutet es doch darauf hin, dass viele Menschen sich auf ausgedehnte Mono- und Dialoge ohne ständiges Gedudel einlassen. Sie sind offenbar weitaus schlauer und geduldiger, als manche Radio- und Fernsehmacher glauben. Eine Stunde oder gar 90 Minuten unterbrechungsfreies Sprechen – wie wohltuend kann das im Glücksfalle sein; wie tief- und hintergründig, wie bereichernd.

Eine beliebte Herangehensweise ist jene, zwei möglichst intelligente und/oder gewitzte (zudem gern wenigstens halbwegs prominente) Leute miteinander plaudern zu lassen – entweder über „Gott und die Welt“ oder über allerlei Besonderheiten. Bei solchen, oft recht munteren Diskursen kommen durchaus originelle Kombinationen mit Reibungspotenzial zusammen. Oder es treffen Leute aufeinander, die herrlich miteinander harmonieren.

Wohltuende Distanz zur täglichen Aufregung 

Doch reden wir nicht noch weiter um den heißen Brei herum. Es folgen ein paar Tipps aus verschiedenen Sparten:

Sehr angenehm überrascht bin ich z. B. vom Format „Gysi gegen Guttenberg“ (erscheint wöchentlich – auch via YouTube), das den altbekannten Politiker der Linkspartei, Gregor Gysi, und die einstige, vermeintlich kanzlertaugliche, hernach ziemlich unsanft abgestürzte CSU-Hoffnung Karl-Theodor zu Guttenberg zusammenspannt. Beide sind außerordentlich eloquent, beide haben reichlich Erfahrungen im Politik-Betrieb gesammelt und können auch anekdotisch aus dem Vollen schöpfen. Wichtiger noch: Beide haben eine wohltuend entspannte Distanz zu den (partei)politischen Aufregungen des Tages gewonnen, sie betrachten das Ganze gleichsam von höherer Warte, ohne arrogant herabzublicken. Bislang habe ich drei (jeweils fast einstündige) Folgen der empfehlenswerten Reihe gehört. Eine handelte vom Wesen der Wahlkämpfe, eine andere vom Mit- und Gegeneinander der Politik und der Medien, eine dritte vom Aushalten harscher Meinungskämpfe in Zeiten grassierenden Wutbürgertums.

Verbale Doppelpässe sondergleichen

Mindestens ebenso angetan bin ich vom Fußball-Podcast „Zeigler & Köster“ (wöchentlich). Arnd Zeigler ist bekannt durch seine hellwache TV-Sendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“, Philip Köster firmiert als Chefredakteur des gleichfalls fröhlich aufgeweckten Fußball-Magazins „11 Freunde“. Beide als Kenner des Metiers zu bezeichnen, wäre untertrieben. Sie verfügen über stupendes Fußball-Wissen bis in abstruse Details hinein. Oft werfen sie einander fast schon vergessene Kicker-Namen und Jahrzehnte zurückliegende Vorfälle auf und neben dem grünen Rasen derart um die Ohren, dass es nur so seine Art hat. Sie spielen sich die verbalen Bälle zu, als vollführten sie atemberaubende Doppelpässe, Fallrück- oder Seitfallzieher und dergleichen. Wenn’s drauf ankommt, argumentieren sie ernsthaft und meinungsstark, doch kosten sie auch gut und gerne die humoristischen Valeurs der Fußball-Betrachtung aus. Großer Sport!

Innenansichten aus dem Literatur-Betrieb

In ein anderes Regal gehört der vom Hanser-Verlag lancierte Podcast „Hanser Rauschen“ (vierzehntägig), der von der Lektorin Emily Modick und dem Lektor Florian Kessler bestritten wird. Hier geht es keineswegs nur um Hanser, sondern generell um Ansichten aus dem Literatur-Betrieb. Die vollmundige Eigenwerbung setzt noch etwas drauf: „Es geht um Skandale und Strukturen, Stoffe und Ekstasen – um alles, was in Bücher passt und außenrum passiert.“ Die recht muntere Plauderei wird ein klein wenig getrübt durchs allzu routiniert abgespulte „Gendern“. Doch lohnt es sich, ins Rauschen ab und zu mal reinzulauschen. Solche Insider-Perspektiven zur Bücherwelt bekommt man sonst nicht alle Tage serviert. Zuletzt ging es um „Gossip“ (also Klatsch und Tratsch) im Literatur-Betrieb. Anspielungsweise war etwa von #MeToo in der Buchbranche die Rede. Wer allerdings gehofft haben sollte, hierbei konkrete Namen zu hören, musste freilich enttäuscht werden. Modick und Kessler wollen ja auch ihre spannenden Jobs behalten.

Vergleichsweise nüchtern mutet der NDR-Podcast mit dem schlichten Titel „Die Idee“ (in loser Folge) an. Hier führt der Redakteur Norbert Grundei ausgiebige Gespräche mit wechselnden Gästen. Ich bin zunächst auf eine Ausgabe gestoßen, in der sich Oliver Kalkofe zur Entwicklung des Fernsehens äußert, und zwar durchaus erhellend und plausibel. Eine seiner Grundthesen: Nahezu jedes Medienformat habe eine anfänglich wilde und ungemein kreative Phase – bis jene oberschlauen „Optimierer“ hereinschneien, die den Machern erzählen wollen, wie das alles noch besser und lukrativer geht. In aller Regel handelt es sich dabei um Verschlimmbesserungen bis hin zum völligen Niedergang. Ob von dieser Entwicklung auch der eine oder andere Podcast betroffen ist?

Es geht auch ohne Lanz, Precht und Beisenherz

Schließlich noch ein Blitzlicht auf „Megahertz“ (wöchentlich), einen Podcast aus dem Hause Neue Zürcher Zeitung (NZZ), die politisch teilweise in trüben Gewässern fischt, hier aber offenbar unterhaltsame Plauderstückchen anrichtet. Versuchs- und versuchungsweise reingehört habe ich in ein Gespräch mit der Berliner Porno-Produzentin Paulita Pappel, die freilich mittlerweile allüberall als Gast oder – wie die erklärte Feministin wohl sagen würde:  „Gästin“ (natürlich auch bei Böhmermann) – „herumgereicht“ worden ist, weil sie so zeitgeistig über Sex zu reden versteht. Seltsam genug: Es inspiriert und nervt gleichermaßen. Man müsste halt noch ein paar anderweitige Hörproben nehmen, um das „Megahertz“-Angebot fundierter zu beurteilen.

Wer nun Hinweise auf Blockbuster der Szene vermisst, beispielsweise auf „Lanz & Precht“ oder auf „Apokalypse & Filterkaffee“ (täglich) mit dem umtriebigen Micky Beisenherz (und Gästen wie Benjamin von Stuckrad-Barre oder Markus Feldenkirchen), der/die möge sich das halt anhören. Mir ging es hier um Entdeckungen, wenn nicht um „Geheimtipps“. Lanz kommt oft genug im TV, die Dauer-Kombi mit Precht mag ich persönlich gar nicht ***. Wie aufgekratzt und kreischig der hyperdynamische, womöglich doch etwas überschätzte Beisenherz die Schlagzeilen der Stunde durchhechelt, geht mir auf den Wecker. Eine Folge habe ich tapfer durchgestanden. Weiterer Bedarf besteht kaum. Was darf man denn auch von einem Gehetzten erwarten, der tagtäglich ran muss (bzw. zu müssen glaubt)?

Und wie finden sich passende Podcasts? Nun, beispielsweise über die Suchfunktion von Websites wie radio.de oder podcast.de Es möge fruchten.

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Nachtrag:

*** Erst recht nicht nach Prechts abgründigen Äußerungen zu Israel und zu dem, was er unter Judentum „versteht“.




Louis Klamroth und das hitzige Klima beim WDR

Louis Klamroth, seit 9. Januar 2023 Moderator bei „hart aber fair“. (Foto: © WDR/Thomas Kierok)

Dies vorangeschickt: Ich bin froh, dass es im Westen den WDR gibt und wir nicht nur von privaten Dudelsendern beschallt oder beflimmert werden. Jedoch war ich mit dieser Präferenz früher deutlich mehr im Reinen als jetzt, hat sich der Westdeutsche Rundfunk doch vielfach mit seinem Niveau abwärts anbequemt.

So bangt man denn auch zusehends (nicht nur) mit diesem öffentlich-rechtlichen Sender, dass er sich mit seinem Gebaren bitte nicht noch angreifbarer mache und damit allerlei Populisten auf den Plan rufe, die ihm am liebsten gleich den Geldhahn zudrehen wollen.

Der neueste Vorfall in dieser unguten Richtung dreht sich um die montägliche TV-Sendung „hart aber fair“, genauer: um Louis Klamroth (33), der die Talkrunde kürzlich als Nachfolger des langjährigen Moderators Frank Plasberg übernommen hat und (nebenbei bemerkt) bei seiner Premiere recht handzahm zu Werke gegangen ist.

Liiert mit der „Aktivistin“ Luisa Neubauer

Na und? Ist nicht dennoch alles in bester Ordnung? Nicht ganz. Klamroth hat offenbar in der Einstellungsphase verschwiegen, was wohl nur Insidern bekannt gewesen sein dürfte: Er ist mit der Klima-„Aktivistin“ Luisa Neubauer liiert. Da mag der Verdacht keimen, dass er – zumindest bei bestimmten Themen – in Interessenkonflikte gerät. Gut möglich, dass ihm das auch selbst bewusst gewesen ist, sonst hätte er ja rechtzeitig aktiv darauf hinweisen können. So aber hat er die öffentliche Bekanntgabe seiner beruflichen Veränderung erst einmal abgewartet und erst danach verraten, was eventuell gegen die Regeln des Senders verstößt.

Gewiss: Louis ist nicht Luisa, er hat seinen eigenen Kopf und sein eigenes journalistisches Ethos. Dennoch bleibt ein mulmiges Gefühl: Warum hat er nicht zeitig für Transparenz gesorgt? Er hätte damit etwaigen Widersachern den Wind aus den Segeln nehmen können. Oder er hätte den lukrativen Job vielleicht gar nicht erst bekommen…

Das Ganze schlägt jetzt hohe Wellen, wenn man einem Bericht der springerschen „Welt“ glauben darf. Der Rundfunkrat des Senders scheint demnach bereit zu sein, in seiner nächsten Sitzung am Dienstag (31. Januar) die WDR-Chefetage (Intendant Tom Buhrow, Programmdirektor Jörg Schönenborn) frontal zu attackieren. Ein Teil, wenn nicht eine Mehrheit des Aufsichtsgremiums moniert nicht nur die verspätete Bekanntgabe der Beziehung Klamroth/Neubauer, sondern auch und vor allem die Tatsache, dass Buhrow und Schönenborn trotz allem unverdrossen (oder auch stur) an Klamroth festhalten.

Wann die Regeln gelten – und wann nicht

Die Einlassung der WDR-Spitze mutet grotesk und rabulistisch an. Laut „Welt“ machen die Bosse geltend: „Klamroth sei schließlich erst nach seiner Vertragsunterzeichnung Mitarbeiter des WDR geworden – vorher hätten die Regeln für ihn nicht gegolten.“ Aber vielleicht just m i t der Vertragsunterzeichnung? Welch schönes Thema für juristische Debatten!

Ungeschickt auch der Umgang des WDR mit einer weiteren Entgleisung, die der Rundfunkrat ebenfalls als Thema aufrufen will. Dabei geht es laut „Welt“ um den Fall eines anderen WDR-Moderators, der in seinem Instagram-Kanal ein Video mit der Titelzeile „Die CDU ist unser Feind“ eingestellt hat. Dazu der WDR an die Adresse der „Welt“: Der Sender übernehme „keinerlei Verantwortung für die privaten Äußerungen von wem auch immer.“ Da lässt sich nur noch mit Loriot antworten: „Ach was“.

Bliebe noch zu klären, welches Thema Louis Klamroth jetzt in „hart aber fair“ aufgreifen möchte. Doch nicht etwa…? Oh doch! Für den morgigen Montag (21 Uhr) angekündigt: „Letzte Abfahrt: Wie verändert die Klimakrise Alltag und Leben?“ *

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  • Auf der Gästeliste des Klima-Talks am Montag, 30. Januar 2023 (ARD, 21 Uhr):
  • Gitta Connemann, CDU-Bundestagsabgeordnete; Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT)
  • Sven Plöger, Meteorologe und ARD-Wetterexperte
  • Konstantin Kuhle, FDP, stellv. Fraktionsvorsitzender
  • Aimée van Baalen, „Aktivistin“ und Sprecherin der „Letzten Generation“

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Kurzer Nachtrag am Ende der Sendung:

Der Wahrheit die Ehre: Louis Klamroth hat sich keine Blöße gegeben und beim Klima-Thema die Neutralität – so gut es ging – gewahrt. Die „Aktivistin“ Aimée van Baalen musste es sich unter seiner Leitung gefallen lassen, dass sich die Mehrheit der Diskussionsrunde entschieden gegen sie und ihre kruden Ideen von einem „Gesellschaftsrat“ stellte. Ein solcher Rat aus Experten und „normalen Bürger*innen“ soll nach ihrer Auffassung in Klimafragen entscheidend sein – an allen gewählten parlamentarischen Gremien vorbei. Wer soll denn eigentlich die Zusammensetzung eines derartigen „Gesellschaftsrates“ bestimmen?

Noch’n Nachtrag

Nun wird eine etwas andere Version aus dem Hut gezaubert. Klamroth habe den WDR Ende August 2022 „über seine Beziehung informiert, deutlich vor Abschluss des Vertrages.“ (Zitat aus dem „Focus“)  Der WDR hatte freilich schon Mitte August seine Entscheidung für Klamroth veröffentlicht, jedoch seien die Vertragsgespräche erst zum Ende des Jahres abgeschlossen worden, heißt es vom Sender. So ähnlich muss es sich wohl anhören, wenn jemand rumeiert.

 




Béla Réthy: Zum Schluss ein paar kleine Lektionen

Fußballreprter Béla Réthy im April 2018 bei einer Pressekonferenz. (Wikimedia Commons, © Olaf Kosinsky / http://www.kosinsky.eu / Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

Staatsaffäre höchsten Ranges: Ein deutscher Fernseh-Fußball-Reporter hört auf. Nach Jahrzehnten. Im ZDF. Béla Réthy. Ach, du meine Güte!

Im WM-Halbfinale Frankreich – Marokko (2:0) hat er seine letzte Messe gelesen. Gottlob gemeinsam mit dem vor nicht allzu langer Zeit emeritierten Ex-Fußballstürmer Sandro Wagner. Der kennt sich nämlich verdammt gut aus und weiß es auch zu kommunizieren. Herrlich, wie dieser Jungspund dem Beinahe-Rentner Béla Réthy auf dessen alte Tage noch ein paar kleine Lektionen erteilt hat, die dieser viel früher hätte gebrauchen können.

Vielleicht wäre Réthy einem ungleich sympathischer gewesen, wenn er einen anderen Job ausgeübt hätte. Synchronsprecher beispielsweise. Mit dieser Kettenraucher-Reibeisen-Stimme. Es hat nicht sollen sein (auch so ein üblicher Reporter-Spruch).

Wie zu lesen war, bekannte sich Béla Réthy bis zum Schluss zur „präsenten Prosa“, sprich: Er wollte spontan reden und mochte sich angeblich nicht groß vorbereiten – anders als der weitaus jüngere, furchtbar eingebildete WC Fuss, der sich auch in den sozialen Netzwerken umtut, bevor er kommentiert. Ungefähr so: „Spieler XY stellt seinen Kumpanen bei Instagram Buchstabenrätsel, schauen Sie mal rein. Es ist lustig.“

Nun ja, Béla Réthy hat sich ebenfalls vorbereitet. Aber eben nach Art seiner Generation. Eher so mit Karteikarten. Old school also. Unvergessen, wie er einst am Mikro das Aussehen eines Spielers mit einer Klobürste verglichen hat. Jetzt bedauert er derlei verbale Eskapaden.

Gerade heute, wo er Spielernamen hätte verwechseln dürfen, hat er es (offenbar) nicht so getan wie sonst. Schön aber, wie er in Katar über die Marokkaner gesagt hat: „Sie sind vielfach hier in Europa geboren.“ Is‘ klar, Béla. Schwamm drüber.

Unvergessliche Brüllwitz-Dialoge auch heute:

Réthy: „Sie (die Franzosen) sind ja auch Weltmeister…“
Wagner: „Du doch auch, oder?“
Réthy: „Noch nicht.“

Vielleicht ja jetzt. Parallel zur Rente. Wie alle, die das Berufsleben weitgehend hinter sich haben. Lauter Weltmeister.

Beide tippten übrigens auf Frankreich als neuerlichen Titelkandidaten. Messi hin, Messi her. Wir werden sehen.

Geradezu rührend Réthys Altersmilde: „Wir verteilen hier keine gelben Karten.“ Stimmt auffallend. Dafür sind tatsächlich andere Leute zuständig.

Schließlich dann doch noch der Köpper ins Klischee. Da die arabische Welt massiv beteiligt war, musste noch der Kracher von „1001 Nacht“ rausgehauen werden. Ehrensache. In diesen Kreisen. Neulich hat noch ein erbarmungswürdiger Kollege zu den Argentiniern „Dann Gute Nacht, Gauchos“ gesagt. Wie einst Heribert Faßbender. Aber 2022. Ich glaube, es war einer von „Magenta TV“ („Mehr WM geht nicht.“). Da sehnt man sich im Voraus fast schon nach Béla Réthy zurück.

Und was ist jetzt mit hundsgemeinen Facebook-Gruppen wie „Béla Réthy gefällt mir nicht“? Nun, irgendwen werden sie schon als Nachfolger(in) finden.

Nicht, dass uns am Ende doch noch seine Stimmlage fehlen wird…




Im Haifischbecken der Berliner Politszene – Christoph Peters‘ Roman „Der Sandkasten“

Lang ist’s her: Anno 1953 erschien Wolfgang Koeppens legendärer Roman „Das Treibhaus“, der den Politbetrieb der frühen Bonner Bundesrepublik famos zur Sprache brachte. Großer Zeitsprung: 2018 erhielt der Schriftsteller Christoph Peters just den Wolfgang-Koeppen-Preis. Jetzt legt Peters‘ seinen Roman „Der Sandkasten“ vor, in dem er sich (in bewusster Anknüpfung an den großen Vorläufer) anschickt, aus dem Maschinenraum des jetzigen Berliner Polit- und Medienbetriebs zu plaudern.

Peters‘ Protagonist heißt Kurt Siebenstädter und gilt mit seinen 51 Jahren als einflussreichster Hörfunkjournalist Deutschlands, gleichermaßen geachtet und gefürchtet wegen seiner zupackenden, entlarvenden Art der Gesprächsführung, die schon manchen Gast in Verlegenheit gebracht hat. Siebenstädter ist Skeptiker durch und durch, er vertritt keinerlei parteinahe Überzeugung und traut sich gerade deshalb, von solcher Warte aus Prominente jeder Couleur herzhaft bloßzustellen. Dennoch drängeln sich Politiker in sein Morgenmagazin, wenn sie Botschaften lancieren wollen. Fast wirkt es tatsächlich wie ein Sandkastenspiel. Aber Vorsicht!

Klima einer neuen Ernsthaftigkeit

Das gesellschaftliche Klima hat sich gewandelt, so dass weder Politiker noch bekannte Medienleute sicher im Sattel sitzen. Die Zeit der lässigen Ironie ist vorbei, eine neue Ernsthaftigkeit und ein „woker“ Puritanismus haben Einzug gehalten. Figuren wie Siebenstädter sind vor diesem Hintergrund längst nicht mehr unumstritten. Es mehren sich die Zeichen: Gerade jetzt sieht es so aus, als dürfe er sich keinen Schnitzer mehr erlauben. Ausgerechnet er, der altgediente Zyniker, der selbst schon so manchen peinlichen Skandal aufgedeckt oder „ausgeschlachtet“ hat. In dieser wackligen Situation bekommt er einen Hinweis auf mögliche Verfehlungen eines Spitzenpolitikers. Wie wird er mit dem riskanten Tipp umgehen? Wird’s ein Befreiungsschlag – oder kommt etwas Selbstzerstörerisches ins Spiel?

Viel Freude beim Figurenraten

Wie es sich aus den Zeitläuften so ergibt, spielt die Geschichte im November 2020 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und erweist sich als Schlüsselroman, in dem u.a. Statthalter von Jens Spahn, Karl Lauterbach und Christian Lindner aufzutreten scheinen. Den Namen Garbsen darf man überdies wohl mit Drosten kurzschließen. Na, und so weiter. Viel Freude beim Enträtseln. Christoph Peters dementiert im Vorspruch freilich jede Nachbildung lebender Personen.

Tiefere Einblicke in den intriganten Berliner Betrieb halten sich allerdings in Grenzen, die Befunde entsprechen weitgehend den Vorstellungen, die sich weite Kreise der Bevölkerung eh schon davon machen. Stichwort Haifischbecken. Stichwort lauter furchtbar wichtige Leute. Stichwort Jahrmarkt der Eitelkeiten. Nebenbei: Dass man heutzutage Bilder elektronisch manipulieren kann, erweist sich als überflüssiger Exkurs. Und noch mehr nebenbei, mit Gruß ans Lektorat: Es heißt korrekt „krakeelen“, nicht „krakelen“.

Unverhoffte Bedeutung des Hörfunks

Verwunderlich, dass hier der Hörfunk noch einmal als Leitmedium fungiert. Schön wär’s ja vielleicht. In Wahrheit dominiert doch das Audiovisuelle seit vielen Jahren. Oder ist’s ein von Peters bewusst gesetzter Anachronismus, der auf die Zeiten von Wolfgang Koeppen zurückverweist? Ein Effekt scheint immerhin zu sein, dass sich praktisch alle Hörfunk-Feuilletons sogleich auf das Buch gestürzt haben.

Erwartbarer Standard sind die Passagen, in denen von allerlei kriselnden Ehen im Polit- und Medienzirkus die Rede ist. Siebenstädter selbst hat sich mit der Deutsch- und Geschichtslehrerin Irene gründlich auseinandergelebt, auch ist ihm die Tochter Nora herzlich gleichgültig, was wiederum auf Gegenseitigkeit beruht. Was bliebe denn, wenn jetzt noch der berufliche Abstieg folgen sollte? Eröffnet sich etwa gerade noch rechtzeitig die Chance auf einen lukrativen Parteijob?

Man lauscht ja recht gerne in diese Promi-Szene hinein. Also liest sich der routinierte Roman recht zügig und munter, er verlangt kompositorisch und stilistisch nicht allzu viel ab. Mit derlei grundsolider Unterhaltung jedoch den Vergleich mit Wolfgang Koeppen zu suchen und geradezu herauszufordern, könnte ein gewagtes Unterfangen sein.

Christoph Peters: „Der Sandkasten“. Roman. Luchterhand. 256 Seiten, 22 Euro.




Nena, Grobschnitt, Extrabeit – Ausstellung zum 275. Stadtjubiläum erinnert an Hagens Rock-Vergangenheit

Im heimatkundlichen Angebot der Hagener Jubiläumsausstellung sind selbstverständlich auch alte Postkarten. (Bild: Stadtarchiv Hagen/Osthausmuseum)

Die schwarze Reiseschreibmaschine Ernst Meisters steht hier, die farbbedeckte Staffelei Emil Schumachers. Einen alten Kinderwagen hat man auf das Podest gehoben, biedermeierliche Möbel fördern nostalgische Empfindungen. Und an den Wänden setzt eine auf Eindruck bedachte Malerei vergangener Jahrhunderte wichtige Männer in Szene.

Hagen im Heimatmuseum ist eigentlich nichts Besonderes – sieht man einmal davon ab, dass das Heimatmuseum seine Bestände nun im Osthaus-Museum aufgebaut hat. Anlass ist das 275-jährige Stadtjubiläum, das hier mit einem eindrucksvollen Ausstellungsprojekt gefeiert wird, Titel: „Hagen – die Stadt“.

Karl-Ernst Osthaus ist noch sehr präsent

Ein weiterer zentraler Raum ist voll von Portraitfotos, großen und kleinen, alten und neuen. Er soll dem Publikum wohl vermitteln, dass die Menschen die Stadt ausmachen, keine ganz neue Erkenntnis. Doch was fällt einem zu Hagen außerdem noch ein? Was ist das Besondere? Da wäre natürlich Karl-Ernst Osthaus zu nennen, Industrieller, Sammler und Förderer der modernen Kunst im frühen 20. Jahrhundert, dem das Museum seinen Namen verdankt. Die Architektur des Gebäudes, die bauliche Leichtigkeit und Jugendstil so entspannt verbindet, atmet immer noch den Geist dieses Mäzens. Und auch die heutigen Bestände, die leider nicht identisch sind mit der nach Essen verkauften Sammlung, lassen an die vergleichsweise glücklichen Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise denken.

Auch das ist Hagen: Rockband Grobschnitt im Jahr 1978. (Bild: Ennow Strelow/Osthausmuseum)

Hotspot

Mehr als ein halbes Jahrhundert danach sind die ortstypischen Sensationen von ganz anderer Art. Anfang der 1970er Jahre wird Hagen zu einem Hotspot der deutschen Rockmusik. Die Gruppe „Grobschnitt“ erregt bundesweite Aufmerksamkeit, „Extrabreit“ formieren sich, ebenso Nena Kerners erste Kapelle mit dem Namen „Stripes“. „Mein Mann hat den Bass gespielt“, erinnert sich Heike Wahnbaeck bei der Präsentation der üppigen Grobschnitt-Abteilung im Souterrain des Museums. Sie hat diesen Teil der Jubiläumsausstellung erarbeitet, mit zahlreichen Fotos, Plakaten, Zeitungsausschnitten, Videos und Tourneeplänen.

Eine komplette Bühne ist aufgebaut, Besucher bestaunen die antike Technik, die teilweise doch recht zeitlos wirkt. Wichtig ist Frau Wahnbaeck, dass es nicht nur um einige bekannte Bands, bekannte Musiker ging. Hagen, erinnert sie sich, war damals auch ein Zentrum für Studio- und Bühnentechnik, kaum irgendwo sonst waren die Roadies so professionell wie hier. Viele Fotos zeigen sie traut vereint, die Musiker und die Männer, die schleppten, schraubten und pusselten, damit die Gigs wie geplant über die Bühnen gehen konnten. Rund 50 Jahre sind seit den Anfängen vergangen, und das Jahr der Abschiedstournee, 1989, liegt auch schon über 30 Jahre zurück.

Hagen-Rock, Teil II: Kai Schlasse, Sänger von Extrabreit, im Jahr 1984. (Bild: Ennow Strelow/Osthausmuseum)

Ennow Strelows Fotos

Was aus der Szene wurde? Viele Leute leben nicht mehr, viele Lebenswege verlieren sich. Doch manche Biographien wurden fortgeschrieben. Wir wechseln in die nächste Abteilung der Ausstellung, die einen Großteil des Museums füllt. Der Fotograf Ennow Strelow, der „Extrabreit“ und andere Bands getreulich begleitete, hat auch viele andere Menschen portraitiert, Hagener und Personen mit markantem Hagen-Bezug. Zu den Portraitfotos hat er Kurzbiographien geschrieben. Bei ihm nun taucht Eddy Kante auf, der, als er noch viele Haare auf dem Kopf hatte, zum Umfeld der Hagener Bands gehörte. Später, ohne Haare, wurde er Bodyguard von Udo Lindenberg. Die beiden sollen lange Jahre gut befreundet gewesen sein, bis Eddy Kante eine Lindenberg-Biogaphie schrieb, die diesem nicht gefiel. Aus war es mit der Freundschaft.

An der gesellschaftlichen Peripherie

Ennow Strelows fotografischer Beitrag zum Stadtjubiläum, besticht alleine schon durch den Fleiß, der hier erkennbar wird. Ja, er hatte auch Prominenz vor der Linse, Peter Schütze vom Hagener Theater etwa oder Jürgen von Manger, ebenfalls ein Sohn der Stadt Hagen. Doch viel Sympathie brachte er auch Menschen in der gesellschaftlichen Peripherie entgegen, dem Flaschensammler Paul zum Beispiel, Flaschen-Paul genannt, oder dem Schrauber Charly Haschke, der auch auf größere Entfernung noch stark nach Werkstatt roch.

Hagens bekanntester Dichter Ernst Meister griff gerne auch zum Pinsel. Dieses Aquarell „ohne Titel“ aus dem Jahr 1956, 32 x 24 cm groß, ist jüngst in das Eigentum des Osthaus-Museums übergegangen (Bild: Reinhard Meister/Osthausmuseum)

Meisters Bilder

Schließlich gibt es noch ein bisschen Kunst zu sehen, Kunst sozusagen in der kleinen Form, aber dafür um so beeindruk-kender. Das Museum hat als Schenkung ca. 50 Bilder erhalten, die der Hagener Dichter Ernst Meister schuf. Er hat, was weniger bekannt ist, gerne auch gemalt. Erste Arbeiten ab ca. 1954 erinnern, in den Worten von Museumsdirektor Tayfun Belgin, hier und da an Kandinsky oder das Bauhaus, doch spätestens in den frühen 70er Jahren fand er zu einer eigenen Bildsprache, abstrakt und expressiv, stark reduziert in den Gestaltungsmitteln. 13 weitere Bilder schließlich stammen vom Hagener Maler Horst Becking. Er hat sie zu Gedichten von Ernst Meister geschaffen, farbenfrohe Stücke, vereinzelt gegenständlich wahrzunehmen, auch eine Übermalung ist dabei. Bilder und Texte finden sich in einem kleinen Büchlein wieder, das das Museum herausgibt.

Man hätte gerne mehr gewusst

Viel Originelles ist hier also versammelt, was zwingend gar nicht den Anlass „Stadtjubiläum“ gebraucht hätte. Bei angemessener Gewichtung der stadthistorischen Anteile hätte man dem berühmten Maler Emil Schumacher natürlich mehr Raum geben müssen, doch nun gut, der hat sein eigenes Museum gleich gegenüber. Trotzdem wäre gerade bei ihm doch zu fragen, was ihn zeitlebens in Hagen hielt. Auch Nena hätten wir gern prominenter platziert gesehen, ohne deshalb die Hagener Rock-Szene vernachlässigen zu wollen. Jürgen von Manger ist wenigstens ein Video-Räumchen vorbehalten, wo seine alten Fernsehauftritte laufen.

  • „Hagen – die Stadt. Geschichte, Kultur, Musik“
  • bis 21.11.2021
  • Osthaus Museum Hagen, Museumsplatz 1, Hagen
  • Di-So 12.00 – 18.00 Uhr, Eintritt frei, Maskenpflicht
  • www.osthausmuseum.de

 




Großmoguln der Songlisten oder: Selbsternannte Sachwalter von Alan Bangs

Liebe Gemeinde! Anfang Juni habe ich hier einen Beitrag zum 70. Geburtstag des famosen Rockmusik-Vermittlers Alan Bangs eingestellt. Nachträglich möchte ich jetzt von unerfreulichen Erfahrungen berichten, die ich mit angemaßten Sachwaltern seines DJ-Lebenswerks machen musste.

Objekte der Begehrlichkeit: ein Teil meiner Cassetten mit Auszügen aus Sendungen von Alan Bangs. (Foto: BB)

Zunächst ereilte mich aus der mählich gealterten Bangs-Fanszene Lob, auch weil das Medienecho auf den Geburtstags-Anlass ansonsten äußerst dünn, um nicht zu sagen kaum vorhanden gewesen ist.

Doch dabei blieb es nicht. Es kam zu Begehrlichkeiten, als ich so unvorsichtig war, alte Songlisten zu erwähnen, die sich auf meine Cassetten-Aufnahmen aus den 1980er Jahren bezogen. Da ging’s aber zur Sache. Um es comichaft zu sagen: „Habenwoll!“

Top-Virologen, Bundestrainer, Bangs-Experten

Kleiner Exkurs: Teile der Menschheit, weit überwiegend männlichen Geschlechts, sind so gestrickt, dass sie sich überall oder auf ganz bestimmten Spezialgebieten (und seien sie noch so randständig) zu Großmoguln, Muftis oder Päpsten aufplustern müssen – sei’s als tölpelhafte „Top-Virologen“, als dito „Fußball-Bundestrainer“ oder eben als schier unfehlbare Experten für all die Songtitel, die Alan Bangs im Lauf der Jahrzehnte jemals aufgelegt hat. Sie verhalten sich so, als seien ihnen die Musikstücke samt Abfolge als höchstpersönliches Erbe zuteil geworden.

Solche unangenehmen Besserwisser, Klugscheißer und Korinthenkacker tummeln sich auf allen Gebieten, sie lauern an vielen Ecken und Enden und wollen erreichen, dass ihnen die jeweilige Herde demütig folgt. Man sollte sie nach Möglichkeit meiden, aber man kann diesen lachhaften Figuren wohl nicht lebenslang vollends entgehen.

Grabenkämpfe bleiben nicht aus

Oh ja, sie führen umfangreichste Listen. Oh ja, sie wollen auch noch den letzten Track mit Audio-Kopien belegen und dingfest machen. Diese speziellen Vollständigkeits-Bürokraten, die offenbar viel zu viel Zeit haben, wollen sich nicht dazwischenfunken lassen und schwingen sich auch schon mal zu (juristischen) Drohgebärden auf, sollte jemand in ähnlichen Bereichen tätig werden und ihre Kreise stören wollen. Wenn ich einige Mails richtig deute, gab und gibt es zuweilen heftige Grabenkämpfe zwischen verschiedenen Fraktionen der Alan-Bangs-Adepten, mit allem Drum und Dran. Alan Bangs selbst ist offenbar so klug, sich aus all dem völlig herauszuhalten. Gut so.

Nach dem eingangs erwähnten Beitrag wurde ich freundlichst, mit allerlei gutem Zureden dazu bewogen, einige alte Songlisten zu Alan-Bangs-Sendungen („Nightflight“ usw.) herauszurücken. Aus heutiger Sicht möchte ich sagen, man hat sie mir abgeluchst. Die Begehrlichkeiten gingen so weit, dass ich Audio-Dateien zu allen verzeichneten Titeln kopieren und quasi an ein Zentralkomitee des Bangs-Wesens weiterleiten sollte. Urheberrechts-Bedenken meinerseits wurden hernach vom Tisch gewischt. Tatsache ist: Ich habe solche Dateien (bei mir auf alten MC-Cassetten vorhanden) nicht herausgegeben. Da zürnte man mir.

Unter dem Siegel der „Verschwiegenheit“

Unterdessen wurde ich per Mail in allerlei Konflikte zwischen Bangs-Anhängern eingeweiht – unter dem Siegel der Verschwiegenheit, versteht sich. Wer aber beschreibt meine Verwunderung, als ich gewahr wurde, dass wiederum Auszüge aus meinen Antwort-Mails munter weitergereicht wurden. Doch nicht nur mein Vertrauen wurde eklatant missbraucht. Da war auch jemand so dreist, gleich die Klarnamen zu diversen Mailadressen zu übermitteln. Fehlen eigentlich nur noch die Hausanschriften, auf dass man eine zünftige Schlägerei unter Alan-Bangs-„Freunden“ anstiften könnte.

Eins steht fest: Der Geist der Musik, die Alan Bangs im Radio gespielt hat, ist sternenweit entfernt vom Kleingeist mancher seiner Anhänger.

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P. S.: Zwar fühle auch ich mich nicht mehr rundum an Diskretion gebunden, doch hüte ich mich, hier aus irgendeiner einschlägigen Mail zu zitieren.

Und ja: Es gibt sicherlich auch etliche Bangs-Anhänger, denen an der Sache und nicht am eigenen Ego gelegen ist.




Entdecker in den Gefilden der Rockmusik: Alan Bangs wird 70 Jahre alt

Eine Reihe älterer Musikkassetten. Es sind hauptsächlich Auszüge aus Sendungen von Alan Bangs darauf festgehalten. (Foto: Bernd Berke)

Ja, so ist das halt: Immer mehr Leute, die man als Generationsgenossen (Frauen sind durchweg mitgemeint) empfindet, überschreiten die 70er-Linie. Nun ist der Musik-Moderator Alan Bangs an der Reihe, der am 10. Juni vor 70 Jahren in London geboren wurde und dessen Einfluss auf viele Menschen wohl immer noch anhält, obwohl er schon seit etlichen Jahren keine regelmäßige Hörfunksendung mehr hat.

Alan Bangs hat über Jahre hinweg und mit anhaltenden Folgen beileibe nicht nur meinen (Pop)-Musikgeschmack wesentlich mitgeprägt. Noch heute gibt es in traulichen Internet-Ecken spezielle Seiten, die seine Playlists von damals recherchieren und pflegen. Auf Umwegen lässt sich also Versäumtes nachholen. Den Sammlern sei Dank für so viel leidenschaftliche Fleißarbeit.

Legendäre Sendung „Nightflight“

Der Kult fing mit Alan Bangs‘ legendärer Sendung „Nightflight“ (rund 700 Folgen vom 25. Mai 1975 bis zum 9. April 1989) bei BFBS Germany an. Es war alles andere als das sonst meist übliche Abnudeln von Hitparaden. Von Anfang an horchte man bei Bangs auf. Er machte sich auf zu musikalischen Erkundungen, beseelt von spürsicherer Entdeckerfreude. Alan Bangs war imstande, Neuentdeckungen aus der Independent-Szene beispielsweise auch mit klassischer Musik zu kombinieren, wenn es ihn gelüstete und wenn es Sinn ergab. Tatsächlich: Da gewahrte man so manche gemeinsamen Schwingungen und Querverbindungen. Überhaupt gerieten „Nightflight“-Ausgaben zu abenteuerlichen Überfahrten in vordem ungeahnte Klanggefilde – oder eben zu geheimnisvoll gleitenden Flügen durch die Nacht.

Screenshot der Internet-Seite nightflights.de, die Alan Bangs gewidmet ist und nach eigenen Angaben die Inhalte von über 1100 Sendungen (!) auflistet.

Damals war die Kompaktkassette das Aufzeichnungsmittel der Wahl. Das mit den großen Tonbandspulen hatte sich weitgehend erledigt und wurde hauptsächlich noch von Freaks und Nostalgikern betrieben. Bis heute habe ich ein ganzes Konvolut von Kassetten verwahrt, auf denen vorwiegend Auszüge aus Sendungen von Alan Bangs die Jahrzehnte überdauert haben, klanglich immerhin noch einigermaßen tolerabel. Ein Schatz, auch und gerade in Zeiten von Streamingdiensten mit zig Millionen Titeln. Wobei diese ehedem unvorstellbare Fülle allemal als Weiterung und Ergänzung taugt.

Beim Formatsender „1 Live“ vergrault

So viele großartige Künstler hat man erstmals durch seine Sendungen (hernach kam vor allem noch die „Alan Bangs Connection“ auf WDR 1 in Betracht) kennen und schätzen gelernt. Seine recht sparsamen, jedoch substantiellen Anmoderationen – mit dem gewissen, die Authentizität steigernden englischen Akzent – erschlossen behutsam die je besonderen Qualitäten der Künstlerinnen und Künstler. Alan Bangs hat in Deutschland (jedenfalls in ambitionierten Kreisen) Leute wie etwa Kevin Coyne, Television, Patti Smith, Green on Red oder die Cowboy Junkies bekannt gemacht (weitere Namen im Anhang). Es war Musikvermittlung im allerbesten Sinne.

Im April 1995 begab sich eine zu Teilen schändliche Programmreform, die aus WDR 1 den Formatfunk „1 Live“ machte und in deren Verlauf so ziemlich die letzten Ecken und Kanten abgeschliffen wurden. Alan Bangs sah sich zunächst auf die Nachtschiene verbannt und wurde im September ’95 bei der krähend zwanghaft jugendlichen Welle vollends „vom Hof gejagt“, als er es wagte, zwischendurch eine längere Strecke mit Musik von Chopin zu bespielen. Seither ist er nur noch sporadisch bei deutschen Stationen (z. B. Bayern 2) aufgetaucht. Wir machen das Fass jetzt nicht ganz auf, aber: Von ähnlich gravierenden Vorgängen bei öffentlich-rechtlichen Kanälen hört man in letzter Zeit vermehrt. Bei dem oder jenem Kulturradio bleibt kaum ein solider Stein auf dem anderen. Eine Verfallserscheinung, gegen die sich weithin und weiterhin Protest erheben sollte.

Natürlich muss auch noch der von Peter Rüchel ersonnene Rockpalast im WDR-Fernsehen erwähnt werden, der in den 80ern mit Bangs-Moderationen zeitweise enorme Popularität erlangte. Wer damals am Bildschirm oder sogar live dabei war, wenn es in der Essener Grugahalle zur Sache ging, wird vernehmlich mit der Zunge schnalzen. Ich sage nur: Patti Smith. Van Morrison. Rory Gallagher. Hach!

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Ein bisschen Namedropping muss sein

Wenn ich so ins Verzeichnis meiner besagten und betagten Kassetten schaue, werde ich zum Namedropping animiert. Natürlich kennt man die Leute und Gruppen heute längst. Aber in der ersten Hälfte der 80er Jahre verhielt sich das noch anders. Da war Alan Bangs, der natürlich auch häufig Allzeit-Größen wie Neil Young, Bob Dylan oder die Rolling Stones spielte, zumindest hierzulande ein Pionier.

Nur ein paar Beispiele. Here we go:

Laurie Anderson, Band of Outsiders, Billy Bragg, Alex Chilton, Church, Dream Syndicate, Echo an the Bunnymen, Gang of Four, Gist, Go-Betweens, Rupert Hine, Robyn Hitchcock, Jesus & Mary Chain, Joy Division, Ed Kuepper, Natalie Merchant, OP8, New Order, Ramones, Rose of Avalanche, Michelle Shocked, Sisters of Mercy, Stranglers, Guthrie Thomas, Richard & Linda Thompson, Suzanne Vega, Violent Femmes.

Natürlich mochte ich nicht jeden einzelnen Song. Manche Protagonisten fand ich arg gewöhnungsbedürftig, z. B. das Penguin Café Orchestra, Cabaret Voltaire und Pere Ubu. Aber – und darauf kommt es an – man muss sich erst einmal darauf einlassen. Nur auf diese Weise kann differenzierter Geschmack entstehen.

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P. S.: Auf der Seite nightflights.de (siehe auch Screenshot) geben die Betreiber Gelegenheit, Alan Bangs mit persönlichen Worten zu gratulieren. Bangs möchte demnach gerne bei einer deutschen Radiostation seine Tätigkeit fortsetzen. Möge es gelingen. Das schon genannte Bayern 2, wo etwa ein Roderich Fabian und Kolleg(inn)en gelegentlich in ähnlichem Geiste auflegen, wäre vielleicht als Anlaufpunkt vorstellbar.

Weitere Netzadresse:

blog.nightflights.de




Wachsamkeit dringlich gefragt – eine Diskussion zum „Tag der Pressefreiheit“

Der 3. Mai ist „Tag der Pressefreiheit“. Da kann der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) nicht untätig bleiben. Doch obwohl man eine einschlägige (nicht ganz halbstündige) Video-Diskussion heute gleich auf vier Online-Kanälen eingestellt hat, dürfte die Zuschauerzahl recht überschaubar und eher auf Teile der Berufsgruppe beschränkt bleiben. Leider bewegt das für die Demokratie zentrale Thema nicht gerade die Massen. Drum tragen wir unser bescheidenes Scherflein zur Aufmerksamkeit bei.

Schmerzliche Vorfälle: Benjamin Piel, Chefredakteur beim „Mindener Tageblatt“, während der DJV-Video-Diskussion über Pressefreiheit. © DJV NRW. Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=MwMzA1C2lf8

Es heißt wachsam zu sein, jetzt erst recht: Beim internationalen Vergleich durch die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ ist Deutschland in Sachen Pressefreiheit jüngst auf den 13. Rang zurückgefallen – vorwiegend deshalb, weil es hier mit stark zunehmender Tendenz tätliche Übergriffe auf Medienvertreter gegeben hat, zumal (aber nicht nur) bei sogenannten „Querdenker“-Demonstrationen. Diesen Sachverhalt griff die stellvertretende DJV-NRW-Landesvorsitzende und Gesprächsmoderatorin Andrea Hansen in ihren einleitenden Worten auf.

Defizite in der Polizeiausbildung

Längst nicht immer, so der DJV-Bundesvorsitzende Prof. Frank Überall in besagter Diskussion, herrsche unter den Polizeikräften das nötige Bewusstsein, dass und mit welchen Mitteln die Pressefreiheit bei Demonstrationen zu schützen ist. Die Lage sei von Bundesland zu Bundesland und mitunter von Stadt zu Stadt unterschiedlich. So seien neueste Erfahrungen in Frankfurt deutlich positiver zu bewerten als etwa in Stuttgart. Den Belangen der Pressefreiheit sei in der Polizeiausbildung „kein riesengroßes Modul“ gewidmet. Deshalb suche der Journalistenverband häufiger den Dialog mit angehenden Polizistinnen und Polizisten. Man hofft dabei ebenso auf mittel- und langfristige Wirkungen wie beim Bestreben, das Themenfeld häufiger in den Schulen zu vermitteln.

Ein bedrohlicher Vorfall in Minden

Benjamin Piel, Chefredakteur beim „Mindener Tageblatt“, brachte konkrete lokaljournalistische Aspekte in die Debatte ein. In der vermeintlich so beschaulichen Provinzstadt hat ein abscheulicher Vorfall diffuse Ängste in der Redaktion ausgelöst: Von einer Mindener Brücke baumelte eine aufgehängte Schaufensterpuppe, versehen mit dem Schild „Covid Presse“. Ein solches „symbolisches Bedrohungs-Szenario“ bleibe als Bild im Kopf haften und führe womöglich zu Selbstzensur. Der bloße Verweis aufs Grundgesetz, das die Pressefreiheit ja schließlich garantiere, reiche zur Beruhigung nicht aus. In der Redaktion habe sich denn auch eine Supervisions-Gruppe gebildet, um den Umgang mit der Bedrohung eingehend zu besprechen. Im Übrigen sagte Piel, er habe die Schauspieler-Videoaktion #allesdichtmachen mit ihrer pauschalen, undifferenzierten Kritik an „d e n“ Medien als schmerzlichen Fehlgriff empfunden.

Ganz andere Dimension in Belarus

Eine noch ganz andere Dimension der Bedrohung skizzierte die aus Belarus stammende und in Köln lehrende Prof. Katja Artsiomenka. In Belarus sei Journalismus sozusagen generell verboten, der journalistische Beruf praktisch abgeschafft, das Land nach außen nahezu vollständig abgeschottet. Dennoch solle man alle nur irgend möglichen Verbindungen dorthin aufrecht erhalten. Frau Artsiomenka mahnte dringlich, das Thema Pressefreiheit global zu denken und zu behandeln, sonst wachse auch hier die Gefahr einer Erosion. Als Vorboten misslicher Entwicklungen nannte sie den Einfluss russischer Propaganda in Deutschland.

Frank Überall erinnerte sich unterdessen an Gespräche mit tief besorgten Kollegen in der Türkei, die im Sinne der Pressefreiheit appellierten: „Sorgt dafür, dass wir nicht vergessen werden.“

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Hier noch ein Link zum Podiumsgespräch im YouTube-Kanal des DJV:




Endlich: „Dittsche“ ist wieder da!

Hobel klargemacht: Dittsche (Olli Dittrich, li.) und Ingo (Jon Flemming Olsen, re.) prosten einander zu, „Krötensohn“ (Jens Lindschau) ist per Videotelefonat auf dem Tablet nur virtuell gegenwärtig. (Screenshot aus der „Dittsche“-Folge von 7. März 2021)

Endlich, endlich! Er ist wieder da. Etwas über ein Jahr ist es her, dass „Dittsche“ zuletzt seine abgründig tiefgründelnde Bademantel-Philosophie verbreiten durfte. Dann kam die lange Corona-Pause. Und jetzt ist Ingos Imbiss-Stube wieder geöffnet – freilich nur zum Außer-Haus-Verkauf. Ganz wie im wirklich wahren Leben…

Dittsche ist jetzt berufstätig. Darauf legt er großen Wert. Hin und wieder fegt er nämlich die besagte Imbiss-Stube aus. Immerhin. Nach getaner Tat bringt er die lang vermissten Worte hervor: „Mach mal’n Hobel klar!“ (d. h. „Gib mir mal’n Bier!“) – und nach den ersten Schlucken  das unvermeidliche „Ah, das perlt aber…“ Hach, wie haben uns diese Wohllaute gefehlt!

Direkt an die letzte Folge von Anfang März 2020 anknüpfend, trug Dittsche anfangs wieder seine Super-Anti-Corona-Maske auf Mund und Nase, einen handelsüblichen Melitta-Filter. Darunter verbarg sich nun allerdings eine vorschriftsmäßige FFP2-Maske. Die wiederum, so verriet er, nehme er tagsüber auch zur Kaffee-Zubereitung. Filter ist Filter. Und Heißwasser tötet Viren ab. Biddää! Biddää!

Folgte eine Geschichte vom Herrn Karger, der seiner Frau ungewollt einen Meckischnitt verpasst hat. Und warum wohl? Weil der langjährige Ex-Friseur jene Trockenhaube aus dem Keller hochholte, die Dittsche im ersten Corona-Sommer als Grill benutzt hatte.  Bratfett-Reste waren halt noch drin – und die Haare der Gattin mussten elendiglich verschmurgeln. Ingo war fassungslos, als er das hörte.

Dittsche faselte sich schnell wieder warm und entwickelte abermals seine „Weltideen“. Tierschützer, bitte weghören! Wie der Installateur Frösche zur Rohrreinigung einsetzen könne: einfach per Flaschenpost zur Verstopfung schießen, dort pusten sie dann alles frei. Unterdessen könnten die jüngst auf Madagaskar entdeckten Mini-Chamäleons als farblich exakt angepasste Camouflage für Auto-Lackschäden dienen. Muss man auch erst mal drauf kommen.

Und als Trainer auf Schalke, wo sie in dieser Spielzeit schon den fünften Coach angeheuert haben, sollen (Dittsche zufolge) künftig nur noch rasch austauschbare Pappkameraden geradestehen – mal mit dem Konterfei von Guardiola, dann von Mourinho, Kloppo oder weiß der Geier wem…

Kurzum: Es war stellenweise wieder so herrlich hirnrissig, wie wir es lieben. Und schon freuen wir uns auf den nächsten Sonntag.

 

 

 




Erfolg mit Klimper-Kulleraugen: 50 Jahre „Sendung mit der Maus“

Immer wenn die orange-braune Maus mit den Augenlidern klimpert und der kleine blaue Elefant trötet, wissen Jung und Alt: Jetzt gibt es Lustiges und Lehrreiches aus der bunten Vielfalt der Welt – „Lach- und Sachgeschichten“ eben.

50 Jahre trippelt sie über den Bildschirm: Die Maus freut sich über Ihre Geburtstagstorte.
© WDR/Michael Schwettmann.

Unter diesem Titel startete am 7. März 1971 eine neue Sendereihe für Kinder, produziert vom WDR in Zusammenarbeit mit anderen ARD-Sendern. In 50 Jahren hat sich die „Sendung mit der Maus“ zum beliebtesten Familientermin vor dem Fernseher entwickelt.

Inzwischen sitzen Großmütter, die als Kinder die ersten „Maus“-Episoden verfolgt haben, vor der Mattscheibe und verfolgen mit ihren staunenden Enkeln, was das kleine Nagetier wieder Spannendes vorzuführen hat. Der Zuschauer-Altersdurchschnitt von 40 Jahren macht deutlich: Eine „Kindersendung“ ist die „Maus“ längst nicht (mehr). Auch Erwachsene haben Spaß daran, sich Fragen beantworten zu lassen, die sie sich schon immer stellten – oder auf die sie bisher noch gar nicht gekommen sind.

Alltagsfragen und schwierige Themen

Bild: © WDR

Das Erfolgsrezept wurde bereits in Doktorarbeiten untersucht. Es besteht, einfach gesagt, aus der geglückten Mischung von wiedererkennbaren Elementen und sorgfältig recherchierten, anschaulich präsentierten Aha-Erlebnissen.

Das mittlerweile auf neun Mitarbeiter angewachsene Maus-Team hat für die 2309 bisherigen Ausgaben nicht nur Klassiker wie die Frage nach den Löchern im Käse beantwortet. Sondern die halbstündige Sendung geht Alltäglichem auf den Grund, fragt, wie Dinge funktionieren, die wir wie selbstverständlich benutzen. Oder die wir gar nicht so genau beachten, weil sie uns ständig über den Weg laufen.

Wer weiß denn schon genau, wie Brötchen gebacken werden? Oder wie ein Wasserhahn oder eine Spülmaschine funktionieren? Die Maus lässt uns die Natur besser verstehen – etwa, warum Ohrwürmer hinten eine Zange haben. Sie führt uns auch an Orte, die man nur schwer betreten kann, zum Beispiel die Hallen, in denen ein ICE gebaut wird. Ob Japan oder das Mittelalter: Ferne Orte und fremde Zeiten spielen eine Rolle, wenn die Trickfigur ihre große Ohren und neugierigen Augen auf Reisen oder sogar bei einem Flug ins All auf kaum erreichbare Dinge richtet.

50. Geburtstag der „Sendung mit der Maus“! Von links nach rechts: Christoph Biemann, Ralph Caspers und Clarissa Correa da Silva freuen sich auf das Maus-Jubiläum.
© WDR/Annika Fusswinkel.

Die Maus entdeckt, was im Alltag spannend ist und worüber man sich erst Gedanken macht, wenn man – vielleicht von den eigenen Kindern oder Enkeln – danach gefragt wird: Etwa, wie ein Rollstuhlfahrer Auto fahren kann. Oder woher die Kartoffel kommt und was man alles aus ihr herstellen kann. Wer hätte gewusst, wer die Chips erfunden hat, die wir zum Fernsehabend knabbern? Die Maus-Macher nähern sich auch sensiblen, schwierigen Themen: Etwa der Geschichte eines Mädchens, das an einer unheilbaren Krankheit gestorben ist. Oder der Frage, was passiert, wenn ein Mensch stirbt, den man gern hat.

Elefant, Ente und Käpt’n Blaubär

Unermüdlich spinnt er für die drei kleinen Bärchen Seemannsgarn. Juhuu! Jetzt hat an Käpt’n Blaubärs Angel was angebissen!
© WDR/Grafik Walter Moers.

Damit die „Sachgeschichten“ nicht zu trocken werden, gibt’s dazwischen kleine Sketche mit der seit 50 Jahren sprachlosen Maus und ihrem gezeichneten Freundeskreis wie dem blauen Elefanten und der gelben Ente. Zur Sendung gehör(t)en auch beliebte Trick-Tiere wie Schnappi, das kleine Krokodil oder Shaun, das Schaf. 1998 erhielt ein Maus-Star sogar eine eigene Briefmarke: Käpt’n Blaubär, der schon seit 1991 mit seinem Gehilfen Hein Blöd und den drei kleinen Bärchen Seemannsgarn spinnt. Auch jetzt zum 50. Geburtstag hat die Deutsche Post der Maus mit ihren Freunden eine Sondermarke gewidmet: Das 80-Cent-Wertzeichen mit einer Auflage von 65 Millionen Stück ist seit 1. März erhältlich. Und für Münzsammler gibt’s ein 20-Euro-Stück, sogar mit der Maus in Farbe drauf.

Inzwischen beschränkt sich der Aktionsradius des agilen Tierchens nicht mehr nur aufs Fernsehen: Seit 2011 gab es neun „Türöffner“-Tage, an denen Unternehmen, Institutionen und sogar Privathaushalten Kinder „Sachgeschichten“ live erleben lassen. Beim neunten Mal im Jahr 2019 öffneten sich auf allen Kontinenten 800 Türen für 80.000 Kinder.

Nilpferd oder Maus?

Gert K. Müntefering, Erfinder der „Sendung mit der Maus“. © WDR/Oliver Schmauch.

Als Gert K. Müntefering, Leiter des Kinder- und Familienprogramms des WDR, die „Lach- und Sachgeschichten“ erfand, hat keiner mit einem Dauerbrenner gerechnet. Mit-Erfinder Armin Maiwald berichtet, der Titel der Sendung sei damals „veritabel auf dem Flur“ entstanden.

Die Maus hatte sogar Konkurrenz: Die Redaktion diskutierte, ob sie nicht ein Nilpferd als Titelfigur nehmen sollte. Inzwischen ist das sprachlose Nagetier eine der beliebtesten Kinderfiguren überhaupt. „Generationen von Kindern sind mit der Maus groß geworden. Die Maus ist eine öffentlich-rechtliche Erfolgsgeschichte – ein Familienangebot im besten Sinne, das sich ständig weiterentwickelt“, sagt WDR-Intendant Tom Buhrow.

Armin Maiwald hat die Maus miterfunden und ist bis heute dabei.(Archivbild von 1997)
© WDR/Hajo Hohl.

Zum 50. Geburtstag gibt es „Zeitreisen mit der Maus“ (ARD Mediathek) und sie zeigt jeden Sonntag „Früher-Heute-Geschichten“: Wie war das um 1970 und wie ist es heute bei der Müllentsorgung, an der Eisenbahnschranke oder bei einer Fahrt mit dem Auto? Doch beim eigentlichen Jubiläum soll der Blick in die Zukunft gehen: Die Geburtstagssendung mit der Maus am Sonntag, 7. März um 9 Uhr im Ersten und um 11.30 Uhr im KIKA steht unter dem Motto „Hallo Zukunft“. Kinder haben Ideen für künftige Themen an das Redaktionsteam geschickt. In „Frag doch mal die Maus – Die große Geburtstagsshow“ (Das Erste, 6. März, 20.15 Uhr, ARD-Mediathek) lädt Eckart von Hirschhausen ein zu den schönsten Erinnerungen aus fünf Maus-Jahrzehnten und den besten Kinderfragen zu Geschenken, Feiern und Torten. Das dritte Programm des WDR zeigt ab 23.30 Uhr eine 180 Minuten lange „Zeitreise mit der Maus“  in die 70er Jahre.

Zum 50. Geburtstag kann sich die Maus keinen Urlaub gönnen. Am Wochenende wird kräftig gefeiert!
© WDR/Trickstudio Lutterbeck.

Für Maus-Fans bietet die Webseite www.die-maus.de jede Menge Infos und Hinweise auf aktuelle Sendungen und Mediathek-Inhalte, so auch die Hörspiele aus dem Wettbewerb „Dein Hörspiel #mitdermaus“: Dafür haben Kinder Geschichten zur Zukunft in 50 Jahren geschrieben. Aus den Einsendungen von 1.500 Sieben- bis Zwölfjährigen aus Deutschland, einigen europäischen Ländern und den USA wurden die Geschichten von acht Kindern ausgewählt und professionell als Hörspiele produziert. Darunter ist auch ein Text der acht Jahre alten Autorin Leni Luisa aus Dortmund, der am 6. März in der „Sendung mit der Maus zum Hören“ zu erleben ist.

Tipp für zu Hause: Wer die Erkennungsmelodie der Maus liebt, kann sie auch selbst nachspielen. Der Schott-Verlag hat die Noten des musikalischen Sketches von Hans Posegga im Programm, wahlweise für Klavier zu zwei oder vier Händen, zwei Gitarren, Flöte und Gitarre oder Blockflötenquartett.




Lungern und hecheln – „Journalismus“, der entgeistert

Bei manchen Journalist*innen herrscht immer Alarmstufe Rot. (Foto: BB)

Manchmal kann einem dieses ganze journalistische Gewerbe, kann einem der ganze (kommerzielle) Medienbetrieb schwerstens auf den Senkel gehen.

Da ist beispielsweise der Lungerjournalismus in Gestalt von Kolleg*innen („man“ soll ja füglich gendern), die stundenlang auf Fluren herumhängen, um wenigstens einen einzigen knackigen Satz aus dem Munde hochwichtiger Polit-Darsteller*innen einzufangen. Ein paar Stunden später ist dies entweder der Talkshow-Aufreger No. 255 oder halt schon das Geschwätz von gestern. Solche Warte-Jobs mögen teilweise gut bezahlt sein, aber ach: Wie öde sind sie doch! Wenn sie sich nach einem solchen Tag ehrlich selbst befragen würden („Was hast du heute bewirkt?“), wie müsste die Antwort dann wohl lauten?

Twitter schlägt Tagesschau

Auch weiß man gar nicht mehr, worauf sich speziell die Fernsehleute so mächtig viel einbilden. Das Fernsehen hat sich als lineares, an Sendezeiten gebundenes Programmzeitschriften-Medium weitgehend erledigt, auf gewissen Kanälen werden die vielfach kläglichen Bildchen-Häppchen nur noch für Senioren versendet. Derweil heimsen YouTuber, TikToker, Influencerinnen und derlei hippes Völkchen mit fortwährender Selbstdarstellung die wahren Quoten und Followerzahlen ein. Manche Tweets haben mehr Zugriffe als die „Tagesschau“ um 20 Uhr, die früher einmal als Maß der Dinge gegolten hat. Und unversehens rückt der Hörfunk in Form von teilweise sehr intelligenten Podcasts wieder nach vorn, während auf mancher Radiowelle der eine oder andere Kulturabbau betrieben wird. Alles im Dienste der Quote, versteht sich.

…und immer nackt

Eine weiteres Phänomen, längst nicht nur bei den Boulevardblättern, könnte man Hecheljournalismus nennen. Den gab’s immer schon, doch er hat sich bis zum Wahnwitz beschleunigt und gesteigert. Da wird versucht, immerzu die Aufregung am Kochen und Brodeln zu halten. Da ist es immer mindestens „fünf nach zwölf“. Unverkennbare Signale sind Formulierungen wie „Die Lage spitzt sich zu“, „Pandemie (oder was auch immer) und kein Ende“, „…nur die Spitze des Eisbergs“, „Das Netz erregt sich über…“, „Wirbel um…“ Was einst Wetterbericht gewesen ist, kommt nun als ständiger Katastrophen-Alarm daher – mit Angstwörtern wie „Russenpeitsche“ und „Blutregen“.

In den Boulevard-Produkten geht’s nur noch im Sex-, Gewalt-, Panik- oder Streit-Modus zur Sache (nein: weit an der Sache vorbei), da herrschen ständig Zoff, Beef, Randale und dergleichen, man fetzt sich unentwegt. Sagt jemand ein, zwei kritische Sätzchen, heißt es gleich: „er ledert“, „er nagelt“, „geht auf jemanden los“. So so gut wie alles ist „Chaos“, „Wahnsinn“, „irre“, „der Hammer“, ist ein „Beben“ oder „Erdrutsch“, ist „Mega“. Dazu nach Belieben Schüsse oder Stiche. Und immer nackt.




Neustart bei den „Mitternachtsspitzen“: Da geht noch was…

Einladend: Christoph Sieber, der neue Gastgeber der „Mitternachtsspitzen“. (Foto: WDR/Melanie Grande)

Soso. Ein Schwabe also. Christoph Sieber (51), geboren in Balingen (etwa auf halbem Wege zwischen Stuttgart und Bodensee), fungiert nun als neuer Gastgeber der WDR-„Mitternachtsspitzen“. Als lediglich reingeschmeckter Rheinländer mit Wohnsitz in Köln.

Die altvertraute Kabarett-Comedy-Mixtur, ab jetzt also ohne den gewohnten, bei allem kritischen Sinn immer noch irgendwie „gemütlichen“ und menschenfreundlichen Colonia-Tonfall von Jürgen Becker, ohne Herbert Knebels ruhrischen Zungenschlag („Boah ey, glaubsse…“) und ohne die dröhnend entnervten Schlussmonologe von Wilfried Schmickler. Und da soll man sich gleich heimisch fühlen? Der Mensch braucht doch auch in solchen Dingen seine Rituale.

Zweimal gab’s Anspielungen darauf, dass Sieber und/oder die Zuschauer mit seinem neuen Job womöglich fremdeln könnten. Anfangs wollte so eine groteske Möhre den hierorts Unbekannten gar nicht erst in den Kölner Wartesaal ‚reinlassen. Später hatte er (als coronabedingt beschäftigungsloses Funkenmariechen) erst einmal ordentlich kölsche Tön‘ zu lernen. Tja.

Und was gab’s sonst?

Die beiden Schweinepuppen von Michael Hatzius nervten schon jetzt, bei ihren Debüt; besonders, wenn das Wildschweinchen Torsten unentwegt stotterte und einzelne Worte fast gar nicht herausbrachte. Mit bestenfalls durchwachsener, brav abgespulter „Ach Was!“-Komik wartete Philip Simon auf, der Scherzvorlagen wie den Vergleich zwischen US-Wahlen und Bundesliga zum x-ten Mal nachkaute. Wie Trump es gerne gehabt hätte, so auch Bayern München: Sobald sie führen, soll das Spiel vorbei sein.

Christian Ehring plauderte recht nett über das gepflegte Mittelmaß des Armin Laschet, die eher humorfrei wirkende Sarah Bosetti lieferte mal wieder 1 a politisch korrekte Minuten ab (diesmal über den mehr als latenten Rassismus in der unsäglichen WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“). Sie drückte dabei weit offen stehende Türen ein.

Darstellerisch gleich doppelt hervorstechend: Susanne Pätzold als tief in seinem Machtwillen gekränkter Friedrich Merz auf der Couch des Psychiaters (einer Echsenpuppe, wiederum geführt von Michael Hatzius) und final im „Homeschooling“-Musical à la „Abba“. Das hatte echten Schwung.

Christoph Sieber (re.) mit Helge Schneider und dessen Sohn Charly. (Foto: WDR/Melanie Grande)

Bekanntester Gast war Helge Schneider mit einem Song über jenen „Boss“, der seinem geknechteten Mitarbeiter so gut wie nix bezahlt, denn – so die diabolisch vorgetragene Ansage: „Ich will reich werden!“ Am Schlagzeug saß übrigens Helges offenbar hochtalentierter Sohn Charly. Von wem er die Begabung wohl hat?

In seinen Überleitungen rechnete Christoph Sieber mit Figuren wie Verkehrsminister Scheuer oder Kardinal Woelki ab – wahrlich zwei Watschenmänner, wie sie zu Recht im Musterbuche aller Witzbolde stehen. Unfassbares legte Siebers knappes Aufklärungsstück über NSU-Morde und Verfassungsschutz bloß, es hätte auch gut in „Die Anstalt“ (ZDF) gepasst. Dort hatte Sieber ja schon einige Auftritte.

Kurzum: Die etwas zusammenhanglose Nummernrevue hatte zum Auftakt vereinzelt passable, doch selten wirklich starke Elemente zu bieten. Hinderlich wirkt sich freilich aus, dass man sich nach wie vor nicht vor Live-Publikum entfalten kann. Da kommt einfach keine Saalstimmung auf, es fehlt die Rückkopplung, die die Leute auf der Bühne beflügeln könnte. Auch Becker, Knebel und Schmickler hatten zum Schluss ihrer Ära mit diesem Manko ihre liebe Not.

Vorläufiges Fazit:  Sieber und seine Gäste werden sich warmspielen und es sicherlich bald noch etwas besser machen. Am liebsten demnächst mit leibhaftig anwesendem Publikum, und sei’s auch erst einmal reduziert.




Krimi-Kult am Sonntag: Vor 50 Jahren wurde der erste „Tatort“ gesendet – Jubiläums-Doppelfolge aus Dortmund und München

Heute, 29. November, um 20.15 Uhr (und danach in der Mediathek) zu sehen: erster Teil der Jubiläums-Doppelfolge mit den „Tatort“-Teams aus Dortmund und München – hier eine Szene mit (v. li.) Peter Faber (Jörg Hartmann), Ivo Batic (Miroslav Nemec), Nora Dalay (Aylin Tezel) und Franz Leitmayr (Udo Wachveitl). (Bild: WDR / Frank Dicks)

Der 29. November 1970 sollte in die Fernsehgeschichte eingehen – aber das war damals noch alles andere als klar.

Die Idee des Fernsehredakteurs Gunther Witte, eine gemeinsame Krimi-Reihe der ARD-Fernsehanstalten unter dem Titel „Tatort“ zu produzieren, stieß zunächst auf wenig Interesse. Als das Projekt schließlich doch genehmigt wurde, war die Zeit zu knapp, um die ersten Folgen zu produzieren. Der Auftakt der Serie, „Taxi nach Leipzig“, war daher ein vom NDR bereits fertiggestellter Film.

Der frühere WDR-Fernsehspielchef und Tatort-Erfinder Gunther Witte beim Fototermin anlässlich des Jubiläums „40 Jahre Tatort“ 2010 in Hamburg vor dem Logo der meistgesehenen Krimireihe im deutschen Fernsehen. (Bild: ARD/Thorsten Jander)

Darin ermittelt Hauptkommissar Paul Trimmel aus Hamburg in einem deutsch-deutschen Mordfall. Der Schauspieler Walter Richter verkörpert den cholerischen Einzelkämpfer, bei dem Zigaretten und Cognac stets in Reichweite waren, zwischen 1970 und 1982 in elf „Tatort“-Folgen.

Der erste eigens für die Serie produzierte Film war „Kressin und der tote Mann im Fleet“ mit Sieghardt Rupp als Zollfahnder Kressin, ausgestrahlt am 10. Januar 1971.

Ein Straßenfeger der Siebziger

Schon bald zeigten die Zuschauerquoten, dass Wittes Konzept aufgehen sollte: markante Typen als Ermittler im Mittelpunkt der jeweiligen Folgen, realitätsnahe Fälle, regionale Verankerung im Sendegebiet der beteiligten Anstalten und ausgeprägtes Lokalkolorit. In den siebziger Jahren war der „Tatort“ mit seinem bis heute kaum veränderten Vorspann und seiner Titelmelodie von Klaus Doldinger ein „Straßenfeger“. Bis zu 25 Millionen Zuschauer saßen am Sonntagabend vor der Mattscheibe. Der Stuttgart-Krimi „Rot – rot – tot“ mit Curd Jürgens in einer Hauptrolle belegt den bisher nicht mehr erreichten Spitzenplatz: Am 1. Januar 1978 fieberten 26,57 Millionen Zuschauern mit, ob Kommissar Lutz (Werner Schumacher) die vermeintliche Mordserie an rothaarigen Frauen aufklären könne.

Nach Einführung des Privatfernsehens Mitte der achtziger Jahre sanken die Einschaltquoten. Dennoch gehört der „Tatort“ nach wie vor zu den meistgesehenen Fernsehserien in Deutschland. Zwischen sieben und über dreizehn Millionen Zuschauer werden pro Folge erreicht. „Fangschuss“ mit dem Ermittlerteam aus Münster erzielte 2017 mit 14,56 Millionen das beste Ergebnis seit 1992, als die Hamburger Episode „Stoevers Fall“ 15,86 Millionen Menschen vor die Flimmerkiste lockte.

Dortmund, Duisburg, Essen

Derzeit sind für den „Tatort“ 21 Teams sowie die beiden Einzelgänger Felix Murot in Wiesbaden (Ulrich Tukur) und Ellen Berlinger in Mainz und Freiburg (Heike Makatsch) in den Abgründen der Kriminalität unterwegs: Falke (Wotan Wilke Möhring) und Grosz (Franziska Weisz) haben seit 2016 das norddeutsche Revier rund um Hamburg übernommen; in München traten Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) das Erbe des Ur-Kommisars Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer) an, der 1972 seinen Einstand mit „Münchner Kindl“ gegeben hatte.

In Dortmund bewegen sich Jörg Hartmann als psychisch belasteter Hauptkommissar Peter Faber, Anna Schudt als seine Kollegin Martina Böhnisch, die junge, ehrgeizige Nora Dalay (Aylin Tezel) und der Neuling Jan Pawlak (Rick Okon) in den Spuren der legendären Ruhrgebiets-Kommissare Horst Schimanski (Götz George) in Duisburg und Heinz Haferkamp (Hansjörg Felmy) in Essen – beide gehören zu den beliebtesten Kommissaren der „Tatort“-Serie.

Der WDR lädt anlässlich des 50. „Tatort“-Geburtstags zum Wiedersehen mit Kult-Kommissar Horst Schimanski. Links Thanner und Schimanski (Eberhard Feik und Götz George) im unbearbeiteten Original der Folge „Duisburg-Ruhrort“, rechts die restaurierte und colorierte Nachbearbeitung in HD. (Bild: WDR/Bavaria/ D-Facto Motion)

Felmy wies in einem Interview darauf hin, dass bereits in der Figurenentwicklung versucht worden sei, Haferkamp ein bisschen persönlichen Background zu geben, damit der Kommissar für die Zuschauer nicht allein als Ermittler, sondern als Mensch interessant würde. Seine Vorliebe für Frikadellen habe er sich selbst ausgedacht. Sie mache die Figur „einfach liebenswerter, lebenswerter, menschlicher“. In 20 Fällen führte Haferkamp zwischen 1974 und 1980 ins damals noch typische Ruhrgebiets-Essen.

Die Schimanski-Folgen sind schon zur Zeit ihrer Erstausstrahlung Kult gewesen: Götz Georges unvorschriftsmäßige Eskapaden, seine rüde Sprache und seine Wutausbrüche, seine sensibel-nachdenklichen Momente und sein unwiderstehliches Lächeln, wenn er es mit einer schönen Frau zu tun bekommt, sind genauso legendär geworden wie die Schwerindustrie-Kulisse des Duisburg der frühen achtziger Jahre. Nicht zu vergessen Eberhard Feik als Christian Thanner, der so einige der chaotischen Aktionen von „Schimi“ wieder zurechtrückt.

Frauen als Ermittlerinnen gibt es übrigens erst seit 1978, als Nicole Heesters als Kommissarin Buchmüller in Mainz – für nur drei Fälle – ihre Arbeit aufnahm. Bis heute mit von der Partie ist Ulrike Folkerts als Lena Odenthal, die für ihr Debüt als „Die Neue“ am 29. Oktober 1989 in Ludwigshafen ihren Dienst angetreten hat. Heute gibt es nur noch fünf männliche Teams und – in Wiesbaden – Ulrich Tukur als Einzelkämpfer Felix Murot.

Kommissare als Persönlichkeiten

Das bisher jüngste Team hat im April 2020 einen der Ur-Schauplätze des „Tatort“ übernommen: Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) haben in Saarbrücken in „Das fleißige Lieschen“ lange zurückreichende Verstrickungen entwirrt. Auch sie lassen die Zuschauer an ihrer persönlichen Geschichte und ihren individuellen Prägungen teilhaben – ein Konzept, das wohl für den anhaltenden Erfolg der Serie mitentscheidend ist: Das Interesse reicht über die Psychologie von Täterfiguren und ihre Beziehungsgeflechte hinaus. Die Kommissare rücken als Persönlichkeiten in den Mittelpunkt. Die Zuschauer kommen ihnen nahe, können ihre innere Entwicklung, ihre Probleme und Macken, ihre Stärken und Schwächen miterleben.

Aus der Schimanski-Folge „Schicht im Schacht“ von 2008: Noch am Tatort befragen Hunger (Julian Weigend, l.) und Hänschen (Chiem van Houweninge, m.) Heinz Budarek (Walter Gontermann, r.), ob er etwas gesehen hat. (Bild: WDR/Uwe Stratmann)

Die heftigen Diskussionen über die einzelnen „Tatort“-Folgen auf social-media-Kanälen wie Facebook und Twitter oder Internetseiten wie www.tatort-fans.de oder www.tatort-fundus.de zeugen davon, wie die wöchentlichen Krimis auch nach 1146 Folgen die Gemüter ihrer Fans bewegen. Die ARD hat zu „50 Jahre Tatort“ eigene Internet-Seiten erstellt und im Sommer ein Voting in elf Runden veranstaltet. 1.168.000 Stimmen wurden abgegeben, um den Lieblings-„Tatort“ zu wählen. 50 Fälle standen zur Wahl; unter den Gewinnern waren die Dortmund-Folgen „Tollwut“ (2018) und „Kollaps“ (2015).

Das Dortmunder Team hat auch die Ehre, die Jubiläums-Produktion gemeinsam mit den Münchner Ermittlern zu bestreiten: In dem zweiteiligen „Tatort“ geht es um eine italienische Familien-Pizzeria in Dortmund, einen Mörder aus München, Kokain-Geschäfte und die mafiöse „‘Ndrangheta“. Die erste Folge wird am heutigen Sonntag, 29. November um 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt, die zweite am 6. Dezember. In der ARD-Mediathek sind die Filme dann noch sechs Monate lang abrufbar.

Der WDR bringt übrigens die 29 „Schimanski“-Folgen 2020 und 2021 zurück ins Fernsehen. Schon jetzt sind in der Mediathek elf Folgen verfügbar, der Klassiker „Duisburg Ruhrort“ allerdings nur noch für fünf Tage.




Streckenbilanz, Realformation, Torwahrscheinlichkeit – ein paar Mitteilungen über den Fernseh-Fußball der Jetztzeit

Irgendwo da draußen im Lande: ein Fußballtor im Grünen. (Foto: Bernd Berke)

Wie oft hat man sich schon über Fußballkommentatoren aufregen müssen. Man ist ja schließlich kundig und objektiv – die professionellen Schwätzer*innen hingegen…

Wünschte man sich nicht manchmal, es säßen oder stünden Roboter am Mikro, desgleichen vor den Kameras? Doch nein. So unterkühlt hätte man’s auch nicht gern. Aber nochmals halt! Wahrscheinlich ist es längst kein Problem mehr, etwaigen Kommentar-Robotern gezielt und dosiert Emotionen beizubringen, in Mischungen nach Wunsch.

Die Künstliche Intelligenz, das hat sich schon vielfach gezeigt, beherrscht die nicht allzu ausufernde Fachsprache des Fußballsports recht schnell und perfekt. Vom korrekten Registrieren der Ergebnisse ganz zu schweigen. Ja, inzwischen ist die Entwicklung so weit, dass auch schon beachtliche Feuilleton-Texte generiert werden können. Wahrscheinlich muss man vorher nur oft genug Worte wie opak, verstörend oder Narrativ hochladen, dann wird das schon.

Doch zurück zum Fußball. Schon seit Jahren werden Fernsehübertragungen immer mehr mit Statistiken vollgepfropft, bis hinab zur Ebene des einzelnen Spielers, der z. B. am 5. November vor genau vier Jahren sein letztes Fallrückzieher-Tor erzielt oder ein elfmeterreifes, aber ungeahndetes Foul begangen habe, woraufhin… Regelrechte Absurditäten werden in den Datenbanken festgehalten – und nimmermehr gelöscht. Jetzt schleppen sie das ganze Zeug mit sich rum. Allerlei Transfergerüchte werden gelegentlich hechelnd mitgeliefert.

Ungewissheit sorgt für Gesprächsstoff

Vor allem aber ist die TV-Berichterstattung über Fußball immer mehr mit scheinbar fehlerlosen Kontroll-Techniken unterfüttert worden. Ausgeklügelte Torlinienberechnungen wären zu nennen, mit deren Hilfe es anno 1966 nie zum legendären „Tor von Wembley“ gekommen wäre. Nicht auszudenken. Generationen von Männern hätten des Gesprächsstoffs ermangelt und betrübt in ihr Bier geblickt, wenn nicht still ins Glas geweint. Dieses flaue Gefühl sorgt auch dafür, dass Videoassistenten (VAR) die wohl ungeliebtesten Protagonisten im Umfeld des Sports sind. Sie haben einem schon so manches Tor verhagelt, das man bereits bejubelt hatte. Zuweilen haben sie’s erst nach Minuten des Hoffens und Bangens versaubeutelt.

Die Messung der Schussgeschwindigkeit (wie schnell ist der Ball geflogen?) ist ein vergleichsweise alter Hut. Etwas neueren Datum sind Streckenberechnungen: Wie viele Kilometer hat ein bestimmter Spieler oder ein ganzes Team auf dem Rasen zurückgelegt? Waren es bei einem Kicker nur 8 und nicht 10 Kilometer in rund 90 Minuten, so ist der heimische Sesselhocker geneigt, ihn als „Stehgeiger“ zu bezeichnen. Etwas Respekt nötigt ihm zwischen zwei Pils höchstens die gleichfalls verzeichnete Sprint-Höchstgeschwindigkeit beim Match ab, die auch schon mal mehr als 34 km/h beträgt. Da ist man doch zum Kühlschrank eher etwas langsamer unterwegs. Ansonsten gleicht man als Zuschauer jenen Spielern, die sich in letzter Zeit bei gegnerischen Freistößen öfter mal hinter die eigene „Mauer“ auf den Rasen legen, damit bodennah „nichts durchkommt“.

Relativ neu ist die Visualisierung der sogenannten Realformation, die nichts mit Real Madrid zu tun hat. Nein, hierbei geht’s darum, wo die einzelnen (schematisch durch ihre Rückennummern repräsentierten) Spieler sich „im Durchschnitt“ der bisherigen Spielzeit aufgehalten bzw. bewegt haben, nämlich fast niemals lupenrein in taktischen Aufstellungsrastern wie 4 – 2 – 4, 3 – 4 – 2 – 1 oder dergleichen. Und siehe da: Eine Elf, die das Spiel überlegen gestaltet, steht insgesamt weiter vorn, die gegnerische hingegen näher am eigenen Tor. Wer hätte das früher gedacht, als es diese stupide, Verzeihung: stupende Zahlenverschiebung noch nicht gegeben hat? Wie haben wir Fußball überhaupt verstehen und genießen können – ohne solche Informationen? Damals hat man einfach darüber geredet, heute heißt das „Analyse“.

Nun hört man ihre Zurufe beim Spiel

Manche TV-Sprecher scheinen in einem Punkt geradezu dankbar für „Geisterspiele“ in Corona-Zeiten zu sein. Seither hören sie nämlich, was Trainer und Spieler während der Partien rufen. Daraus hat sich quasi schon ein eigenes Genre der zusätzlichen Spieldeutung ergeben. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat vor einigen Wochen gar mehrere Seiten freigeräumt, um die zahllosen Zurufe während eines ganzen Spiels (Bayern München – Borussia Dortmund) wortwörtlich wiederzugeben. Das machen sie sonst allenfalls für Essays vom Kaliber Jürgen Habermas.

Und noch eine Novität: Neuerdings wird nach Toren eingeblendet, mit wieviel Prozent Wahrscheinlichkeit dieser Treffer gefallen sei. Damit wir uns richtig verstehen: Er ist hundertprozentig gefallen, aber ist es in genau dieser oder datenbankmäßig vergleichbarer Situation wahrscheinlich gewesen – und falls ja, w i e wahrscheinlich? Zu 13 oder zu 43 Prozent? Auf so einen Humbug muss man erst einmal kommen. Nun warten wir noch auf die einsteinsche Rechenformel zu den „Unhaltbaren“, die ein richtig guter Torhüter dann und wann denn doch hält.

Aber im Grunde sehnt  man sich nach echt abgeklärten Typen wie dem BVB-Altvorderen Adi Preißler zurück, der die ewige Weisheit geprägt hat: „Grau ist alle Theorie – entscheidend ist auf’m Platz.“




WDR 4: Radio für Senioren – aber ganz anders als früher

Webcam-Blick ins Studio: vorn rechts Moderator Jürgen Mayer, hinten in der Mitte Moderatorin Cathrin Brackmann, links Nachrichtenfrau Katja Latsch, alle coronagerecht durch Plexiglasscheiben voneinander getrennt. (Screenshot: WDR)

Wir erinnern uns, nicht allzu gern: Die Hörfunkkette WDR 4 stand mal für vieles, was einem musikalisch und vom zugehörigen Lebensstil her zuwider war. Da gab’s bestenfalls elmargunschige Beruhigungs-Stimmen (wobei der alte Knabe wirklich gut und anheimelnd geklungen hat), ansonsten dudelten – horribile dictu – schier endlos deutsche Schlager oder Operetten-Auszüge. Radio für Senioren also. Echt ätzend.

Im Westen weiß man längst, dass es bei WDR 4 seit einiger Zeit ganz anders zugeht. Es wird ungleich lockerer geplaudert. Vor allem aber hauen sie dort Stones, Cream, Kinks, Who, Deep Purple und Konsorten raus, die ganze Pop- und Rock-Chose seit den glorreichen Sechzigern bis in die Achtziger. Wir sind uns doch sicherlich einig, dass es auf diesem Sektor nie bessere Musik gegeben hat, oder etwa nicht? Ruhe da hinten! Unverschämtheit!

Aber Moment mal: Sollte das etwa immer noch bzw. wieder Radio für Senioren sein – nur eben für eine andere Generation in Ehren ergrauter Menschen? Jaja, meinethalben. Is‘ ja auch egal. *räusper* *hüstel* *grumpf*

Wieso ich ausgerechnet jetzt auf all das komme? Nun, heute, morgen und übermorgen (Donnerstag bis Samstag, 29. bis 31. Oktober) absolvieren sie bei WDR 4 einen speziellen Pop-Marathon. Wie bei populären oder Popularität anstrebenden Medien üblich, haben die Hörer(innen) abgestimmt, rund 130.000 an der Zahl. Resultat: die 444 beliebtesten Musiktitel („Top 444″), die nun – einer hübsch nach dem anderen – allesamt abgespielt werden, im munteren Wechsel flott anmoderiert von Cathrin Brackmann und Jürgen Mayer oder Stefan Vogt und Carina Vogt. Per Webcam dürfen die sicherlich ergriffen Zuhörenden währenddessen Live-Blicke ins Studio werfen – aus zwei verschiedenen Perspektiven, aber nur mit den Ton-Anteilen, die auch über den Sender gehen. Man soll und möchte ja zwischendurch auch nicht das womöglich halbprivate Geplänkel der WDR-Leute im Ohr haben.

Übrigens hat das Ganze mit dem Revier zu tun. Normalerweise entstehen die Sendungen für WDR 4 nämlich im Landesstudio Dortmund. Die Aktion mit den 444 Pop-Titeln ist freilich eigens in die Kölner Zentrale gezogen.

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P. S.: Soeben (Donnerstag, 13.30 Uhr) war Platz 358 an der Reihe, beim Aufstieg bis zum Spitzenreiter ist es also noch lange hin. Wenn alle 444 Titel verklungen sind, kann man die komplette Playlist herunterladen und mit dem eigenen Geschmack vergleichen.

 

 




Mit schnellem Stift Momente im Prozess skizzieren – Gerichtszeichnungen als rares Ausstellungsthema in Hamm

Stefan Bachmann: Moment aus dem Kachelmann-Prozess (2010/2011) – mutmaßliches Opfer und Angeklagter, zwischen ihnen Geräte für eine gerichtliche Video-Aufzeichnung.

Kaum zu glauben: Schon seit 200 Jahren besteht das Oberlandesgericht (OLG) in Hamm. Anno 1820 ordnete der preußische König Friedrich Wilhelm III. die Verlegung von Kleve in die westfälische Stadt an. Groß feiern kann man das Jubiläum heuer nicht, da ist Corona vor. Doch geht der Anlass auch nicht spurlos vorüber: So sind jetzt im Hammer Gustav-Lübcke-Museum rund 80 Gerichtszeichnungen zu sehen – Beispiele für ein ganz eigenes künstlerisches Genre und selten genug Ausstellungsthema.

Die Studioschau wirkt auf den ersten Blick eher unscheinbar, sie wartet aber mit zeichnerischen Vergegenwärtigungen spektakulärer Prozesse auf, so etwa mit dem Verfahren, bei dem der Wettermoderator Jörg Kachelmann sich wegen angeblicher Vergewaltigungen verantworten musste – und schließlich freigesprochen wurde. Martin Burkhardt, der wohl aktivste und gefragteste Gerichtszeichner der Republik, hat einige markante Szenen aus dem Prozessverlauf in aller nötigen Diskretion festgehalten – von der Aussage einer Zeugin bis hin zum Porträt des Angeklagten. Auch Yann Ubbelohde und Stefan Bachmann haben Momente dieses Prozesses zeichnerisch festgehalten, jeweils mit anderen Ansätzen. Bo Soremsky hat aus dem Geschehen sogar eine interaktive Arbeit destilliert, die im Stile einer Graphic Novel deutlich über die bloßen Tatsachen hinausgreift.

In den Gründungsjahren der Bundesrepublik waren noch Filmaufnahmen im Gericht erlaubt, seit 1964 heißt es jedoch „Fotografieren verboten!“ Diesen Titel trägt nun auch die Hammer Ausstellung. Ohne das Film- und Fotografierverbot gäbe es ja die Gerichtszeichnung nicht. Man kennt die weithin üblichen Fotos und Filmschnipsel, die die kurzen Momente vor Verfahrensbeginn zeigen: Die Angeklagten halten sich zumeist Aktenordner vors Gesicht, man sieht nur die Anwälte, die zuweilen nicht unfroh sind, wenn sie „prominent“ in den Medien auftauchen. Nach diesen eher nichtssagenden Schnappschüssen aber lautet das Gebot: Kamera aus!

Es bleibt also eine Lücke in der Berichterstattung, die nicht einmal durch noch so brillante Texte geschlossen werden kann. Bei einigen Prozessen möchte sich die Öffentlichkeit eben eine genauere visuelle Vorstellung von typischen Momenten, Gesten und Gesichtern machen. Es ist nicht nur blanker Voyeurismus, sondern mag auch der Wahrheitsfindung dienen. So kommt es, dass just die Fernsehanstalten Haupt-Auftraggeber für die Gerichtszeichnungen sind, die in angespannter Situation relativ schnell entstehen und sich am tagesaktuellen Redaktionsschluss orientieren müssen (darin der Karikatur vergleichbar, die aber eine völlig andere, ja fast gegenteilige Aufgabe hat). Printmedien drucken hingegen nur noch sehr selten Gerichtszeichnungen ab.

Der Zeichner oder die Zeichnerin, in aller Regel graphisch gründlich ausgebildet, manchmal auch auf Grundlage eines langen Kunststudiums arbeitend, sitzen also im Gerichtssaal und fertigen mit recht raschem Bleistift-Strich ihre Prozess-Ansichten, die sie hernach meist noch kolorieren und mit Fineliner-Stift umreißen. Dann kommen schon die eiligen Kamerateams und filmen die Zeichnungen ab.

Und siehe da: Diese Zeichnungen haben eine andere Intensität und Unmittelbarkeit als die meisten Film- oder Fotoaufnahmen aus dem Justizwesen. Da die Zeichner im Saale sitzen, fühlt man sich durch ihre Skizzen auch perspektivisch oft mitten ins Prozessgeschehen versetzt. Hinzu kommt das subjektive Moment, das – bei allem Bemühen um neutrale Dokumentation – dennoch insgeheim gegenwärtig ist. In Einzelfällen (sog. Wörz-Prozess) verdichten sich Zeichnungen auch zu stillen Dramen, so beispielsweise in der Gestalt des Vaters einer ermordeten Frau, der sichtlich als gebrochener Mann in den Zeugenstand tritt. Ein bewegendes, Mitleid erregendes Bild.

Martin Burkhardt: Rocker-Prozess in Kaiserslautern. Der Gerichtssaal wurde eigens umgebaut, Panzerglas und Stahldornen trennten den Zuschauerraum von den Verfahrensparteien.

Ganz anders, nämlich sozusagen explosiv und potentiell gewaltgeneigt, erschien die Stimmungslage bei einem Rocker-Prozess um „Hells Angels“-Mitglieder, bei dem Teile des (eigens umgebauten) Saales mit bedrohlich wirkenden Bikern angefüllt waren. Und wieder anders, atmosphärisch geradezu gediegen, die Bilder vom Verfahren gegen den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, das sich um Vorteilsnahme und Korruption rankte und mit Freispruch endete. Als eher kurioses Einzelstück sieht man noch ein Gerichtsporträt des Sängers Heino, der in ein Schadenersatz-Verfahren um abgesagte Auftritte verwickelt war.

Cony Teis: Prozess gegen die „Gladbecker Geiselgangster“ – hier der Angeklagte Hans-Jürgen Rösner mit seinem Finger-Tattoo („L-O-V-E“).

Manche Skizzen gelangen auch schon mal in die ARD-Tagesschau oder in die heute-Nachrichten des ZDF. Dennoch verdienen die freischaffenden Gerichtszeichner nicht übermäßig viel. Der übliche Tagessatz liegt bei rund 500 Euro plus Spesen. Große Prozesse und somit lohnende Aufträge gibt es beileibe nicht alle Tage. Und wie sieht es mit Verkäufen aus? Ganz schlecht. Ein Kunstmarkt für Gerichtszeichnungen existiert praktisch nicht. Hamms Museumsleiter Ulf Sölter hat sämtliche Exponate von den Urhebern selbst erhalten. Nur ganz vereinzelt soll es Anwälte geben, die Gerichtszeichnungen in ihren Kanzleien aufhängen. Keine üppigen Geldquellen also. Martin Burkhardt ist denn auch der einzige, der von Gerichtszeichnungen lebt, die weiteren künstlerischen Leihgeber betreiben ihr Gerichtsmetier lediglich als Nebentätigkeit.

Ein Sonderfall ist die Kölner Künstlerin Cony Teis, die zwar einst große Prozesse begleitet hat (Beispiele in der Hammer Auswahl: die Gladbecker Geiselnehmer Rösner und Degowski, der Kinderschänder Dutroux), inzwischen aber längst zur international beachteten freien Kunstszene zählt und Gerichtssäle nicht mehr aufsucht. Das gewiss auch für Zeichner seelisch sehr belastende Dutroux-Verfahren und andere haben sie bewogen, ein hauchzartes und im leisesten Luftzug wandelbares Mobile mit Täter- und Opfer-Porträts auf transparenten Folien zu entwerfen. Teis‘ Werk mit dem Titel „Justitia“ ist als genuin künstlerisches Statement und gleichsam als Summe, Vertiefung und Überhöhung ihrer vielen Gerichtszeichnungen in dieser Ausstellung zu sehen. Spätestens hier sollte man innehalten, um über die Unwägbarkeiten oder auch Untiefen von Recht und Gerechtigkeit nachzusinnen.

„Fotografieren verboten! Die Gerichtszeichnung“. Ausstellung zur 200-Jahr-Feier des Oberlandesgerichts Hamm. Gustav-Lübcke-Museum, Hamm, Neue Bahnhofstraße 9. – Bis 3. Januar 2021. Di-Sa 10-17, So 10-18 Uhr. Ein Katalog kommt erst im September heraus. www.museum-hamm.de




War das etwa ein Revierderby? Nein, nein und nochmals nein!

Ja, es war gespenstisch: das „Revierderby“ vor leeren Zuschauerrängen, hier als Screenshot der Sky-Übertragung – just im geisterhaften Moment einer Bildüberblendung.

Normalerweise ist das Dortmunder Stadion das größte in Deutschland. Selbst bei weniger prickelnden Spielen ist es stets bis auf den letzten Platz gefüllt, erst recht bei einem Revierderby gegen Schalke. Heute war das piepegal. Wie so vieles andere.

Nicht über 81.000 Zuschauer kamen heute zum Pseudo-Revierderby gegen Schalke, sondern nur die Spieler, jeweils ein verkleinerter Betreuerstab, das Schiri-Team und ein paar handverlesene Medienvertreter. Ich habe lange überlegt, ob ich mir diese durchaus riskante, eventuell auch skandalöse Unwichtigkeit im TV antun soll. Nun denn, auf abstruse Weise war es ja doch etwas „Besonderes“. Da fühlt man sich als Journalist eben angesprochen. Hier also ein kurzer Bericht vom faden Selbstversuch.

Was bei Geisterspielen alles schmerzlich fehlt, trat bei der sonst so verbissen ausgefochtenen Begegnung BVB – Schalke diesmal besonders krass zutage. Es mangelt an jeglicher Leidenschaft, an gesteigerter „Emotion“, an Atmosphäre, erst recht an jeder Form von Fußballfieber. Wie sonst nie, wird jetzt klar, wie überaus wichtig die Rolle der Fans ist. Sie erst machen das Spiel zum Erlebnis. Das haben wir zwar schon vorher gewusst, doch nun gibt es daran noch weniger Zweifel. Auch als Fernsehzuschauer fehlt einem die „Rückkoppelung“ durch das Publikum im Stadion, dessen Geräuschkulisse wiederum oft gnädig das Geschwätz mancher Kommentatoren übertönt.

Der Fernsehton klang geradezu gespenstisch, wie aus einer Hall- und Echokammer. Es waren die seltsam verstärkten Zurufe von Spielern und Trainern. Man hatte bei Sky auch die absurde Wahl, einen Tonkanal mit situationsgerecht (?) eingespielten Fanrufen und Gesängen aus der „Konserve“ zu wählen; womit wir nicht nur auf einem Gipfel der Peinlichkeit, sondern geradewegs in den Gefilden der Idiotie angelangt wären.

Es war einiges anders, als man es bisher kannte. Desinfizierter Ball, Gesichtsmasken auf der Auswechselbank, die Spieler (und nicht Balljungen) holen sich die Kugel selbst. Die teilweise stark abgewandelten Corona-Spielregeln waren auch dem TV-Sprecher noch nicht klar. Zum Beispiel: Darf man insgesamt fünf Spieler zu drei Zeitpunkten auswechseln? Zählt dabei ein Wechsel in der Halbzeit mit? Ach, wie müßig! Aber es muss ja alles in geordneten Bahnen verlaufen. Apropos: Wahrscheinlich haben sie in allen möglichen Ländern ein Auge auf diesen Spieltag. Gut möglich, dass demnächst halb Europa mit Spielzeit-Resets nachzieht. Beim Gedanken kann einem bange werden.

Nach den vier Dortmunder Toren gab es nicht den üblichen Jubel in der Spielertraube, sondern jeweils verhaltene Freude auf Distanz. Es wirkte fast schon ein wenig nobel. Denn damit unterblieben auch die sonst mitunter üblichen, lächerlichen Macho-Gesten. Auch gab’s kein fortwährendes Gespucke auf den Rasen. Wenn sich die hochbezahlten Herrschaften das auf Dauer abgewöhnen könnten, wär‘s eh gut. Überhaupt darf man vielleicht von künftigen Zeiten träumen, wo weniger Getue um die Kickerei veranstaltet wird, und zwar verbal wie finanziell.

Sagen wir nur die blanke Wahrheit: Es war nicht nur ein leeres Stadion, es war insgesamt eine sinnentleerte Veranstaltung. Das 180. Revierderby war gar keins. Es war in jeder Hinsicht unecht. Und ja: Ich habe das Ende herbeigesehnt.

Unter anderen Umständen hätte man sich als Anhänger der Dortmunder über den 4:0-Erfolg königlich gefreut, doch so nimmt man es beinahe ungerührt zur Kenntnis. Ich weiß nicht einmal, ob ich mir in dieser verrückten Saison den BVB als Meister wünschen soll. Auf ewig würde es heißen, das sei ja die „Corona-Meisterschaft“ gewesen. Außerdem ist es nicht vorstellbar, dass ein etwaiger Titel in der Stadt massenhaft gefeiert werden könnte. Aber auch das ist irgendwie schnurz.




Durcheinander bei Anne Will: Laschet und die Lockerung

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in der Talkshow von Anne Will (Screenshot aus der ARD-Sendung)

Das war wohl nicht gerade der allerfeinste Zug des NRW-Ministerpräsidenten  Armin Laschet. Als er bei Anne Will (ARD) mit seinen Argumenten für eine abgewogene „Lockerung“ der Corona-Maßnahmen etwas in Bedrängnis geriet, tat er was?

Er schob einen Gutteil der Verantwortung auf die Kommunen. Sie (und nicht das Land) hätten rasch für ausreichend Desinfektionsmittel in den Schulen sorgen müssen, um deren reibungslose Öffnung zu ermöglichen. Auch hätten sie (also die Städte) in den letzten Jahren ihre Gesundheitsämter ausbluten lassen. Statt dessen hätte „seine“ Schulministerin Yvonne Gebauer Desinfektionsmittel beschafft und rundum angeboten, obwohl dies wirklich nicht ihre Aufgabe sei.

Laschet, dem der Ruf vorauseilt, vielleicht etwas zu locker für Lockerungen einzutreten (Kanzlerin Merkel hat wohl auch ihn gemeint, als sie sagte, manche gingen dabei „zu forsch“ vor), wird morgen gewiss die eine oder andere vergrätzte Antwort von Stadtspitzen  oder Landräten aus NRW und anderen Gegenden bekommen. Zuletzt hatten sich manche der hiesigen (Ober)-Bürgermeister just über Wirrnis bei der Landesregierung beschwert. So deutet einer auf den anderen. Bringt uns das weiter?

Ähnlich kontrovers und kakophon ging es auch in Anne Wills ARD-Talkshow zu, bei der stellenweise mal wieder arg viel durcheinander geredet wurde. Christian Lindner (FDP) unterstellte Annalena Baerbock (Grüne) dies und jenes, die wiederum hielt ihm vor, er plädiere für Lockerungen als puren „Selbstzweck“. Es waren hie wie da durchsichtige Zuweisungen. Der jüngst etwas in den politischen Windschatten geratene Lindner empörte sich über willkürlich erscheinende Entscheidungen wie jene, dass Auto- und Möbelhäuser in etlichen Bundesländern unterschiedlich behandelt würden. Er plädierte für gezieltes regionales Eingreifen, sobald sich irgendwo ein exponentielles Wachstum an Corona-Fällen zeigen sollte. Ansonsten seien Lockerungen „verantwortbar“.

Während Baerbock die sozialen und psychischen Probleme vor allem in Schulen, Kitas und Altenheimen verortete, redete Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (SPD) vor allem aus ärztlicher und virologischer Sicht. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er bislang gar keine Lockerung zugelassen. Unterstützung bekam er von der aus München zugeschalteten Christina Berndt, Wissenschaftsredakteurin der Süddeutschen Zeitung und Biochemikerin. Laschet hingegen machte seinem Ärger über manche Virologen Luft, die einander nicht nur widersprächen, sondern auch hin und wieder ihre Beurteilungs-Kriterien änderten. Es erweckte den Eindruck, als könne man sich da auf nichts mehr verlassen. Auch Lindner hieb in diese Kerbe.

Und Anne Will? Mal schauen, wie oft sie das Corona-Thema noch abhandeln wird. Es will einem fast scheinen, als hätte sie sämtliche Virologen und sonstigen Experten schon zu Gast gehabt. Davon abgesehen, kann sie es einfach nicht lassen, in jeder Ausgabe politische Personalien hervorlocken zu wollen – auch nicht, wenn es noch so aussichtslos und läppisch ist. Überdies kann man über ihre nachdrücklich vertretene Auffassung, das Hygienekonzept der Fußball-Bundesliga sei geradezu beispielhaft, wirklich heftig diskutieren. Karl Lauterbach ereiferte sich denn auch darüber, dass laut Konzept bei Erkrankung eines Spielers dessen Mannschaft trotzdem weitermachen dürfe. Zudem wird man ernsthaft fragen dürfen, ob es zu vermitteln ist, dass die Liga für ein paar Spielrunden mindestens 25.000 Corona-Tests verbrauchen wird. Wie sich seit Wochen zeigt, gibt es halt wahrlich Wichtigeres als maßlos überbezahlten Profi-Fußball.

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P. S.: Abermals habe ich auch bei mir festgestellt, was für viele TV-Zuschauer gelten dürfte und eigentlich ein „alter Hut“ ist: Man achtet bei derlei Talks zwangsläufig nicht nur auf das Gesagte, sondern gar sehr auch auf Stimmlage, gestische Marotten und Details der Kleidung. Man muss sich jedenfalls schon sanft zwingen, derlei Äußerlichkeiten überhaupt nicht in Rechnung zu stellen, wenn Argumente abgewogen werden. So ist Fernsehen. Oft ziemlich irreführend.

P.P.S.: Auf was man sonst noch achtet, wenn man’s ein bisschen mit der Sprache hat: Es war eine Ausgabe mit drei Harren mit L (Laschet, Lauterbach, Lindner) und zwei Damen mit B (Baerbock, Berndt). Ob das etwas zu bedeuten hat?

P.P.P.S.: Wenn ich meinen heutigen Beobachtungen im Freien trauen darf, hat bei manchen Mitbürgern bereits allzu viel „Lockerung“ Einzug gehalten. Angst vor einer „zweiten Welle“ der Pandemie scheint vielfach keineswegs handlungsleitend zu sein. Verantwortungsloser Tiefpunkt war eine ca. 15 Leute umfassende, eng gedrängte Gruppen-Zusammenkunft mit dem Ziel, eine große Mauer zu besprühen. Da überlegt man dann schon, ob man nicht die Behörden alarmieren soll.

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Nachtrag – Es war so sicher wie das Amen in der Kirche:

WAZ-Titelschlagzeile vom 28. April




Corona sorgt für spezielles Kunsterlebnis beim Pressetermin: Bitte nur einzeln zu den Bildern gehen!

Die stellvertrende Museumsdirektorin und Kuratorin Dr. Tanja Pirsig-Marshall präsentiert in einem kurzen Video eine Vorschau auf die Münsteraner Tadeusz-Ausstellung. (Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=4wB3rXY2z6k)

Vor Wochenfrist war hier die Rede von einer Orchester-Pressekonferenz per Videoschalte, wie sie einem immer noch etwas ungewohnt vorkommt, aber derzeit wohl ein Maß der Dinge ist. Nun ist abermals von einem kulturellen Pressetermin in spezieller Form zu berichten. So ist das nun mal: Das „neuartige“ Virus zieht eben neuartige Presse-Gepflogenheiten nach sich.

Schauplatz wird das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster sein. Dort soll es vom 10. Mai bis zum 2. August eine Ausstellung über den in Dortmund geborenen Maler Norbert Tadeusz (1940-2011) geben. Und tatsächlich findet vorab kein Video-Termin als virtuelle Führung statt, sondern mal wieder einer, der körperliche Präsenz erfordert. Doch die Journalistinnen und Journalisten werden an jenem Vorbesichtigungs-Tag nicht (wie ehedem üblich) im Pulk durchs Museum gehen, sondern jede(r) für sich, also einzeln.

Auf diese etwas umständliche Weise wird sich der gesamte Termin mutmaßlich von 10 bis 16 Uhr hinziehen. Das Ganze heißt deshalb nicht Pressekonferenz, sondern „Pressetag“. Es ist anzunehmen, dass die jeweilige Aufenthaltsdauer begrenzt werden muss, damit die Nachrückenden zeitig an die Reihe kommen – je nachdem, wie viele sich mit welchen Wunschzeiten anmelden. Kurze Gespräche mit der LWL-Kulturdezernentin, dem Museumsdirektor oder der Ausstellungskuratorin sind übrigens ebenfalls möglich.

Das alles hört sich nach einem geradezu exklusiven Kunsterlebnis an, bei dem einen nichts von den Bildern ablenkt – auch nicht all die liebenswerten Kolleg(inn)en. Man darf sich also ganz allein vor den Kunstwerken aufhalten; beispielsweise ohne Fernsehteams, ohne wichtig wuselnde Kameraleute und Mikrofonträger, ohne Hörfunk-Mitarbeiter, die gerade mal schnell ihre „O-Töne“ einfangen müssen; ohne Fotografen, die eben noch ein paar Gruppenbilder mit der Museumsleitung anfertigen wollen („Bitte vor dieses Gemälde, bitte den Katalog in die Hand nehmen, bitte hierher gucken – und läääächeln!“). Und sogar ohne klügelnde Fragesteller, die sich ihren imponierenden Auftritt wohl schon Tage vorher zurechtgelegt haben.

So. Jetzt hab‘ ich’s mir glücklich mit allen verdorben. Wie bitte? Nein, ich habe noch nie jemanden bei Presseterminen genervt. Niemals nicht. Wo denkt Ihr denn hin?




TV-Nostalgie (38): Mehr Zeit für Rückblicke – zum Beispiel auf die grandiosen Fernseh-Interviews von Günter Gaus

Der vielfach als „Studentenführer“ apostrophierte Rudi Dutschke 1967 als Gegenüber von Günter Gaus. (Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=U6X-ZeYC54E)

In den ungeheuren Weiten von YouTube verbirgt sich, bei Wohn- oder Arbeitszimmer-Licht betrachtet, (zu leider sehr geringen Teilen) auch eine famose „Volkshochschule“, die eigentlich einen eigenen Namen verdient hätte. So denke ich gelegentlich. So dachte ich nun wieder, als ich – beispielsweise – zunächst auf ein ausführliches Feature über die politische Rivalität zwischen Franz Josef Strauß (CSU) und Herbert Wehner (SPD) stieß, nach deren markanter Politik-(Darstellung) sich heute manche zurücksehnen. Es war lediglich ein Ausgangspunkt.

Da nun einmal jetzt mehr Zeit für derlei virtuelle Expeditionen ist, hangelte ich mich sodann weiter zu jenen grandiosen Interviews aus den frühen Jahren des bundesrepublikanischen Fernsehens, wie sie zumal von Günter Gaus („Zur Person“, „Zu Protokoll“) geführt worden sind. Welch eine zeitgeschichtliche und mediengeschichtliche Fundgrube! Was Fernsehen damals sich zutraute und was es zu allerbesten Sendezeiten vermochte! Wie konzentriert es dabei zuging und noch dazu sprachlich so ausgefeilt.

Trat mit Zigarre an: Franz Josef Strauß 1964 als Gast von Günter Gaus. (Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=OwGTvGIdEJQ)

Um allein bei Gaus zu bleiben: Er hat nicht nur besagten Franz Josef Strauß (1964) einvernommen und dabei dessen ebenso bullige wie schillernde Wesensart hervortreten lassen, sondern etwa auch Rudi Dutschke 1967 mit höchst unangenehmen Fragen konfrontiert. Er hat einen ebenso intensiven Dialog mit der Philosophin Hannah Arendt geführt wie mit dem Historiker Golo Mann oder dem Theatermenschen Gustaf Gründgens. Die gesamte damalige Polit-Prominenz hat Gaus seinerzeit gegenüber gesessen – von Ludwig Erhard (1963) über Willy Brandt, Herbert Wehner (beide 1964) und Konrad Adenauer (1965) bis Helmut Schmidt (1966).

Es waren prägende Jahre der Republik, in denen Weichen auf Jahrzehnte hinaus gestellt wurden. Und es sind Zeitdokumente sondergleichen, thematisch wie persönlich sehr verdichtet und – dazu passend – noch in konturstarkem Schwarzweiß. Die rund einstündigen Sendungen haben spürbaren Atem, es sind nicht so aufgeregte, angeblich „emotionale“ Zuspitzungen wie heute. Die Protagonisten erscheinen für die Dauer der Interviews wie aus ihrem sonstigen Umfeld herausgelöst oder herauspräpariert, gleichsam „auf sich gestellt“ und geradezu plastisch präsent. Natürlich konnte auch Gaus ihnen nicht alles entlocken. Aber man kann sich anschließend eine deutlichere Vorstellung von ihnen machen. Und das ist viel.

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Themen der vorherigen Folgen:

“Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” mit Hans-Joachim Kulenkampff (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” mit Manfred Krug (5), “Der Kommissar” mit Erik Ode (6), “Beat Club” mit Uschi Nerke (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), “Fury” (10).

Loriot (11), “Kir Royal” (12), “Stahlnetz” (13), “Kojak” (14), “Was bin ich?” (15), Dieter Hildebrandt (16), “Wünsch Dir was” (17), Ernst Huberty (18), Werner Höfers “Frühschoppen” (19), Peter Frankenfeld (20).

“Columbo” mit Peter Falk (21), “Ein Herz und eine Seele” (22), Dieter Kürten in “Das aktuelle Sportstudio” (23), “Der große Bellheim” (24), “Am laufenden Band” mit Rudi Carrell (25), “Dalli Dalli” mit Hans Rosenthal (26), “Auf der Flucht” (27), “Der goldene Schuß” mit Lou van Burg (28), Ohnsorg-Theater (29), HB-Männchen (30).

“Lassie” (31), “Ein Platz für Tiere” mit Bernhard Grzimek (32), „Wetten, dass…?“ mit Frank Elstner (33), Fernsehkoch Clemens Wilmenrod (34), Talkshow „Je später der Abend“ (35), „Stromberg“ (36), „Nachlese zur Internationalen Automobil-Ausstellung von 1963“ (37)

Und das meistens passende Motto:
“Man braucht zum Neuen, das überall an einem zerrt, viele alte Gegengewichte.” (Elias Canetti)




Nach all den Absagen: Helft den Kulturschaffenden – und den Leuten im freien Journalismus!

Leerer Zuschauerraum – hier im Bochumer Schauspielhaus. Aufnahme von November 2018, nach Schluss einer Vorstellung. (Symbolfoto: Bernd Berke)

Nachdem allerorten vermeldet wird, welche (Kultur)-Veranstaltungen nicht mehr ausgetragen werden; nachdem man sich dabei tendenziell immer kürzer fassen kann (Es findet ja praktisch nichts mehr statt) – nach all dem muss man in der Tat dringlich über die vielen Freischaffenden in der Kunst- und Kulturszene reden.

Nicht wenige von ihnen hängen von (teilweise ohnehin geringen) Honoraren bzw. Einzelgagen pro Auftritt ab und befinden sich sowieso häufig am unteren Rande des Ein- und Auskommens. Und da sprechen wir nicht nur von den zahlreichen Musikern, Comedians und Kabarettisten, wie sie speziell auch die Kulturlandschaft des Ruhrgebiets mitgestalten.

Wenn „wir“ (Steuerzahler) jetzt mal wieder Teile der Wirtschaft und womöglich auch erneut Banken retten sollen, so mag das in bestimmten Fällen und Branchen recht und billig sein. Nichts dagegen einzuwenden, sofern der Bedarf auch ernsthaft geprüft wird und keine Lobby-Interessen bedient werden.

Ein Unterstützungs-Fonds wird dringend gebraucht

Freilich sollte gerade dann auch ein ordentlich ausgestatteter und möglichst unbürokratisch gehandhabter Unterstützungs-Fonds für all jene aufgelegt werden, die die vielfältige Kultur stets alltäglich und allabendlich am Leben erhalten haben. Hier herrscht ja vielfach nicht nur Bedarf, sondern echte Bedürftigkeit.

Ein Dieter Nuhr, der sich neuerdings über Corona belustigt und weiterhin auftreten will, wird sicherlich mal ein paar Monate ohne zusätzliche Einnahmen klarkommen. Viele, viele andere haben allerdings nichts für solche misslichen Zeiten zurückgelegt. Was soll aus ihnen werden? Sollen sie jetzt allesamt in andere Berufe wechseln, so dass hernach – wenn sich die Lage hoffentlich schrittweise normalisiert – weite Teile der Szene brachliegen? Sollen sie sich mit Hartz IV durchschlagen? Erst haben wir ihnen gelauscht, sie hin und wieder auch bewundert, viel gelacht, uns oft prächtig unterhalten und überhaupt all das goutiert, was Kultur nun mal vermag – dann sollen sie ihre Schuldigkeit getan haben? Das kann ja wohl nicht angehen.

Nicht zu vergessen übrigens die zahlreichen freien Journalistinnen und Journalisten, die von heute auf morgen so gut wie nichts mehr zu schreiben oder sonstwie zu publizieren haben. Wo nichts stattfindet, kann nur anfangs ein- bis zweimal über den Schwund berichtet werden, doch das schleift sich ganz schnell ab. Und dann? Fehlen zumindest auf Wochen hinaus die Einnahmen. Und dann? Sollten wir auch ihnen helfen.

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P. S.: Dass der Appell auch den freien Journalismus umfasst, ist keineswegs pro domo gesprochen. Bei den Revierpassagen basiert sozusagen eh alles auf selbstausbeuterischem „Ehrenamt“. Also ist kein Eigeninteresse im Spiel.




Jetzt geht es um den ganzen Lebensstil

Wenig originelles Bild zu den „dunklen Wolken, die da heraufziehen“, aber ich hab‘ in eigenen Beständen auf die Schnelle nichts Besseres gefunden. (Foto: BB)

So. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr um einzelne bzw. kollektive Absagen geht – sei’s auf kulturellem oder sportlichem Felde. Was soll’s denn, ob die Bundesliga-Saison nun unterbrochen oder ganz abgebrochen wird?

Es geht inzwischen um unseren ganzen Lebensstil, ja überhaupt ums Ganze. Wenn Bundeskanzlerin Merkel rät, die sozialen Kontakte auf nötigste Mindestmaß zu begrenzen, ist denn doch – bei aller scheinbaren äußeren Gelassenheit – eine ziemliche Anspannung spürbar.

Wir dachten schon, ein neues (Bionade)-Biedermeier habe sich in gewissen urbanen Vierteln längst etabliert, dabei steht erst jetzt der allgemeine Rückzug in die Stuben an. Gartenlaube revisited?

Endlich, endlich schließt auch NRW die Schulen und Kitas

Du meine Güte! Wie relativ lang hat Deutschland, hat speziell Nordrhein-Westfalen gebraucht, um sich zu Schul- und Kita-Schließungen ab kommenden Montag durchzuringen – und das im Fall von NRW als Bundesland mit den weitaus meisten Corona-Infektionen. Hätte man in diesem Sinne nicht spätestens heute gehandelt, hätte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet wohl seine Ambitionen auf CDU-Vorsitz und nachfolgende Kanzlerkandidatur gleich aufgeben können. Vielen Beobachtern galt und gilt er als „Zauderer“. Gerade hierbei hätte sich das nicht bestätigen dürfen.

Eine solche Lage hat es seit Kriegsende nicht gegeben. Frankreichs Präsident Macron zieht den historischen Bogen noch weiter und spricht von der größten medizinischen Krise seit 100 Jahren. Gemeint ist die jetzt wieder oft herbeizitierte „Spanische Grippe“, die um 1918/19 weltweit unfassbare 50 Millionen Todesopfer gefordert hat und damit, was die bloßen Zahlen anbelangt, noch verheerender gewirkt hat als die Weltkriege.

Schwindet die frohe Weltzugewandtheit?

Gerade um die italienische Lebensart (Italianità) machen sich italophile Journalisten und andere, dem Süden herzlich zugeneigte Menschen neuerdings erhebliche Sorgen. „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?“ Nein, man erkennt es nicht mehr wieder. Stirbt hier auch schrittweise die Lebensfreude, schwindet nach und nach die frohe Weltzugewandtheit? Geht nun ausgerechnet Italien den Weg in die innere Einkehr? Oder wird all die Freude wiederkehren?

Und überhaupt: der Westen. Was wird aus der üblichen Event-Kultur, was ist mit der landläufigen Erlebnisgier, mit dem gewöhnlichen Hedonismus? Gab’s da nicht mal jenes Buch mit dem Titel „Wir amüsieren uns zu Tode?“ Lang ist’s her. Treibt es uns nun noch mehr in die vereinzelnde Digitalisierung? Oder wirkt sich die Krise gar als gesellschaftlicher Kitt aus, als Anstoß zum Zusammenhalt? Man möchte es hoffen, doch da bleiben auch große Zweifel. Wo so viele Leute ohne Sinn und Verstand Toilettenpapier horten oder sogar aus Kliniken Desinfektionsmittel klauen (in der Phantasie male ich mir passende Strafen dafür aus), ist Solidarität offenbar kein weithin praktiziertes Allgemeingut.

Drastische Maßnahmen und Galgenhumor

Trotz der (verspäteten?) Schulschließungen geht’s bei uns noch vergleichsweise moderat zu. Die Schweiz verbietet Veranstaltungen mit über 100 (nicht: über 1000) Teilnehmern, in Belgien werden auch die Restaurants geschlossen, in Österreich bleiben Geschäfte jenseits des Lebensbedarfs dicht, die Restaurants schließen um 15 Uhr; Polen und Dänemark riegeln ihre Grenzen ab. Als deutscher Staatsbürger darf man ohnehin längst nicht mehr in alle Länder des Erdballs reisen. Viele weitere drastische Beispiele ließen sich nennen. Und wer weiß, wer am Ende wirksamer gehandelt hat.

Auch Galgenhumor macht sich breit, wie eigentlich immer, wenn’s ungemütlich (oder schlimmer) wird: Just heute twittern Tausende zum Hashtag-Thema #CoronaSchlager, will heißen: Man dichtet bekannte Schlagertexte der letzten Jahrzehnte aufs Virus und seine Folgen um. Wenn’s denn der Entspannung dient und nicht ganz und gar zynisch wird…

Die Professoren Drosten und Wieler haben das Sagen

Die beinahe täglich live übertragenen Presskonferenzen von der Corona-Front lassen allmählich den Eindruck aufkommen, die Professoren Christian Drosten (Charité) und Lothar Wieler (Robert-Koch-Institut) seien inzwischen die eigentlich Regierenden im Lande. Sie haben buchstäblich das Sagen. Jedenfalls können die politisch Verantwortlichen in dieser Situation schwerlich ohne solche Fachleute auskommen. Prof. Alexander Kekulé (Uniklinik Halle) wäre demnach mit seinen deutlich abweichenden Meinungen so etwas wie die Opposition. Schon recht früh hat er gefordert, was jetzt geschehen ist: „Coronaferien“ in den Schulen und Absage größerer Zusammenkünfte.

Um nur nicht missverstanden zu werden: So weit man es als Laie und Medienkonsument beurteilen kann, machen Drosten und Wieler (mit ihren Teams) einen großartigen Job, sie bleiben angenehm nüchtern und sachlich, wobei man dennoch die Dringlichkeit ihrer Anliegen nicht verkennen kann. Das gilt übrigens auch für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der selbst nicht die medizinische Expertise haben kann, es aber offensichtlich versteht, fähige Leute als Berater heranzuziehen.

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P. S. zum Fußball: Ohne Zuschauer im Stadion macht die Kickerei eh keinen Spaß mehr, Sky & Co. haben mit den „Geisterspielen“ sozusagen leblose Materie übertragen. Meinetwegen soll die Liga jetzt mit der Saison aufhören, die Bayern halt zum Meister erklären (das sage ich als Dortmunder) oder – besser noch – diese Spielzeit ganz ohne Titel beenden, die jetzigen Tabellenplätze nur für einen künftigen europäischen Wettbewerb zählen lassen etc. Auf- und Abstieg ließen sich auch regeln, indem z. B. die 1. Liga aufgestockt würde, also niemand ohne Spielentscheidung absteigen müsste. Das alles wird sich finden und ist ganz und gar nicht lebenswichtig.

Ganz abgesehen davon ist es vielleicht ein soziales Experiment: Wirkt sich das Fehlen des Vereinsfußballs gesellschaftlich aggressionshemmend oder aggressionssteigernd aus? Anders gewendet: Befördert oder kanalisiert der Fußball die Gewaltsamkeit?




Gespenstische Premiere: Revierderby ohne Zuschauer

Massenhaft so dicht beieinander? Muss ja nicht sein. Höchstens in der Ikea-Stofftierabteilung, wo die Aufnahme entstanden ist. (Foto: BB)

Nachträgliche Anmerkung, nur der Form halber: Das Spiel ist inzwischen bekanntlich ganz abgesagt worden – ebenso wie der gesamte Bundesliga-Spieltag und wie vielleicht noch der Rest der Saison…

Seit C. (ihr wisst schon) ist kaum noch etwas, wie es vorher war, auch nicht auf sportlichem Sektor. Gerade ein „Revierderby“ zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 war bislang ohne Zuschauer, ohne mehr oder weniger fanatische Fans schier undenkbar. Am Samstag (15:30 Uhr) wird dieses gespenstische Ereignis Premiere haben.

(Erst) heute ist die Entscheidung gefallen. Sie ist natürlich hundertprozentig richtig. Die Gesundheit geht vor – und sei das Ansteckungsrisiko im Westfalenstadion* auch (vermeintlich) „überschaubar“. Wer will das schon mit Gewissheit sagen wollen?

Und was ist mit den Kneipentreffs?

Freilich haben Fans u. a. auf Twitter bereits darauf hingewiesen, dass sich das Publikum dann eben nicht unter freiem Himmel im Stadion, sondern zu gewissen Anteilen in Kneipen versammeln wird, also dicht gedrängt in geschlossenen Räumen, wo man sich womöglich noch leichter infizieren kann. Überdies dürften sich Umarmungsverbote im Falle eines Tores drinnen wie draußen schwerlich durchsetzen lassen. Auch den Mannschaften wird man etwaigen Torjubel nicht untersagen können.

Fest steht allerdings auch, dass sich Übertragungswege nach einem Kneipenbesuch immerhin etwas leichter rekonstruieren ließen, als nach einem Besuch im größten Stadion Deutschlands mit seinen über 81.000 Zuschauerplätzen und der größten Stehplatztribüne von ganz Europa, wo schon gar nicht auszumachen ist, wer genau wo gestanden hat.

Entlastung für Polizei und Verkehrswesen

Ob Parkplätze oder öffentlicher Nahverkehr – nichts wird so strapaziert werden, wie es bei früheren Derbys üblich war. Auch wird die Polizei vermutlich weitaus weniger zu tun haben als sonst, wenn BVB und S04 aufeinandertreffen. Obwohl: Man weiß ja nie, was sich Ultras und sonstige Anhänger beider Seiten so einfallen lassen. Nicht ausgeschlossen, dass sich manches Geschehen nur verlagert – vielleicht gar in den Umkreis des Stadions? Es wäre wahnwitzig.

Die Anordnung zum „Geisterspiel“ dürfte jedenfalls streng gehandhabt werden. Wie man hört, werden längst nicht alle interessierten, sondern nur ein paar handverlesene Sportjournalisten zugelassen. Eine Fernsehübertragung wird es höchstwahrscheinlich nur gegen Bezahlung geben, also beim Pay-TV-Kanal Sky. Es mag zwar sein, dass dies dem Sender ein paar Abonnenten zusätzlich beschert. Fraglich ist jedoch, ob Sky beim zu erwartenden Massenansturm auf die Server eine nahtlose und pannenfreie Übertragung gewährleisten kann. Bisherige Erfahrungen lassen daran zweifeln.

Der Meinungs-Schwenk des Oberbürgermeisters

Zweifeln kann man auch am Orientierungssinn des Dortmunder Oberbürgermeisters Ullrich Sierau (SPD). Noch vor wenigen Tagen, als in Essen bereits erste Veranstaltungen abgesagt wurden, hat er witzelnd angemerkt: „Wenn man in Essen keinen Spaß mehr haben kann, kann man nach Dortmund kommen.“ Heute klang er absolut anders, allerdings wieder nicht nach Maß und Ziel. Maßnahmen wie das Revierderby als „Geisterspiel“, so Sierau diesmal, seien eine Frage von „Leben und Tod“. Ja, er wurde noch drastischer: „Das hier ist kein Spaß (…) Es geht hier darum, dass ihr das nächste Spielüberhaupt noch erlebt.“

Selbstverständlich ist das Revierderby längst nicht das einzige Spiel, das dieser Tage ohne Publikum stattfindet oder gleich ganz abgesagt wird. Alle Spiele in Nordrhein-Westfalen sind von der Regelung betroffen, auch in den unteren Spielklassen. Andere Bundesländer werden wohl folgen, wenn die Verantwortlichen bei Trost sind. Übrigens hat die Deutsche Eishockeyliga ihre Saison komplett abgebrochen, ohne dass ein Meister ermittelt worden wäre.

Unbeweisbare Vor- und Nachteile

Der Vollständigkeit halber sei noch eine andere, vergleichsweise nichtige Frage angerissen, nämlich die, ob ein „Geisterspiel“ sich vor- oder nachteilig für bestimmte Mannschaften auswirkt. Gewiss: Beim Revierderby (und bei der Begegnung mit Bayern München am 4. April) tritt der BVB zwar in Dortmund, aber quasi nicht wie sonst als Heimmannschaft an, zumindest fehlt das eigene Publikum als Faktor. Dafür „profitiert“ man am morgigen Mittwoch beim Auswärtsspiel in der Champions League vielleicht davon, dass keine Fans von Paris St. Germain zugegen sein werden. Doch das ist im Grunde herzlich nebensächlich. Messen und beweisen kann man es eh nicht.

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* vulgo: Signal-Iduna-Park

Das allzeit lesenswerte Fußball-Magazin „Elf Freunde“ hat jetzt aus gegebenem Anlass die Geschichte der „Geisterspiele“ nachgezeichnet.




Sturm „Sabine“ – War denn wirklich was?

Seit Tagen werden wir vor dem gefährlichen Sturm bzw. Orkan „Sabine“ gewarnt und haben – wie viele andere Leute ebenfalls – auch diese oder jene Vorkehrung getroffen. Erst sollte es um 16 Uhr heftiger werden, dann um 17 Uhr. Ach, Sabine, wo bleibst du denn? Naja, ein paar Windstöße hat es schon gegeben.

Vorsichtshalber Mülltonnen hingelegt und Deckel mit Paketband zugeklebt, denn: Bei früheren Stürmen fielen die Dinger schon mal um und verstreuten Abfall. (aufregendes Sensations-Foto: BB)

Doch was ist weiterhin passiert? Sonntags um 20 Uhr und um 21.30 Uhr herrscht allenfalls ein mittelstarker Wind mit gelegentlichen Böen, nachdem es nachmittags ein bisschen ungemütlicher zu werden schien. Aber auch das bewegte sich eher auf der Skala des einigermaßen Gewöhnlichen. Jedenfalls kein Vergleich mit all der Unbill, die uns verheißen worden ist. Und kein Vergleich mit der elementaren Wucht früherer Stürme.

Nun schaut aber auf all die Liveticker, die schon den ganzen Sonntag über angeworfen werden und schließlich irgendwie „gefüttert“ werden müssen, damit sich die Sonntagsdienste auch lohnen. Da wird beinahe jeder halbwegs dicke Ast vermeldet, der vom Baume gefallen ist, und jeder mittelgroße Feuerwehr-Einsatz bekommt ein paar Zeilen extra. Wobei ein Zahlenvergleich interessant wäre: Wie viele Einsätze hat es an den letzten Sonntagen gegeben? Waren es heute wirklich exorbitant mehr Alarm-Situationen? Und welcher Anteil verdankt sich der Hysterie, die im Vorfeld eifrig geschürt worden ist?

Unterdessen hat die Deutsche Bahn, gleichsam vorsorglich, ihren kompletten Betrieb eingestellt. Schon zuvor hatte sie prophylaktisch vor Bahnfahrten zwischen Sonntag und Dienstag gewarnt. Mal ehrlich: Wir haben es auch nicht anders erwartet. Kaum fallen im Herbst die ersten Blätter, herrscht bereits gelinde Panik beim einstigen Staatsbetrieb.

Aber die Bahn ist nicht allein mit ihrer Schnappatmung. Veranstaltungen aller Art (Sport, Kultur etc.) sind abgesagt worden, etliche (nicht alle) Ruhrgebiets-Städte schließen am Montag sämtliche Schulen, andere Kommunen stellen die Entscheidung den Eltern frei, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken wollen. Da die Bahn höchstwahrscheinlich nicht fahren wird und somit ein Autoverkehrs-Chaos nach sich ziehen dürfte, steht man tatsächlich vor einem Dilemma.

Und all diese Absagen fließen wiederum in die Liveticker ein, obwohl sie ja erst einmal vorsorglich angeordnet worden sind; wohl nicht zuletzt, damit man juristisch und haftungsrechtlich auf der sicheren Seite ist. Aber es plustert die ansonsten ziemlich nichtigen Nachrichten auf. Die Medien, die hier mäßigend und relativierend zur Sache gehen, muss man mit der Lupe suchen. Falls man sie überhaupt findet.

Es scheint so, als stünde die allzeit befeuerte Aufregung (auch in diesem Falle) in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu wirklichen Vorgängen. In früheren Zeiten hätte man um derlei Wetter-Kapriolen nicht halb so viel Aufhebens gemacht.

Irgendwann stand dann doch fest, dass es insgesamt nicht so schlimm gewesen ist – der nächtliche Stand der Dinge, frühmorgens geliefert. (Screenshot: Liveticker der Ruhrnachrichten)

Und ja: Man darf nicht selten durchaus ähnliche Missverhältnisse zwischen Aufregung und Geschehen vermuten, wenn es um sonstige Nachrichten-Fährnisse geht. Klar ausgedrückt: Jede Menge Peanuts und Petitessen werden aufgebauscht, bis man irgendwann gar nicht mehr hinhören mag.

Einer der Höhe- oder Tiefpunkte (je nach Betrachtungsweise) war heute im Liveticker der Ruhrnachrichten zu lesen. Nach Einstellung des Bahnverkehrs, so hieß es, machten Dortmunds Taxifahrer am Hauptbahnhof das Geschäfts des – Achtung! – Jahrhunderts… Was hat derlei lachhafte Großmäuligkeit noch mit Journalismus zu tun?

Aber egal. Nach zwei bis drei Tagen redet eh kaum noch jemand drüber. Dann stürzen sich die dauererregten Betreiber der Liveticker wieder auf den nächsten Skandal, Hype, Shitstorm oder dergleichen Zeugs.

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P. S.: Ich kann im Falle „Sabine“ nur aus Dortmunder Nahsicht reden. Mag sein, dass anderorts deutlich mehr vorgefallen ist. Mag auch sein, dass es sich nachts noch steigert. Dann werde ich Abbitte leisten.

 




Dortmunder „Tatort“: Das Böse ist monströs und universell

Nur zufällig über den Dächern von Dortmund, eigentlich eine universelle Figur: Markus Graf (Florian Bartholomäi) als Verkörperung des eiskalt Bösen im „Tatort: Monster“. (Foto © WDR/Thomas Kost)

Das war kein üblicher „Tatort“. Und es war quasi kein „Tatort“ aus Dortmund.

Ganz anders als jene Folgen, in denen (angeblich) Reviertypisches zum Vorschein kam und auch schon mal den Dortmunder Oberbürgermeister auf die Palme brachte, hätte diese Folge (Titel: „Monster“) ebenso gut in Berlin, Moskau, Pirmasens oder Los Angeles angesiedelt werden können. Beispielsweise. Oder halt irgendwo anders. Das Böse von diesem Zuschnitt ist universell.

Es war furchtbar. Es war düster und deprimierend. Es waren die schlimmstmöglichen Vorgänge für einen Sonntagabend, man erlitt einen Abstieg in seelische Untiefen sondergleichen. Es ging in heftiger Manier um Kindesentführung, Kindesmissbrauch, um die unfassbare Internet-Versteigerung von Kindern durch einen Pädophilen-Ring. Man musste annehmen, dass es nur einer von zahllosen Kreisen war, die solchen Handel treiben.

Fast schon eine „Tatort“-Konstante: Kommissar Faber wurde bei all dem abermals mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert, denn es tauchte jener Markus Graf gespenstisch wieder auf, der einst Fabers Frau und Tochter ermordet hatte – aus Rache für seinen Vater, den Faber hinter Gitter gebracht hatte und der sich im Knast erhängt hatte. Ein Wiedergänger, der Faber auf perfide Weise in den Selbstmord treiben wollte. Aber selbst das war beinahe schon Nebensache.

Auch Fabers Kollege Pawlak wurde zutiefst in den Fall verwickelt, denn es war seine 6jährige Tochter Mia, die entführt wurde. Selten hat man einen Satz so ersehnt, wie den, der gegen Ende völlig ermattet gesagt wurde: „Mia ist in Sicherheit…“ Da hatte der formal und schauspielerisch beachtliche Film die bloße Fiktion längst hinter sich gelassen.

Am Schluss kam es gleich zu mehreren Showdowns, die insgesamt wie ein gesteigerter Exorzismus wirkten; ganz so, als solle das Urböse ein für alle Mal vernichtet, zerstochen und zerstückelt werden. Aber ach, das ist bestimmt nur eine Illusion.




Oh Umweltsau, du darfst nicht einfach von uns gehen!

Lange nichts mehr von unserer alten „Umweltsau“ gehört. Schon seit einem halben Tag herrscht Funkstille. Das darf nicht sein. Die Sache muss weiter köcheln. Schlagergerecht trällern wir: Liebe, liebgewordene Umweltsau, du darfst nicht so einfach von uns gehen! Daher hier noch ein paar nachgereichte Fragen – gleichsam zur Überbrückung:

 

Rein zufällig vor zwei Tagen fotografiert. Dabei können die armen Tiere nun wirklich nichts dafür... (Foto: Bernd Berke)

Zufällig vor zwei Tagen fotografiert. Dabei können die armen Tiere wirklich nichts dafür… (Foto: Bernd Berke)

Muss man sich, nur weil AfD-Leute und Konsorten einmal ansatzweise oder halbwegs recht haben könnten, partout auf die Gegenmeinung versteifen? Darf man das Liedchen gar nicht mehr kritisch sehen, weil man dann Beifall von der falschen Seite bekommen könnte? Ist gar schon ein halber Nazi, wer da nicht hämisch mitsingen möchte? Entscheidet sich eigentlich an der imaginären Gesamt-Oma das Schicksal der Nation?

Verfahren die WDR-Redakteure und die freien Mitarbeiter, die gegen die Distanzierung des Intendanten Tom Buhrow aufstehen, etwa nach der uralten Devise „Right or wrong – my country“? Kommt es hierbei nur darauf an, stur auf der „richtigen Seite“ zu stehen?

Muss man eine bloße unflätige Beschimpfung und Herabwürdigung, die zudem gründlich ihr Ziel verfehlt, als „Satire“ ausgeben? Was würde beispielsweise ein Kurt Tucholsky angesichts solch eines dürftigen Satire-Anspruchs sagen?

Hat sich die ganze Sache schon von selbst erledigt, indem man mit dem „Basta!“-Gestus immerzu „Satire darf alles!“ ausruft? Sind bereits Zweifel verpönt?

Sind die durchschnittlichen deutschen – mitsamt den zugewanderten – Omas eigentlich so (über)mächtig, dass man sie dermaßen brachial attackieren muss?

Geht es hier gegen eines bestimmte, hochprivilegierte Sorte von Großmüttern oder nicht vielmehr doch gegen eine ganze Generation? Konnten die Kinder wirklich begreifen, was sie da singen sollten?

Wäre es möglich, dass viele Omas (was ist eigentlich mit den Opas, werden die nur noch lustig, lustig mit ihren Rollatoren überfahren?) beispielsweise von Kleinstrenten leben und/oder der „Fridays for Future“-Bewegung ausgesprochen wohlgesonnen sind? Ach so, die wären gar nicht gemeint gewesen?

Würde man es auch als köstliche Satire ansehen, wenn jemand ein dämliches Spottlied auf junge Klima-„Aktivisten“ sänge, in dem diese als selbstgerechte Ferkel vorkämen?

Hat der Leiter des Dortmunder WDR-Kinderchores eigentlich während der gesamten Proben nicht bemerkt, was er da proben ließ? Hat er mal wieder nur auf die Reinheit der Töne und nicht auf den Text geachtet? Überhaupt: Hat man im Vorfeld je über Form und Inhalte diskutiert? Oder wurde die Witzischkeit halt verfügt und verordnet?

Andererseits: Hat WDR-Chef Tom Buhrow, der eh noch nicht als souveräner Intendant des größten ARD-Senders aufgefallen ist, die in diesem Falle Programm-Verantwortlichen nicht gar zu sehr bloßgestellt? Wollte er seine Untergebenen in einer gutsherrlichen Art strammstehen lassen, als wären sie nicht auch seine Schutzbefohlenen? Hat er sie damit gar dem Zorn des Mobs ausgeliefert?

War es wirklich nötig, die Aufnahme zu löschen? Hält man die Leute für zu blöd, sich eine eigene Meinung bilden zu können?

Jedoch: Was ist das für eine gespaltene Gesellschaft, in der sich an einem solchen Liedchen eine schier endlose Debatte mit härtesten Fronten entzündet?

Und natürlich: Was sind das für kranke Gestalten, die derlei Fragen mit vorgestanzten Hassparolen und Morddrohungen abhandeln wollen?

Wir schließen einstweilen rituell mit Bert Brecht: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“




In diesen Zeiten Journalist werden? Tja, mh, äh…

Ob man/frau heute noch einmal den journalistischen Beruf ergreifen oder sich gar von ihm ergreifen lassen sollte? Mh, ich weiß nicht so recht.

Einst die Insignien des Print-Redakteurs, sozusagen „Zepter und Reichsapfel": Typometer und grapgische Rechenscheibe. (Foto: BB)

Einst Insignien in Print-Redaktionen, heute längst museal: Typometer und graphische Rechenscheibe. (Foto: BB)

Dies soll gewiss keine Berufsberatung werden. Doch auch kein unumwundenes Abraten. Nur ein paar gesammelte Bemerkungen. Wer in sich eine entsprechende Begabung fühlt, mag es sicherlich weiterhin versuchen. Aber leicht wird es nicht. Doch wird es beispielsweise leichter sein, Lehrer zu werden und über Jahrzehnte zu bleiben? Wohl kaum.

Zu den Zeiten, als „meine Generation“ (yeah, yeah!) im journalistischen Job anfing, war noch manches anders, die spürbaren Veränderungen kamen erst nach einigen Jahren – zuerst schleichend, dann rasend. „Damals“ sah man in der Straßenbahn und an vielen anderen Orten noch lauter Menschen mit Zeitungen (oder mit Büchern). Und heute? Nun, ihr wisst schon, was ich meine. Manchmal ist es bestürzend.

Aktualität war seit jeher mediales Gebot, auch Zeitdruck ist im Print-Gewerbe und bei anderen journalistischen Hervorbringungen natürlich keineswegs neu. Im Gegenteil. Ehedem wurden Zeitungen laufend aktualisiert, bis in die Nachtstunden hinein. Zehn Jahrzehnte vor unserer Zeit, in den legendären 1920er Jahren, gab es noch Rezensionen, die gleich nach Schluss der Aufführungen gedruckt wurden. Aber hallo!

Doch heute werden Nachrichten und Kommentare nicht nur schnell, sondern oft genug vorschnell verfertigt, noch während und indem die Geschehnisse sich bewegen. Unsere täglichen Eilmeldungen gib uns heute. Halbgare Stoffe werden schon hastig um und um gewendet, ehe die Wahrheit (ach ja!) ihren ersten zarten Anschein zu zeigen vermag. Inzwischen sind Berichte unter der demonstrativ wägenden Standard-Zeile „Was wir wissen – und was nicht“ ja schon ein eigenes, immerhin halbwegs seriöses Genre.

Auch war längst nicht dieser furchtbar freigelassene, entfesselte Hass unterwegs wie heute. Ehedem kamen ab und zu ein paar Leserbriefe, zumeist recht moderat im Tonfall. Heute müssen (?) sich Medienleute mit pointierten Meinungen oder nach peinlichen Pannen darauf einrichten, im Netz übelst angegangen oder bedroht zu werden – jüngstes, über alle Maßen bekakeltes Beispiel war jetzt die Oma als „alte Umweltsau“.

Der Respekt – auch vor den Vertretern vieler anderer Berufe – ist zusehends geschwunden, die Zündschnüre des Zorns sind ungleich kürzer. Wohin soll das in diesen neuen 20er Jahren führen?

Und dabei haben wir noch gar nicht über die ungeheure Arbeitsverdichtung geredet, die in vielen Branchen Einzug gehalten hat – so eben auch im Journalismus. Mit dem Aufkommen des Computers hat nach und nach die Hektik zugenommen, auch weil man nun die Arbeit zu erledigen hat, die vordem anderen Berufsgruppen oblagen, beispielsweise Setzern und Korrektoren. Das waren noch Leute und Zeiten. Und die Fehlerquote lag bedeutend niedriger als jetzt.

Nö, früher war nicht alles besser. Aber dies und das eben doch. Und nun sucht euch halt euren künftigen Beruf – oder besser: eure Berufe – aus. Bei einem einzigen wird es vermutlich eh nicht bleiben.




Wie die Technik den Sport angetrieben hat – eine aufschlussreiche Ausstellung in der Dortmunder DASA

Sport und Technik? Das sind doch wohl zweierlei Dinge. Von wegen! Beides hat innig miteinander zu tun. Spätestens beim Besuch der Dortmunder Ausstellung „Fertig? Los! Die Geschichte von Sport und Technik“ wird es klar.

Schrittmacher aus den 30er Jahren, in dessen Windschatten mit Fahrrädern Rekorde gafahren wurden. (Foto © Andreas Wahlbrink - DASA)

Auffälliges Schaustück: Schrittmacher-Motorrad aus den 1930er Jahren, in dessen Windschatten mit Fahrrädern Rekorde gebrochen wurden. (Foto © Andreas Wahlbrink – DASA)

Die aus dem Mannheimer „Technoseum“ kommende, in der Dortmunder DASA nur unwesentlich veränderte Schau blättert – mit rund 330 Exponaten in sechs Kapiteln – viele Aspekte des populären Doppelthemas auf.

Gleich hinterm Eingang sieht man ein wuchtiges Schrittmacher-Motorrad aus den 1930er Jahren, in dessen Windschatten Fahrradfahrer immer neue Geschwindigkeits-Rekorde aufstellten. Nach und nach galt das Prinzip praktisch für alle Sportarten: Ständige Optimierung und Leistungssteigerung bis ins Extreme setzten sowohl beim menschlichen Körper als auch bei Ausrüstung und Material an. Gezeigt werden dazu u. a. ein alter Skispitzenbiegebock (welch ein Wort!) aus dem Schwarzwald, diverse Bodenbeläge (Tartanbahn, Kunstrasen), ständig verbesserte Lauf- und Fußballschuhe, Räder, Schlitten, Speere und Sprungstäbe oder auch eine enorm wirksame Beinprothese für Paralympics-Teilnehmer.

Zuspitzung im Zuge der Industrialisierung

Mehr als verdächtig: In England, wo einst die Industrialisierung begonnen hatte, fing auch die leistungsgierige Zuspitzung des Sports an. Leistung im Sport und in der modernen Arbeitswelt haben eben verwandte Wurzeln im Kapitalismus – ein Zusammenhang, dem die Ausstellung ebenso gründlich wie unterhaltsam nachspürt, und zwar auch im Breitensport.

Sportliche Erfolge und Erfolgsaussichten bringen auch Maskottchen und Merchandising mit sich... (Foto: © Klaus Luginsland / Technoseum)

Sportliche Erfolge und Erfolgsaussichten bringen auch Maskottchen und Merchandising mit sich… Hier eine Auswahl in der Vitrine. (Foto: © Klaus Luginsland / Technoseum)

Es zeigt sich, wie einheitliche Regeln, Normen und Spielfeld-Markierungen sowie zusehends verfeinerte Zeit-, Weiten- und Höhenmessungen die universelle Vergleichbarkeit der Leistungen sicherstellen sollten. So zeugt beispielsweise eine um 1840 gefertigte Stoppuhr mit Tintenschreiber (beim Drücken sonderte die Sekunden-Nadel punktgenau kleine Kleckse ab) vom Bemühen um exakte Resultate. Im weiteren Rundgang sieht man die Stoppuhr des legendären Fußball-Bundestrainers Sepp Herberger, mit der er seine Mannen scheuchte. 1954 hat es bekanntlich geholfen.

Doping begann in Pferderennsport

Doch längst nicht immer wurden Höchstleistungen auf fairem Wege erzielt. Es geht deshalb auch um Doping-Auswüchse. Diese nahmen ihren Anfang übrigens beim Pferderennsport, wo schon früh ziemlich viel (Wett)-Geld auf dem Spiel stand. Eigene Pferde wurden zuweilen heimlich aufgeputscht, gegnerische Tiere pharmazeutisch gehemmt. Nicht viel später nahmen Radfahrer zum Teil dieselben Mittel ein, die zuvor den Tieren verabreicht worden waren. Ein weites Feld, auf dem ausgerechnet Radsportler schon sehr früh aktiv gewesen sind. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Überaus respektabel nehmen sich sinnfällig dargestellte Höchstleistungen aus: Mike Powells wahnwitziger 8,95-Meter-Weitsprung von 1991 wird mit schlichten Bodenlinien (un)fassbar gemacht, die 258 Kilogramm, die ein Gewichtheber stemmte, lasten quasi tonnenschwer am Boden. Wohl niemand wird sie vom Fleck rühren können.

Plakat zur Fußball-Weltmeisterschaft 1962 – für einen Kinofilm zum Großereignis. (Foto © Technoseum Mannheim)

Plakat zur Fußball-Weltmeisterschaft 1962 – für einen Kinofilm nach dem Großereignis. (Foto © Technoseum Mannheim)

Als das Korsett sich allmählich lockerte

Das zeitliche und gesellschaftliche Spektrum reicht vom Bierkrug im Geiste des Turnvaters Jahn („frisch fromm fröhlich frei“) bis zu allerneuesten urbanen Trendsportarten, deren durchweg anglophone Namen man teilweise noch nie gehört hat.

Lehrreich auch die Geschichte der Sportbekleidung: Da verblüfft das eng geschnürte, aber im Vergleich zu „mörderischen“ Vorläufern schon ein wenig gelockerte Sportkorsett für die halbwegs emanzipierte Dame. Da staunt man über eine riesenhafte Badehose aus der Arbeitersport-Bewegung – und erst recht über den hautengen Original-Schwimmanzug eines Michael Phelps, der damit Dutzende von Goldmedaillen und Weltrekorden errang. Die der Haifisch-Haut nachgebildete Oberflächenstruktur steigerte die Leistung dermaßen effektiv, dass solche Anzüge alsbald verboten wurden.

Größere Tischtennisbälle eigens fürs TV

Wie bei DASA-Ausstellung üblich, kann man auch diesmal einiges selbst ausprobieren. So dürfen Besucher diverse Fitness-Geräte testen, sich selbst per Kamera und Monitor auf einem Zielfoto mit verzerrten Körper-Proportionen begutachten oder in einer Reporterkabine ausgewählte Spielszenen „live“ kommentieren. Man erfährt in diesem Zusammenhang, wie just das Fernsehen so manche Sportart nachhaltig verändert hat. Tischtennisbälle wurden vergrößert, weil die TV-Leute es für besser hielten. Medial und journalistisch lagen die Ursprünge ebenfalls in England: Bereits ab 1792 erschien dort das gedruckte Periodikum „The Sporting Magazine“.

Bei einem Ballspiel hinterm Schutznetz lässt sich zudem mit einer Art Hockeyschläger feststellen, auf welche Geschwindigkeit man das Spielgerät beschleunigt. Hier schon mal zwei Maßzahlen, mit untrüglicher Radarmessung ermittelt: Ausstellungs-Kurator Dr. Alexander Sigelen kam auf knapp 70 Stundenkilometer, ein Mannheimer Eishockeystar brachte es auf 165 km/h. Training zahlt sich eben aus.

Ein hochmodernes Trimmrad von 1905

Nur eine von etlichen Kuriositäten sei noch erwähnt: Geradezu hochmodern mutet das historische Trimmrad „Velotrab“ von 1905 an. Beim Pedaltreten hob und senkte sich der Sattel, als ob man auf einem trabenden Pferd gesessen hätte – eine derart pfiffige Idee, dass man sich fragt, warum sie seither nie wieder kommerziell aufgegriffen wurde.

Am Ausgang gibt’s eine Umfrage. Besucher(innen) sollen ihre Motivation zum Sport verraten. Geht’s ihnen in erster Linie um die Gesundheit, ums Gemeinschafts-Erlebnis, um Leistungssteigerung oder um körperliche Schönheit? – Und wie tut man seine Sicht der Dinge kund? Ganz sach- und fachgerecht: indem man Bälle in transparente Röhren wirft. Welche wird sich wohl am schnellsten füllen?

„Fertig? Los! Die Geschichte von Sport & Technik“. DASA Arbeitswelt Ausstellung, Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1. Noch bis zum 19. April 2020. Mo-Fr 9-17, Sa/So 10-18 Uhr. Katalog 29,95 Euro.

www.dasa-dortmund.de

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Der Beitrag ist zuerst gedruckt im „Westfalenspiegel“ erschienen. Internet-Auftritt des Kultur-Magazins, das in Münster herauskommt: https://www.westfalenspiegel.de




Amor reist auf Französisch: Rarität von Joseph Bodin de Boismortier bei den Tagen Alter Musik in Herne

Das Ensemble der Aufführung von Joseph Bodin de Boismortiers "Wege der Liebe" in Herne: das Orfeo Orchestra, der Purcell Choir, Solisten und Dirigent György Vashegyi. Foto: WDR/Thomas Kost

Das Ensemble der Aufführung von Joseph Bodin de Boismortiers „Wege der Liebe“ in Herne: das Orfeo Orchestra, der Purcell Choir, Solisten und Dirigent György Vashegyi. Foto: WDR/Thomas Kost

Joseph Bodin de Boismortier hat sich kaum mit dem Musiktheater beschäftigt. Anders als sein Zeitgenosse, der geniale Harmoniker Jean-Philippe Rameau, hat er gerade einmal fünf einschlägige Werke hinterlassen; immerhin wurden drei davon am bedeutendsten musikalischen Institut der Zeit, der Pariser Académie royale, aufgeführt. Seinen Nachruhm hat sich der aus dem lothringischen Thionville stammende Komponist vor allem mit seinem Œuvre für Traversflöte gesichert.

Musik war im Uraufführungsjahr 1736 seines als „ballet“ bezeichneten Bühnenwerks „Les Voyages de l’Amour“ („Wege der Liebe“) eine durchaus kommerzielle Angelegenheit, die dem offenbar geschäftstüchtigen Boismortier zu erheblichem Wohlstand verhalf. Eingängig und abwechslungsreich musste ein solcher Vierakter (plus Prolog) sein, das Publikum bei Laune halten, mit Überraschungen und Effekten nicht geizen. Dafür ist die Reise des Liebesgottes Amor genau der richtige Stoff: Er, der andere glücklich macht, selbst aber unglücklich ist, reist auf Anraten des Frühlingsboten Zéphyre durch die Welt, um ein treues Herz für einen ewigen Bund zu finden. Allein, es kommt, wie es kommen muss: Stadt und Hof haben beständige Liebe nicht zu bieten. Nur auf dem Dorfe, unter den einfachen Schäfern, findet sich bei der schlichten Daphné die ehrliche Treue.

Stadt und Hof kennen keine treue Liebe

In launigen zweieinhalb Stunden reiht das Libretto des damals erst 21jährigen Charles-Antoine le Clerc de la Bruère die unterschiedlichen Emotionen aneinander, verbindet Hoffnung und Enttäuschung, Übermut und Wehmut, eitle Beschränkung und überhebliche Gefühlskälte, um den rücksichtslosen Aufstiegswillen der neuen städtisch-bürgerlichen Kreise und die intrigante Gesellschaft in diesem Fall sogar am Hof des römischen Augustus gemessen aber deutlich zu kritisieren. Die „Tage Alter Musik“ in Herne fanden mit diesem seit langem ungespielten Werk einen würdigen musikalischen Abschluss.

Dass sich der Abend vor allem im ersten Teil in die Länge zog, lag nicht an der quirlig abwechslungsreichen Musik von Joseph Bodin de Boismortier, auch nicht an der vorzüglichen Leistung des warmtönig, flexibel, stilgerecht, aber ohne trocken-harsche historische Informiertheit aufspielenden ungarischen Orfeo Orchestra. Die gefühlte Zähigkeit ergibt sich einfach aus dem Fehlen der Szene, die man sich dem Geschmack der Zeit entsprechend nicht bunt, üppig und originell genug vorstellen kann.

Für die Traversflöte schrieb Boismortier zahlreiche Werke und schuf sich damit Nachruhm als Komponist. Drei der damals hochmodernen Instrumente setzt er auch in seiner Oper ein. Foto: WDR/Thomas Kost.

Für die Traversflöte schrieb Boismortier zahlreiche Werke und schuf sich damit Nachruhm als Komponist. Drei der damals hochmodernen Instrumente setzt er auch in seiner Oper ein. Foto: WDR/Thomas Kost.

Die Zuhörer waren also zurückverwiesen auf die Farben, die sich Boismortier in seiner Instrumentierung einfallen ließ. Eine höchst angenehme Entschädigung freilich, denn das Orchester ist nicht nur umfangreich besetzt, sondern Boismortier setzt die Instrumente auch sehr gekonnt und gezielt ein: Das Solo-Fagott (Dóra Király) hat fulminante Auftritte, die drei Flöten kommen zu wohlklingendem Recht, eine Viola da gamba, drei Celli und zwei Kontrabässe sorgen für ein sattes und federnd agiles Bassfundament. Und Kapolcs Kovács zaubert mit seiner Musette de cour, einer im 18. Jahrhundert modischen Sackpfeife, einen lärmend-exotischen Beitrag ins Klangbild, damit die Schäfer-Idylle auch den entsprechend ländlichen Ausdruck gewinnen möge.

György Vashegyi leitet die Ensembles – der Purcell Choir tritt immer wieder klangvoll hinzu – mit unspektakulärer Umsicht und versierter Übersicht. Vashegyi macht auch deutlich, wie Boismortier den Rhythmus als Bedeutungsträger einsetzt – eine Kunst, die ein Jahrhundert später Compositeurs wie Daniel François Esprit Auber zu unterhaltsamer Perfektion gebracht haben.

Vom „Singen mit den Augen“

Im Ensemble der Solisten sind die Sitten und Unsitten der Art zu erleben, wie man heute „historisch informiert“ zu singen pflegt. Nett gebildet, intonatorisch lupenrein, beweglich, aber flach, zuweilen spitz in der Tongebung und kaum zu vokalen Farben fähig, präsentieren sich Sängerinnen wie Adriána Kalafszky mit niedlichem, kopfbetontem, nicht selten aber anämischem Klang. Judith van Wanroij gelingt es bis auf das Duett im Finale, den klein und eng gezwungen wirkenden Ton, der in der Szene lange Mode war, zu meiden. Sie singt mit begrenztem, aber klar fokussiertem und abgerundetem Sopran, der seinen Klang ohne Druck in den Raum projiziert. Auch Eszter Balogh kann, da ihre Stimme natürlich und unforciert wirkt, ausgezeichnet artikulieren.

Bei Katia Velletaz trifft das Bonmot eines alten italienischen Gesangslehrers zu, der einmal bemerkte, man „singe mit den Augen“. Wie sie strahlt und leidet, Schalk und Hoffnung ausdrückt, überspielt gekonnt, wo ihr Töne trocken oder zu vibratoreich entschlüpfen. Der einzige männlich Sänger, Lóránt Najbauer, darf seinen klar umrissenen Bariton in virtuose Schlachten mit einem unglaublich fingerfertigen Kontrabass schicken und sich im zweiten Akt als Wahrsager in einer erregten Gewitterszene bewähren.

Brillanz und dunkelsamtiges Timbre

In der Partie von "L'Amour": Chantal Santon-Jeffery. Foto: WDR/Thomas Kost.

In der Partie von „L’Amour“: Chantal Santon-Jeffery. Foto: WDR/Thomas Kost.

Den Titelhelden hat in der Uraufführung ein Haute-Contre gesungen, ein Tenor mit hoher Tessitura und der Fähigkeit, dank technisch raffinierter Mischung von Brust- und Kopfstimme bis zum zweigestrichenen „d“ zu kommen, ohne dass es – im Idealfall – eng oder quäkend geklungen hat. Heute versucht man, diese Technik mit wechselndem Erfolg wiederzuentdecken; Boismortier selbst hat wohl (auch) eine Besetzung mit einem dunkel timbrierten Sopran mit guter Tiefe vorgesehen, wie es in Herne der Fall war: Chantal Santon-Jeffery brilliert mit ihren Registern und einem dunkelsamtigem Timbre. Sie gestaltet die Worte sorgsam und setzt auf farbiges Ausdeuten des Textes mit stimmlichen Mitteln.

Vor allem im ersten Teil des Abends setzt sie aber auf Druck: Der Ton wirkt dann unfrei und unter Spannung gesetzt statt locker fließend und rund, was sich im lyrischen Legato deutlich bemerkbar macht. Im Endeffekt überwindet der Charme ihres Singens die limitierte Technik und die allegorische Figur des Amor wird zu einem liebeslustigen Operngeschöpf aus Fleisch und Blut. Schlussendlich triumphieren die „zärtlichsten Begierden“ und der Liebesgott Hymen hebt zum Fluge an.

Das Publikum feiert eine Aufführung, mit der die „Tage Alter Musik“ wieder einmal Profil und Entdeckerfreude bewiesen haben.

Die Aufführung ist noch einen Monat im WDR Konzertplayer nachhörbar: https://konzertplayer.wdr3.de/klassische-musik/konzert/tage-alter-musik-in-herne-les-voyages-de-lamour/

 

 




Vortrag statt Drama: Debussys „Pelléas et Mélisande“ bei den „Tagen Alter Musik“ in Herne

Opern-Uraufführungen haben mitunter eine lange Vorgeschichte: Komponisten besprechen die ersten Entwürfe mit Freunden, führen Teile im privaten Kreis auf, stellen Auszüge der Öffentlichkeit vor. Manche Werke, wie etwa die „Tage“ von Karlheinz Stockhausens „Licht“-Zyklus, wurden überhaupt abschnittweise uraufgeführt.

Roger Padullés (Pelléas), Lore Binon (Mélisande) und Pierre-Yves Pruvot (Golaud) bei der Aufführung von Claude Debussys Oper in der Fassung von Marius Constant in Herne. Foto: WDR/Thomas Kost

Roger Padullés (Pelléas), Lore Binon (Mélisande) und Pierre-Yves Pruvot (Golaud) bei der Aufführung von Claude Debussys Oper in der Fassung von Marius Constant in Herne. Foto: WDR/Thomas Kost

Bei Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“ wissen wir, dass in den beinahe zehn Jahren, in denen der Komponist um die musikalische Form des Stoffes von Maurice Maeterlinck rang, immer wieder Teile im privaten Kreis erklangen. Die „Tage Alter Musik“ in Herne versuchten, diese intime Form für das Heute einzuholen: Das Festival öffnete mit den 1992 entstandenen „Pelléas-Impressionen“ des Debussy-Kenners Marius Constant einen experimentellen Blick auf die Musik, die gerade durch den Eindruck des „Unfertigen“ – statt des Orchesters tragen nur zwei Klaviere die Aufführung – in die Tiefe der Absichten Debussys hineinreichen möchte.

Denn entgegen landläufiger Meinungen war der Klang des Orchesters für Debussy nicht der entscheidende Parameter, sondern die Form: eine bestimmte rhythmische Figur (Golaud), eine Tonfolge (Mélisande) oder eine zunächst unauffällige Wendung (Pelléas). Die festgelegten Formen der klassischen Durchführungstechnik, aber auch Wagners dramaturgisch gebundene Musik interessierten ihn nicht; er war auf der Suche nach etwas, was er in einer Notiz für die Opéra-comique, der Stätte der Uraufführung, beschrieb als eine Freiheit, „welche auf den geheimnisvollen Entsprechungen zwischen Natur und Phantasie“ beruhen sollte. Die Instrumentierung, die uns heute gerne als entscheidend für die suggestive Wirkung der symbolistischen Handlung erscheint, wurde dagegen vor der Uraufführung 1902 in ziemlicher Hast erstellt. Selbst während die erste Serie der Vorstellungen schon lief, veränderte Debussy noch die Instrumentierung und die Zwischenspiele.

Claude Debussy. Porträtfotografie eines unbekannten Autors. Foto: Edvard Grieg Archives, Bergen Public Library

Claude Debussy. Porträtfotografie eines unbekannten Autors. Foto: Edvard Grieg Archives, Bergen Public Library

Die auf 95 Minuten konzentrierte Version Constants reduziert die Musik auf ihr tragendes Skelett. Ein Experiment, das zum Vorschein bringt, dass die Raffinesse von Debussys Musik nicht im Klang zu suchen ist. Aber auch mit einer gewissen Gnadenlosigkeit offenbart, dass sich Debussy trotz allen Sträubens nicht aus dem Bann Wagners lösen konnte. Vom Orchester entblößt, erscheinen ganze Strecken in der Musik anämisch ausgetrocknet, beschränkt sich der Reiz des Harmonischen immer wieder auf punktuelle Impulse, muss sich auch die Deklamation der Sänger ohne den Schmelz des klanglichen Flusses behaupten.

Eindruck des Unvollendeten

Obwohl sich das Klavierduo Yin-Yang (Jan Michiels, Inge Spinette) an zwei historischen Blüthner-Flügeln mit aller Intensität darum bemüht, Anschlag, Phrasierung, Metrum, Akzentuierung so belebt und subtil wie möglich zu gestalten – und es gelingen berückende Momente bis zu den unendlich geheimnisvollen Glockenschlägen am Ende –, bleibt doch der Eindruck des Unvollendeten: Eine Salon-Aufführung ist eben vorläufig, die volle Gestalt des Werkes enthüllt sich erst auf der Bühne.

Von den Personen Debussys ist Golaud am wenigsten in die psychische Alltagserfahrung transzendierende Sphäre des Symbolischen enthoben. Er ist ein Mann der Tat, der klaren Vorstellungen, der definierten Gefühle, aber auch eine tragische Figur des Nichtverstehens, der mit den uneindeutigen seelischen Schlieren einer Mélisande nichts anfangen kann: Die „Wahrheit“ will er bis zum Schluss erfahren, ohne zu erfassen, dass diese nicht eindeutig, vielleicht nicht einmal aussprechbar sein kann. Pierre-Yves Pruvot singt die inneren Zerreißproben, die brennende Eifersucht und die verzweifelte Aggressivität mit seinem substanzvollen, dramatisch auffahrenden, manchmal gezwungen groben Bariton, ohne Blühen der Bögen und innere Freiheit des Tones, aber mit dem Druck einer in sich ratlos gefangenen Seele.

Nur zufällig in diese Welt verirrt

Lore Binon singt eine fragile, aber auch entschieden sich selbst treue Mélisande. In ihrem Ton entäußert sich eine Seele, die wie ein verwehendes Gespinst ungreifbar ist, als habe sie sich nur zufällig in eine materiell-körperliche Manifestation in dieser Welt verirrt. Sie ist, wie die anderen Sänger auch, genötigt, noch genauer als mit einem stützenden Orchester zu phrasieren und den Ton zu bilden, was ihr in sanfter Expression gelingt. Roger Padullés als Pelléas wirkt eher wie Mélisandes entrückter Bruder; sein manchmal leicht gaumig gefärbter Tenor kennt kaum jugendlich-energische Töne, sein Klang entspricht eher der morbiden Blässe eines Lichtes im Nebel. Einspringer Thomas Dear als Arkel ist zu sehr mit dem Vortrag seiner Noten beschäftigt; die ausgedünnte Stütze vor allem in der Höhe verhindert, dass sein Ton Farbe und Ausdruck gewinnt.

Camille Bauer erfasst als Yniold das anfangs unberührte Zutrauen des Kindes, aber die wachsende Panik, die verständnislose Verzweiflung über die Ausbrüche und Attacken des eifersüchtigen Golaud bleiben zu verhalten. Die Rolle der Geneviève ist auf zwei Briefszenen eingedampft; Julie Bailly erfüllt sie mit wohltönender Würde. Bei allen Gesangssolisten ist das Fehlen der Aktion auf der Bühne zu spüren. Ohne die Magie des Raumes, ohne die szenische Annäherung an das Nicht-Sagbare rutscht die Aufführung immer wieder zum musikalischen Vortrag ab, gehalten vor teilnahmslosen Notenpulten. Da helfen auch die Texte, in „kinetischer Typographie“ (Klaas Verpoest) an die schwarzen Wände geworfen, nicht weiter.

Die Aufführung wurde vom WDR live übertragen und ist 30 Tage lang im WDR Konzertplayer nachzuhören: https://konzertplayer.wdr3.de/klassische-musik/




Verstehen und Verwirren: Die Tage Alter Musik in Herne erschließen musikalische Kommunikation

Das Ensemble La Reverdie. (c) Fabio Fuser

Das Ensemble La Reverdie. © Fabio Fuser

Was sagt uns Musik? Sind die Töne tatsächlich, wie E.T.A. Hoffmann behauptet, das Reich des Ahnungsvollen, Unsagbaren? Ist Musik ein präzises Zeichensystem, eine quasi mathematische Sprache? Hat sie eine Botschaft, die sich wie eine Verlautbarung wiedergeben lässt? Oder entzieht ihr Kunstcharakter sie nicht von vorneherein jeder Festlegung?

Was das „Wesen“ der Musik sei, darüber lässt sich nicht nur trefflich streiten. Dieser Frage nähern sich auch alle Epochen auf jeweils andere Weise.

Für ein so hochkomplexes Thema haben die diesjährigen „Tage Alter Musik“ in Herne einen wunderbar erschließenden Zugang gefunden: Vom 14. bis 17. November dreht sich das konzentrierte, feine Festival um musikalische Kommunikation zwischen „Verstehen“ und „Verwirren“, also um bewusste Klarheit, absichtsvolle Verunklarung, offene Stellen in einem scheinbar ausreichend definierten System von erklärbaren Zeichen.

Die blass scheinende Theorie treibt dabei ihre Blüten am grünen Baum musikalischer Praxis: Ensembles aus ganz Europa – darunter eine Reihe von Festival-Debütanten – richten den Blick in zehn durchweg originellen Programmen auf Musik vom Spätmittelalter bis in die Zeit Claude Debussys. WDR 3 Kulturradio wird in vier Live-Übertragungen und einer Reihe von späteren Ausstrahlungen über die Region hinaus ein internationales Publikum ansprechen.

The Tallis Scholars kommen nach Herne. Das angesehene englische Ensemble tritt am 15. November in der Kreuzkirche auf. © Nick Rutter

The Tallis Scholars kommen nach Herne. Das angesehene englische Ensemble tritt am 15. November in der Kreuzkirche auf. © Nick Rutter

Vokalmusik steht im Zentrum der vier Tage: Zu Beginn erklingen am Donnerstag, 14. November, 20 Uhr, in der Kreuzkirche in Herne Gesänge des blinden Florentiner Komponisten Francesco Landini. Die Mittelalter-Formation „La Reverdie“ stellt Ballate und Madrigale vor, von denen mehr als 150 erhalten sind. Landini war ein universal gebildeter Intellektueller an der Schwelle zur Renaissance, der dank einer zeitgenössischen Biografie auch als Person greifbar ist. Seine Musik spricht von einer reichen inneren Gefühlswelt.

Gefühle nach außen kehren und nachvollziehbar machen: Davon lebt die Oper. Zum Abschluss der „Tage Alter Musik“ findet eine respektable Trouvaille den Weg auf die Bühne des Kulturzentrums Herne: Joseph Bodin de Boismortier schrieb 1736 eine Oper über die Wege der Liebe („Les Voyages de l’Amour“), eine unterhaltsame Bühnenstudie über die Kraft dieses Urtriebs menschlicher Existenz. In Zusammenarbeit mit dem Centre de Musique Baroque de Versailles erlebt dieses Juwel des Musiktheaters am Sonntag, 17. November, 19 Uhr, nach 283 Jahren seine erste Wiederaufführung. Zuvor um 16 Uhr gibt es in der Kreuzkirche repräsentative geistliche Musik: Das Requiem Es-Dur schrieb der Stuttgarter Hofkapellmeister Niccolò Jomelli 1756 aus Anlass des Todes von Maria Augusta, der Mutter Herzog Carl Eugens von Württemberg. Das Werk verbreitete sich damals in ganz Europa.

Die Oper ist es auch, die den „Tagen Alter Musik“ einen Ausflug in die Moderne ermöglicht: Am Freitag, 15. November, 20 Uhr, ist im Kulturzentrum Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“ in einer ungewöhnlichen Form zu erleben: Der auch von Debussy gepflegten Gewohnheit, Werke – oder Teile davon – in Aufführungen in Salons zu präsentieren, folgt eine Bearbeitung der Oper für Singstimmen und zwei Klaviere des Neue-Musik-Repräsentanten Marius Constant. Gespielt von Jan Michiels und Inge Spinette an zwei Blüthner-Flügeln führt die Fassung zurück zu den intimen Konzerten, in denen Debussy seinen Freunden seine neuen Kompositionen vorstellte.

Kaum mehr bekannte Bläsermusik spielt das Schwanthaler Trompetenconsort. (c) Reinhard Winkler

Kaum mehr bekannte Bläsermusik spielt das Schwanthaler Trompetenconsort. © Reinhard Winkler

All diese Musik folgt bestimmten Vorgaben oder reagiert auf Anlässe. Am deutlichsten ihrem Zweck verhaftet ist die Musik, die am 17. November, 11 Uhr, im Kulturzentrum vorgestellt wird: Das österreichische Schwanthaler Trompetenconsort spielt vergessene Musik von nicht immer zweifelsfreiem Kunstcharakter: Kriegssignale und virtuos-repräsentative Fanfaren kombinieren die Spezialisten für diverse Blasinstrumente mit unterhaltsam konzertanter Musik, wie sie etwa von Militärkapellen bei Platzkonzerten, im Tanzsaal oder bei offiziellen Feiern gespielt wurde. Komponisten wie der Würzburger Militärmusiker und Arrangeur Joseph Küffner waren zu ihrer Zeit sehr populär, sind aber heute völlig unbekannt.

Am anderen Pol musikalischen Schaffens angesiedelt ist die Musik, die das Ensemble Vintage Köln am Samstag, 16. November, 20 Uhr, im Kulturzentrum vorstellt: Von der „Kunst der Fuge“ Johann Sebastian Bachs über Kontrapunkt-Studien etwa von Henry Purcell oder William Byrd bis hin zu aktuellen Kompositionen des Bratschers des Ensembles, Sebastian Gottschick, bringt es die Kombinationskunst zum Klingen, in der die Musik unbeeinflusst von Wort oder Gefühl, Anlass oder Zweck ganz bei sich bleibt. – Ergänzt wird das Programm von der Ausstellung im Foyer des Kulturzentrums, die sich Blas- und Saiteninstrumenten widmet und einen Überblick über den technischen und künstlerischen Stand des Nachbaus historischer Musikinstrumente geben will.

Infos auf den Webseiten der Stadt Herne und des Westdeutschen Rundfunks. Dort gibt es auch Hinweise zum Kartenvorverkauf bei ProTicket Vorverkaufsstellen, online oder telefonisch unter (0231) 917 22 90.




Lupenreine Demokratie gegen Pharaonen – ein bescheuerter Fußball-Kommentar zum Afrika-Cup

Warum müssen manche Fußball-Kommentatoren solche Kleingeister sein? Heute Abend war wieder ein Stratege zugange. Zufällig bin ich beim Sender DAZN für eine halbe Stunde in die Fußballpartie Ägypten – Kongo geraten, eine Begegnung im Rahmen des Afrika-Cups, als Kontinental-Meisterschaft in etwa vergleichbar der EM. Also keine Kreisklasse.

Screenshot aus dem erwähnten Spiel. (© DAZN)

Screenshot aus dem erwähnten Spiel. (© DAZN)

Okay, beim Fernsehen kommt es vielfach eh in erster Linie auf Antennen fürs Populäre und auf ausgeprägten Sinn für nette Bildchen an. Auch versendet sich dieses oder jenes Gefasel ohne Rücksicht auf Rechtschreibung. Allenfalls stört manche falsche Aussprache. Ich sage nur „Emm-Bappee“ (so behämmert klingt gar häufig der Name Mbappé).

Doch ich verplaudere mich. Zurück zum besagten Spiel. Der deutsche Kommentator entblödet sich nicht, ungefähr in jedem dritten Satz zu betonen, dass hier die Demokratische Republik Kongo auf dem Platz stehe. Und immer wieder: „Demokratische Republik“. Auch ohne den Kongo-Zusatz: „Die demokratische Republik…“ Du meine Zeit, was muss das für eine vorbildliche, lupenreine Demokratie sein! Ja, denkste! Schon ein flüchtiger Blick auf den weltweiten Demokratie-Index von 2018 hätte den Sprecher eines Schlechteren belehren können. Da steht das Land auf Platz 165 von insgesamt 167. Dahinter folgen nur noch Syrien und Nordkorea…

Wenn man weiß, dass man ein solches Spiel zu kommentieren hat, zieht man doch vorher möglichst ein paar grundlegende Erkundigungen ein. Oder man hält sich verbal geflissentlich zurück. Aber nein! Da wird drauflos geredet, dass die Schwarte kracht. Und es reicht wieder mal nur für ein paar gewichtig hervorgepresste Spielernamen, für dumpfes 1:0-Gelaber und für bestürzend dümmliche Bezeichnungen wie „die Pharaonen“ für die ägyptische Mannschaft.

Damit wir uns recht verstehen. Gerade bei DAZN hatte ich oft einen etwas besseren Eindruck von der Sprechergilde. Besonders, wenn sie dort zu zweit kommentieren, ist es zuweilen ganz erträglich – auch verglichen mit „Sky“ oder ARD, ZDF und RTL (wenn die denn mal was übertragen dürfen).

Heute aber saß der Bursche am Mikro, dessen Namen zu eruieren mir nicht lohnend erscheint. Er brachte solche abenteuerlichen Satzfolgen wie jene (über einen aus der Mannschaft geworfenen Spieler) zustande. Sinngemäß: „Er soll mehrere Frauen belästigt haben. Das sieht man bei seinem Verband natürlich nicht gerne. Was man gerne sieht, sind Torchancen…“




Die Jahre, in denen man fieberte: Der „Rockpalast“-Erfinder Peter Rüchel ist gestorben

Peter Rüchel, Mit-Erfinder der legendären WDR-Musiksendung Rockpalast. (Bild: WDR/Max Kohr)

Peter Rüchel, Mit-Erfinder der legendären WDR-Musiksendung „Rockpalast“, ist mit 81 Jahren gestorben. (Bild: WDR/Max Kohr)

Gevatter Tod hält in diesem Februar wieder schrecklich reiche Ernte. Zuerst starb der wunderbare Schauspieler Bruno Ganz, dann der Modeschöpfer Karl Lagerfeld – und nun auch noch Peter Rüchel

Peter wer? Ach, ihr ahnungslosen Nachgeborenen, die ihr nicht die „Rockpalast“-Nächte der späten 70er und frühen 80er Jahre erlebt habt! Rüchel darf als hauptsächlicher „Erfinder“ dieser immer noch nachwirkenden Ereignisse gelten.

Jeder, der damals rockmusikalisch gefiebert hat, erinnert sich wohl an seine persönliche Lieblings-Ausgabe. Wenn ich’s nur gestehen darf: Für mich waren es vor allem die Auftritte von Patti Smith (1979, Grugahalle Essen), Van Morrison (1982, gleichfalls Grugahalle Essen) und den Kinks (abermals ’82, Gruga). Ihr merkt es schon: Die Musik spielte also buchstäblich mitten im Revier. Dem Westdeutschen Rundfunk sei dafür dauerhaft Dank! Wenn man sich in Köln doch nur heute noch auf solche Zeiten besinnen wollte!

Die Zeit der Cassetten

Es war die Zeit, als man sein Cassettenrecorder-Mikro noch notdürftig aufs Radio oder aufs TV-Gerät ausgerichtet hat, um nur ja nichts zu verpassen. Schwieriges Unterfangen. Die CD kam gerade erst auf, von jederzeit greifbarem Streaming mit -zig Millionen Titeln durfte man noch nicht einmal träumen. Dass man der jeweiligen Liebsten sich seelisch (harr, harr!) zu nähern suchte, indem man spezielle Cassetten für sie aufnahm, verstand sich damals von selbst. Um mit Rühmkorf zu reden: Die Jahre, die ihr kennt…

Ohne Peter Rüchel hätte es das damals so nicht gegeben. Nicht die legendäre Ansage „German Television proudly presents“ von Albrecht Metzger; nicht die einfühlsamen und doch punktuell zwangsläufig verunglückten Interviews des großartigen Alan Bangs, dessen Radio-Sendungen („Night Flight“ etc.) man über Jahre hinweg ergriffen lauschte. Man zehrt bis heute von seinen Entdeckungen. Echt jetzt.

In der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1977 hatten die „Rockpalast“-Nächte ihre Premiere, zum Auftakt war u. a. Rory Gallagher dabei. Auch er unvergesslich. Und überhaupt. Ach. Ach!




„Mobbing gegen Dortmund“ – Oberbürgermeister Sierau regt sich mächtig über den letzten „Tatort“ auf

Gruppenbild beim Drehstart zur „Tatort"-Folge „Zorn": das neu formierte Dortmunder Ermittler-Team mit (v. li.) Martina Böhnisch (Anna SChudt), Peter Faber (Jörg Hartmann), Nora Dalay (Aylin Tezel) und Jan Pawlak (Rick Okon). (Bild: WDR/Thomas KOst)

Gruppenbild beim Drehstart zur „Tatort“-Folge „Zorn“: das Dortmunder Ermittler-Team mit (v. li.) Martina Böhnisch (Anna Schudt), Peter Faber (Jörg Hartmann), Nora Dalay (Aylin Tezel) und dem Neuzugang Jan Pawlak (Rick Okon). (Bild: WDR/Thomas Kost)

Heißa! Lustig und zünftig geht’s wieder zu in Dortmund. Alle Menschen tragen Lederhosen und tanzen zu gutturalen Jauchzern Schuhplattler. Ach nee, das war ja typisch München.

Hier in Dortmund stehen die Depravierten hingegen schon morgens schwankend und fluchend mit Bierpullen vor rostigen Zechen- und Stahlkulissen bzw. elendiglich verkommenen Häusern `rum und wissen gar nichts mit sich anzufangen, außer eben unentwegt zu saufen und gelegentlich lebensgefährliche Gewalt auszuüben. So jedenfalls konnte man den wirklich arg klischeelastigen ARD-„Tatort“ („Zorn“) vom vergangenen Sonntag verstehen. Falls es da überhaupt etwas zu „verstehen“ gab.

…und dann auch noch ein „Reichsbürger“

Es war vielleicht die bislang schwächste Dortmunder „Tatort“-Folge. Das allzeit konfliktreiche Trüppchen um Depri-Kommissar Faber musste sich diesmal durch eine ziemlich hanebüchene Kraut- und Rüben-Story wühlen. So anti-pittoresk wie in diesem Fall mag es in gewissen Gegenden Dortmunds gegen Mitte der 1980er zugegangen sein. In dieser vielerorts zusammengestoppelten Industriekulisse musste partout auch noch ein durchgeknallter „Reichsbürger“ untergebracht werden – auf dass die Sache so richtig vorgestrig „von heute“ sei und schön schaurig wirke.

Ein anderes Ding ist es freilich, sich darob so kriminal aufzuregen, dass man gleich einen Brief an den letztlich zuoberst zuständigen WDR-Intendanten Tom Buhrow schreibt. Darunter tut es ein Oberbürgermeister wie Ullrich Sierau (SPD) nicht, er wird sich doch nicht mit subalternen WDR-Fuzzis herumschlagen.

Soll etwa Gelsenkirchen einspringen?

Dortmunds OB, der realiter gerade dabei ist, städtische Ordnungskräfte mit Schlagstöcken aus- und aufzurüsten (eine recht umstrittene Maßnahme), hat sich einst gefreut, als der „Tatort“ in die Stadt kam. Jetzt aber ist ihm der Kragen geplatzt, er spricht von „Mobbing gegen Dortmund“ und findet sogar, wenn es so laufe, könne man auf die Dortmunder „Tatort“-Folgen gänzlich verzichten.

Ja, will Sierau denn etwa, dass die Krimireihe, die früher in Essen (Haferkamp alias Hansjörg Felmy) und Duisburg (Schimanski alias Götz George) nachhaltig Furore gemacht hat, reviermäßig nach Bochum oder gar Gelsenkirchen abwandert? Immer hübsch mit Schalke- statt mit BVB-Wimpeln und sonstigen lokalen Devotionalien garniert? Wie auch immer: Es empfiehlt sich wohl ein gelassener, souveräner Umgang mit der Materie. Am besten gar nicht mal ignorieren…

Auf die erwartbare Wischiwaschi-Reaktion von Tom Buhrow auf Sieraus Brief muss man derweil nicht allzu gespannt sein. Die Weichspül-Flüssigkeit steht sicherlich schon bereit.

Bemerkenswert übrigens, dass selbst die Geschichte vom Sonntag bei vielen Menschen weit außerhalb von Dortmund offenbar mal wieder bestens angekommen ist. Faber gilt als „Kult“. Und er hat ja auch nie versprochen, Stadtwerbung machen zu wollen.

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Eine erste Reaktion des WDR auf Sieraus Kritik findet sich hier.

 




Wie die Medien mit zwei tödlichen Vorfällen in Schwerte und Dortmund umgehen

Mal wieder ein Fall für Medien-Ethiker und sonstige Moralisten: Da stellt ein Mordverdächtiger aus Schwerte – ob nun absichtlich oder nicht – via Facebook seine eigene Festnahme ins Internet. Bei der urplötzlichen Polizeiaktion geht es absolut nicht zimperlich zu.

Fundstellen-Anzeige bei Google. (Screenshot: BB)

Einschlägige Fundstellen-Anzeige bei Google. (Screenshot: BB)

Ein dringend Tatverdächtiger kann eben in aller Regel nicht mit Samthandschuhen angefasst werden; man weiß ja nicht, ob und welchen Widerstand er leistet.

Der Mann soll am 9. Januar in Schwerte eine Frau ermordet und anschließend ihr Haus angezündet haben, um vom Mord abzulenken. Dennoch hat er bis zum Abschluss der Ermittlungen und eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf die rechtsübliche Unschuldsvermutung. Das mag man hie und da bedauern, es ist aber ein wesentliches Element unserer Rechtsordnung.

Die Angst vor der Konkurrenz

Nun zu den Medien. Sobald ein solches Video ruchbar wird, greifen insbesondere private TV-Sender begierig danach. Alsbald war es dann auch mühelos im Internet zu finden – mit heftigen Details und so, dass der Verdächtige auf den Aufnahmen erkennbar war.

Besonders perfide tat sich hierbei die Online-Seite meinschwerte.de hervor. Nicht nur war und ist dort das gesamte Video zu sehen, sondern man kann sodann auch leicht zum entsprechenden Facebook-Auftritt gelangen und offenbar einen Klarnamen finden…

Schon ungleich verantwortlicher, wenn auch nicht perfekt sieht es beim öffentlich-rechtlichen WDR aus. Der Sender verwendet einen (allerdings sehr kurzen und gepixelten) Auszug aus dem rabiaten Film und macht daraus ein „Update“, zu dem uns ein symbolhaftes Handschellen-Standbild verlocken soll.

Warum wird das gebracht? Offenbar einfach aus Angst, dass konkurrierende Medien das Zeug sonst „exklusiv“ haben. Die Frage ist jedoch: Muss man solches „Material“ bringen? Dient es auch nur in irgendeiner Form der Wahrheitsfindung? Dient es nicht vielmehr der „Unterhaltung“, wie verquer auch immer?

Video an Konsumenten durchgereicht

Man mag einwenden, der mutmaßliche Täter habe das Video doch selbst im Netz verfügbar gemacht. Doch hat er ahnen können, dass er seine eigene Festnahme aufnimmt? Muss man denn einen solchen Film gleich an die Medienkonsumenten durchreichen? Und muss man nicht sogar manche Leute gleichsam vor sich selbst schützen? Anders gewendet: Muss man einem solchen Mann auch noch ein mediales Forum geben?

Bitte, das sind ernst gemeinte Fragen. Auch ich habe mich noch zu keiner endgültigen Meinung durchgerungen. Und ja: Wie es sich mit dem Zeitdruck im täglichen Medienbetrieb verhält, weiß ich aus eigener Erfahrung. Gerade deshalb sollte man in stilleren Stunden über sein Instrumentarium und seine Entscheidungen sowie deren mögliche Folgen nachdenken.

45-Minuten-Film über Feuersbrunst

Wo wir schon mal beim Thema sind, kommen wir zum zweiten Geschehen desselben Tages: Sachgerecht und angemessen haben sich die WDR-Mitarbeiter beim verheerenden Brand in der nördlichen Dortmunder Gartenstadt am 9. Januar verhalten. Während (nicht nur) Mitarbeiter eines Privatsenders mögliche Zeugen bedrängt haben, hielt sich das WDR-Team merklich zurück, wie in der Nachbarschaft glaubhaft versichert wird.

Man weiß das umso mehr zu schätzen, wenn man sieht, wie voyeuristisch sich das schreckliche Ereignis mit zwei Todesopfern im YouTube-Kanal eines Blaulicht-versessenen Dortmunders (unter dem Label „VN24″) niedergeschlagen hat. Wer sich das antun möchte, kann sich dort nicht nur eine 13:30 Minuten lange Version über die Feuersbrunst anschauen, sondern das „Spektakel“ in einer anderen Fassung geschlagene 45 Minuten lang beobachten. Zu fürchten steht, dass manche Leute sich so etwas mit Popcorn ansehen.

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P. S. (Update): Anfangs waren in diesem Beitrag auch die Ruhrnachrichten (RN) erwähnt. Es lag eine Aussage vor, dass das Video im Kontext des Schwerter RN-Online-Auftritts zu sehen gewesen sei. Diese Aussage lässt sich nicht halten. Wir bitten um Entschuldigung und danken für den entsprechenden (freundlichen) Hinweis.




Das Furchtbare, so nah: Es hat gebrannt

Es hat gebrannt. In „unserer“ kleinen Straße. Es war schrecklich. Zwei Menschen sind dabei ums Leben gekommen.

Wir haben sie gar nicht näher gekannt – und sind nachträglich fast froh darum. Es gibt in dieser Straße Nachbarn, die uns ungleich mehr bedeuten. Doch auch so betrifft es einen schon. Man ist benommen und bekommt kaum etwas Alltägliches zustande.

Wie bedrohlich nah einem das Schicksal rücken kann. Wie sehr man an Vergänglichkeit erinnert wird, die ja eigentlich allgegenwärtig ist. Nur denkt man sonst meistens nicht daran. Doch der Anblick der hoch lodernden Flammen weckt, mag auch der Brandherd über hundert Meter entfernt liegen, unmittelbar Urängste. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie es in Kriegsgebieten ist. Doch. Man sollte es sich vor Augen halten.

Seltsames Gefühl, die Straße, durch die man tagtäglich geht, urplötzlich als landesweiten Aufmacher in den Fernseh-Nachrichten zu sehen – mit jenem Haus, das lichterloh in Flammen steht. Mit womöglich giftigen Rauchwolken, die sich weithin verbreitet haben. Wir sollen alle Fenster geschlossen halten und Radio hören. In der nahen Grundschule behalten sie die Kinder aus unserer Straße nach der letzten Stunde wohlweislich in Obhut – bis Eltern oder Großeltern sie abholen. Eine sehr vernünftige Entscheidung.

Ein TV-Team von SAT.1 (sie betreiben in Dortmund ihr NRW-Landesstudio) hat auch bei uns geschellt und wollte sicherlich Spektakuläres hören. Das kam natürlich nicht in Frage. Selbst wenn wir Genaueres gewusst hätten. Inzwischen gibt es Online-Beiträge bei Bild, Spiegel und dergleichen. Wenn die Medienmaschinerie einmal in Gang gekommen ist… Ähnliches habe ich vor Jahr und Tag nach einem Hurrikan in der Karibik erlebt. Diese ausgebufften, notgedrungen abgestumpften Vollprofi-Katastrophen-Reporter. Machen auch nur ihren Job? Naja. Lassen wir das.

Viele Löschzüge und zahllose Feuerwehrleute im gesamten Viertel, es mögen um die hundert Einsatzkräfte gewesen sein; mit schwerem Gerät und Atemmasken, etlichen Leitern, wahren Wassermassen. Ein Großeinsatz. Viele Stunden lang haben sie das wütende Feuer bekämpfen müssen. Wie es heißt, konnten sie zunächst nicht in das Reihenhaus vordringen, das offenbar mehrfach verriegelt war. Irgendwann muss die Treppe eingestürzt sein. Jetzt steht da eine Ruine. Die Brandursache ist noch unbekannt.

Immer noch, rund acht Stunden nach dem Alarm, muss man letzte Glutnester eindämmen und höllisch aufpassen, dass die beiden direkten Nachbarhäuser nicht noch mehr in Mitleidenschaft gezogen werden.

Es klingt vielleicht wohlfeil, sei aber eigens gesagt: Großen Respekt vor der gefährlichen Arbeit der Feuerwehrleute! Selbst für sie war es kein gewöhnlicher Einsatz, manche mussten psychologisch betreut werden, wie man hört. Und man fragt sich umso mehr, wie Leute auch nur auf die Idee kommen können, solche Retter bei ihren Einsätzen anzupöbeln.

Im Lauf des Vormittags immer wieder Gruppen und Grüppchen in der Nachbarschaft, die das so schwer Fassbare bereden wollen. Nur zu verständlich: Man will nicht allein sein mit solchen furchtbaren Geschehnissen.

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P. S.: Selbstverständlich wabern auch wüste Gerüchte zu Umständen und Ursachen. Und vereinzelt gerieren sich Leute als wahre Feuer- und Brandschutzexperten. Aber auch das ist menschlich.

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Nachtrag am 10. Januar

Kein Gerücht, sondern bestätigt: Inzwischen ermittelt in dem Fall eine Mordkommission. Das berichten u. a. die Ruhrnachrichten. Ja, sind wir denn mitten in einem „Tatort“ angekommen? Wird morgen Dortmunds Kommissar Faber alias Jörg Hartmann hier auftauchen?




Lachen und lernen vom Weinberg bis in den Weltraum – ein kleines Loblied auf die unverwüstliche „Sendung mit der Maus“

Ich gestehe es freimütig: Auch im nicht mehr ganz jugendlichen Alter weiß ich die „Sendung mit der Maus“ sehr zu schätzen. In Sachen TV-Klassiker-Status kann es der orangefarbene Nager nahezu mit „Tatort“ und „Tagesschau“ aufnehmen.

Ob groß, ob klein, die Maus muss sein... (Foto: Bernd Berke / © an der Maus-Figur: WDR)

Ob groß, ob klein, die Maus muss sein… (Foto auf der heimischen Fensterbank: Bernd Berke / © an der Maus-Figur: WDR)

Die seit 1971 regelmäßig ausgestrahlten Lach- und Sachgeschichten sind halt kaum wegzudenken. Wie zu lesen ist, sind die Zuschauer(innen) im Schnitt 40 Jahre alt. Eltern, Großeltern und Kinder schauen eben gerne gemeinsam zu.

Allein schon die finalen Bestandteile der gegenwärtigen „Maus“-Ära sind aller Ehren wert, denn zum Schluss der Ausgaben sieht man entweder Shaun das Schaf, seine wolligen Gesellen, den dusseligen Farmer und den so oft gebeutelten Hund Bitzer o d e r – (Luft holen) – oder den famosen Lügenbold Käpt’n Blaubär, dessen freche Enkel und den Tolpatsch Hein Blöd. Beide Reihen sind auf je eigene Weise genialisch.

Auch die Animationsfilme in den Zwischenakten haben es oft in sich. Meine Lieblingsserie, die leider viel zu selten zum Zuge kommt, heißt „Trudes Tier“ und erzählt sehr liebevoll die etwas bizarren Geschichten einer jungen Frau, die mit einem zotteligen Monster zusammenlebt, das ihr mit seinen Eskapaden immer wieder Schweißperlen auf die Stirn treibt.

Maus, Elefant und Ente erleben derweil so elementare kleine Abenteuer, dass es mitunter ans Existenzielle oder Philosophische grenzt. Und die gar zittrig gezeichneten „Krawinkel und Eckstein“ (chaotischer Herr und sein Hund) folgen einer recht eigenen ästhetischen Spur. Das ist Staun- und Denkstoff, längst nicht nur für Kinder.

Nun aber natürlich keineswegs zu vergessen: die Sachgeschichten! Wo sonst bekäme man über Monate hinweg haarfein erläutert und vorgeführt, was sich im Jahreskreislauf in einem Weinberg begibt? Wo sonst erführe man, gleichsam Schräubchen für Schräubchen, wie ein ICE-Zug oder ein Feuerwehrwagen zusammengebaut werden? Wo sonst lernt man, wie ein Croissant gebacken wird oder wie die Löcher im Käse entstehen? Völlig andere Gewichtigkeit: Vor Jahren hat sich die Maus auch schon mit Atomkraft befasst. Die traut sich was.

Und wo sonst könnte der deutsche Astronaut Alexander Gerst so alltagsnah erläutern, was er so in der Weltraumstation ISS erlebt – vom wissenschaftlichen Experiment bis zum schwerelosen „Gang“ aufs Klo. Ein Exemplar der Maus ist (nach ungemein peniblen Schadstoff-Überprüfungen) im All dabei – und sie hat sogar einen maßgeschneiderten Astronautenanzug an…

Ebenfalls zugegeben: Ich habe die Macher der „Maus“ immer mal wieder beneidet, denn sie (vor allem Ralph Caspers) gönnen sich immer mal wieder überaus nette Dienstreisen. So haben sie etwa Schulkinder in Island, Indien, Japan oder Brasilien besucht, um zu zeigen, wie es denen so ergeht. Dabei geht es stets angemessen fröhlich und freundlich zu, niemals allzu kritisch. Doch die Kinder bekommen schon mit, wie verschieden ihre Altersgenossen auf diesem Planeten leben.

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Anhang

Moderator(innen) der „Maus“ (Erstausstrahlung 7. März 1971):

Armin Maiwald (Jahrgang 1940 – seit 1971 dabei)
Christoph Biemann (Jahrgang 1952 – seit 1983)
Ralph Caspers (Jahrgang 1972 – seit 1999)
Malin Büttner (Jahrgang 1975 – seit 2008)
Siham El-Maimouni (Jahrgang 1985 – seit 2014)

Beispielhafte Animationsreihen im Rahmen der „Maus“-Sendungen:

Janosch: „O wie schön ist Panama“ (ab 1979)
Walter Moers: „Käpt’n Blaubär“ (ab 1991)
Wouter van Reek: „Krawinkel und Eckstein“ (ab 2004)
Gunilla Bergström: „Willi Wiberg“ (ab 2004)
Richard Goleszowski: „Shaun das Schaf“ (ab 2007)
Andreas Strozyk: „Ringelgasse 19″ (ab 2010)
Marcus Sauermann: „Trudes Tier“ (ab 2014)

Eine Institution ist mittlerweile auch der Maus-Türöffner-Tag, der just wieder am jetzigen Feiertag (3. Oktober) bundesweit begangen wird und Kindern den Zugang zu Einrichtungen oder Firmen ermöglicht, die für gewöhnlich verschlossen bleiben. Vielleicht sind ja noch ein paar Plätze in der Nähe frei?