Wenn 60 Schriftsteller durch die Dortmunder Nordstadt gehen

Schriftsteller Heinrich Peuckmann (frontal, Mitte) im Kreise von Autorenkolleg(inn)en auf dem Weg zur Dortmunder Nordstadt. (Foto: Bernd Berke)

Schriftsteller Heinrich Peuckmann (frontal, Mitte) im Kreise von Autorenkolleg(inn)en auf dem Weg zur Dortmunder Nordstadt. (Foto: Bernd Berke)

Freunde, jetzt mal Butter bei die Fische, wie man hier so sagt: Der Autorenverband PEN hat heute auf seiner Dortmunder Jahrestagung mit Regula Venske nicht nur eine neue Präsidentin gewählt, sondern u. a. auch eine Resolution gegen die konfuse Rechtsausleger-Partei AfD verabschiedet. Morgen (Samstag) soll es um die betrübliche Lage in der Türkei gehen. Das alles ist richtig und wichtig. Jedoch…

Das „wirklich wahre Leben“ (wie es bei „Dittsche“ so schön heißt) spielt sich teilweise woanders ab als im Tagungssaal. Beispielsweise in der nicht gerade bestens beleumundeten Dortmunder Nordstadt, die den überregionalen Medien oft als prototypisches Gelände für soziale Schauergeschichten aus dem Revier dient.

Eine verrufene Gegend

Also war es im Prinzip eine gute Idee des Schriftstellers Heinrich Peuckmann (Dortmund/Kamen), für interessierte Autorenkolleg(inn)en einen Gang durch diesen Stadtteil zu organisieren, den manche gar als No-Go-Area verunglimpfen, man lese dazu etwa diesen Text aus der FAZ. Nicht nur die Polizei hat auf diesem Areal zuweilen ihre liebe Not. Und so hatte vor Tagen schon Dortmunds OB Ullrich Sierau gescherzt, wenn man auf dem Gang die Hälfte aller Teilnehmer ans Ziel bringe, sei es schon gut gelaufen…

Nun aber mal halblang: Die Strecke des gar nicht so erschröcklichen „Spaziergangs“ führte vom Tagungsort, dem Kulturzentrum „Dortmunder U“, in eine weitere Kulturstätte, das „Depot“ in der Immermannstraße. Kurt Eichler, Leiter der Dortmunder Kulturbetriebe, machte den kundigen „Bärenführer“. Hinterdrein trottete eine immerhin rund 50 bis 60 Menschen starke Autorinnen- und Autorenschar. Angesichts einer solchen Ballung von auf längere Sicht Publizierenden kam ich mir als Schreiber des Tages schon beinahe etwas seltsam vor. Sei’s drum. Da muss man durch, woll?

„Lauter Deutsche“ auf der Strecke

Nordstadt ist nicht gleich Nordstadt. Wirklich verrufen sind bestimmte Straßenzüge. Freilich hat Kurt Eichler recht, der sagte, dass Dortmunder Bürger, die sich für gediegen halten, den Fuß schon seit jeher generell nicht in Gebiete nördlich des Hauptbahnhofs setzen. Er wusste auch von unermüdlichen Versuchen seit den 1970er Jahren zu berichten, der Nordstadt etwas Kultur und etwas Grün angedeihen zu lassen. Es begann mit Mitteln des Städtebaus, nicht mit der eigentlichen Kulturförderung. Die Erfolge sind begrenzt.

Nun ist es ein gar eigenes Ding, mit geschätzt 60 Leuten durch soziale Brennpunkte zu stiefeln, wobei man überdies die ärgsten Ecken links oder rechts liegen ließ. Welch eine Exotengruppe! Ich hab’s nicht mit eigenen Ohren gehört, aber hernach hieß es, ein paar Jugendliche hätten sich am Wegesrand gewundert, dass da ja „lauter Deutsche“ auf Tour seien. Hätten sie noch gewusst, dass es sich fast durchweg um arrivierte Bücherschreiber gehandelt hat, so wäre des Staunens kein Ende mehr gewesen. Ob sich jemand aus der literarischen Gruppe nun animiert fühlt, einige Seiten über Dortmund zu schreiben? Man darf es bezweifeln.

Mich hat die Aktion ganz vage an ein Erlebnis am Ende der 80er Jahre erinnert. Damals waren wir – im Gefolge des damaligen NRW-Kultusministers Hans Schwier – als Journalisten-Tross in New York unterwegs. Zum Programm gehörte eine Führung durch die Bronx, die damals wahrhaftig eine No-Go-Area war. Ohne bewaffneten Polizeischutz ließ man uns nicht gehen.

Homöopathische Dosierung

Zurück nach Dortmund, wo es vergleichsweise herzlich harmlos zuging: Das wahre Flair der Nordstadt war auf diese Weise jedenfalls kaum zu spüren. Es kam allenfalls in stark verdünnter, gleichsam in homöopathischer Dosierung an, keineswegs als Essenz. Die Frauen und Männer des gepflegten Wortes hätten sich vielleicht allein oder zu zweit auf den Weg begeben müssen.

Auf dem langen Rückweg habe ich mir ein solches Erlebnis im Solo gegönnt. Kreuz und quer. Und was soll ich sagen: Hie und da scheint etwas in der Luft zu liegen, nicht in jedem Moment geht das Ganze völlig schwerelos vonstatten. Oder bildet man sich das alles – im Gefolge permanent aufgeregter Medien – nur ein? Es ist allemal eine Erfahrung. Ja, grinst nur!

Der kitzligste Augenblick des besagten Autorenausflugs war hingegen schon jener, in dem ein ungeduldiger BMW-Fahrer an der Ampel am liebsten gleich ein Dutzend Schriftsteller auf die Kühlerhaube genommen hätte, weil die nach seiner Ansicht nicht schnell genug die Kreuzung räumten. Rüpel, elender!

Auf den Spuren von Samuel Beckett

Was viele vorher nicht wussten: Wir wandelten „irgendwie“ auf den Spuren des großen Samuel Beckett. Wie Heinrich Peuckmann versicherte, habe Beckett in grauer Vorzeit eine Freundin in Kassel gehabt und sich auf der An- oder Abreise mitunter in der Dortmunder Nordstadt umgesehen. Rund um den Steinplatz gab’s damals etliche „Amüsier-Betriebe“. Davon inspiriert, habe der irische Weltliterat auch ein Gedicht über Dortmunder Bier verfasst. Peuckmann: „Das Bier fand ich allerdings besser als das Gedicht.“ Wer weiß: Am Ende ist selbst Becketts legendäres „Warten auf Godot“ noch auf eine Dortmunder Anregung zurückzuführen.

Ob sich dazu noch mehr Substanzielles recherchieren ließe? Dortmunds Kulturdezernent Jörg Stüdemann soll, als er die Geschichte vernahm, schon scherzhaft (?) über eine Gedenktafel an geeigneter Stätte nachgedacht haben…




Mut zur Vielfalt: Die Oper Frankfurt geht mit ehrgeizigem Programm in die Spielzeit 2017/18

Die Frankfurter Oper ist auch 2017/18 ein lohnendes Ziel für Opernfreunde. Foto: Werner Häußner

Die Frankfurter Oper ist auch 2017/18 ein lohnendes Ziel für Opernfreunde. (Foto: Werner Häußner)

Ein abwechslungsreiches Potpourri, das verschiedenste Perspektiven auf das Musiktheater eröffnet: Das Programm der Spielzeit 2017/18 an der Oper Frankfurt ist mit diesen Worten von Intendant Bernd Loebe wohl am treffendsten beschrieben. Kein verbindendes Motto überspannt die zwölf Premieren und 15 Wiederaufnahmen: Der Mut zur Vielfalt ist unübersehbar und entführt in die weite Wert der Oper, von Henry Purcells „Dido und Aeneas“ bis zur Uraufführung der Oper „Der Mieter“ des 1968 geborenen Arnulf Herrmann.

Drei Jahrhunderte Musiktheater also, beginnend mit einem unsterblichen Schlager des Repertoires: Giuseppe Verdis „Il Trovatore“, koproduziert mit Covent Garden in London und erarbeitet von David Bösch. Eine Inszenierung des Regisseurs mit Ruhrgebiets-Wurzeln, künstlerisch herangewachsen im Schauspiel in Bochum und Essen, die von der englischen Presse zwiespältig bewertet wurde. Böschs Bilder eines nicht näher bestimmbaren Kriegsschauplatzes sind nach Auffassung der Financial Times pittoresk, aber es sei nicht immer einfach zu erkennen, was sie mit Verdis Oper zu tun haben – eine „schwache Antwort“ auf das Problem der Oper, die eher durch krude Emotionen als durch dramatische Logik wirke.

Wie auch immer – in Frankfurt dirigiert ab 10. September der vielversprechende Jader Bignamini ein erlesenes Ensemble, unter anderem mit Elza van den Heever (Leonora) und Tanja Ariane Baumgartner (Azucena). Van den Heever gestaltet auch die Titelrolle in „Norma“, die am Ende der Spielzeit am 10. Juni 2018 herauskommt. Sigrid Strøm Reibo, Hausregisseurin an der Norwegischen Nationaloper Oslo, inszeniert Bellinis Belcanto-Hauptwerk. Den Vergleich mit der dekorativen Essener „Norma“ von Tobias Hoheisel und Imogen Kogge, die 2017/18 wieder aufgenommen wird, dürfte die Deutschland-Regiedebütantin mühelos bestehen.

Eine konzertante Aufführung von Gaetano Donizettis „Roberto Devereux“ mit der aus Düsseldorf „importierten“ Adela Zaharia als Elisabetta und die Wiederaufnahmen von Verdis „Les Vȇpres siciliennes“ mit Stefan Soltesz am Pult, Bellinis „La Sonnambula“ mit Brenda Rae als Amina und Francesco Cileas „Adriana Lecouvreur“ mit Angela Meade in der Titelrolle decken das Spektrum der italienischen Oper auch jenseits des Üblichen ab.

Zwei Uraufführungen

Mit zwei Uraufführungen positioniert sich Frankfurt – wie in den Jahren zuvor – wieder als ein Haus, das sich im deutschen wie internationalen Vergleich für den Einsatz für zeitgenössische Musik nicht verstecken muss: Die erste stammt von Arnulf Herrmann, der in Saarbrücken lehrt und in der internationalen Musikszene gut vernetzt ist. Seine neue Oper „Der Mieter“ basiert auf einem Roman von Roland Topor, der als „The Tenant“ von Roman Polanski verfilmt wurde. Wie Andrea Lorenzo Scartazzinis „Der Sandmann“ in dieser Spielzeit dreht sich die Story um den zunehmenden Realitäts- und Identitätsverlust eines jungen Mannes, eine immer mehr ins Unwirkliche abdriftende Entwicklung mit einem katastrophalen Ende. Am 12. November 2017 ist die Premiere, Johannes Erath inszeniert und Kazushi Ȯno dirigiert; Björn Bürger singt die Hauptpartie des Georg.

„A Wintery Spring“ von Saed Haddad kommt am 22. Februar 2018 erstmals auf die Bühne, laut Intendant Loebe ein „elegisches Werk über falsche Hoffnungen und die Trauer um den Verlust des arabischen Frühlings“. Der Komponist wurde in Jordanien geboren, seine Werke werden international gespielt. Den zweiten Teil des Abends im Bockenheimer Depot bildet die szenische Erstaufführung von Jan Dismas Zelenkas, „Il serpente di bronzo“. Corinna Tetzel inszeniert, das Ensemble Modern spielt unter Franck Ollo. Mit Manfred Trojahns „Enrico“ setzt die Oper Frankfurt ihre Befragung von Opern fort, die vor längerer Zeit uraufgeführt wurden. Die „Dramatische Komödie“ entstand für die Schwetzinger Festspiele 1991.

Meyerbeer-Erkundung

Mit „L‘ Africaine“ reiht sich nun auch Frankfurt bei den Häusern ein, die Giacomo Meyerbeers große Opern nach Jahrzehnten der Vernachlässigung auf ihre aktuelle Relevanz prüfen. Tobias Kratzer, der bereits „Le Prophète“ in Karlsruhe und „Les Huguenots“ in Nürnberg inszeniert hat, stellt Meyerbeers letztes, unvollendet gebliebenes Werk mit einem – so Loebe – „für Frankfurt völlig neuem Ansatz“ vor. Premiere ist am 25. Februar 2018.

Bernd Loebe, Intendant der Oper Frankfurt. Foto: Werner Häußner

Bernd Loebe, Intendant der Oper Frankfurt. (Foto: Werner Häußner)

Die weiteren Neuproduktionen: Mit „Rinaldo“ wird die Serie der Händel-Opern in Frankfurt weitergeführt (16. September 2017), Benjamin Brittens meistgespielte Oper „Peter Grimes“ kommt nach zehn Jahren in einer Regie von Keith Warner wieder (8. Oktober), Brigitte Fassbaender fügt der Befassung mit Richard Strauss mit „Capriccio“, dirigiert von Sebastian Weigle, ein weiteres Juwel bei (14. Januar 2018). Leoš Janačeks letztes Werk, „Aus einem Totenhaus“ hat in einer Regie von David Hermann am 1. April 2018 Premiere. Und endlich kehrt ab 13. Mai 2018 auch die Operette auf die Frankfurter Bühne zurück – mit Franz Lehárs „Die lustige Witwe“, ein Lieblingsstück all jener, die das reiche Repertoire in dieser Gattung inzwischen weitgehend vergessen haben. Claus Guth inszeniert, die aufstrebende Erfurter Chefdirigentin Joana Mallwitz dirigiert.

Unter den Wiederaufnahmen beansprucht Samuel Barbers „Vanessa“ überregionale Aufmerksamkeit, auch Richard Jones‘ bild- und sinnstarke Inszenierung von Britten „Billy Budd“ kommt ab 19. Mai 2018 für fünf Vorstellungen wieder. Und Mieczysław Weinbergs „Die Passagierin“ stellt ab 3. Mai 2018 erneut die brennende Frage nach Schuld und Verantwortung – in Anselm Webers großartiger Bühnen-Umsetzung, die ab 24. Juni, an die Semperoper Dresden ausgeliehen, dort auch ein Ausrufezeichen gegen rechte Umtriebe setzen soll. Trotz eines Spielplans, der Seltenes, Unbekanntes und Zeitgenössisches enthält, kommt die Frankfurter Oper auf eine Auslastung von 88 Prozent – ein Beleg dafür, dass Bernd Loebes Konzept aufgeht und sich das Frankfurter Publikum auf neue Erfahrungen einlässt.

Info: http://www.oper-frankfurt.de/de/premieren/




Und wieder Spaß mit der Telekom – diesmal mit dem Superduper-Sicherheitspaket

Über manche Firmen muss man einfach öfter mal ein kleines Dossier oder wenigstens eine Notiz verfassen. Weil sich bei ihnen immer mal wieder neue Absurditäten ergeben.

Das liest man doch immer wieder gern... (Screenshot von der Fehlerrückmeldung)

Das liest man doch immer wieder gern… (Screenshot einer Fehlerrückmeldung)

Ja, das war nicht schwer zu erraten, ich rede von der glorreichen Telekom. Es rührt wohl aus alten Postzeiten her; jedenfalls bin ich irgendwie noch anhänglich, aus Nostalgie, nicht aus Vernunft.

Der Laden hat (bei allem smarten Getue) nach wie vor so etwas  – nein: nicht Halbseidenes, sondern Halbstaatliches, Offiziöses. Solch ein Betrieb wird einen doch nicht etwa betuppen?

Gleich zwei Abos, die nicht funktionieren

Nun ja. Wie man’s nimmt. Neulich haben sie wie Bolle für ein Sicherheitspaket von Norton geworben, das man gleich bei ihnen (also bei der Telekom) herunterladen möge. Alles fix, alles selbsterklärend einfach, versteht sich. Im ersten Monat sei die Chose kostenlos, danach würden für die Variante „M“ (steht der Buchstabe für „Maso“?) 3,95 Euro pro Monat fällig. Dafür könne man dann gleich drei Geräte absichern. Wow, welch ein Superduper-Angebot.

Ich habe mich in einem unseligen Moment darauf eingelassen – in der werblich genährten Annahme, dass sich das Abo problemlos automatisch verlängern werde. Das war allerdings nicht der Fall. Das Zeug ließ sich mit den für Kunden zugänglichen Mitteln offenbar weder neu aktivieren noch deaktivieren und meldete überhaupt nur Kryptisches. Irgendwann hatte ich auf einmal zwei Abos, die aber beide nicht funktionierten. Sakra!

Also Hotline. Also warten und fluchen. Wie schon so oft.

Müßig zu sagen, dass diverse Anrufe bei der Hotline jeweils andere, teilweise abstrus widersprüchliche Ergebnisse zeitigten. Man kann sich in den technischen Untiefen so richtig schön verheddern, bis einem der Kopf schwirrt. Mag ja sein, dass ich für solche Irrungen und Wirrungen zu unbegabt bin. Nicht Chaot genug. Mh.

Hey, da gibt es doch diese wunderbare App…

Per Mail an den Kundenservice habe ich zusätzlich um technische Hilfestellung gebeten. Man werde sich in Kürze darum kümmern, hieß es zur Antwort. Aber hey, es gebe doch diese wunderbare App, mit der ich um Rückruf bitten könne. Dann gehe alles viel flotter.

App runtergeladen, App installiert, Rückruffunktion gesucht. Genau diese stand jedoch ausdrücklich nicht zur Verfügung. Auf meine nächste Mail, in der ich auf diesen misslichen Umstand hinwies, kam die (wohl hoffentlich automatische) Antwort, ich könne doch diese wunderbare App nutzen, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen… Es scheint ganz so, als wäre ein Kafka-Experte dort Büroleiter. Oder so ein bekloppter Humorist.

Irgendwann war ich’s leid. Als die angeforderte technische Hilfe auch nach mehreren Tagen nur mit Vertröstungen bei der Hand war, habe ich besagte Abos der Sicherheitspakete gekündigt.

Die Sache mit der Kündigungsfrist

Nach dem Buchstaben der AGB hätte ich nun bis zum Ende einer dreimonatigen Kündigungsfrist für nichts und wieder nichts zahlen müssen. Klar, es sind lediglich 3,95 Euro im Monat, aber „auch das ist Geld“, wie unsere Omas immer ganz richtig gesagt haben. Und wenn der Telekom dieser Coup auch nur mit hunderttausend Kunden gelingt, hat sich der Deal vielleicht schon gelohnt… Die übliche Widerrufszeit ist ja durch den anfänglichen Gratismonat abgelaufen.

Nur kurz keimte zwischendurch Hoffnung: Eine Dame bei der Hotline versicherte mir, sie habe das Ganze so umgeschaltet, dass bei mir die Kündigungsfrist entfalle. Die nächste Mitarbeiterin konnte in den Datensätzen nichts dergleichen entdecken und meinte ihrerseits, dass ohnehin nur die Vertriebs-Abteilung zu solchem Entgegenkommen berechtigt sei. Hatte mich die erste Mitarbeiterin also angeflunkert?

Sowieso ziemlich überflüssig?

Hübsch auch dies: Hinter vorgehaltener Hand sagen einem nun mehrere Telekom-Mitarbeiter, dass das Sicherheitspaket eh ziemlich überflüssig sei, wenn man Geräte von Apple hat. Gleichwohl wird es offiziell auch für iMac, iPad und iPhone angeboten und massiv beworben. Endlich sicher surfen usw. Das Geschäft mit der Virenangst. Und wer lacht sich da ins Fäustchen?

Doch natürlich gibt’s auch dazu mehrere Meinungen: Nächster Mitarbeiter, nächste Auffassung. Auch Apple-Produkte seien gefährdet, alles andere sei eine unverantwortlich sorglose „Herangehensweise von gestern“. Aber bitte, er wolle mir nichts aufschwatzen…

Während ich dies schrieb, blieb ein abermals fest vereinbarter Rückruf durch die Telekom schlichtweg aus. Um 10 Uhr hätte es klingeln sollen, um halb zwölf habe ich die Hoffnung aufgegeben. Derlei Verspätungen oder gar Ausfälle haben frühere Staatsunternehmen halt so an sich. Denkt an die Bahn.

Hosianna! Um 15 Uhr ist der Anruf dann doch noch erfolgt. Eine Zeit war nicht notiert worden. Warum auch? Tatsächlich ist es mit einem Kraftakt gelungen, das vermaledeite Norton-Paket zu deinstallieren. Und die Kündigungsfrist soll auch auf wenige Tage verkürzt werden. Mal schauen, ob’s stimmt.

Doch wie viel Lebenszeit hat man mal wieder vergeudet! Stunden um Stunden um Stunden um Stunden um Stunden…

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P.S.: Jaja, ich weiß, dass Kunden der Telekom-Konkurrenz oft ebenso miese Erfahrungen machen. Jeder hadert halt mit seinem eigenen Kram.

P.P.S.: Jaja, ich habe auch schon davon gehört, dass gerade Sicherheitspakete den PC bzw. Mac langsamer machen oder sogar gerade neue Sicherheitslücken aufreißen. Computer und Netz sind schon dolle Erfindungen.




3:2 in München gewonnen – Balsam für die wunde, geschundene Dortmunder Seele

Der BVB gewinnt in München 3:2 gegen den FC Bayern und steht somit im Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt. So weit die dürren, freilich bedeutsamen Fakten.

Euphorie in Schwarzgelb - Screenshot von der ARD-Übertragung aus München

Euphorie in Schwarzgelb – Screenshot von der ARD-Übertragung aus München

Wohl noch nie hat man den eher zur spartanisch-puritanischen Nüchternheit neigenden Borussen-Trainer Thomas Tuchel dermaßen euphorisiert, ja momentan nahezu enthemmt gesehen. So kann er also auch sein. Es waren die Augenblicke seines bislang größten Triumphs. Dem sollte er beim Finale in Berlin die Krone aufsetzen können.

Es war mutig bis tollkühn, dass er gegen Schluss den offensiven Christian Pulisic für den Verteidiger Łukasz Piszczek einwechselte. Und es war richtig. Sonst wechselt Tuchel auch schon mal unbegreiflich hasenherzig. Diesmal nicht. Und siehe da…

Von den Taten der Bender, Bürki, Aubameyang und Dembélé (und all den anderen) zu berichten, bleibt der zeitgenössischen Heldendichtung vorbehalten. Ihr nehmt das bitte ebenso ernst wie ironisch, nicht wahr?

Das ganze Spiel ist Balsam für die zuletzt so wunde, geschundene Dortmunder Seele gewesen. Der Bus. Die Bomben. Wir müssen an dieser Stelle nicht mehr weiter darüber reden. Offenbar ist die Dortmunder Mannschaft gerade jetzt und gerade dadurch zusammengewachsen. Was man gemeinsam erlitten hat…

Es war denn doch eine aufregende Begegnung. Zunächst gewann Borussia Dortmund die Oberhand und die 1:0-Führung. Nach dem 1:1-Ausgleich waren die Bayern für einige Zeit die deutlich bessere Mannschaft, sie haben jedoch riesige Chancen vergeben. Ohne Glück war heute nichts zu machen.

Was war nicht im Vorfeld spekuliert worden! Beide Mannschaften waren in der Vorwoche aus der Champions Lague ausgeschieden, beide Trainer würden also sozusagen um ihren Job spielen. Stimmungslagen und Mentalitäten wurden austariert bis zum Gehtnichtmehr. Ach, wie sensibel doch Sportredakteure sind…

Löw war da. Nagelsmann war da. Überhaupt hat heute wahrscheinlich tout Fußball-Deutschland zugesehen. Über den ARD-Kommentator Tom Bartels möchte ich nicht viele Worte verlieren. Bei ihm wird immerzu „abgeblockt“, ein Schuss oder eine Flanke ist „gut, aber nicht gut genug“, ein Spieler vollführt eine „gute Bewegung“ oder wirft sich in den gegnerischen Angriff „mit allem, was er hat“. Derlei Gelaber wird auch noch richtig gut bezahlt.

Am besten ist’s überhaupt, wenn man solche Fußballspiele ohne das ganze Geplänkel drumherum genießt. Schnörkellos, sozusagen. Den Ball flach halten.

Seltsames Zusammentreffen übrigens: Bei Facebook habe ich just vor diesem Spiel einen hartleibigen politischen Linksaußen „entfreundet“, entfreunden müssen, der in quasi-adornitischer Manier den Anschein erweckte, man dürfe nicht über Fußball reden, ohne sich zuvörderst an die KZ-Vergangenheit zu erinnern. Verrückt. Als wenn man dies jemals vergessen und vermindern könnte.

 

 




Unsterbliche Stimme des Jazz: Vor 100 Jahren wurde Ella Fitzgerald geboren

Summertime. Das Leben ist leicht. Ella Fitzgerald, die „große alte Dame des Jazz“, singt den unsterblichen Song aus Georges Gershwins „Porgy and Bess“ schwebend leise, träumerisch, jedes Wort, jeden Klang auskostend. Sie lässt die Stimme flirren, setzt das Vibrato ausdrucksstark ein, scheint über jedes Wort nachzudenken. Eine andere Aufnahme: Die Sängerin nimmt das Lied hell, strahlend, mit Sonne in der Stimme und mit improvisierten Silben, dazwischen einem Lachen – und in schnellerem, energischerem Tempo.

Ella Fitzgerald. Foto: www.pexels.com

Ella Fitzgerald. Foto: www.pexels.com / pixabay.com / Lizenz: https://www.pexels.com/de/fotolizenz/

Zwei Facetten eines Songs, die viel über die außerordentliche Kunst Ella Fitzgeralds aussagen. Sie war meisterhaft, wie sie sich auf ihre Musiker-Kollegen einstellte, wie sie den geforderten Sound erspürte, für sich umsetzte und den anderen zurückgab. Eine echte Jazzerin eben – und viel mehr als das: Peggy Lee, selbst eine erfolgreiche Sängerin, Texterin und Komponistin, sagte über Ella Fitzgerald, sie sei die „größte Jazz-Sängerin unserer Zeit“ und setze den Standard, an dem alle anderen gemessen werden.

Ein amerikanischer Traum

Das Leben Ella Fitzgeralds hat etwas von einem märchenhaften amerikanischen Traum: Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen bei ihrer Mutter auf, ihren Vater hat sie nicht gekannt. Am 25. April 1917 wurde sie in Newport News in Virginia geboren, zog mit ihrer Mutter, einer Hausangestellten, nach Yonkers in der Nähe von New York. Als sie vierzehn Jahre alt war, starb die Mutter; Ella kam ins Waisenhaus und lebte später bei einer Tante. Geld verdiente sie sich, indem sie auf der Straße tanzte; was sie sparen konnte, verwendete sie für Klavierstunden.

1934 überredete sie ein Freund, an einem Amateur-Wettbewerb im Harlem Opera House teilzunehmen. Ella sollte tanzen, hatte aber solches Lampenfieber, dass ihr die Beine zitterten. So schaltete sie schnell um und sang ein Lied des bekannten Stars Hoagy Carmichael mit dem Titel „Judy“. Die Zuhörer, so wird berichtet, applaudierten der Sechzehnjährigen heftig und beruhigten sich nicht, bis sie zu einer Zugabe bereit war.

Die zaghaften Schritte in eine professionelle Sängerinnen-Karriere führten sie zu einem Wettbewerb im damals berühmten Apollo Theater. Sie siegte und Bardu Ali, ein Mitarbeiter des Bandleaders Chick Webb sorgte dafür, dass Ella engagiert wurde. Webb ermöglichte der jungen, unerfahrenen Sängerin den Einstieg und eine erste Plattenaufnahme. 1935 sang Ella Fitzgerald „I’ll Chase the Blues Away” und „Love and Kisses”.

Kinderlied als Millionenhit

Auch ihr erster Millionenhit entstand, glaubt man den Erzählungen, eher zufällig: Der Arrangeur Van Alexander hörte, wie Ella am Klavier ein Kinderlied anspielte. Er schrieb eine eingängige Version und „A Tisket, A Tasket“, aufgenommen im Mai 1935, wurde ein riesiger Erfolg, der sich wochenlang an der Spitze der Hitparaden hielt.

Vier Jahre später war Ella Fitzgerald so bekannt, dass sie, als ihr Förderer Chick Webb starb, dessen Band übernahm. Sie war damals begeistert von Bebop, einer neuen Richtung im Jazz, künstlerisch anspruchsvoll, mit rhythmischen Freiheiten, komplexen Harmonien und langen Improvisationen. Ella Fitzgerald arbeitete eng mit Dizzy Gillespie zusammen. Für sich selbst entdeckte sie den „Scat-Gesang“, in dem Silben ohne Wortsinn gesungen werden, so, als sei die Stimme ein bloßes Instrument. Diese Technik entwickelte Ella Fitzgerald zur Perfektion.

Sie war schon eine Berühmtheit, als sie den Musikmanager Norman Granz kennenlernte. Er verhalf ihr zum internationalen Durchbruch. Von 1956 an entstanden ihre „Songbooks“ – Platten, auf denen sie bekannte Titel berühmter amerikanischer Komponisten interpretierte. Beginnend mit Cole Porter umfasste die Reihe bis 1964 acht Alben, gewidmet Größen wie Duke Ellington, Irving Berlin, George und Ira Gershwin oder Jerome Kern.

Legendär ist die Aufnahme von Gershwins „Porgy and Bess“ 1957 mit Louis Armstrong. Immer auf der Suche nach wirkungsvollen Hits nahm sie – so erzählte sie selbst dem Jazz-Kenner John Chilton – ein kleines Notizbuch mit ins Kino und notierte sich die Lieder, die ihr gefielen.

Die Liste ihrer Alben, die man auf der Webseite der Ella Fitzgerald Foundation finden kann, ist lang: Sie reicht von einem ersten Gershwin-Album 1950 über „Sweet Songs for Swingers“ (1959) und „Ella in Berlin: Mack the Knife“ (1960) bis zu ihren legendären Auftritten in Rom, Hamburg, Newport, London, Montreux und ihrem letzten Album „All That Jazz“ 1989.

In den letzten Jahren ihres Lebens machten ihr die Folgen der Diabetes schwer zu schaffen: Ella Fitzgerald erblindete. Am 15. Juni 1996 starb die „First Lady of Song“, die Königin unter den Jazz-Sängerinnen und eine der bedeutendsten Musikerinnen des 20. Jahrhunderts, in Beverley Hills.




171 Schriftsteller kommen jetzt nach Dortmund – zur Jahrestagung des deutschen PEN-Zentrums

Das deutsche PEN-Zentrum ist mit seinen insgesamt rund 800 Mitgliedern hierzulande wohl die bedeutendste Schriftstellervereinigung. Jetzt halten die PEN-Autoren ihre Jahrestagung in Dortmund ab. Das klingt immer noch nicht selbstverständlich, denn Dortmund gehört kaum zu den Städten, bei deren Nennung man gleich an belletristische Literatur denkt. Nun ja. Darauf kommen wir noch zurück.

Im Dortmunder Rathaus: Der scheidende PEN-Präsident Josef Haslinger (links), Dortmunds OB Ullrich Sierau (rechts) und der Autor Heinrich Peuckmann (Mi.), der die Tagung nach Dortmund geholt hat. (Foto: Bernd Berke)

Im Dortmunder Rathaus: Der scheidende PEN-Präsident Josef Haslinger (links), Dortmunds OB Ullrich Sierau (rechts) und der Autor Heinrich Peuckmann (Mi.), der die Tagung nach Dortmund geholt hat. (Foto: Bernd Berke)

Nun haben sich jedenfalls gleich 171 Autorinnen und Autoren zum Verbandstreffen im Dortmunder „U“ angemeldet. Wollte man das auf die Dortmunder Einwohnerzahl (rund 600.000) umrechnen, so käme zwischen dem 27. und 30. April auf 3508 Einwohner je ein Schriftsteller. Immerhin.

Das ist doch mal ein temporär kultursinniges Zahlenverhältnis, wie es gewohnheitsmäßig vielleicht gerade mal in Dublin anliegt. Berlin? Noch nie gehört.

Weltweiter Einsatz für verfolgte Autoren

Jetzt aber im Ernst, ja im bitteren Ernst: Der PEN (Abkürzung für „Poets – Essayists – Novelists“ / etwa: Poeten, Essayisten, Prosaautoren) kümmert sich weltweit mit Nachdruck um das freie Wort; vor allem, indem er verfolgten Autoren zu helfen sucht – oft unter schwierigsten politischen Bedingungen. Beispielhaft ist die deutsche Umsetzung des Programms „Writers in Exile“. Finanziell unterstützt von der Bundesregierung, finden bis zu acht Autoren mittel- und langfristig Zuflucht in Deutschland – vor Drangsalierung und oft tödlichen Bedrohungen durch Diktaturen oder radikale Gruppierungen.

Im Vorfeld des Treffens zeigte sich Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau heute von der Gastgeberrolle angetan: „Wir betrachten das als Auszeichnung!“ Ein solches Schriftstellertreffen könne wichtige Impulse setzen und Debatten anstoßen.

Überraschung: OB setzt sich für ein Stadtschreiber-Amt ein

Sierau hat sich nicht nur recht eigenwillige Gedanken über die Bedeutung der Abkürzung „PEN“ gemacht (ihm zufolge: „pluralistisch – empathisch – nachhaltig“), sondern überraschte vor allem mit einer Ankündigung: Er lese immer wieder von „Stadtschreibern“ in anderen Kommunen. Sierau redete sich (mit Bedacht) geradezu in Spendierlaune: Nach einer solchen Tagung könne doch auch Dortmund ein Stadtschreiber-Amt einrichten, sprich: eine Autorin oder einen Autor für ein Jahr hierher bitten und mit einem Stipendium ausstatten. Er meine das ernst, wenngleich die Angelegenheit „unter Gremien-Vorbehalt“ (Kulturausschuss) stehe, betonte Sierau.

Der scheidende PEN-Präsident Josef Haslinger (bekannter Roman: „Opernball“) vernahm es mit Freuden. „Das haben Sie nicht einfach so dahingesagt“, nahm er Sierau charmant, aber bestimmt beim Wort. Der bekräftigte das Vorhaben noch einmal. Hört, hört!

Verbandspräsident Josef Haslinger nimmt Abschied

Haslinger wird Sieraus Ankündigung also gewiss noch dem Kollegenkreis schmackhaft machen, doch ansonsten gibt er sein seit rund vier Jahren ausgeübtes Präsidentenamt beim PEN auf. Zuletzt hat er mit dafür gesorgt, dass etliche jüngere Autoren sich dem deutschen PEN-Zentrum angeschlossen haben. Schließlich will man kein Seniorenverein werden.

Hauptsächlicher Grund für Haslingers Amtsverzicht: Der Österreicher möchte sich wieder mehr aufs Bücherschreiben konzentrieren, als Autor habe er sich zuletzt sozusagen wie „im Winterschlaf“ gefühlt. In Dortmund wird also ein(e) Nachfolger(in) an die Spitze gewählt, auch andere Ämter werden neu besetzt, was der Zusammenkunft zusätzliche Bedeutung verleiht.

Sorgen um Meinungsfreiheit in der Türkei

Akut sind derzeit die Sorgen, die man sich im PEN um die Meinungsfreiheit in der Türkei macht. Vielleicht ist von der Tagung eine entsprechende Resolution zu erwarten. Außerdem bildet sich derzeit ein einschlägiges Netzwerk, zu dem auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ gehören. Gerade in Dortmund und im Ruhrgebiet, so Haslinger, hätten sehr viele türkische Bürger für Erdogans autokratisches Referendum gestimmt. „Wir müssen uns fragen: Was ist da falsch gelaufen?“

Überhaupt sieht Haslinger Meinungsfreiheit und Demokratie in einigen Ländern als gefährdet an. Auch in weiten Teilen Europas gebe es Kräfte, „die uns die Empathie austreiben“ und Opponenten „zum Schweigen bringen“ wollten, befand Haslinger. Sogar einzelne PEN-Verbände, wie etwa in Ungarn, seien von solcher unguten Denkweise angekränkelt.

Gemeinsamer Gang durch die Nordstadt

Zurück zum Tagungsort Dortmund. Es war der Autor Heinrich Peuckmann (Dortmund/Kamen), Präsidiumsmitglied des deutschen PEN (und übrigens gelegentlich auch Gastautor der „Revierpassagen“), der es unermüdlich einfädelte, dass die Tagung in „seine“ Region kam. Womöglich wäre gerade hier eine Debatte über soziale Verantwortung der Literatur angebracht, für die sich Peuckmann stets einsetzt.

Peuckmann hat sich auch dafür stark gemacht, dass viele Autoren einen gemeinsamen Gang durch die zuweilen verrufene Dortmunder Nordstadt unternehmen werden (vom zentralen Tagungsort, dem Dortmunder „U“, zum Kulturzentrum „Depot“). Gut möglich, dass in diesem Umfeld manche Themen-Anregungen zu finden sind.

Was ebenfalls nicht im offiziellen Programm steht: Direkt nach Ende der Tagung will Peuckmann am nächsten Sonntag eine möglichst zahlreiche Kollegenschar noch zum Besuch des Deutschen Fußballmuseums animieren. Thema der dort gerade laufenden Sonderausstellung ist übrigens – wie passend – die Bibliothek des legendären Bundestrainers Sepp Herberger. Schon am Samstag führt eine Bustour die Schriftsteller zum Phoenixsee, zum imposanten Industriemuseum Zeche Zollern und zum Fritz-Hüser-Institut. So viel Sightseeing muss sein.

Die Autoren freuen sich zudem auf einen „Clubabend“ in geschlossener Gesellschaft, wollen jedoch natürlich nicht durchweg unter sich bleiben. Mit Lesungen und Diskussionen geht die Tagung auch an die Öffentlichkeit. Nähere Infos dazu gibt es hier.

Dortmund als literarischer Ort?

Und wie war das jetzt mit Dortmund als literarischem Ort? Tja. Einzelne Schriftsteller von gewissem Gewicht (z. B. Max von der Grün, Josef Reding, Wolfgang Körner, Ralf Thenior, zeitweise Jörg Albrecht) haben hier gelebt und gewirkt oder tun dies noch.

Dass weitere Krise gezogen wurden, ist indes schon länger her: Bundesweite Bedeutung auf literarischem Felde erlangte die Revierstadt im Gefolge des 31. März 1961. Damals wurde hier die „Gruppe 61“ um den Lokalmatador Max von der Grün gegründet, der sich u. a. auch Günter Wallraff anschloss. Man setzte sich vor allem mit der am Ort und in der Region übermächtigen industriellen Arbeitswelt auseinander. Später ging der nicht minder einflussreiche „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ daraus hervor. Es war halt keine Gegend für Liebesromane oder für hypersensible Ich-Beschau.

Das zwischen Politik und Poesie allzeit tragfähige Motto der Tagung stammt vom in Dortmund geborenen Dichter Peter Rühmkorf (1929-2008), der allerdings lieber in Hamburg leben wollte. Die Zeile lautet: „Bleib erschütterbar und widersteh.“

Apropos Rühmkorf. Immerhin hat er hier seinen ersten Schrei getan. Wie wär’s denn, wenn Dortmund nicht nur ein Stadtschreiber-Amt auslobte, sondern auch noch eine möglichst zentral gelegene Rühmkorf-Straße bekäme?

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P. S.: Zu den 800 PEN-Mitgliedern zählen u. a. auch bekannte Größen wie der 90jährige Martin Walser sowie – in alphabetischer Folge – F. C. Delius, Tankred Dorst, Peter Härtling, Rolf Hochhuth, Gerhard Köpf, Franz Xaver Kroetz, Martin Mosebach, Botho Strauß, Uwe Timm und Feridun Zaimoglu, um nur einige wenige zu nennen.

Die bisher Erwähnten kommen nicht nach Dortmund, wohl aber z. B. Arnfrid Astel, Jenny Erpenbeck, Tanja Kinkel, Judith Kuckart oder Ilja Trojanow – sie alle ebenfalls stellvertretend genannt. Eins dürfte feststehen: Dermaßen viel literarische Potenz ist bislang wohl noch nie zu einem Zeitpunkt in Dortmund versammelt gewesen.




Neben dem Pflaster der Bücherstrand: Das „Literaturhaus Oberhausen“ ist eröffnet – und was kann daraus werden?

Das erste Programm

Name und Konzept verheißen Gutes und die Stadt hat diese Initiative literaturverliebter Ehrenamtler bitter nötig. Ziele bleiben die Gründung einer Genossenschaft, gelebte literarische Geselligkeit und irgendwann vielleicht das große Haus.

21. April 2017, Freitagabend, 19 Uhr: Zwei Lesungen zu Bob Dylan und „Tussi-Literatur“ hat es im März/April bereits gegeben, nun endlich sollte das neue Literaturhaus Oberhausen offiziell eröffnet werden. Per Rundmail hatte der „Verein der Freundinnen und Freunde“ eingeladen und man erwartete in Alt-Oberhausen Liebhaber des guten Buches und die versprengten Anhänger der übersichtlichen literarischen Szene.

Städtische Herzrhythmusstörung

Allerdings hat das neue Literaturhaus nicht gerade die feinste Adresse: Marktstraße, Nummer 146. Seitdem das Einkaufszentrum CentrO in der „Neuen Mitte“ die Innenstadt verödete, liefert der Alltag auf der Marktstraße nur noch Schatten früherer Tage. In der Süddeutschen Zeitung hieß es dazu im August 2016:
„Wenn sich in den vergangenen Jahren überhaupt jemand für Oberhausen interessierte, dann gab es immer die Bilder aus der Marktstraße (…). Meistens wehte eine zerknüllte Zeitung über das Pflaster, kein Mensch war zu sehen, leere Geschäfte blickten traurig und vorwurfsvoll in die Kamera.“

Trotzig hält das Stadtmarketing mit branchenüblichem Dummdeutsch dagegen:
„Die Marktstraße – mit 1.4 km die längste Einkaufsstraße in Oberhausen. 90.000 Einwohner und 8 Mio. Besucher jährlich decken hier mehr als nur den täglichen Bedarf. (…) Von montags bis samstags bietet der Frischemarkt auf dem Altmarkt (…) ein buntes Treiben. Hier schlägt das Herz von Oberhausen.“

Ach ja? Ich mache die Gegenprobe und gehe die Straße am Literaturhaus ab.
Nach fünfzig Metern gleich sechs Läden, die neue Mieter suchen, dazu Döner-Imbiss, Christlicher Verein Junger Menschen. Immerhin, vor einem Afrika-Shop wehen bunte Kaftane etwas Lebenslust in die Tristesse aus schäbigen Fassaden und den kaugummiverklebten, einst sündhaft teuren chinesischen Pflastersteinen. Viel jedenfalls hat sich die Stadt hier nicht einfallen lassen, um den Verfall ihrer alten Mitte aufzuhalten.

Trotz alledem: Die Wüste lebt

Sicher, bei gutem Wetter kann es tagsüber anders aussehen, man fühlt sich auf der Marktstraße weiter unten wie auf einem Basar. Engagierte Kulturgastronomen im nahen Café Gdanska und andere machen das Leben sogar abends da und dort lebenswert.

Das Literaturhaus Oberhausen schafft jetzt eine weitere Kultur-Oase für all jene, die es nach Poesie hungert, nach geistigem Leben dürstet. Der Ort dafür ist im Prinzip so schlecht nicht gewählt. Die Literaturenthusiasten haben von Emile Moawad, dem Betreiber der Weinlounge Le Baron, das benachbarte Ladenlokal angemietet. Der schon lange in Deutschland lebende Ägypter hatte es bislang nur als Weinlager genutzt. „Eine Win-Win-Situation“, wird mir Rainer Piecha später im Stile eines routinierten Pressesprechers mitteilen.

Ehemaliges Weinlager

Mit ein bisschen Glück wird das Literaturhaus Oberhausen nicht nur von der Gastronomie Moawads und seiner Klientel profitieren, sondern Moawad im Gegenzug auch von den Gästen des Literaturhauses, die zunächst mittwochs und freitags, später hoffentlich immer öfter zu Lesungen und Gesprächen erscheinen sollen.

Das Ladenlokal wurde sanft renoviert, das Regalsystem konnten die Literaturhäusler gut gebrauchen, um Teile einer Bibliothek, die ihnen einst gespendet wurde, auf den etwa 100 Quadratmetern unterzubringen. Jetzt wirkt das alles hell und freundlich, eine Mischung aus großzügigem Bibliothekszimmer und kleiner Buchhandlung plus ein wenig Café-Bestuhlung. 65 Gäste lauschten hier schon dem Bonner Gisbert Haefs, als der Ende März den Literaturnobelpreisträger Bob Dylan vorstellte, dessen Songtexte aus fünfzig Jahren Haefs unter dem Titel „Lyrics“ ins Deutsche übersetzt hatte.

Das schönste Meer ist das noch nicht befahrene, schreibt Nazim Hikmet

Freistätte oder Netzwerk?

Sympathisch, wie da am Eröffnungsabend die drei Vorstandsherren Obendiek, Piecha und Kowsky-Kawelke aus ihren Lieblingsbüchern vorlasen, aus T.C. Boyles „Wassermusik“, Nazim Hikmets Gedichten und Ralf Rothmanns „Milch und Kohle“.

Sicher, weibliche Ästhetik fehlte an diesem Abend, aber den meist etwas bejahrten Literaturkennerinnen und -kennern gefiel’s, die Lokalpolitik ließ sich eh nicht blicken, nicht einmal vor der Landtagswahl.

Apropos Wassermusik, der Kalauer sei erlaubt: Während des Zuhörens fiel mein vagabundierender Blick am Vorleser vorbei durchs große Schaufenster und damit auf etwas, das aussah wie der potthässliche Eingang zu einem unterirdischen Atombunker. Ein überdimensioniertes öffentliches WC, wie sich später herausstellte, das äußerst selten benutzt wird. Wohl auch, weil viele, die dort unterwegs sind, nur im äußersten Notfall fürs Pinkeln zahlen würden.

Kein Flair wie in Berlin oder Hamburg

Wer Literaturhäuser in Berlin, Hamburg oder München besucht, trifft da auf anderes Fluidum. An einem lauen Sommerabend im Garten des Literaturhauses Berlin sitzend, bei einem Glas Wein mit Freunden plaudernd, stört kein Blick auf profane Bedürfnisanstalten. In den urbanen Literaturhäusern bundesweit erwarten die Besucher täglich geöffnete Cafés und Buchläden, oft gestalten sie monatlich bis zu 20 literarische Veranstaltungen und holen sich internationale Autoren ins Haus. (In Berlin ist es dazu nur ein Katzensprung bis zum Kurfürstendamm – okay, okay, auch der ist manchmal nur noch eine Marktstraße auf höchstem Niveau.)

Das wirft nebenbei auch die Frage auf, was die Literatur-Aficionados aus Oberhausen dazu verleitet hat, für ihre derzeitige literarische Freistätte unbedingt das Etikett ‚Literaturhaus‘ zu verwenden. Was immer die – sagen wir mal – „Literaturlounge“ neben dem Le Baron noch zu werden verspricht, ein Literatur-Haus von Format ist es vorerst nicht. Und sollte es besser auch gar nicht werden?

Textrevolte anzetteln

Die Stärke des Literaturhauses Oberhausen ist seine Vernetzung mit Partnern in der Stadt, mit Stadtbibliothek oder Geschichtswerkstatt, vor allem, wenn größere Veranstaltungsräume benötigt werden. Im soziokulturellen Zentrum Altenberg ist das Haus demnächst mit der Reihe „Literatur unterwegs“ zu Gast: Am 25. Mai liest dort Frank Witzel aus „Die Erfindung der Rote Armee Fraktion durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969“.

Warum also nicht auch in Oberhausen aus der Not eine Tugend machen und Textrevolten anzetteln, die ins städtische Leben eingreifen? Oberhausen hat zwar mit dem neuen Literaturhaus noch kein Literaturhaus, aber bereits jetzt existiert übers beharrlich optimistische Engagement der Ehrenamtlichen eine veritable Erste-Hilfe-Textstation, eine Literaturambulanz vom Feinsten, ein mobiles Einsatzkommando für literarische Interventionen aller Art.

Und eigentlich ist es doch das, was Oberhausen wirklich nötig hätte: Störfeuer gegen abgehalfterte Kulturpolitik im Revier, einen Piratensender gegen allgegenwärtigen Kommerz, einen geistreichen Flaschenpost-Versand übers Meer austauschbarer Event-„Kultur“. Oder?




Operetten-Passagen (5): Ausflug ins alte Ägypten – Nico Dostals „Prinzessin Nofretete“ kommt in Leipzig ans Tageslicht

Altägyptische Romantik: Lilli Wünscher als Prinzessin Nofretete. Foto: Ida Zenna

Altägyptische Romantik: Lilli Wünscher als Prinzessin Nofretete. (Foto: Ida Zenna)

Die altertümliche Bahnhofsuhr mahnt zur Eile. Junge Damen und Herren in adrettem Dress händigen Tickets und Reiseunterlagen aus – und los geht’s zu einer fantastischen Reise nach Ägypten. „Am schönen blauen Nil, da gibt es Mädchen viel“ heißt es in der Operette von Nico Dostal, die nun (80 Jahre nach ihrer Kölner Uraufführung) an der Leipziger Musikalischen Komödie wieder ausgegraben wurde. Und das schönste Mädchen ist weltberühmt: Die Büste der Nofretete, heute in Berlin, strahlt bis heute einen magischen Reiz aus. Die Geschichte der rätselhaften Pharaonentochter gab der Operette ihren Namen: „Prinzessin Nofretete“.

Wie kam es dazu? Bloße Lust am Exotischen? Ein Essay von Christian Geltinger im Programmheft klärt auf: Das Thema war 1936 ziemlich aktuell; drei Jahre vorher hatte Hitler durch ein Machtwort den Streit um den Verbleib der archäologischen Kostbarkeit entschieden: Niemals werde er „den Kopf der Königin aufgeben“. Nofretete, erst 1924 erstmals öffentlich zu sehen, war also ein Politikum.

Unklar bleibt nach wie vor, warum Dostals Operette gleich wieder verschwand, nie wieder aufgeführt wurde und lange Zeit als verschollen galt. Denn die Nazis hatten gewaltigen Bedarf an unterhaltsamen Stücken. Die jüdischen Librettisten, Komponisten und Interpreten waren vertrieben, ihre beliebten Werke durften nicht gespielt werden. Ersatz musste her, sollte doch die saubere, anständige deutsche Operette die „entarteten“ Produkte schnell vergessen machen.

Ägyptische Prinzessin fällt in Ungnade

Dostal tat sich offenbar nicht schwer, die neuen Machthaber zu bedienen: Seine „Ungarische Hochzeit“ sollte Emmerich Kálmáns „Gräfin Mariza“ ersetzen, seine „Monika“ anstelle des beliebten „Schwarzwaldmädels“ von Leon Jessel gespielt werden. In Dortmund hatte 1937 „Zauberin Lola“ von Eduard Künneke Premiere, dort wurde sogar die erste „Kraft durch Freude“-Operette des Reiches uraufgeführt – aus der Feder eines gewissen Hugo Lämmerhirt.

Nofretete jedenfalls fiel – aus welchen Gründen auch immer – in Ungnade. An Rudolf Köllers und Nico Dostals Text kann es wohl kaum gelegen haben, denn der Ironiepegel bleibt unter der Wasserkante des Goebbels-Geschmacks. Allenfalls die starken Frauen des Stücks, die sich gegen so autoritäre wie trottelige Vaterfiguren verbünden, passen nicht zur blondierten Unterwürfigkeit der idealen deutschen Frau von damals. Und der Pharao Rhampsinit – den gibt’s in antiken Quellen wirklich, nämlich bei Herodot – ist auch kein schnarrender „Föhrrer“, sondern eher ein politischer Schwächling.

Der Pharao und seine Tochter. Foto: Kirsten Nijhof

Der Pharao und seine Tochter. (Foto: Kirsten Nijhof)

Wie auch immer: In Leipzig haben Franziska Severin als Bearbeiterin und Regisseurin auf der Bühne von Frank Schmutzler eine opulente musikalische Komödie in schwelgerischen Kostümen von Sven Bindseil gestaltet. Sie beginnt mit einem Seitenhieb gegen den Herdentrieb des Massentourismus und findet ihren Höhepunkt in Bildern, die einer Hollywood-Aida entlehnt sein könnten.

Die gewollt absurde Handlung verblendet eine Liebesgeschichte aus dem Ausgräberlager mit einer parallelen Schmonzette aus Altägypten: Während in der „Jetztzeit“ der spleenige Archäologe Lord Callagan und die energische Matrone Quendolin Tottenham mittels Heirat von Tochter Claudia und Neffe Totty „zwei Aktienpakete zusammenlegen“ wollen, soll im Pharaonenreich Nofretete einen arroganten Prinzen Namens Thototpe ehelichen, liebt aber einen unbekannten Sänger, der sich später als kleiner Offizier in einer unbedeutenden Grenzfestung entpuppt.

Der Pharao hat aber noch ein Problem: Ein Dieb sucht nächtens seine Schatzkammer heim, der sich einfach nicht stellen lässt. So wird Nofretete ausersehen, eine Nacht alleine in dem Gewölbe eingesperrt zu werden – als Lockvogel für den Eindringling …

Cakewalk, Marsch und Dramolett

Bis sich die richtigen Liebespaare ganz nach Operettenart sortiert haben, gibt es zwei Akte und ein Zwischenspiel lang jede Menge Verwicklungen und Anlässe für gediegen gearbeitete Musik – vom kessen Cakewalk über sehnsuchtsvoll lyrische Melodie-Ergüsse, vom flotten Marsch bis zum unheimlichen Dramolett, vom spritzigen Duett  über den fidelen Schlager bis zu den melismatischen Schlangenlinien orientalisch durchtränkter Ballettmusik.

Dostal, zweifellos ein Könner seines Fachs, hat der „Prinzessin Nofretete“ zwar keine Melodie mitgegeben, die man auf der Stelle nachpfeifen könnte. Aber aufs zweite Hören funkeln die Einfälle wie Edelsteine im Zwielicht. Die Pharaonenhymne klingt verdächtig nach Reichsparteitag, aber das verpönte Saxophon hat auch seinen Auftritt.

Die Regie nutzt die Vorlage, ohne ihr einen Subtext unterzujubeln oder einen Überbau aufzusetzen: Severin verlässt sich auf die unterhaltsame Story, auf ihre animierten Darsteller und auf gekonnte, nur selten ins Klamaukige abrutschende Übertreibungen. Die drei Stunden im alten Ägypten verfliegen, als habe eine Zauberhand die Uhr vorgedreht.

Man amüsiert sich über absurde Reime („Nofretete, wo hast du deine Kette“) und über grenzwertige Sprüche („Jede Frau ist ohne Mann nur ein Fragment…“), lässt wohliges Schaudern zu, wenn sich das Tonnengewölbe des Zuschauerraums in die Decke der Schatzgruft verwandelt, riesige Käfer, Asseln und Spinnen drüberkrabbeln und sich der Meisterdieb vom Balkon auf die Bühne abseilt.

Charme in Stimme und Spiel

Buhuu ... gleich wird's gruslig: Wer ist der böse Dieb in der Schatzkammer? Foto: Kirsten Nijhof

Buhuu … gleich wird’s gruslig: Wer ist der böse Dieb in der Schatzkammer? (Foto: Kirsten Nijhof)

Die beiden Frauen, die das „Schicksal“ selbst in die Hand nehmen, sind die Archäologentochter Claudia und die Reiseführerin Pollie Miller. Die eine kennt, wie sie in einem wehmütigen Lied bekennt, die Liebe „nur aus Romanen“, setzt sich aber mit weiblichem Witz gegen ihren Vater durch – sei er nun Lord oder Pharao. Lilli Wünscher zeigt dabei viel Charme in Stimme und Spiel. Die andere steht auf den „Goldjungen“ Totty und erfüllt am Ende – zur Reporterin mutiert – die Aufgabe der seriösen Presse, die Wahrheit ans Licht zu bringen: Die Aktien-Vermähler müssen klein beigeben.

Nora Lentner zeigt Spielwitz als halb verzweifelnde Touristen-Bändigerin und energische stimmliche Qualitäten in den buffonesken Duetten mit ihrer früheren College-Liebe Totty. Dem muss mit einem schmissigen Chor („Ran, junger Mann“) erst mal etwas nachgeholfen werden; dann aber zeigt Andreas Rainer, wie der leicht linkische Millionenerbe dem familiären Gespinst seiner Tante allmählich entkommt und zu seinen wirklichen Gefühlen durchbricht.

Romantisch-resignativer veranlagt ist der archäologische Assistent des großmächtigen Professors, der sich im ägyptischen Zwischenspiel in den mittellosen Soldaten Amar verwandelt: Radoslaw Rydlewski, mit arg grellem Tenor, erreicht schließlich dank weiblicher Schlauheit auch sein Glück. Da hilft weder die subversive Energie seiner Tante (untergründig komisch: Angela Mehling) noch die geschichtsklitternden Winkelzüge seines Chefs und künftigen Schwiegervaters (Patrick Rohbeck genau auf der Bruchkante zwischen witzig und gefährlich).

Stefan Klingele versucht, mit dem Orchester der Musikalischen Komödie in der üppig instrumentierten Musik statt überbordender Lautstärke gezähmte Eleganz zu erreichen. Das gelingt anfangs nicht, im Lauf der Vorstellung aber immer überzeugender. Dostals ironische Orientalismen und seine farbenreiche Instrumentierung kommen, wie seine rhythmischen Ideen, immer vergnüglicher zur Geltung. Um bei Dostal zu bleiben: Für drei Stunden schenkt uns die Operetten-Fantasie ein Glück, das uns im Wachen nie gegeben werden könnte.

Vorstellungen am 29. und 30.  April, 6., 16. und 30. Juni, 1. Juli, 9. und 10. September, 25. und 26. November, 30. und 31. Dezember 2017. Karten: (0341) 12 61 261, www.oper-leipzig.de




Das Dortmunder Bombenattentat und der Zettel einer Siebenjährigen

Zu diesem unsäglichen Bombenanschlag auf den BVB-Mannschaftsbus ist so ziemlich alles gesagt. Gottlob ist der Täter ganz offensichtlich gefasst. Und ja: Aus schierer Verachtung weigere ich mich, auch nur seinen Vornamen hinzuschreiben. Über die abgründig niederen Motive (kann es jedoch überhaupt „höhere“ Beweggründe für so etwas geben?) mag man nur noch ratlos den Kopf schütteln.

Als Konsequenz müssten sie endlich einmal daran gehen, die abenteuerliche Regellosigkeit in der Börsenwelt gründlich zu durchforsten und einzuhegen. Wobei zu sagen wäre, dass die zugehörige Zockermentalität immer schon Verwerfliches hervorgebracht hat – auch im Weltmaßstab. Wer mag da an grundlegende Veränderungen glauben? Wenigstens haben ja ein paar Warnmechanismen funktioniert und auf die (unfassbar breite) Spur des mutmaßlichen Täters geführt.

Ich weiß nicht, ob es Sache eines Kulturblogs ist, sich näher über solche Themen auszulassen. Immerhin steht im Titel „Kultur und weiteres…“ Froh bin ich jedenfalls, die anfänglichen, reichlich wüsten Spekulationen zum etwaigen Täterkreis nicht mitgemacht zu haben. Viele haben geradezu gehofft und auch schon keine Zweifel mehr daran gehegt, es möchten doch fanatisierte Muslime gewesen sein; andere (ähnlich beschränkte) Fraktionen haben inständig darauf gesetzt, dass es sich entweder um Rechts- oder Linksradikale handeln möge. Ähneln derlei zügellose Spekulationen nicht sogar strukturell jenen, die inzwischen an der Börse üblich sind? Materiellen oder ideellen Gewinn aus Schaden zu ziehen – das wäre das gemeinsame Prinzip. Ekelhaft.

Dass es wohl ein geldgieriger Einzeltäter gewesen ist, scheint zunächst einmal die beruhigendste Variante zu sein. Allerdings zeigt sich natürlich auch in diesem Einzelfall das große Ganze, das Gesellschaftliche. Es erledigt sich nicht einfach mit Festnahme und Verurteilung.

Wenn man Kinder hat, kommen solche üblen Vorfälle noch einmal ganz anders im so genannten Privatleben an. Man muss versuchen, das Unerklärbare zu erklären, so gut es eben geht. Je nach Alter des Kindes, soll man weder über- noch untertreiben, man darf nicht lügen, sondern höchstens dämpfen und mildern. Es wäre nutzlos, alles zu verschweigen. Sie hören ja doch davon. Der Rest steht in den tausend Ratgebern.

Nachdem wir darüber gesprochen haben, hat unsere siebenjährige Tochter sich die – trotz aller Erklärungsversuche – bleibende Verwirrung von der Seele schreiben wollen; ganz aus eigenem Antrieb, ohne jegliche Hilfe. Der beigefügte Zettel zeugt davon. Er ist schmucklos und unbebildert, ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit. Vielleicht ist es der Versuch, das Lastende von sich wegzuschieben, es ein wenig zu „objektivieren“, als könnte es Anlass zu einem Detektivspiel sein. Egal. Wir wollen nicht deuteln. Es steht für sich.

Doch jetzt soll sie bitte, bitte wieder unbeschwert spielen. Sie ist ja auch schon wieder albern. Die Wucht der Ereignisse kommt noch früh genug. Nein: eigentlich immer z u früh.




Amtsstuben und Pferdeställe: Matthias Hartmann inszeniert „Michael Kohlhaas“ nach Kleist in Düsseldorf

Amtsstuben und Pferdeställe – das großartige Bühnenbild von Johannes Schütz lässt sich in beides verwandeln: Es besteht aus unzähligen Tischen und Stühlen, aus denen man verschiedene Holzkonstruktionen zusammenstecken kann, nicht zuletzt den Knast, in dem Michael Kohlhaas am Ende sitzt.

Szenischer Überblick zu "Michael Kohlhaas" (Foto: Sebastian Hoppe)

Szenischer Überblick zu „Michael Kohlhaas“ (Foto: Sebastian Hoppe)

Matthias Hartmann, bis 2015 Intendant des Wiener Burgtheaters, davor u. a. Theaterchef am Bochumer Schauspielhaus, hat die Inszenierung der Novelle von Heinrich von Kleist für das Düsseldorfer Schauspielhaus im Ausweichquartier Central besorgt. Und er schafft es, dass der Text zu uns spricht. Das ist nicht selbstverständlich, denn schließlich hat Kleist genug Bühnenstücke geschrieben, warum sollte sich da ausgerechnet eine seiner Novellen besser für die Performance eignen?

Die Schauspieler haben daher die Aufgabe, zum Text das „sagt er“ mitzuspielen und dabei finden sie allesamt einen guten Rhythmus. Überhaupt ist „Michael Kohlhaas“ sehr spielerisch angelegt, ein wenig wie bei Kindern, die sich aus allen möglichen Möbeln Höhlen bauen und dazu ihre Geschichte entwickeln.

So klappert also munter die Schauspielerschar um das Bühnenbild herum und imitiert den Hufschlag von Pferden, indem sie Kokosnussschalen aufeinanderschlägt. Leider steht am Schlagbaum der sächsischen Tronkenburg ein missgünstiger Grenzer und will den Rosshändler Michael Kohlhaas mit seinen Pferden nicht durchlassen. Schäbig, wie der Junker Wenzel von Tronka dem Kohlhaas dann seine schönsten Rappen abluchst und auch noch herunterwirtschaften lässt. Als dieser sein Pfand für den Passierschein wieder abholen will, sind die Gäule abgemagert und schwach.

Im Vertrauen in den Rechtstaat möchte Kohlhaas dafür Gerechtigkeit. Doch die bekommt er nicht: Durch Vetternwirtschaft, Intrigen, Schwerfälligkeit des Amtsschimmels und Willkür der verschiedenen Obrigkeitsstaaten wird seine Sache erst verschleppt, dann wendet sie sich gegen ihn.

Aus dem braven Kohlhaas wird nach und nach ein Wutbürger und schließlich ein Terrorist, der Selbstjustiz übt: Nicht nur gegen den Junker, der ihn betrogen hat, sondern gegen das verrottete Staatswesen gleich mit. Wenn Unschuldige dabei draufgehen, ist ihm das egal. Diese Verwandlung gelingt Christian Erdmann überzeugend. Wie er erst in die missliche Lage schlittert, wie sich dann aber sein vernünftiges Anliegen in Besessenheit verwandelt und ihn schließlich mitsamt der Familie ins Unglück stürzt, bringt der Schauspieler grandios zum Ausdruck.

Was waren das für Zeiten, denkt man außerdem: Mit all diesen Grenzen und all dieser Ungerechtigkeit für die einfachen Leute. Und wie schnell kann so etwas wieder passieren, wenn man nicht aufpasst: Wie schnell gibt es plötzlich wieder Diktatoren, Willkürherrschaft oder Machthaber, die sich einfach über die Gesetze stellen…

Karten und Termine:
www.dhaus.de




„Habe davon keinen Käse gegessen“ – So isser, der Holländer

Damit ihr’s nur wisst: Ich versuche zur Zeit, een beetje Niederländisch zu lernen, und zwar mit einem Online-Kursus, für den ich keine unverblümte Werbung machen möchte; höchstens ein bisschen Schleichwerbung: Man (*räusper, räusper*) babbelt halt so vor sich hin (*hüstel*). Macht jedenfalls Spaß und zeitigt gerade erste minimale Erfolge. Den einen oder anderen einfachen Dreiwortsatz bringe ich gelegentlich schon zustande. Doch es ist ein weiter Weg…

Oranje boven... (Foto: BB)

Oranje boven… (Foto: BB)

Halten zu Gnaden, aber: Ich finde Niederländisch oft ziemlich lustig. Zumindest für unsere Ohren erscheinen selbst schlimmere Vorfälle etwas harmloser, wenn sie im kehligen Idiom der Nordsee-Anrainer vorgebracht werden.

Vollends beömmeln mag man sich – je nach Stand der geistigen Reife – über zahlreiche Vokabeln wie beispielsweise „dat klopt“ („Das stimmt“), „bellen“ (anrufen), „huren“ (mieten) oder – Verzeihung – „van kant maken“ (umbringen), was vielleicht am ehesten mit „Um die Ecke bringen“ zu übertragen wäre. Von den allfälligen Verkleinerungsformeln auf die Endung „-je“ ganz zu schweigen. „Een biertje“ hört sich nach einer niedlichen Kleinigkeit an. Und wie ist es mit „twaalf biertjes“? Übrigens: Auch der Osterhase hat als holländischer „paashaas“ seine binnengereimte sprachliche Finesse.

Was ich eigentlich erzählen wollte: Es gibt im Niederländischen offensichtlich ein paar Redewendungen, die sehr den Klischees entsprechen, die wir uns von unseren lieben Nachbarn geformt haben. Bekanntlich ist an Klischees ja immer etwas „dran“, sonst hielten sie sich nicht so hartnäckig. Die folgende Auswahl entnehme ich einem schon vor Jahren erworbenen Pons-Sprachführer mit dem Titel „Last Minute Niederländisch“, erste Auflage von 2006 (Copyright: Ernst Klett Sprachen GmbH). Was man halt so braucht, wenn man beispielsweise nach Alltäglichkeiten wie dem Weg oder der Uhrzeit fragen will.

Unter dem etwas hochtrabend benamsten Kapitel „Interkulturelle Tipps“ (Unterabteilung „Sprachlicher Bilderreichtum“) finden sich dort ein paar Wendungen der vergnüglichen Art. So heißt es offenbar, wenn jemand ein bisschen angeben will, er wolle „de bloemetjes buiten zetten“, also „Die Blumen/Blümchen nach draußen stellen“. Diese blumige Umschreibung klingt doch schon mal allerliebst. Aus demselben Bilderreservoir bedient sich die eng verwandte Redensart „iemand in de bloemetjes zetten“ (jemanden in die Blumen stellen/setzen). Will heißen: Man möchte ihm einen besonders feierlichen Empfang bereiten, ihn hochleben lassen. Man sieht den erfreulichen Vorgang deutlich vor sich.

Ein Volk, das dermaßen vom Farradfahren begeistert ist, bringt natürlich auch die entsprechenden Redensarten hervor. „Wat heb ik nu aan mijn fiets hangen?“ hieße wörtlich „Was habe ich jetzt an meinem Fahrrad hängen?“ und bedeutet ungefähr: „Was läuft denn hier so?“ Will man jemandem sagen, er verstehe sowieso nichts von einer Angelegenheit, so kann man das einigermaßen nett ausdrücken: „Ga jij maar fietsen…“ (Geh du mal radeln). Wie denn überhaupt, wenn ich die Anfangsgründe richtig verstanden habe, die Niederländer wohl nicht so rechtdoor (geradeaus) drauflos reden, sondern sich viel mehr in höflicher sprachlicher Zurückhaltung üben. Aangenaam!

Weiter geht’s: „aan de dijk zetten“ (an den Deich setzen/stellen) bemäntelt demnach einen betrüblichen Tatbestand und steht für entlassen oder wegschicken. Wenn man’s recht bedenkt, könnte man sich draußen am Deich geradezu lebensgefährlich ausgesetzt fühlen.

Zwanglos wenden wir uns nun dem Käse zu. „Zich de kaas niet van het brood laten eten“ (Sich den Käse nicht vom Brot essen lassen) hat als deutsche Entsprechung „Sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen“. Spezieller und typischer erscheint hingegen diese Ausdrucksweise: „geen kaas gegeten hebben van…“ (keinen Käse gegessen haben von…). Keine Ahnung, keinen Schimmer oder keinen Dunst von etwas haben…

Mehr Klischee geht nicht? Doch! Wir haben ja noch die Holzschuhe ausgelassen. „Blijf met de klompen van het ijs“ (Bleib mit den Holzschuhen vom Eis) besagt, dass jemand sich nicht einmischen soll. Man vergleiche unsere Mahnung „Du gehst auf ganz  dünnem Eis“…

Und damit hätten wir erst einmal die Kuh vom Eis.

Een fijne dag nog!




„Die Abbieger“ – Thomas Schweres hat den Ruhrgebiets-Krimi zur Stauschau geschrieben

„Und nun die Stauschau. Wir melden alles ab 7 Kilometern“. Keine Seltenheit, diese Ansage. Als Autofahrer ist man da schon dankbar, wenn man auf der A 2 im Stau steht. Muss man sich nicht die ganzen (trotz der Beschränkung auf 7 km immer noch epischen) Verkehrsnachrichten anhören. Kein Geheimnis, dass dies schon fast der Normalzustand auf den Straßen des Ruhrgebiets ist. Bringt wohl so ziemlich jeden Autofahrer an den Rand des Nervenzusammenbruchs.

Klaus-Werner Lippermann, der Anti-Held in Thomas Schweres‘ neuem Krimi „Die Abbieger“, kann es nicht mehr ertragen. Alles war so schön in seinem Leben. Mama Elfriede wusch zuverlässig seine weißen Socken und sorgte auch sonst im gemeinsam bewohnten Zechenhaus für Ordnung. Den Feierabend verbrachte er im Schrebergarten mit den preisgekrönten Kaninchen Molly und Whitey und solange man ihn dort in Ruhe ließ, ließ er auch die anderen in Ruhe.

Ein Kaninchenmörder geht um

Ihm doch egal, wieso Familie Yüksel soviel Strom für ihr Gewächshaus braucht, dass sie dort Tag und Nacht in die Pedale der aufgestellten Trimmräder treten. Umweltfreundlich ist diese Stromerzeugung ja und der Rest ging ihn auch nichts an. Nur diese dauernden Staus auf der A 40, die er nach Verlagerung seines Arbeitsplatzes in Kauf nehmen muss – unzumutbar ist das. Wieviel Lebenszeit diese unfähige Behörde Strassen.NRW ihm raubt!

Doch dann ändert sich alles. Ein Kaninchenmörder geht um, auch Molly und Whitey fallen ihm zum Opfer. Klausi sieht keinen Sinn mehr in seinem Leben und heiraten will er auch nicht, da kann Elfriede noch so verzweifelt kuppeln. Stattdessen schmiedet er Rachepläne, während er zur Untätigkeit verdammt am Steuer seines getreuen VW Jetta sitzt.

Verlorene Lebenszeit auf der A 40

Ganz genau hat er es sich ausgerechnet: 352 Stunden waren es noch zu Lebzeiten von Molly und Whitey selig, die er unfreiwillig auf der im Volksmund Ruhrschleichweg genannten A 40 verbracht hat. 14 Tage und 16 Stunden, die er nicht mit seinen geliebten Karnickeln hat verbringen können. Und Schuld daran war – ganz genau – Straßen.NRW. Diese Fehlplanungen. Baustellen, die eingerichtet, aber nicht bearbeitet werden. Diese unsinnigen Zuflussregelungsampeln, die nur Rückstaus verursachen und dann noch die Radarfallen und Geschwindigkeitsbegrenzungen, die nur der Befüllung der Stadtsäckel dienen. Und da die A 40 jede Menge Städte durchschneidet, gibt es entsprechend viele davon.

Klausi ist es leid, er braucht einen Befreiungsschlag. Genug ist genug. Zunächst einmal weiht er seinen besten, weil einzigen Freund Alfred Kruppel ein, einen bierseligen Schrotti, der genau an der A 40 wohnt. Kruppel ist Feuer und Flamme und beginnt sofort mit der logistischen Planung…

Wo der Manager Möhrchen knabbert

Die beiden entführen Dr. Weissfeld, den Chef von Strassen.NRW. Soll der jetzt mal sehen, wie das so ist mit den Murmeltiertagen im Stau. Sie halten ihn mit einer säurebefüllten grünen Wasserpistole in Schach, so dass dem armen, nur mit rudimentären Fahrkünsten begabten Manager nichts anderes übrig bleibt, als tagsüber Klausi und Kruppel durch die Staus zu chauffieren und nachts im alten Kaninchenstall an Möhren zu knabbern.

Die Forderung der Erpresser geht beim schon alarmierten Kommissar Schüppe ein: läppische 55.000 Öcken will man haben. Das Geld ist für Kruppel, Klausi ist da eher idealistisch unterwegs, auf sein Konto gehen die restlichen Forderungen, die es durchaus in sich haben: Man verlangt die Aufklärung der Kaninchenmorde und die Auflösung der Staus durch diverse von Klausi höchstselbst ausgearbeitete Maßnahmen. Alles muss in der Presse verkündet und als Verdienst des ausgedachten TuS-V (Tierfreunde und Staugegner – vereinigt) deklariert werden. Schnell gewinnt der TUS-V eine beachtliche Fangemeinde, das halbe Ruhrgebiet will in den Verein eintreten.

Schüppe und seinen Mannen ist klar, sie müssen handeln und diesen Fall aufklären, bevor das Ganze vollends außer Kontrolle gerät. Auch der Spürnase Tom Balzack, dem kriminalistisch begabten Reporter ist schnell klar, dass hinter den erstaunlichen Zeitungsmeldungen – die er durchaus erfreut begrüßt – mehr stecken muss. Undenkbar, dass Strassen.NRW plötzlich Einsicht zeigt. Balzack kann sich ja vieles vorstellen, aber das nun wirklich nicht.

Es droht die Autobahnmaut als Standgebühr

Unschwer vorstellen kann man sich hingegen, dass Thomas Schweres mit dem Thema seines schon vierten Krimis um den knorrigen Kommissar Schüppe und den umtriebigen Balzack einen Nerv trifft. Nicht nur Klausi hat wohl das Gefühl, dass die Politik den „Straßenbau als Ersatzdisziplinierungsmöglichkeit“ entdeckt hat und dass die drohende „Autobahnmaut im Ruhrgebiet wohl eher so eine Standgebühr“ sein wird. Man glaubt sofort, dass ein Verein wie der TuS-V schnell begeisterte Anhänger finden würde. Thomas Schweres hat wahrscheinlich in seinem Hauptberuf als oft genug nicht rasen könnender Reporter im Ruhrpott viel Zeit im Dauerstau verbracht.

Schweres benutzt für seine „Stellvertreter-Rache“ das Genre des Krimis, aber „Die Abbieger“ unterscheiden sich erheblich von ihren Vorgängern. Nicht nur, dass man Täter und Motive von Anfang an kennt und eher ihre Verstrickungen sowie die Aufklärungsversuche verfolgt, als mitzurätseln, auch der Stil ist ein anderer. Waren die Vorgänger noch eher Thriller als Krimi, so lesen sich „Die Abbieger“ in weiten Teilen als Satire. Wäre das Buch ein Tatort, dann wäre es mehr Tatort Münster als Tatort Dortmund. Spannung kommt so natürlich selten auf, aber die Lektüre ist kurzweilig und wirklich witzig.

Machte Schweres sonst gerne ein großes Fass auf und brach das kriminelle Weltgeschehen auf das Ruhrgebiet runter, bleibt er diesmal ganz in seinem Revier. Mehr als sonst leben „Die Abbieger“ vom Ruhrgebiet-Kolorit, schon das vorgeschaltete Personenregister ist voller gewollter Klischees. Der heimliche Star des Buches ist Mutter Elfriede, die als echte Ruhrpott-Zechenmutter daherkommt, eine Kreuzung aus Tana Schanzara und Else Stratmann.

Thomas Schweres: „Die Abbieger“. Grafit Verlag, Dortmund. 282 Seiten, 11,00 €.




Privatsammler setzen Akzente: Anbau für Duisburger Museum Küppersmühle – Editionen von Gerhard Richter in Essen

„Blau-Gelb-Rot“ von Gerhard Richter (1974), jetzt zu sehen im Essener Folkwang-Museum (Bild: Gerhard Richter, Courtesy Olbricht Collection, Museum Folkwang)

Man mag es beklagen, doch bestreiten läßt es sich kaum: Zunehmend setzen Privatsammler in der bundesrepublikanischen Museumsszene die Akzente, treten als Dauerleihgeber hervor oder bauen sich gleich ein eigenes Museum. Nolens volens kooperieren die staatlichen Häuser, bietet die Zusammenarbeit mit Privaten doch oft die einzige Möglichkeit, jüngere teure Kunst in größerer Menge zu zeigen.

Ganz risikofrei ist das nicht. Von willkürlichen Entscheidungen der privaten Leihgeber war hier und da schon zu hören, die ihre Kunst abholen ließen, wenn sie etwa mit Bau- oder Personalentscheidungen unzufrieden waren.

Auch das Kulturgutschutzgesetz („Lex Grütters“) hat viele Kunstbesitzer davon abgeschreckt, ihre Schätze weiterhin öffentlich zu zeigen, könnte sie doch im Weiteren der Bannstrahl des gesetzlichen Exportverbots treffen. Fürchten sie jedenfalls. Wie auch immer: Gleich an zwei Orten des Reviers, in Duisburg und in Essen, setzen Privatsammler nun deutliche Akzente.

Das Ensemble des MKM Museum Küppersmühle in Duisburg in der Zukunft: Rechts neben dem grauen Betonsilo wird dann der (hier bereits sichtbare) Neubau entstanden sein. (Bild: MKM/Herzog und de Meuron)

Privates Geld für Neubau

Fangen wir in Duisburg an. Von dort kommt es diesmal eher nachrichtlich. Das Museum Küppersmühle,  wohl das bedeutendste private Kunstmuseum im Revier, erhält einen Anbau, erweitert seine Ausstellungsfläche von knapp 3000 auf 5000 Quadratmeter. Die Kosten für den millionenschweren Anbau trägt das Sammlerehepaar Sylvia und Ulrich Ströher, das auch schon den grundlegenden Umbau der wuchtigen Industrieimmobilie im Duisburger Innenhafen, die der Strukturwandel 1972 ihrer ursprünglichen Aufgabe beraubt hatte, bezahlte und seitdem sämtliche Betriebskosten trägt. Aus der umfangreichen Sammlung Ströher stammen die Kunstwerke der Dauerausstellung.

Der Neubau in der Animation. Erhaben gesetzte Ziegelsteine formen in der fensterlosen Fassade das Wort KÜPPERSMÜHLE.  (Bild: MKM/Herzog und de Meuron)

Dezentere Neuplanung

Groß und luftig wirkt das Haus schon heute, auch im Parterre, wo es Wechselausstellungen gibt und derzeit Großformate von David Schnell zu sehen sind. Doch es sollte eben noch einiges an Fläche dazukommen. Erste Pläne für eine Erweiterung datieren aus dem Jahr 1999. Sie sahen vor, auf den bislang funktionslosen Betonsilos einen Ausstellungsraum aufzusetzen. Entfernt erinnerte die Architektur an einen „Hammerkopfturm“, einen Zechenförderturm mit ungewöhnlich symmetrischer Optik – die Zeche Minister Stein in Dortmund beispielsweise hat einen, der als Denkmal erhalten blieb. Eine Stahlkonstruktion wurde zusammengeschweißt, stand Jahre lang neben dem Gebäude, und das Publikum konnte ihr beim Verrosten zuschauen. Die Ausführung der Konstruktion, in anderen Worten, war höchst mangelhaft geraten, dann geriet die Baufirma Gebag in finanzielle Turbulenzen, und 2008 schließlich verabschiedeten sich Bauherrschaft und Architektenbüro von diesem Projekt.

Gleiche Architektursprache

Doch ihren Architekten blieben die Ströhers gewogen. Und deshalb machte sich das renommierte Baseler Büro Herzog und de Meuron, das übrigens jüngst in Berlin den Architektenwettbewerb für das Kulturforum neben der Neuen Nationalgalerie gewonnen hat, nach kurzer Schockstarre an eine Neuplanung. Die ist nun wesentlich dezenter geraten, sieht einen Anbau vor, der die Backsteinoptik der vorhandenen Substanz aufnimmt und sich in das ganze, naturgemäß ein wenig industriell-unordentliche Ensemble völlig integriert. Man wird späterhin Mühe haben, ohne nähere Sachkenntnis den Neubau als solchen zu identifizieren. Die Gebäudeteile „sprechen die gleiche Architektursprache“, wie Pierre de Meuron es bei der Präsentation ausdrückte.

Nochmals Animation: Auf den Betonsilos soll eine Aussichtsplattform entstehen.  (Bild: MKM/Herzog und de Meuron)

Am stärksten heben sich auch zukünftig die Getreidesilos aus grauem Beton hervor. Sie stehen zwischen Alt und Neu, sollen teilentkernt als Übergang fungieren und zudem zukünftig eine Aussichtsplattform erhalten, zu der ein Aufzug hinauffährt. Die Fundamente sind gesetzt, der Grundstein ist gelegt, und Ende 2018 soll der Neubau fertig sein. Das ist mutig geplant, doch Pierre de Meuron zeigt sich zuversichtlich: Gutes Team, gute Leute vor Ort, das sei zu schaffen. Na dann: Hals- und Beinbruch!

„Nebenan“ im Museum Folkwang

In Essen, im wunderbaren großen Raum des Folkwang-Museums, ist nun Kunst von Gerhard Richter zu sehen, genauer gesagt: „Die Editionen“ (Ausstellungstitel). Erwarten könnte man mithin Mappenwerke, Drucke, Serigraphien und Ähnliches. Das alles gibt es natürlich auch, beginnend in den frühen 60er Jahren, doch zeichnet Gerhard Richter eben aus, daß er die Dinge oft nicht so läßt, wie sie zunächst sind; auch die eigenen „Editionen“ nicht.

Gerhard Richters Kerze. Es gibt sie in Essen auch mit Übermalungen zu sehen. (Bild: Gerhard Richter, Courtesy Olbricht Collection, Museum Folkwang)

Da hat es ihm mitunter gefallen, jedes (vervielfältigte) Bild einer Serie individuell mit Farbe nachzuarbeiten, von leichten Akzentuierungen (selten) bis zu flächigen Übermalungen (häufiger). Das macht die Arbeiten eigentlich zu Unikaten und läßt einen einmal mehr nachsinnen über die rätselhafte Kunst dieses Mannes, der auf unterschiedlichsten Wegen immer wieder nach Abbildern, Schemen, Ahnungen sucht, die in der formalen Entfernung vom Gegenstand zu größerer Wahrheit streben.

Man kommt ins Grübeln

Die Kerze fehlt nicht und nicht der Totenschädel, nicht die unscharf verwischten Fotos von Schäferhunden und Düsenjägern, nicht die streng komponierten Farbfelder und Farbschichtungen und nicht die Arbeiten, die nur noch Fläche und Haptik sind. Doch dann begegnet man plötzlich dem schlichten, auf den ersten Blick unspektakulären, nicht nachbearbeiteten Foto, das Richter 2014 von seiner Enkelin Ella machte, und kommt erneut ins Grübeln über den Facettenreichtum in diesem Oeuvre.

„Fuji“, 1996 (Bild: Gerhard Richter, Courtesy Olbricht Collection, Museum Folkwang)

Manches, was Gerhard Richter edierte, war groß, vieles aber auch klein, was zur Folge hat, daß diese bestens bestückte Ausstellung über die Jahrzehnte hinweg sehr viel mehr Positionen formuliert, als es beispielsweise 2012 die Richter-Retrospektive mit ihren vielen Großformaten in der Berliner Nationalgalerie tat, bevor diese für einen mehrjährigen Umbau geschlossen wurde. Wer sich Richter also in seiner Vielschichtigkeit annähern möchte, sollte nach Essen fahren.

„Strip“, 2013 (Bild: Gerhard Richter, Courtesy Olbricht Collection, Museum Folkwang)

Die Arbeiten übrigens stammen sämtlich aus der Sammlung des Essener Mediziners, Chemikers und Wella-Erben Thomas Olbricht, der dem Folkwang-Museum seit längerem verbunden ist und hier schon mehrere Ausstellungen bestückte. Olbricht kann in aller Bescheidenheit von sich sagen, daß er alle Editionen von Gerhard Richter besitzt.

„Win-Win-Situation“

„173 mitunter mehrteilige Editionen, 33 Unikate, insgesamt über 350 Arbeiten“, teilt das Museum Folkwang mit. Der „Sponsor“ der Veranstaltung könnte aus dem Bekanntenkreis Dagobert Ducks stammen: „Merck Finck Privatbankiers AG“. Und natürlich könnten die ihr Sponsorengeld auch im Geldspeicher lassen und Olbricht seine Bilder im Depot. Doch vom Letztgenannten ist bekannt, daß er sie gerne zeigt. Wenn nun viele Besucher nach Essen kommen, ist das also sicher eine „Win-Win-Situation“.

Übrigens: Kleinere Richter-Ausstellungen gibt es derzeit auch in Köln und Bonn zu sehen.

◾„Gerhard Richter: Die Editionen“, Museum Folkwang, Essen

  • Bis 30. Juli 2017
  • Geöffnet Sa, So, Di, Mi u. feiert. 10 – 18 Uhr, Do und Fr 10 – 20 Uhr
  • Eintritt 8 €
  • Begleitheft mit Abbildungen 6,50 €
  • Die Duisburger Küppersmühle zeigt noch bis 18. Juni „David Schnell – Fenster“
  • Geöffnet Mi 14-18 Uhr, Do – So und Feiertage 11-18 Uhr
  • Eintrittspreise: Wechselausstellungen: 6 €, gesamtes Haus: 9 €



Achtung! Hier keine Spekulationen zum Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus – Nur noch dies: „You’ll Never Walk Alone“




Chopin mit Handbremse: Eine Wiederbegegnung mit dem Pianisten Alexej Gorlatch

Alexej Gorlatch am Konzertflügel (Foto: Gregor Willmes/ C. Bechstein)

Sein vielleicht spektakulärster Wettbewerbserfolg lag gerade ein Jahr hinter ihm, als Alexej Gorlatch seinen Einstand beim Klavier-Festival Ruhr gab. Der 1988 in Kiew geborene und seit 1991 in Deutschland lebende Pianist hatte beim ARD-Wettbewerb in München nicht nur den Ersten Preis, sondern auch den Publikumspreis und mehrere Sonderpreise gewonnen. Beim Klavier-Festival standen am 9. Juni 2012 im Harenberg City Center Dortmund Balladen von Johannes Brahms, Préludes von Claude Debussy und Etüden von Frédéric Chopin auf seinem Programm.

Anfang dieses Monats fiel Gorlatch die Ehre zu, eine Klavierabend-Serie im Konzerthaus Berlin zu eröffnen. Obgleich die Reihe nicht neu war, handelte es sich bei diesem Abend doch um eine Premiere. Denn die kleine, aber feine Veranstaltungsreihe der traditionsreichen Klavierbaufirma C. Bechstein musste überraschend umziehen, nachdem im Verkaufszentrum im Stilwerk an der Kantstraße plötzlich kein Platz mehr für sie war. Indes könnte sich das neue Domizil am Gendarmenmarkt als Glücksfall erweisen. Mitten in der Stadt gelegen und ohnehin ein starker Magnet für Musikfreunde, dürfen die Bechstein-Abende mit jungen Meisterpianisten nun im Kleinen Saal des Hauses Strahlkraft entfalten.

Gorlatch, seit dem Wintersemester 2016/17 Professor für Klavier an der Hochschule für Musik und Tanz in Frankfurt a.M., hatte für diese Gelegenheit ein reines Chopin-Programm gewählt. Er eröffnete den Abend mit der Polonaise-Fantaisie op. 61, deren freie Form ihm einige Probleme zu bereiten schien. Obgleich Gorlatch seinen lyrisch-schönen Klang aufscheinen ließ, verzettelte er sich im Geflecht der Mittelstimmen und schien Mühe zu haben, die Komposition auf einen Zielpunkt hin zu spielen.

Zwei Blöcke von jeweils 4 Mazurkas (op. 67 und op. 68) kamen dem Künstler an diesem Abend mehr entgegen. Hier konnte er einen warmen Erzählton entfalten, seine Spiellust in eine kleinere, überschaubarere Form fließen lassen. Warum der wechselnde Charakter dieser tänzerischen Kleinodien an diesem Abend eher kontrastarm blieb, warum Gorlatch häufig unfrei und steif wirkte, kann nicht schlussendlich erklärt werden. Fühlte der Künstler sich durch die aufzeichnenden Mikrofone gehemmt? Auf seinen ersten CDs hatte der Pianist sich als vorzüglicher Chopin-Interpret empfohlen.

Alexej Gorlatch ist Professor für Klavier in Frankfurt a.M. (Foto: Monika Lawrenz)

Es dauerte bis zum berühmten Trauermarsch der Sonate Nr. 2 b-Moll, bis die Musikalität des einstigen Kämmerling-Schülers allmählich frei wurde. Mit dunkel brodelnden Bässen ging Gorlatch die Sonate an, löste sich nun auch allmählich von der bis dahin viel zu einheitlichen Dynamik. Der atemlose, quasi knochenlose Finalsatz jagte trefflich verwischt und verschwommen am Ohr vorbei. Wunderbar gefühlvoll gelang im Anschluss die Berceuse Des-Dur op. 57. Im sanften Wiegen-Rhythmus ließ der Pianist seine viel gerühmte Nuancierungskunst aufscheinen. Vor allem die Spieluhr-Lieblichkeit im Diskant ließ aufhorchen.

Das Scherzo Nr. 2 b-Moll glich im Anschluss mehr einem Brillier- als einem Nachtstück. Gorlatchs pianistisches Vermögen steht dabei außer Zweifel: Gewiss kann man dieses Stück auch von berühmteren Pianisten mit viel mehr falschen Tönen hören. Vielleicht war aber genau dies das Problem. Der Künstler schien kein Risiko eingehen zu wollen, zumindest nicht an diesem Abend in Berlin.

Wer sich in NRW ein Bild vom Spiel des Pianisten machen möchte, hat dazu übrigens bald Gelegenheit. Von Mitte Juni an wird der Künstler wieder in NRW gastieren: zum Beispiel im Teo Otto Theater in Remscheid (15. Juni 2017), im Theater und Konzerthaus von Solingen (16. Juni), im Theater Marl (17. Juni) und im Beethoven-Haus Bonn (1. August).

(Weitere Informationen auf der Website des Künstlers: http://alexej-gorlatch.com/aktuell/)




Vergessen in Amerika – Haus Opherdicke widmet dem Maler Josef Scharl eine Werkschau

Albert Einstein (Bild: Sammlung Karsch/Nierendorf, Kreis Unna)

Ein Portrait Albert Einsteins schmückt den Titel des Katalogs und ist zudem das Plakatmotiv der Ausstellung. Das Portrait stammt von Josef Scharl, 1944 hat er den Wissenschaftler gemalt, die beiden kannten und schätzten einander. Scharl kam in München zur Welt und erfuhr dort als junger Künstler wesentliche Prägungen; als er jedoch seinen Einstein malte, lebte er schon seit sechs Jahren in den USA, geflohen vor den Nazis, die seine Arbeiten als „entartet“ klassifiziert und ihn mit einem Malverbot belegt hatten.

Josef Scharl, geboren 1896, hat Deutschland bis zu seinem Tod im Jahr 1954 nicht wiedergesehen. Haus Opherdicke, wohin der Kreis Unna regelmäßig zu Kunstausstellungen einlädt, bietet nun einen umfangreichen Einblick in das langjährige Schaffen des Künstlers.

Sonnenaufgang (Bild: Sammlung Karsch/Nierendorf, Kreis Unna)

Galerie Nierendorf

Scharl, wenngleich befreundet mit prominenten Kollegen, ist hierzulande heutzutage weitgehend unbekannt. In den Vereinigten Staaten hat er wohl nie so recht Fuß fassen können, trotz der Unterstützung, die ihm dort durch die berühmte Galerie Nierendorf zuteil wurde. Die Brüder Karl und Josef Nierendorf hatten sie in Berlin gegründet, 1936 eröffnete Karl in New York eine Dependance, die sich insbesondere auch der „entarteten“ deutschen Künstler annahm, die nach Amerika geflüchtet waren. Nach Kriegsende gingen große Teile des Bestandes der Galerie an das Guggenheim-Museum. Doch das ist eine andere Geschichte; jedenfalls existiert Nierendorf noch heute, in Berlin, und die Sammlung Karsch/Nierendorf ist der große Leihgeber dieser Ausstellung.

Bewunderer Picassos

Portraits, Akte und Landschaften hat Scharl bevorzugt gemalt, Ölbilder, Gouachen, Zeichnungen mit dem Tuschpinsel. Wie viele andere Künstler seiner Generation war er zudem ein versierter Holzschneider. Geprägt hat ihn gewiß der Expressionismus, doch war er auch, wie man weiß, schon in den 30er Jahren ein großer Verehrer Picassos. Die ikonographische Dichte vieler seiner Frauenbilder vermeint man auch in Scharls Arbeiten wiederzuentdecken, beispielhaft in den Marien- und Mütterdarstellungen. Landschaften erstrahlen in verschwenderischer Farbigkeit, besitzen ähnlich wie die Blumenstilleben eine Neigung zur Auflösung in Textur.

Dame im Pelzmantel (Bild: Sammlung Karsch/Nierendorf, Kreis Unna)

Auch die „toten Soldaten“ von 1948 und 1953 – mit ihrer konkreten Klage eher Ausreißer im thematisch sonst zurückhaltenden Gesamtoeuvre – zeigen in Komposition, Farbigkeit und selbstbezüglicher Flächenstrukturierung einen gewissen Hang zum Dekorativen, der im Spätwerk eher noch zunimmt. Landschaften vor allem, die Mitte der 40er Jahre entstanden, und hier in Sonderheit zu nennen die „Parklandschaft mit Fluß“ von 1942, zeichnet ein außergewöhnlich souveräner Umgang mit Raum und Fläche aus, der zu Ganzheitlichkeit des Bilderlebens strebt. Josef Scharl hatte, wie zu lesen ist, zunächst Dekorationsmaler gelernt, bevor er sich in Kursen weiterbildete. Da hat er das vielleicht schon früh gelernt, starke Wirkung zu erzeugen, Bilder von erstaunlicher Intensität beim „Erstkontakt“ mit dem Betrachter zu erschaffen.

Mit Informel nichts im Sinn

Wie einige andere Künstler, die vor ihm in Opherdicke gezeigt wurden, auch, läßt sich der spätere Scharl stilistisch wohl der Kunstrichtung der „Neuen Sachlichkeit“ zuschlagen, deren schillerndster Vertreter derzeit Karl Hofer zu sein scheint. Josef Scharl ist vergleichsweise unbekannt. Wäre er erfolgreicher (gewesen), wenn ihn die Nationalsozialisten nicht kaltgestellt und zur Flucht nach Amerika gezwungen hätten? Möglich ist es, sicher aber nicht.

Die Kunstwelt wandelte sich in Scharls amerikanischen Jahren. Während er, in seiner eigenen Tradition verharrend, auch 1948 noch schöne, farbige (gerne auch: etwas poppige) Bilder à la „Meeresbucht mit Wolken“ malte, zelebrierte Jackson Pollock in New York seit Jahren schon unerhörtes „action painting“, vernahm der amerikanische Abstrakte Expressionismus im europäischen Informel ein etwas moderateres, aber starkes Echo.

Großes Selbstbildnis (Bild: Sammlung Karsch/Nierendorf, Kreis Unna)

Zeitgenosse von Otto Dix

Diese Prozesse scheinen an Scharl, der ja immerhin in Amerika lebte, spurlos vorbeigegangen zu sein. Auch seine Themenwelten bleiben bis zuletzt sehr europäisch – europäisch-lieblich, genauer gesagt. Zu welchen entlarvenden, verstörenden, verdichtenden (empörenden?) Positionen sich figurative Malerei in seiner Zeit aber ebenfalls entwickeln konnte, zeigt dereit beispielhaft die Ausstellung von Scharls Zeitgenossen Otto Dix (1891 – 1969) im Düsseldorfer K20 (noch bis 14. Mai). Nur mal so zum Vergleich.

Jedenfalls sind in Opherdicke nun schöne, gefällige Bilder in reicher Zahl zu sehen. Als Leihgeber werden die Sammlungen Brabant, Bronner und Fiegel sowie das Hammer Gustav-Lübcke-Museum sowie einige private Leihgeber genannt. Die meisten Bilder aber stammen aus der Sammlung Karsch/Nierendorf. So auch der „Albert Einstein“ von 1944, rot glühende Denkerstirnfurchen, sorgsam „be-greifende“ Hände, sicher eins der besten Bilder dieser Schau. Ruhig und wissend blickt er seinen Betrachtern in die Augen.

  • „Josef Scharl – Maler und Grafiker des Expressionismus“,  Haus Opherdicke, Holzwickede, Dorfstraße 29
  • April bis 23. Juli 2017.
  • Geöffnet Di-So 10.30 – 17.30 Uhr.
  • Eintritt 4 €
  • Öffentliche Führungen So 11.30 Uhr und 14.30 Uhr.
  • Katalog 25 €
  • www.kreis-unna.de



Dreifacher Besuch mit roten Rosen

Es klingelt.
Ich mach auf. (Nein, das ist nicht selbstverständlich.)

Besuch mit roten Rosen

Besuch mit roten Rosen (Zeichnung: Thomas Scherl)

Vor der Tür drei Typen, zwei davon im schwarzen Anzug, der dritte, n Dicker, mit schwarzer Hose, dunkelblauer Windjacke und getönter Sonnenbrille, jeder mit nem Strauß roter Rosen.

Sie haben sich versetzt – nach hinten in den Gang gestaffelt – aufgestellt, als letztes der Dicke, in zwei Meter Abstand, links und rechts neben ihm noch 30 Zentimeter Platz, er hat die Arme vor der Brust verschränkt, aus seiner Faust ragen die Rosen.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich »WTF?« gedacht oder gesagt hab und spiele im Bruchteil einer Sekunde die Möglichkeiten durch: Polizei? Mafia? Die apokalyptischen Reiter (einer bindet unten grad noch seinen Gaul fest)? Jehovas? Ist der Tod doch nicht nur einer, sondern holt mich in Dreigestalt – einer für Körperseelegeist und zweie für die Kunst in mir? Finanzamt? GEZ? KSK? Rumänen-Inkasso? Fahrkartenkontrolle?
(Kurz denke ich noch »Deutscher Galeristenverband« und »Lottogewinn«, was ich aber beides sofort wieder verwerfe.)

Der eine, der ganz vorne steht, dicht an der Wand, so daß er halb vom Türrahmen verdeckt ist, beugt sich ein bißchen vor, grinst und ich denk: Na? Was kommt jetzt?

»Guten Tag, wir sind von der SPD…«
Und er will auch gleich zum wohl memorierten Vortrag ausholen.
Ich bin so perplex, daß ich sag »Nee, danke, ich wähl die Kommunisten.« Und Klapp, Tür zu.

Vielleicht sollt ich mich bei der Entenhausener SPD als Berater fürs Direktmarketing bewerben.




Cranach in Düsseldorf: Der Meister macht die Marke

Der Meister hat die Forschung ausgetrickst: Welcher Pinselstrich von ihm selbst ausgeführt wurde, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Denn Lucas Cranach der Ältere (1472-1553), der begnadete Maler, war vor allem ein gewiefter Kunstunternehmer.

Lucas Cranach der Ältere: "Judith mit dem Haupt des Holofernes", um 1530. Malerei auf Holz. (The Metropolitan Museum of Art, Rogers Fund, 1911 / Foto: bpk / The Metropolitan Museum of Art)

Lucas Cranach der Ältere: „Judith mit dem Haupt des Holofernes“, um 1530. Malerei auf Holz. (© The Metropolitan Museum of Art, Rogers Fund, 1911 / Foto: bpk / The Metropolitan Museum of Art)

Mit seiner Wittenberger Werkstatt produzierte er Tausende von Gemälden und zigtausend Grafiken der Marke Cranach. Sein professionelles Team – ein Dutzend Gesellen, später auch die eigenen Söhne Hans und Lukas der Jüngere – musste seinen Stil so perfekt beherrschen, als wär’s ein Stück vom Chef persönlich. Die Kundschaft hatte nichts dagegen. Das Signet der Cranach-Werkstatt, eine Schlange mit Fledermausflügeln, galt als Garantie für Qualität und Prestige.

„Meister – Marke – Moderne“: Das sind denn auch die Stichwörter im Titel der großen Schau der Saison im Düsseldorfer Kunstpalast. Beat Wismer, der scheidende Generaldirektor, war als Student 1974 an einer Cranach-Ausstellung in Basel beteiligt – und krönt jetzt seine Düsseldorfer Laufbahn mit dem Namen des in Kronach geborenen Renaissance-Stars, der in Wien erstes Aufsehen erregte, bevor er 1505 vom sächsischen Kurfürsten Friedrich III. zum Hofkünstler ernannt wurde. Der Kurfürst, bekannt als Friedrich der Weise, hatte ausgerechnet das 2000-Einwohner-Kaff Wittenberg zur Residenzstadt auserkoren und baute es zu einem Zentrum der Kunst und Wissenschaft aus.

Luthers Medienstratege

Cranachs Geschäfte an der Elbe liefen glänzend, zumal der Maler im Rat saß, später sogar Bürgermeister wurde, ganz nebenbei eine Apotheke betrieb und auch noch an einer Druckerei beteiligt war, die etliche Schriften seines Freundes Martin Luther verbreitete. Die Werkstatt Cranach sorgte für die würdevollen Porträts des Reformators mit schwarzem Mantel, mal mit, mal ohne Kappe. Nach Ansicht der Kuratoren Daniel Görres und Gunnar Heydenreich war der Maler so etwas wie der Medienstratege der Reformation. Auf jeden Fall stützten seine Bildnisse den Ruhm Luthers.

Lucas Cranach der Ältere: "Bildnis Martin Luthers als Junker Jörg", 1521, Malerei auf Buchenholz. (Museum der bildenden Künste, Leipzig / © bpk / Museum der bildenden Künste, Leipzig)

Lucas Cranach der Ältere: „Bildnis Martin Luthers als Junker Jörg“, 1521, Malerei auf Buchenholz. (Museum der bildenden Künste, Leipzig / © bpk / Museum der bildenden Künste, Leipzig)

Bis heute stellen wir uns den naturgelockten Ex-Mönch genauso vor, wie ihn Cranach in den frühen 1540er-Jahren abbildete: leicht übergewichtig (er war schließlich ein Genussmensch), aber mit festem Blick und energischem Zug um den Mund. Das viel früher, 1521, entstandene „Bildnis Martin Luthers als Junker Jörg“ zeugt von der Zeit, als der Reformator, verfolgt von Rom, verurteilt vom Reichstag, vogelfrei war und sich einen Bart wachsen ließ, um nicht erkannt zu werden. Cranachs Porträt, in einer grafischen Kopie weit verbreitet, war ein Zeichen für Luthers Überleben und seine Entschlossenheit.

Aber es geht ja im Kunstpalast nicht um Luther, es geht um Cranach, der 1528 als zweitreichster Bürger nach dem kursächsischen Kanzler in der Steuerabrechnung der Stadt Wittenberg aufgeführt wurde. Und das lag nicht nur an seinen Porträts bedeutender oder gut zahlender Herren im vorteilhaften Dreiviertelprofil. Das lag auch und vor allem an seinen berückenden Frauenbildern.

Cranach der Ältere war der erste Maler nördlich der Alpen, der mit „Venus und Cupido“ von 1509 (entliehen aus der Petersburger Eremitage) einen unübersehbaren, weil lebensgroßen Akt produzierte. Kugelrunde Brüste, hüftlange Locken und eine Haut wie Marzipan hat Cranachs Göttin.

Lucas Cranach der Ältere: "Venus und Cupido", 1509, Malerei auf Holz, auf Leinwand übertragen. (© Staatliche Eremitage, St. Petersburg, 2017 / Foto: Gunnar Heydenreich, cda)

Lucas Cranach der Ältere: „Venus und Cupido“, 1509, Malerei auf Holz, auf Leinwand übertragen. (© Staatliche Eremitage, St. Petersburg, 2017 / Foto: Gunnar Heydenreich, cda)

Der hauchzarte Schleier vor der Scham offenbart mehr, als er verbirgt. Amor, der kleine Schlingel, lauert schon hinter der Mutter, bereit, seinen Liebespfeil auf den Betrachter zu richten. So etwas hatten bis dato nur die Italiener gewagt. Es muss unerhört gewesen sein – weshalb Cranach vorsichtshalber für eine mahnende lateinische Inschrift sorgte, zu Deutsch etwa: „Bezwinge mit ganzer Anstrengung deine Liebesgelüste, damit nicht Venus dein umnebeltes Herz besitzt“.

Der Schmelz der Frauen

Ganz sicher erregten diese Worte umso mehr Interesse an den Weibsbildern des Lukas Cranach. Auch bekleidet waren sie überaus attraktiv. Anders als die porträtierten Männer mit ihren Knubbelnasen und individuellen Gesichtszügen unterschieden sie sich nicht sehr stark voneinander. In reiferen Jahren verfeinerte Cranach den immer gleichen Frauentypus, gern in Rotblond. Ob Judith, Lucretia oder Prinzessin Sibylle von Cleve, sie hatten alle eine hohe Stirn, mandelförmige Augen, eine volle Unterlippe und ein spitzes Kinn. Prächtig führten die Gesellen die passenden Gewänder, Kopfbedeckungen, goldenen Halsbänder aus.

Auch Cranachs Madonnen haben diesen besonderen Schmelz – und auch die Ehebrecherin, die von Christus auf einem Bild vor dem hässlichen Lynch-Mob bewahrt wird. Was die Motive betraf, war die Werkstatt Cranach sehr flexibel. Neben zahlreichen frommen Szenen – „Christus segnet die Kinder“, „Der Abschied der Apostel“ – gab es auch Schlüpfrigkeiten im Angebot. Ein grinsender alter Mann wird da von bildhübschen Kurtisanen betört. Das Sujet des „Ungleichen Paares“ (zahnloser Buhler und junge Frau, seltener umgekehrt) war so beliebt, dass die Werkstatt es in Variationen immer wieder verkaufen konnte.

Lucas Cranach der Ältere: "Christus und die Ehebrecherin", 1532, Malerei auf Lindenholz. (© Szépmüvészeti Múzeum / Museum of Fine Arts, Budapest, 2016 / Foto: Dénes Jósza)

Lucas Cranach der Ältere: „Christus und die Ehebrecherin“, 1532, Malerei auf Lindenholz. (© Szépmüvészeti Múzeum / Museum of Fine Arts, Budapest, 2016 / Foto: Dénes Jósza)

Die große Inspiration

Es ist eine Lust, die auf Holz gemalten Werke Cranachs und der Seinen aus der Nähe und in Ruhe zu betrachten. Und es macht Spaß, in der letzten Abteilung zu sehen, wie die moderne Kunst von der Marke Cranach inspiriert wurde. Picasso malte seine ungestüme Version von „Venus und der Liebe“ 1968 mit 87 Jahren. „Wenn ich male, dann stehen die Künstler der Vergangenheit hinter mir“, bemerkte er und nahm sich doch jede Freiheit. Braver ging Andy Warhol 1984 mit Cranach um und verwendete die Konturen des „Bildnis einer jungen Frau“ mit kessem Hut von 1526 für eine seiner farbverliebten Acryl-Siebdruck-Serien.

Der Japaner Yasumasa Morimura verkleidete sich sehr sorgfältig mit Wurst und Gemüse als Cranachsche Judith und fotografierte die Szene unter dem aufschlussreichen Titel „Mother“ (Mutter, 1991). Die junge Konzeptkünstlerin Leila Pazooki, eine Iranerin aus Berlin, zeigt an einer hohen Wand 100 mehr oder minder gute Kopien von Cranachs „Justitia“, um die Wette produziert von chinesischen Dienstleistungs-Malern. Kunst am Fließband? Das hätte dem alten Meister und Geschäftsmann Cranach womöglich ganz gut gefallen.

„Cranach: Meister – Marke – Moderne“. 8. April bis 30. Juli im Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Ehrenhof 4-5. Di.-So. und feiertags 11 bis 18 Uhr, Do. und Sa. bis 21 Uhr. Eintritt: 12 Euro. Der Katalog ist im Hirmer Verlag erschienen: 340 Seiten, Museumsausgabe 39,90 Euro. Informationen, auch über Führungen und Begleitprogramm unter: www.cranach2017.de

Erweiterte Öffnungszeiten ab 1. Juli 2017 (bis 30.7.2017): Di, Mi, Fr, So 10-18 Uhr, Do und Sa 10-21 Uhr.




Ein neuer Opernchef, der nicht Regie führt – Heribert Germeshausen wird 2018 Intendant in Dortmund

Heribert Germeshausen tritt sein Amt als Intendant der Oper Dortmund mit der Saison 2018/19 an. (Foto: Annemone Taake)

Heribert Germeshausen redet schnell. Er wirkt freundlich, energisch, als ein Mensch voller Tatendrang, versehen mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein. Gleichzeitig strahlt der 46Jährige eine nahezu jungenhafte Neugier aus. Wie einer, der sich mit Lust großen Herausforderungen stellt. Dazu hat er jetzt alle Gelegenheit: Germeshausen wird ab der Spielzeit 2018/19 neuer Intendant der Dortmunder Oper. Er erhält, so hat es der Rat der Stadt beschlossen, zunächst einen Fünfjahresvertrag und löst damit Jens-Daniel Herzog ab, der nach Nürnberg wechselt.

Germeshausen also ist bei seinem ersten öffentlichen Auftritt, flankiert von Oberbürgermeister Ullrich Sierau und Kulturdezernent Jörg Stüdemann, kaum zu bremsen. Die neuen Impulse, mit denen er das Musiktheater weiter nach vorn bringen will, seien einerseits struktureller, zum anderen inhaltlicher Art, führt er aus. Dabei sei ihm die Größe des Hauses (mit mehr als 1100 Plätzen) durchaus bewusst. Soll wohl heißen, es bedarf mancher Kraftanstrengung, diesen Raum regelmäßig zu füllen.

Derzeit ist Germeshausen noch Operndirektor in Heidelberg, in einem feinen, aber weit kleineren Theater. Doch es gebe auch Parallelen: Beide Städte hätten in ihrem Umfeld nicht wenig Konkurrenz. Und deshalb gelte es, demnächst also in Dortmund, einen möglichst unverwechselbaren Spielplan zu gestalten.

Darüberhinaus will der neue Mann das Haus noch stärker in der Stadtgesellschaft verwurzeln. „Viele Menschen haben keinen natürlichen Zugang zur Oper“, sagt Germeshausen. Es ist einer von wenigen Standardsätzen, die er bemüht. Allerdings verbindet er diese Erkenntnis mit dem gewiss ehrgeizigen Ziel, ein Publikum anzulocken, das die vielfältige Struktur der Bevölkerung widerspiegelt. Dabei sollen auch neue partizipative Projekte helfen – durch Teilhabe zu mehr Genuss, mag dies übersetzt heißen. Oder doch nur das etwas abgedroschene Oper für alle?

Germeshausen, 1971 in Bad Kreuznach geboren, studierte Jura und Betriebswirtschaft, begann seine Laufbahn als Dramaturg am Theater Koblenz. Später wechselte er in gleicher Funktion nach Bonn; als Opernchef wirkte er in Dessau und zuletzt eben in Heidelberg. Das Dortmunder Haus, so erzählt er, habe er oft besucht, als Christine Mielitz dort noch Intendantin war. Damals allerdings war die Oper, mit Blick auf die Auslastungszahlen, nicht in bester Verfassung. Nun aber will der neue Intendant auf die Konsolidierungsarbeit von Jens-Daniel Herzog weiter aufbauen.

Blick auf das Dortmunder Opernhaus. Foto: Theater Dortmund

Inhaltlich lässt sich Germeshausen wenig in die Karten schauen. Er strebt, wie bisher, acht neue Produktionen pro Saison an, ohne die populären Gattungen Operette und Musical zu vernachlässigen. Die Kooperation der Jungen Oper mit der Rheinoper Düsseldorf/Duisburg und der Oper Bonn wird fortgesetzt. Insgesamt will Germeshausen seinen Spielplan individuell auf das Dortmunder Haus zuschneiden, mit einem „sehr speziellen Zyklus“, wie er kryptisch hinzufügt. In Heidelberg hat er sich vor allem mit kaum gespielten Barockopern einen Namen gemacht, dieses Projekt sei aber nicht auf das Musiktheater in der Westfalenmetropole übertragbar.

Fest steht, dass der neue Opernchef nicht selbst inszeniert. Und er versichert, die Dortmunder Wagner-Tradition fortzuführen. Zuletzt erklangen „Der fliegende Holländer“, „Tristan und Isolde“ sowie „Tannhäuser“. Will Heribert Germeshausen vielleicht gar einen neuen „Ring“ herausbringen? Wir sind gespannt.

 

 




Weil der WDR hohe finanzielle Hürden setzt: Ruhrgebiets-Hörspiele können nicht im Buchhandel verkauft werden

Unser Gastautor, der Bochumer Schriftsteller und Journalist Werner Streletz, über eine neue Edition mit Ruhrgebiets-Hörspielen, die allerdings einen Schönheitsfehler hat:

Für mich ist es ein Rücksturz in meine literarische Vergangenheit: „Die Sonne ist nicht mehr dieselbe. Ruhrgebiets-Hörspiele 1960 bis 1990“. So lautet der Titel einer facettenreichen Dokumentation (die beiliegende DVD umfasst nicht weniger als 39 Hörspiele), die jetzt von der Literaturkommission Westfalen veröffentlicht worden ist.

Ruhrgebietsspezifische Hörspiele gab es natürlich von jeher im Programm des Westdeutschen Rundfunks, richtig Fahrt hat diese Sparte allerdings erst aufgenommen, als der aus Bottropstammende Frank Hübner Anfang der 1980er Jahre die Ruhrgebiets-Redaktion beim WDR übernahm.

Heimatdönekes, sofern es sie gegeben hatte, waren passé. Wir, Autoren und Autorinnen aus dem Revier, befassten uns mit gegenwärtigen Themen, orientiert an ambitionierten literarischen Qualitätskriterien. Klingende Autorennamen versammelten sich da: Michael Klaus, Jürgen Lodemann, Monika Littau oder Rolf Dennemann.

Ich für meinen Teil habe versucht, mit Formen der Konkreten Poesie den Ruhrgebiets-Slang zum Tanzen zu bringen. Aufbruchstimmung allenthalben, die im zweijährigen Gruppen-Projekt „Blackbox B 1“ gipfelte.

All das kann man in der neuen Doku nachlesen und -hören, wenn, ja wenn es so leicht wäre, an diese empfehlenswerte Veröffentlichung heran zu kommen. Man muss sich bemühen: Aus urheberrechtlichen Gründen kann die Edition nicht im Buchhandel erscheinen.

Der Bezug ist nur möglich über die Literaturkommission für Westfalen, Salzstraße 38 / Erbdrostenhof, 48133 Münster. Warum das? Der WDR hatte vor den regulären Verkauf der Edition so hohe finanzielle Hürden gesetzt, dass die Herausgeber darauf verzichten mussten. Kein Ruhmesblatt für den WDR!




Als diese Blog-Seite neun Stunden lang offline war – ein im Grunde lächerlicher „Leidensbericht“

So, ihr lieben Nerds. Ihr braucht an dieser Stelle gar nicht weiterzulesen. Ihr seid längst darüber hinaus, seid in andere Welten entschwebt. Für euch gibt es hier nichts zu sehen. Für die anderen Leute aber…

Gestern blieb der Bildschirm weiß, ach, was war das für ein... (Foto: BB)

Gestern blieb der Bildschirm weiß, ach, was war das für ein… (Foto: BB)

Es ist eigentlich (eigentlich!) lächerlich, aber was soll ich machen? Es hat mich gefuchst. Gestern war diese Seite für viele Stunden offline; so ungefähr von 9 Uhr bis 18 Uhr, also etwa einen handelsüblichen Arbeitstag lang.

Alles für immer im Orkus?

Die Revierpassagen waren also auf normalem Wege von keinem Ende her zu erreichen – weder für User noch für Administratoren oder Autor(inn)en. Beim Aufruf der Adresse war stets nur ein schneeweißer Bildschirm zu sehen. Und stellt euch vor: Das ist mir wahrhaftig in die Knochen und Kniekehlen gefahren, auch hatte ich einen mittleren Kloß im Hals. Was, wenn nun – obwohl das Netz ja angeblich nie vergisst – die rund 2500 bisherigen Beiträge für immer im Orkus verschwunden wären…? Nicht auszudenken. Das wäre schon eine Beklommenheit wert.

Seltsam. Hat man denn sonst nichts mehr, worüber man sich aufregen kann? Sind denn die Bahnverspätung, der Autobahnstau, das allfällige „Es ist wieder Montag“-Gejammer oder ein Systemfehler im Netz schon unsere größten Alltags-Abenteuer? Man kennt ja die erschröcklichen Berichte, in denen behauptet wird, dass Jugendliche eher auf Sex als aufs Smartphone verzichten könnten.

Technisch ziemlich überfordert

Jedenfalls war der gestrige Tag einigermaßen versaut. Ich musste mich ja kümmern und sah mich technisch ziemlich überfordert. Also den Provider (Seiten-Host) angerufen, dessen Hotline nur bedingt hilfreich war. Da bekommt man zwar rasch ein so genanntes „Ticket“, also eine Bearbeitungsnummer, auf dass der Vorgang seinen Lauf nehme. Doch gestern schien auf breiter Front ziemlich viel im Argen gelegen zu haben, so dass die Techniker wohl mehr als genug zu tun hatten. Und ich verstehe ja irgendwie auch, dass zum Beispiel ein lukrativer Online-Shop Vorrang vor einem regionalen Kulturblog hat. Wenn’s denn so war. Und ich dachte zugriffshalber hoch hinaus: Letzte Woche hatte so ein Totalausfall sogar „Spiegel online“ erwischt.

Operation in den Eingeweiden

Beim Provider sitzen halt Nerds. Und die setzen Kenntnisse voraus, die „man“ bestenfalls ansatzweise hat. Da sollte ich mich also von jetzt auf gleich mit mysteriösen Dingen befassen wie: Back-End und Front-End, FTP-Server (nein, nicht FDP) oder umfassenden Datenbank-Zugriffen. Ich sollte gleichsam in den Eingeweiden des Blogs operieren („Schwester! Tupfer!“), hie und da ein Plugin deaktivieren, obwohl ich doch keinen normalen Zugriff auf die Seite hatte… Nachfrage-Mails wurden trotz gegenteiliger Zusage ignoriert. Wie hieß es vorher so schön im Service-Standardsprech: „Bitte zögern Sie nicht, sich bei Rückfragen und Problemen…“ Na, und so weiter. Denkste.

Sch… Ich will doch nur schreiben und kein IT-Experte werden! Die eine oder andere Maßnahme leite ich ja schon selbst in die Wege, aber es gibt Grenzen.

With a little help…

Nun, ich mach’s kurz: Ich habe schließlich Hilfe von einem netten Menschen bekommen, der mir schon mehrmals bei Problemen mit dem Blog zur Seite gestanden hat. Er hat quasi einen Seiteneingang gefunden, durch den – um im Bild zu bleiben – ein minimalinvasiver Eingriff möglich war. Ich hättet mich aufatmen hören sollen!

Damit ist die Seite zwar wieder online (Hauptsache!), freilich ist intern noch nicht wieder alles in Ordnung. Da muss im Dateienbestand noch aufgeräumt werden, um künftige Kollisionen möglichst zu meiden. Auch ist dieses oder jenes Backup fällig.

Neue Nickeligkeiten

Und schon tun sich neue Nickeligkeiten auf: Kaum hatte ich heute früh den Mac hochgefahren, da war erst einmal eine Software-Installation fällig, die schlanke 45 Minuten (!) gedauert hat. Danke, Apple!

Damit nicht genug: Der Transfer von Blog-Beiträgen (Link zur URL) beispielsweise zu Facebook ist ja eh schon unberechenbar. Man weiß vorher nie, welches Bild den Weg hinüber findet, es scheint absolut zufallsgesteuert zu sein. Seit heute kommt noch erschwerend hinzu, dass nach dem Transfer nicht etwa die normale Überschrift über dem Beitrag erscheint, sondern statt dessen lediglich die SEO-Stichworte auftauchen, die doch nur als „Anreiz“ für Suchmaschinen fungieren sollen. Da hilft nur, die Stichworte erst nach dem Kopieren einzugeben.

Inzwischen könnte ich schon wieder weiter berichten, wenn mir das Schnappatmen Zeit und Luft dafür ließe. Ich ächze nur: PHP, Speicherplatz-Limit, Statistik-Tool

Himmelsakrament! Manchmal möcht‘ man schon einen Screenshot mit dem Hammer ausführen. Dann wär’s aber ein Screencrash.

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P.S.: Die kursiv gesetzten englischen Begriffe sind eigens für Zeitgenossen wie den Dortmunder Prof. Walter Krämer und – in seinem Gefolge – für die besorgten Sprachschützer vom „Verein deutsche Sprache“ markiert. Ein begrüßenswerter Service, nicht wahr?
Herleitungen aus dem Lateinischen bitte selbst suchen.




Ein Herz für Hassende im Internet – „Flammende Köpfe“ von Arne Vogelsang im Dortmunder Theater

Arne Vogelgesang, Autor, Regisseur und Darsteller von „Flammende Köpfe“ (rechts), neben Videoprojektion (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

Theater ist das eigentlich nicht. In der „Video-Lecture“ mit dem Titel „Flammende Köpfe“ von und mit Arne Vogelsang, jetzt zu sehen im Dortmunder „Megastore“, sitzt der Nämliche in Bühnenraummitte hinter seinem Schreibtisch am Computer, erzählt (bzw., es ist ja eine lecture, liest sein Manuskript vor) und bespielt zwei große Projektionswände links und rechts von sich mit Ausschnitten aus YouTube-Videos, in denen Haß-Menschen Haß-Reden halten.

Vogelsang ist, wie er selbst beschreibt, fasziniert von diesen oft wutschnaubenden, manchmal mahnenden, manchmal larmoyanten Selbstdarstellern aus der, wie man wohl sagen kann, rechten bis ganz rechten Ecke. Mit ihnen und ihresgleichen verbringt er (am Computer) mehr Zeit als mit seiner Frau, sagt er. Sein Verhältnis zu ihnen ist geradezu zärtlich, er weiß unglaublich viel über sie und nennt sie bei ihren Vornamen.

Zart und verletzlich: „jugendlicher“ Avatar (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

Animierte Avatare

Aus seiner lange schon währenden Computer- und Internet-Obsession hat der 40jährige Autor, der in Berlin (Ost) zur Welt kam und in Wien Regie am Max-Reinhardt-Seminar studierte, eine Art Soloabend gemacht, zu dessen besonderen Ausschmückungen es gehört, daß Vogelsang die Köpfe seiner Haßprediger am Computer nachbaut und zu animierten Avataren macht. Sie bilden eine Art Ahnengalerie über der Bühne, die sich (qua Projektion) im Laufe des Abends immer weiter füllt.

Die animierten Köpfe sehen putzig aus, wenn sie sich bewegen, ein weiterer Sinn des Nachbaus erschließt sich indes nicht. Daß sie sich alle recht ähnlich sind, ist für sich genommen noch keine aufrüttelnde Message. Ebenso erschließt sich nicht recht der Mehrwert einer weiteren inszenatorischen Maßnahme: Statt den O-Ton zu bringen, spricht Vogelsang manche Textpassagen seiner Figuren. Das ist nett, der Mann kommt ja vom Theater, aber doch weit entfernt von jeder Anmutung eines Erkenntnis befördernden Brechtschen V-Effekts.

Arne Vogelgesang, Video eines Haßredners (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

Was sind das bloß für Leute?

Und jetzt muß ich mal kurz persönlich werden. Für jemanden wie mich, der das Internet eher lästig findet, das iPhone verschmäht und seit ewigen Zeiten um 20 Uhr Tagesschau guckt, ist Vogelsangs Typen-Panoptikum der Ausflug in eine fremde Welt. Was sind das für Leute, die in reicher Zahl Wut- und Haß-Videos von sich drehen und sie ins Netz stellen? Hat es die früher auch gegeben? Sind sie von Moskau ferngesteuert (wie man zu Zeiten des Kalten Krieges hätte mutmaßen können)? Sind sie gefährlich? Sind sie das Volk (wie viele von ihnen auf die eine oder andere Weise behaupten)?

Der große Stammtisch im Internet

„Es genügt nicht, keine Meinung zu haben; man muß auch unfähig sein, sie auszudrücken“, formulierte vor vielen Jahren der große Kabarettist Wolfgang Neuss. Er meinte die geradezu empörend unpolitisch sich gebende Bundesrepublik der frühen Jahre, die „Weiter so“- und „Schwamm drüber“-Volksgenossen nach der Weltkriegskatastrophe. Geäußert werden die Menschen sich indes damals schon haben, am notorischen Stammtisch vermutlich, an Orten, wo man unter sich war. Und ein bißchen was hat das Internet ja wirklich von einem großen Stammtisch, an dem allerdings der direkte Dialog nicht mehr möglich ist. Das gebiert einen spezifischen Autismus, der mehr oder minder allen Monologisierern in diesen Videos eigen ist. Dieser Autismus enthemmt, was logisch ist, weil die sozialen Regulationen wegfallen.

Arne Vogelgesang am Schreibtisch, Avatar-Typenkabinett in der Hintergrundprojektion (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

Keine Kommunikation

In gewisser Weise – ich hoffe, ich kriege die Kurve noch – paßt Wolfgang Neuss’ Beobachtung aus den frühen 60er Jahren bruchlos auf die Redenschwinger im Internet. Ob sie wirklich eine Meinung haben oder nur Objekte ihrer düsteren Affekte sind, wird nicht wirklich klar. Auf jeden Fall aber haben sie eigentlich alle ein Vermittlungsproblem. In nahezu jedem Vortrag fällt auf, wie schlecht sie die vermeintlichen Mißstände beschreiben. Was soll man beispielsweise damit anfangen, daß jemand sich über „den Tagesspiegelkommentar im Deutschlandfunk“ unglaublich erregt? Man müßte den Kommentar ja erst einmal lesen, um ihn verstehen zu können. Am ehesten noch werden Haßtiraden verständlich, wenn ihre Ausgangspunkte mit Schlagworten zu benennen sind, „Ausländer“, „Kölner Ereignisse“, „Deutschland in Gefahr“, „Merkel muß weg“ und ähnliches. Doch Begründungen, saubere thematische Ableitungen oder was immer des denkenden Menschen Verstand erfreuen könnte, bleiben seltene Ausnahmen. Man gewahrt Irre, denen normale verbale Kommunikation nicht mehr zur Verfügung steht.

Nicht ohne Küchenpsychologie

Das Unbewußte, à propos, bricht sich natürlich immer wieder Bahn. Die Frau, die sich in „Merkel muß weg“-Tiraden ergeht, wird plötzlich ganz süffisant: Nein, den Tod wünsche sie der Verhaßten nicht, sondern ein langes, langes Leben. In Ketten. In einer engen Zelle, in der es keine Kommunikationsmaschinen gibt, mit einem taubstummen Wärter. Küchenpsychologisch könnte man sagen, daß diese Folterphantasien der realen Existenz vieler Haß-Redner in ihrem autistischen Alltagsdasein recht nahe kommen dürften, der diffusen Wahrnehmung ihres qualvollen Kommunikationsdefizits in der Projektion auf das Haßobjekt.

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat Vogelsang in seiner Einleitung gesagt, daß der Bestand an YouTube-Material weltweit in jeder Sekunde um fünf Stunden zunimmt. Es war jedenfalls eine imponierende Zahl, die auf ihre Art auch tröstlich ist; sagt sie doch aus, daß der Wert jedes einzelnen Haß-Beitrags kontinuierlich an Bedeutung verliert. Aber verstörend sind diese Verstörten schon, keine Frage.




Zur Not kann man auch am Gegner seine Freude haben – über solche und solche Fußballfans

In dieser „englischen“ Fußballwoche geht’s gleich zweimal rund in der Bundesliga: Heute (Dienstag, 4. April, 20 Uhr) trifft der BVB im heimischen Dortmunder Westfalenstadion * auf den Hamburger SV, am Samstag (8. April, 18:30 Uhr) geht’s zu den Bayern nach München. Anlass genug für diesen Beitrag: Unser Gastautor, der Schriftsteller Heinrich Peuckmann, schreibt über verschiedene Arten von Fußballfans:

Dortmunder Torjubel im Westfalenstadion beim 3:0-Sieg gegen Tottenham Hotspur. (Foto: Bernd Berke)

Dortmunder Torjubel im Westfalenstadion beim 3:0-Sieg gegen Tottenham Hotspur. (Foto: Bernd Berke)

Meine drei Söhne sind brav, sie sind ihrem Vater gefolgt und Fußballfans geworden. Und weil sie auch noch gut erzogen sind, haben sie die Vorliebe ihres Vaters übernommen. Sie sind Fans von Borussia Dortmund.

Zwei Dauerkarten haben wir und gehen in wechselnden Kombinationen ins Stadion. Und dabei stellen wir immer neu fest, was wir schon vorher wussten. Fan ist nicht gleich Fan. Wir merken es beim Absingen der Fan-Lieder. „Borussia, unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz…“ ist ein Lied, das wir nicht mitsingen können. Der Fußball ist ein schöner Teil unseres Lebens. Wie genießen die Spiele im Stadion, haben Freude an den Fernsehübertragungen, aber unser ganzes Leben ist Borussia nicht. Und stolz sind wir auf das, was wir selber schaffen, ohne es freilich übermäßig nach außen zeigen zu wollen.

Sport ist doch nicht alles…

Fußball hat für uns einen Stellenwert, aber er dominiert uns nicht. Entsprechend gehen uns Fans, für die Fußball alles ist, gehörig auf die Nerven. Irgendwann saß so ein Fan in der Kneipe neben uns, brüllte rum, kommentierte alles (ohne viel Ahnung zu haben) und sprach uns immer wieder an. Bis es meinem jüngsten Sohn endgültig reichte. „Wir interessieren uns nur für Fußball, weil uns Gespräche über Baumärkte und Autos noch mehr langweilen“, sagte er dem Mann. An das erstaunte Gesicht mit dem offenen Mund erinnere ich mich gut. Man sah dem Mann deutlich an, wie sein Männerbild zusammenbrach.

Leute, die keine Ahnung vom Fußball haben, aber umso lauter rumbrüllen, sind schwer zu ertragen. Als ein Angriff unserer Borussia mal wegen Abseits abgepfiffen wurde, sprang der Mann neben uns auf. „Schieber!“, schrie er, „das war doch kein Abseits.“
„Setz dich“, sagten wir, „das war Abseits.“ Überrascht schaute er uns an. „Und ich dachte, ihr seid Borussenfans“, sagte er. „Sind wir“, antworteten wir, „aber Regel ist Regel. Also ist Abseits Abseits. Auch für uns.“

Als Juventus über die linke Seite kam

Dafür lieben wir jene Fans, die wirklich Ahnung haben. Bei einem Europapokalspiel gegen Juventus Turin saß mal ein junger Mann neben mir im Stadion, der wirklich was von Fußball verstand. Juventus griff über die rechte Seite an und dem Mann fiel auf, was mir auch auffiel. „Guck mal, was da gerade links passiert!“, rief er. „Unsere rennen alle nach rechts, die haben noch gar nicht gemerkt, dass die Gefahr gleich von der anderen Seite kommt.“ Tatsächlich liefen dort unbemerkt zwei Juve-Spieler in Stellung, als unsere Abwehrspieler sich endgültig rechts versammelt hatten, kam der präzise Flankenwechsel und zwei Juve-Spieler standen frei. Mit 1:3 haben wir das Spiel verloren. Mein Nachbar stand nach dem Schlusspfiff auf und gab mir zum Abschied die Hand. „Wir haben heute eine gute Mannschaft gesehen“, sagte er, „schade, dass es die falsche war.“ Ein Satz, der Fairness zeigte und vor allem Verständnis von der Sache.

Drei Jahre später standen sich übrigens die beiden Mannschaften wieder gegenüber, im Endspiel um die Champions League, und diesmal waren „wir“ besser. Längst hatte unsere Mannschaft dazu gelernt.

Mit einem Buch im Dortmunder Stadion

Ich sehe die Dinge gerne zusammen. Fußball und Kultur, Fußball und Religion. Einmal habe ich ein Fußballspiel wie einen Gottesdienst geschildert, und siehe da, es funktioniert. Viele der Riten sind wie aus der Kirche übernommen.

Einmal bin ich sehr früh ins Stadion gegangen, weil ich sonst keine Karte mehr bekommen hätte. Es war noch die Zeit, als man an den Schaltern neben dem Stadion Eintrittskarten kaufen konnte. Heute gibt es die Schalter gar nicht mehr, die Karten sind immer verkauft. Immerhin über 80.000 pro Spiel! Weil ich also früh im Stadion sein würde, steckte ich ein Buch ein, Stefan Austs „Baader-Meinhof-Komplex“, das ich spannend fand.

Ich las also, während die Spieler sich unten warm machten und plötzlich bemerkte ich die scheelen Blicke meiner Nachbarn. Was will der denn hier, schienen sie zu denken, hat der sich verlaufen? Jedenfalls sprachen sie nicht mit mir, wie man das sonst ganz selbstverständlich im Stadion tut. Bis plötzlich ein Verteidiger der gegnerischen Mannschaft, der einen Mordsschuss hat, auf unser Tor zulief und nicht angegriffen wurde. „Passt auf da“, schrie ich und sprang erregt auf, aber es half nichts. Der Spieler zog ab und es stand eins zu null für den Gegner. Ich setzte mich wieder. „Hab ich´s nicht gesagt?“, sprach ich meine Nachbarn an. Jetzt schauten sie mich noch erstaunter an. Einer, der Bücher liest im Stadion und trotzdem Ahnung hat. Fortan wurde ich in die Gespräche einbezogen.

Unsere Helden Hans Tilkowski und Aki Schmidt

Mein Freund seit Jugendzeit, der frühere Pressesprecher von Borussia, ist mir in diesem Punkt ähnlich. Er sieht die Dinge auch in Zusammenhängen. Gleich mehrere meiner Romane und Sachbücher, in denen Fußball eine Rolle spielt, hat er in einer Pressekonferenz im Stadion vorgestellt. Wenn Borussia ruft, das wissen wir beide, kommt die Presse. Die Aufmerksamkeit, die auf diese Weise erzeugt wurde, hat meinen Büchern gut getan.

Seit Jugend an, er noch früher als ich, sind wir ins vergleichsweise kleine Stadion „Rote Erde“ gegangen und haben unseren Helden, den Nationalspielern Hannes Tilkowski und Aki Schmidt zugejubelt. Später wurden sie unsere Freunde und wir redeten und reden mit ihnen gerne über alte Zeiten. Wir als kleine Jungs auf der Tribüne, unsere Helden unten auf dem Rasen. Wenn ich meinen Söhnen Anekdoten aus dieser Zeit erzähle, lachen sie. „Telefon, Papa, das letzte Jahrhundert hat wieder angerufen.“

Der Stürmer, der fast alles verstolperte

Spotten tun nicht nur sie, sondern wir alle gerne, das will ich gerne zugeben. Irgendwann und irgendwo muss man seinen Frust ja ablassen. Von Gewalt, von sinnlosem Krakeelen aber sind wir weit entfernt. Es ist ein paar Jahre her, dass Borussia gegen den Abstieg spielte. Einen Stürmer hatten wir damals, der beinahe jeden Ball verstolperte. Wenn er ihn verloren hatte, grätschte er hinterher und beförderte ihn bestenfalls ins Aus. „Kämpfen tut er aber“, kommentierten die Dortmunder Fans dann, immer in der Hoffnung, dass der Junge irgendwann besser würde. Wurde er aber nicht. Als er wieder mal den vierten oder fünften Angriff durch seine Stolperei unterbrochen hatte und wieder jemand kommentierte, dass er immerhin schnell sei und kämpfen würde, sprang ein Freund von mir erregt auf und schrie: „Was ist das hier? Ist das Leichtathletik oder Fußball?“

Bei einem späteren Spiel lag dieser Spieler verletzt auf dem Rasen und mein ältester Sohn kommentierte: „Ich glaube, es geht gut aus, Papa. Er kann nicht weiterspielen.“
Überhaupt lieben wir Humor. Unser früherer Klasseverteidiger Julio Cesar, brasilianischer Nationalspieler, hat in einem Spiel mal zwei Ecken hintereinander ins Tor geköpft und wurde dann, unter dem Jubel der Zuschauer, ausgewechselt, weil das Spiel längst entschieden war. Bei der nächsten Ecke aber sprangen wir trotzdem auf und riefen: „Julio, Julio.“

Ein verbotener Vereinsname

Den Namen unseres Erzrivalen Schalke nehmen wir übrigens nicht in den Mund, auch ich zögere jetzt, ihn hier zu schreiben. Als ich mal eine Delegation aus Schuldezernenten bei einer Stadionführung in Dortmund begleitete, habe ich ihnen vorher erklärt, dass sie den Namen im Stadion nicht erwähnen sollen. Wer unbedingt von unserem Erzrivalen reden wolle, müsse von Herne-West sprechen. Die Dezernenten haben das für einen Witz gehalten, aber als Aki Schmidt bei seiner Führung ebenfalls immer Herne-West sagte, wurde ihnen bewusst, dass das absolut ernst gemeint war. Selbst bei dem Revierderby wird der Name unseres Gegners im Stadion nicht erwähnt. „Und jetzt die Mannschaftsaufstellung der Blauen …“, ruft unser Stadionsprecher ins Mikrophon.

Fußball ist schön, er ist unterhaltsam. Für meine Söhne und mich kommt ein kleines Nebenergebnis hinzu. Wir sind, wenn zwei von uns zum Stadion fahren, für drei Stunden unter uns. Wir haben Zeit, über alles Mögliche zu reden, über Fußball natürlich, aber auch über alles andere, was uns bewegt: Politik, Bücher, Religion, unsere Pläne …

Nicht das Hobby versauen lassen

Warum sich also schlagen? Warum Gewalt im Stadion bis hin zum Niederschießen eines Fans, wie das vor ein paar Jahren in Italien geschah? Straßenschlachten der Hooligans wie kürzlich gegen Leipzig? Wir wollen Freude haben, an unserer Mannschaft, die seit Jahren oft einen wunderbaren Fußball spielt, zur Not aber auch an der gegnerischen Mannschaft, wenn sie einen guten Ball spielt.

In einem meiner Krimis wird ein Fußballer ermordet, der zu den gewalttätigen Fans, die sich auch noch rassistisch äußern, gesagt hat, dass sie zu Hause bleiben sollten, weil ihr Handeln nichts mit Fußball zu tun hat. Mein Kommissar macht sich auf die Suche nach Täter und als er ihn hat, ruft er seinen Sohn von Leipzig aus an. „Wann kommst du nach Hause?“, fragt der Sohn. „Heute bleibe ich noch in Leipzig und esse in Auerbachs Keller“, antwortet mein Kommissar. „Aber morgen fahre ich ganz früh los, dann bin ich rechtzeitig zum Spiel von Borussia im Stadion. Von solchen Dummköpfen lasse ich mir doch nicht mein Hobby versauen.“

Meine Söhne lachten, als sie es lasen. „Das war wieder ganz unser Papa“, sagten sie. „Diesmal in der Verkleidung seines Kommissars.“

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* Westfalenstadion lautet der richtige Name, im Kommerz-Sprech heißt der Fußballtempel „Signal-Iduna-Park“ (Anm. Bernd Berke)




„Drehwurm“: Schwindelerregende Premiere im Dortmunder Tanztheater Cordula Nolte

Ein riesiger rosafarbener Wurm kriecht gemächlich von links nach rechts, zieht sich zusammen und auseinander. Ein Fremdkörper auf der weißen Bühne, auf der nichts zu sehen ist als zwei Schaukeln im Vordergrund. Dieser Wurm wird das Langsamste sein, das die Zuschauer an diesem Abend auf der Studiobühne des Tanztheaters Cordula Nolte an der Rheinischen Straße in Dortmund zu sehen bekommen. Das neue Stück „Drehwurm“ erzählt von der verbreiteten Rast- und Ratlosigkeit der Gesellschaft. Alles dreht sich, immer schneller – aber warum machen wir eigentlich alle dabei mit?

Pas de trois mit dem Bürostuhl. (Foto: Jochen Riese)

Antworten darauf bekommt das Publikum nicht direkt – aber die Frage bleibt haften, lange nachdem die letzten Takte der rhythmisch-treibenden, nie an Tempo verlierenden Musik (Olaf Nowodworski) verklungen sind. Anstrengend ist das Zuschauen, aber mindestens ebenso anregend. Das Thema trifft einen wunden Punkt im Publikum.

Stress als Lebensstil

Das Getriebensein ist offenbar eine Gesellschaftskrankheit, diagnostizieren die Tänzerinnen und Tänzer. Ihr uniformes Outfit – Dutt und schwarze Hipster-Brille – legt nahe, dass die Krankheit möglicherweise sogar Mode ist – Stress als Lebensstil. Die Schaukeln, die von der hohen Decke hängen – sie werden nicht etwa dazu genutzt, entspannt hin und her zu schweben. Stattdessen drehen sich zwei Tänzer darin ein und lassen los, erzeugen einen schwindelerregenden Drehwurm. Zwei auf Spitzenschuhen trippelnde Frauen drehen schnatternd eine Runde, sich ebenso hektisch wie unverständlich über dieses und jenes aufregend. Paare queren drehend die Bühne – die einen wie die Kinder, die sich überkreuz an Händen halten und immer schneller herum wirbeln, die anderen in Ballett-Drehungen, wieder andere im Springen. Zu den eindringlichen Bildern im ersten Teil gehört der Pas de trois mit einem Büro-Drehstuhl – auch im Sitzen, bei der Arbeit, dreht sich alles immer schneller.

Die Frage nach dem Warum stellt sich erstmals, als die Tänzer einander Eimer im Akkord weiterreichen, wechselnden Reihen und in wechselnde Richtungen. Die immer gleiche Tätigkeit variiert nur leicht, es gibt erkennbar weder Anfang noch Ende oder Ziel und Zweck. Immer von vorn, immer das Gleiche.

Stets in rastloser Bewegung. (Foto: Jochen Riese)

Wenn die Leistung ausbleibt

Dass es „die anderen“ sind, die uns zu unserer Rastlosigkeit treiben, deutet eine Szene an, in der sich ein Paar gegenseitig zu Höchstleistungen antreibt. Man zieht einander auf wie einen Kreisel und reagiert scherzhaft-höhnisch, wenn die erwartete Drehleistung ausbleibt: „Kannst wohl nicht mehr? Wie alt bist du eigentlich?“ In dem Stil geht es weiter: Nun werden im Affentempo Architekturen aus Pappkartons gebaut, höher und höher, ein Gemeinschaftswerk – doch sobald jemand ausschert und ein neues Bau-Projekt an anderer Stelle beginnt, folgen die anderen hektisch, bauen ab und neu auf. Nicht der Weg, sondern das In-Bewegung-Bleiben ist hier das einzig erkennbare Ziel: Schaffe, schaffe, baue.

„Mein Name ist Hase“, heißt es in der nächsten Szene – eine Gruppen-Choreografie der Ahnungslosen aus kollektiven Gesten der Verständnislosigkeit: Hände fassen sich an die Stirn, halten sich die Augen zu, packen nachdenklich ans Kinn, wehren mit geöffneten Handflächen jegliche Verantwortung ab. Familie Hase scheint stolz darauf, jegliche Verantwortung für ihr atemloses Mitlaufen abgeben zu können – es machen schließlich alle so. Der erste Teil endet, indem die Tänzer gemeinsam im Kreis laufen und dabei immer wieder die Richtung vorgeben: weiter vornan, immer weiter.

Choreografie der Verständnislosigkeit. (Foto: Jochen Riese)

Nach der Pause folgen paarweise Bewegungsstudien: Die Tänzer geben dem jeweils anderen Impulse, die Reaktionen hervorrufen. Aufs Anschaukeln folgt Schaukeln, Druck erzeugt Bewegung, Bremsen Stillstand. Das provoziert eine wichtige Frage: Was wäre, wenn der Impuls fehlte? Wie und wohin bewegen wir uns aus eigenem Antrieb?

Einen Versuch, das herauszufinden, unternimmt eine Tänzerin. In einer Szene der gescheiterten Anläufe versucht sie, über den eigenen Schatten zu springen, ganz von sich aus etwas zu bewegen – und zwar erst einmal sich selbst. Immer wieder sammelt sie Mut, konzentriert sich auf ihr Ziel, nimmt Anlauf – und dreht kurz vorher doch wieder ab.

Endlich den Ausstieg schaffen

Wohl keine Szene transportiert die kollektive Rat- und Rastlosigkeit besser als die Stuhl-Choreografie mit dem ganzen Ensemble, bei der es den Tänzern nicht gelingen mag, Platz zu nehmen. Sie ruckeln und rutschen, verändern erst ihre Position, dann die des Stuhls, wischen unruhig über die Sitzfläche, unentschieden, abwägend: Es könnte ja noch besser werden!

Im Optimierungswahn. (Foto: Jochen Riese)

Die Wende bringt erst eine Tänzerin, die gegen den Strom läuft, den getakteten Ablauf stört und den anderen den Boden unter den Füßen wegzieht. „No… go… slow“ heißt es in der Musik, alles friert ein, und auf den Schaukeln schaukeln entspannt zwei Tänzerinnen ganz aus eigenem Antrieb. Sie haben den Ausstieg geschafft. Im Publikum sind so manche, die wild entschlossen scheinen, es ihnen nachzutun.

Nächste Termine im Tanztheater Cordula Nolte, Dortmund, Paulinenstraße 2:
29.04.2017, 20:00 Uhr
20.05.2017, 20:00 Uhr
14.05.2017, 18:30 Uhr
http://www.tanztheater-cordula-nolte.de