Mord als schrecklich groteskes Kinderspiel – Shakespeares „Macbeth“ in Bochum

Wenn’s zum Schwur kommt: „Macbeth“-Szene mit gezückten Messern im Becken – mit (v. li.) Marina Galic, Jens Harzer und Stefan Hunstein. (Foto: Armin Smailovic)

Hat dieser Mann, Macbeth heißt er, erst einmal den grundsätzlichen Entschluss gefasst und einmal einen Mord begangen, so tötet es sich hernach furchtbar leicht. Einfach das Messer angesetzt und zugestochen. Dann wird noch demonstrativ eine Portion Theaterblut angerührt und über Mörder wie Leiche gegossen – und fertig. Gedanke und Tat folgen dann immer schneller aufeinander. Es ist fast wie ein Kinderspiel. Oder eben wie Theater.

Intendant Johan Simons hat Shakespeares blutrünstiges Drama „Macbeth“ auf die Bühne des Bochumer Schauspielhauses gebracht. Gar oft ist die Premiere verschoben worden, nahezu gefühlte zwei Jahre lang (hab’s nicht eigens nachgerechnet), gewiss nicht nur wegen der Corona-Pandemie. Nein, Simons und sein Team haben offenkundig mit diesem kaum auszulotenden, schwerlich auszuschöpfenden Stück gerungen, sie haben es wohl noch und noch von immer wieder anderen Seiten her betrachtet, um eine Form zu finden. Womöglich war es ein Prozess, der zur Entschlackung und zu einer Art Minimalismus geführt hat. Es ist nun, als wäre es ein Konzentrat geworden, das jedoch an manchen Rändern leichthin in Anflüge von Clownerie „ausfranst“ und neben dem Schrecklichen auch das Groteske aufruft. Nun gut, das Publikum will unterhalten und nicht nur entsetzt werden. Trotzdem ist es – alles in allem – eine Inszenierung, die einem nachgeht.

Den Text auf nur drei Figuren verteilt

Die Bühne (Nadja Sofie Eller) ist weitgehend leer, bis auf ein gekacheltes Becken. Eine unwirtliche Welt. Ganz hinten findet sich eine große Bild- und Videowand, die nur von Zeit zu Zeit sichtbar wird. Gespielt wird die Übersetzung von Angela Schanelec und Jürgen Gosch, über der Szenerie läuft Shakespeares genialer englischer Originaltext synchron mit – eine eigentlich willkommene Dienstleistung, auf die man sich jedoch kaum konzentrieren kann, weil die Darstellenden sofort alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Fast wie ein Herz und eine Seele: weitere Dreier-Szene mit (v. li.) Marina Galic, Jens Harzer und Stefan Hunstein. (Foto: Armin Smailovic)

Es sind nur drei, auf die sich die Textmenge aller wesentlichen Figuren verteilt. Anfangs mag das etwas verwirrend sein: Wer ist er oder sie denn jetzt schon wieder? Doch es tritt rasch Gewöhnung ein. Entweder hilft die namentliche Anrede, oder einfache Gesten wie das Auf- und Absetzen der Krone markieren die Person, mit der wir es gerade zu tun haben. Es geht ja auch nicht so sehr um abgrenzbare Individuen, sondern ums große Ganze der Zustände. Bei all dem kommt die Aufführung mit sehr wenigen Zeichen und Symbolen aus. Krone und (schottische) Fahne, das wär’s beinahe schon.

Die Hexen sind eigentlich immer dabei

Die drei multiplen Gestalten gehen aus der anfänglichen Szene mit den drei berühmt-berüchtigten Hexen hervor, die Macbeth jene vieldeutigen Prophezeiungen einflüstern, denen er nach gehabtem Schlachten-Glück die kommende Königswürde entnehmen könnte, die jedoch auf vertrackte Art auch den Nachkommen seines Kampfgenossen Banquo zufallen soll. Höllischer Zwiespalt! Ihn nutzt seine Frau, Lady Macbeth, um dem Manne die Mordlust einzuimpfen, geradezu schmackhaft zu machen. Erst den regierenden König Duncan gemeuchelt, sodann alle anderen, die irgendwie im Wege stehen oder auch nur hinderlich zu sein scheinen. Doch es nützt nichts. Wieder tritt eine rätselhaft doppeldeutige Prophezeiung ein…

Sie müssen natürlich spätestens jetzt genannt werden: Jens Harzer ist zunächst eine der Hexen, fortan Macbeth, Duncan, Malcolm und ein Mörder. Marina Galic ist ebenfalls eine Hexe, aus der abwechselnd Lady Macbeth, Banquo, Macduff, Lady Macduff und deren Sohn hervorgehen. Stefan Hunstein schließlich ist und bleibt „Hexe“, sprich: eines jener Geistwesen, das in den Menschen wütet. Das wiederum bedeutet: Die Hexen sind eigentlich immer dabei, vom Anfang bis zum bitteren Ende. Sie sind in Hirne und Seelen der Handelnden gefahren und weichen nimmermehr. Das Böse und die Unnatur sind nun einmal in der Welt.

Plötzlich die Frage: „Und wenn das schiefgeht?“

Auch sitzen und lauern die Mordgelüste schon in den Menschen, Macbeth kommt schließlich aus einem Krieg, in dem er sich bereits durch diabolische Grausamkeit „ausgezeichnet“ hat. Im trügerischen Frieden schreckt er zu Beginn noch vor Einzelmorden zurück, doch das gibt sich bald. Gewaltsame Gelüste müssen nur noch hervorgekitzelt und mit tätiger, doch eher passiver, geschehen lassender Hexen-Mithilfe ausgeführt werden. So vollführt Stefan Hunstein Mordtaten gleichsam als Pantomime mit. Es gibt etliche Szenen, in denen ausgiebig posiert wird und sich die Darstellung in wortlose „Choreographien“ verlegt – bis an den Rand des Plakativen. Andererseits zeigt sich vielfach, dass das Mörderische auch in der Sprache wurzelt. Gewalt ist nicht zuletzt ein „Sprach-Ding“.

Mordgelüste bis zum Slapstick: Szene mit (v. li.) Jens Harzer, Marina Galic und Stefan Hunstein. (Foto: Armin Smailovic)

Das großartige, durchweg gleichwertig ausbalancierte Schauspiel-Trio hält das Geschehen in der Schwebe oder im steten Wechsel zwischen Schauder und Groteske, punktuell werden auch ästhetische Mittel des Horrorfilms nicht gescheut. Überhaupt bewegt sich die Inszenierung zuweilen ganz stil- und formbewusst an einer bloßen Oberfläche, die allerdings schon genug Schrecken bereithält.

Zwischendurch treten die Drei öfter kurz aus ihren eh schon zersplitterten Rollen heraus und schauen verwundert auf sich selbst. Dann klingt es reichlich naiv und kindlich hilflos, wenn etwa Macbeth auf einmal vor der Untat Bedenken äußert: „Und wenn das schiefgeht?“ Auch gibt es Passagen, in denen Jens Harzer als Macbeth in eine Art Polit-Gelaber oder gefälliges Parlando verfällt, hinter dem die Morde quasi verschwinden sollen. Hat nicht seine Lady gesagt, er solle sich nichts draus machen und kein schlechtes Gewissen haben, sondern seine tyrannische Machtfülle lustvoll genießen? Hat sie ihn nicht auch mit sexueller Gier und Gunst ins irgendwann Unvermeidliche getrieben? Dazu wird zwischendurch auch schon mal eine Platte mit dem brünstigen Stöhn-Song „Je t’aime – moi non plus“ aufgelegt. Sex und Macht – ein weites Feld der Wechselwirkungen.

Ausblick auf eine Welt ohne Menschen

All das könnte schiere Einbildung sein und sich im Inneren eines mörderischen Hirns abspielen – mitsamt dem Geist des ermordeten Banquo, der Macbeth so schauderhaft erscheint. Ist vielleicht alles ein von den Hexen ins Werk gesetztes (oder auch nur amüsiert beobachtetes), blutiges Spiel der Sinnlosigkeit? Sogar die Massenmorde des 20. Jahrhunderts könnten schon gemeint sein, denn wenn einmal die Schranken des Gewissens gefallen sind, dann ist alles möglich. Shakespeare hat denn auch Sätze geschrieben, bei denen man zutiefst erschrickt; Sätze, die bereits mitten ins erkaltete Herz des Nihilismus führen, die manches an Dostojewski, Kafka oder Beckett vorwegnehmen. Das Bochumer Programmheft zitiert derweil Leute wie den Rapper Eminem und den Horror-Autor Stephen King. Das ganze Spektrum soll es sein.

Ins Allgemeine und Apokalyptische greift eine Videoeinspielung gegen Schluss. Wir haben erfahren müssen, dass auch der nächste Herrscher nach dem Tod von Macbeth seinen geköpften Widersacher kannibalisch fressen will. Und immer so weiter. Das Elend der grenzenlosen Gewalt hört nie auf. Selbst der monströse Macbeth war nur ein Beispiel von vielen. Und nun sind auf der Videowand Käfer und Raupen zu sehen. Vermeintlich niederes Getier. Einfach so. Nicht allzu fern liegender Gedanke: Es sind Geschöpfe, die nach dem Ende der Menschheit überleben und auf ihre Art weitermachen werden.

Der Rest ist Schweigen. Und Finsternis.

Riesenbeifall für alle Beteiligten, sodann stehende Ovationen. In Bochum wissen sie halt immer noch, was sie an ihrem Schauspiel haben.

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Die nächsten Vorstellungen: 13. Mai, 2., 11. und 14. Juni.

www.schauspielhausbochum.de

 

 

 




Bochumer Theaterpläne: Fleischfabriken, Abstieg in die Unterwelt – und endlich der „Macbeth“

Eingehende Beschäftigung mit Euripides, Büchner und Shakespeare: Intendant Johan Simons, hier bei der heutigen Bochumer Programm-Pressekonferenz. (Foto: Daniel Sadrowski)

Kürzlich kursierte im Netz das Schaubild über Anteile der vielfältigen Todesarten bei Shakespeare. Erdolchen stand mit 30 Fällen weit vorn, Ableben durch Schlangenbiss kam nur einmal vor, das finale „Einbacken in Kuchen“ immerhin zweifach. Wie ich darauf komme? Weil heute bekannt wurde, wann in Bochum eines der schaurigsten Shakespeare-Dramen, der wegen Corona immer wieder verschobene „Macbeth“ (Regie: Johan Simons), endlich Premiere haben soll: am 12. Mai 2023. We hope so.

Zur heutigen Spielplan-Pressekonferenz zogen Intendant Simons und Chefdramaturg Vasco Boenisch Zwischenbilanz. Auch nach (vorläufigem?) Abebben der diversen Corona-Wellen sei nicht das gesamte Publikum ins Theater zurückgekehrt. Offenbar hätten manche Menschen immer noch Angst vor Ansammlungen, hätten vielleicht keine Lust auf Kultur mit Maske – oder sie seien unsicher, ob man sich auch wirklich auf die Termine verlassen kann. Leider sei bei manchen Leuten das Bedürfnis nach Kultur doch nicht ganz so groß, wie man gehofft hatte, so Dramaturg Boenisch. Außerdem müssten nicht wenige verstärkt darauf achten, wofür sie ihr Geld ausgeben.

Ein wahrer „Tsunami“ der großen Themen

Dennoch sei eine große Sehnsucht nach Geschichten und Emotionen spürbar, wie sie so nur das Gemeinschaftserlebnis Theater bieten könne. Johan Simons beschwor die erhabenen Momente einer unglaublichen Stille, die es in besonders guten Aufführungen geben könne, wenn die Zuschauer gleichsam den Atem anhalten. Ansonsten, so Simons weiter, gebe es keine Ruhe mehr. Er sprach von einem wahren „Tsunami“ an ganz großen Themen, der (auch) auf die Theater einstürme – „wie eine Heimsuchung“: Krieg in der Ukraine, Pandemie, Klimawandel und so weiter. Mit welchen Produktionen reagiert das Bochumer Schauspiel darauf? Nun, wir wollen hier nicht alle 21 neuen Vorhaben nennen, sondern nur eine Auswahl. Here we go:

Titelseite des neuen Bochumer Programmheftes für die Spielzeit 2022/2023. (© Schauspielhaus Bochum)

Die erste Premiere der nächsten Saison wird für den 9. September angekündigt: die Uraufführung der Roman-Adaption „Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat“ nach Hervé Guibert (Regie: Florian Fischer). Am Beispiel der Aids-Epidemie in den 1980er Jahren geht es um existenzielle Fragen zwischen Liebe, Leben und Tod, wobei auch die Rolle der Pharma-Industrie in den Blick gerät. Parallellen zur Corona-Pandemie? Möglich wär’s.

„Alkestis“ vor 14000 Menschen – und dann im Schauspielhaus

Tags darauf, am 10. September, kommt eine deutsch-griechische Koproduktion auf die Bochumer Bühne, die zuvor in Athen Premiere hat, und zwar in einem Amphitheater für 14.000 (!) Zuschauerinnen und Zuschauer. Johan Simons setzt Euripides‘ Drama „Alkestis“ in Szene, wobei er in dem Riesenrund ganz anders zur Werke gehen muss als in Bochum, wo das Ganze auf menschliches Maß zurückgeführt wird. Hört sich sozusagen nach einer Herkules-Aufgabe an. Im Stück geht es jedenfalls darum, dass einzig und allein die Frau des Königs (Simons: „Ein Macho“) bereit ist, sich für ihn aufzuopfern, damit er weiterleben kann. Den Stoff hat Simons, der von einem Satyrspiel spricht, bereits als Oper (von Gluck) für die Ruhrtriennale behandelt.

Maxim Gorkis „Kinder der Sonne“, tragikomische Beschreibung einer gespaltenen Gesellschaft, kommt ab 7. Oktober ins Programm, zuständig ist die aus Slowenien stammende Regisseurin Mateja Koležnik. Es geht um elitäre Zirkel, die großspurig die Zukunft der Menschheit planen, aber nicht wahrnehmen, welche Dramen sich in der ärmeren Bevölkerung abspielen.

„Der Bus nach Dachau“ und eine „schamanistische Oper“

Am 5. November präsentiert die Toneelgroep Amsterdam (früher „De Warme Winkel“) das Kooperations-Projekt „Der Bus nach Dachau“. Niederländische KZ-Überlebende schicken sich an, den Ort des Schreckens Jahrzehnte später aufzusuchen. Dabei sollen deutsche Darsteller die Rollen von Holländern spielen – und umgekehrt. Daraus sollen sich (selbst bei diesem ernsten Thema der Erinnerungskultur) auch komische Momente ergeben. Johan Simons, der auch die Kunst des Rühmens wunderbar beherrscht, bescheinigt dem Toneelgroep-Kollektiv vorab „große kluge Ironie“.

Noch mehr Impulse aus den Niederlanden: Suzan Boogaerdt und Bianca van der Schoot (zusammen: BVDS) arbeiten an der Kreation „Underworld – A Gateway Experience“, die am 20. Januar 2023 in den Kammerspielen Premiere haben soll. Elemente der Performance und der Installation überschreiten bei ihnen die üblichen Mittel des Theaters ebenso, wie sie eine „transhumane Ästhetik“ jenseits des Menschlichen anstreben. Ihre Produktion fußt auf dem Mythos von Amor und Psyche und simuliert einen Abstieg in die Unterwelt – nicht zuletzt mit „feministischen Ritualen“. Vielleicht werden wir dann ahnen, was es damit auf sich haben könnte, ebenso wie mit der rätselhaften Gattungsbezeichnung „Schamanistische Oper“…

Am Fließband der Fleischindustrie

Weitaus alltäglicher muten die beiden folgenden Stoffe an: Am 4. März 2023 ist „Das Tierreich“ von Jakob Nolte und Michel Decar zu entdecken, ein Wort- und Bilderbogen des Erwachsenwerdens anhand eines Sommers, den eine Gruppe Jugendlicher erlebt. Regisseurin Friedrike Heller mag über die Koproduktion mit der Folkwang Universität der Künste nicht allzu viel verraten, eigentlich nur dies: Das zehn Jahre alte Stück gewinne erstaunliche neue Aspekte, so komme zum Beispiel ein Leopard-Panzer vor. Wundersames Tierreich, fürwahr.

In scheußliche Untiefen der Arbeitswelt führt das Stück „Am laufenden Band“ (Premiere am 24. März 2023) – alles andere als Unterhaltung à la Rudi Carrell, dessen Erfolgssendung einst so hieß. Vielmehr geht es um Fließbandarbeit in Fleischfabriken. Bestimmt kein Fehler, dass sich das Theater auch wieder einmal solchen Themen widmet.

Weitere Stücke werden noch gesucht. In der Findungsphase ist u. a. eine Produktion, in der Sandra Hüller und Gina Haller (die den Bochumer „Hamlet“ geprägt haben) gemeinsam auftreten sollen. Der Termin steht schon fest: 3. März 2023.

Büchners „Woyzeck“ noch mehr fragmentieren

Wir steuern die Schlusskurve an – und finden einen Giganten des Theaters: Georg Büchner, dessen „Woyzeck“ erstmals am 9. April 2023 auf dem Spielplan steht. Auch diese Inszenierung hatte schon andernorts Premiere – in Wien, mit dessen Burgtheater man kooperiert und wo es zwei der begehrten Nestroy-Preise für die Regie (Johan Simons) und Steven Scharf als besten Schauspieler gab. Es ist bereits Simons‘ dritte Auseinandersetzung mit dem schier unergründlichen Fragment. Oft sei versucht worden, die recht kurzen Bruchstücke mit anderen Texten „anzureichern“. Simons hingegen will einen gegenläufigen Weg einschlagen: noch mehr fragmentieren, noch mehr weglassen – und dafür langsamer spielen, auch mit deutlichen Pausen. Die unvergleichliche Kraft von Büchners Sprache (Simons: „Er schreibt Sätze, mit denen man sich tagelang beschäftigen kann.“) trage auch über Wartezeiten hinweg. Schauplatz des eigentlich todtraurigen Stückes ist eine Zirkus-Arena. Woyzeck agiere darin wie jener Clown, der vorne mit den Händen aufbaut und mit dem Hintern wieder einreißt. Simons: „Bei ihm geht alles schief.“

Der Kartenvorverkauf für die nächste Spielzeit beginnt am 10. August 2022. Ausführliche Infos: www.schauspielhausbochum.de

 

 

 




Warten auf Macbeth – Schauspielhaus Bochum plant eine zweite Saisonhälfte in Omikron-Zeiten

Bochums Intendant Johan Simons (links) und sein Chefdramaturg Vasco Boenisch stellten das Programm für die zweite Hälfte der Spielzeit 2021/2022 auf einer Video-Pressekonferenz vor. (Foto: Daniel Sadrowski/Schauspielhaus Bochum)

„Das schaffen wir nicht“, hat Johan Simons immer deutlicher gespürt, „das bekommt nicht die Qualität, die es haben muß“. Und deshalb wird die Premiere der Macbeth-Inszenierung des Bochumer Intendanten ein zweites Mal verschoben. Vorgesehen war sie für Freitag, 28. Januar, das neue Datum steht noch nicht fest. „Ich mußte einfach diese Entscheidung treffen“, legt Johan Simons nach, und natürlich hieß und heißt der Grund für die Verschiebungen Omikron. Auch den Chef selbst hatte es erwischt, er hat es gut überstanden, aber viel Zeit ging verloren.

Er macht weiter und weiter und weiter

Also Macbeth: Auf dieser Spielzeit-Pressekonferenz spricht Simons von seinem Projekt mit einer Ernsthaftigkeit, die im Theater nicht mehr selbstverständlich ist. Das Prototypische an diesem Shakespeare-Schurken hat es ihm angetan, der zutiefst menschliche Drang, zu beherrschen, unbeschränkt, gewalttätig. Nach dem ersten Mord fällt der nächste schon nicht mehr so schwer, „wenn er einmal angefangen hat, macht er weiter und weiter und weiter“.

Die Menschheitsgeschichte ist reich an monströsen Despoten wie Macbeth, und das Theater ist der geeignete Ort, sich mit ihnen zu befassen. Aber die Erwartungen an Johan Simons’ Bochumer Inszenierung sind deshalb besonders hoch, weil Ensemble-Star Jens Harzer den Macbeth spielt, jener oft etwas abwesend, etwas träumerisch wirkende Mime, den man auch aus dem Fernsehen kennt und der im Bochumer „Iwanow“ 2020 Schauspielkunst von höchster Güte zeigte. Harzer ist ein Typ, ist immer derselbe, wie bei aller Wandlungsfähigkeit auch Lars Eidinger oder Joachim Meyerhoff, um einmal zwei weitere Größen zu nennen, immer dieselben sind, keine Rollenspieler eben. Paßt das? Was für ein Macbeth wird Jens Harzer sein?

Schwarzes Loch

Jens Harzer, hier als Iwanow in Johan Simons‘ gepriesener Inszenierung. (Foto: Monika Rittershaus/Schauspielhaus Bochum)

„Das ist ein Blick in ein schwarzes Loch“, gibt Johan Simons zur Antwort. „Wird er nachvollziehbar?“ setzt sein Chefdramaturg Vasco Boenisch nach. Nach einer langen Pause sagt Simons „Ja“. Und fügt als gleichsam letzten Satz noch an: „Wie jemand zum Morden kommt, ich selber kenne es nicht. Gewalt sieht eigentlich scheußlich aus, aber im Theater…“ Wir sind sehr gespannt.

Maja Beckmann gastiert

Die weiteren Ankündigungen auf dieser Spielplan-Pressekonferenz sind weniger spannend. Zu den schöneren Nachrichten zählt auf jeden Fall, daß Maja Beckmann mal wieder nach Bochum kommt. Etliche Jahre war sie im Bochumer Ensemble, man erinnert sich an sie noch gerne in Stücken wie „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ nach dem Film Aki Kaurismäkis oder Elmar Goerdens eigenwillige Einrichtung von Shakespeares „Wie es euch gefällt“. Sie hatte so ihre eigene Art, auf die Fresse zu fallen (ja, wirklich!), ohne daß dies erkennbare Spuren hinterließ, außerdem ist sie die Schwester von Lina Beckmann, die am Hamburger Deutschen Schauspielhaus wirkt, als „Richard the Kid and the King“ in Salzburg umjubelt wurde und mit Charly Hübner verheiratet ist. Maja Beckmann, um auf sie zurückzukommen, ist jetzt in Zürich engagiert, und das Züricher Theater wird sechs Mal in Bochum mit Christopher Rüpings „Einfach das Ende der Welt“ zu Gast sein, erstmalig am 3. Februar. Die Geschichte dreht sich um einen jungen Künstler, der sterbenskrank in die Kleinstadt seiner Kindheit zurückkehrt und dort, statt über sein baldiges Ableben berichten zu können, einen heftigen Kulturschock erleidet.

Die erste „Hermannsschlacht“ seit Peymann

Überhaupt, äußerst jugendlich ist es hier überall, und ohne Musik, so scheint es, geht gar nichts. Intendant Simons kommt einem da fast vor wie der gütige Opa, der milde über die Nachgeborenen wacht und sie in seinem Theater an ganz langer Leine laufen läßt. Aber ob immer Gutes dabei herauskommt? Viele Ankündigungen, wie gesagt, vermögen nicht wirklich zu überzeugen. Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ gibt es (auch aus Zürich) als Zweipersonenstück mit Musik, Kleists „Hermannsschlacht“, an die sich in Bochum seit Peymanns Zeiten keiner mehr herantraute, erfährt humoristische Berücksichtigung mit Minimalbesetzung und viel poppiger Musik. Es gibt Theater, das von einem jungen Fußballer erzählt und konsequenterweise in den Vereinsheimen von Fußballvereinen aufgeführt werden soll (auch im Dortmunder Fußballmuseum), es gibt ein Bevölkerungsprojekt mit Laien, das polnischen und türkischen Migrationshintergrund reflektieren soll, außerdem einiges im Jugendbereich in der Prinzregentstraße. Interessierten sei die Internetseite des Bochumer Schauspielhauses sowie die durchaus beeindruckend geratene Programmzeitung empfohlen, die vielerorts ausliegt.

Grönemeyer muß warten, Simons will bleiben

Was es übrigens bis auf weiteres nicht geben wird, ist das einst vollmundig angekündigte Grönemeyer-Projekt. „Nicht bei Pandemie“, vermerkt der Chef einsilbig. Und dann wird Johan Simons noch gefragt, was er von einer Vertragsverlängerung in Bochum hält. „Aber gerne“, sagt er einfach. Der Rat entscheidet demnächst über weitere drei Jahre Intendanz.

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Schauspielhaus Bochum: Wie Rennpferde vor dem Start

Bochums Schauspiel-Intendant Johan Simons (li.) und Chefdramaturg Vasco Boenisch bei der Spielplan-Vorstellung. (Foto: Daniel Sadrowski)

Im September soll’s endlich wieder losgehen – wahrhaftig mit echten Publikumsvorstellungen am Schauspielhaus Bochum. Garantien gibt es dafür freilich nicht, wie Chefdramaturg Vasco Boenisch bei der Online-Pressekonferenz zum Spielplan vorsichtig einschränkt. Doch Intendant Johan Simons und sein Team verspüren nach eigenem Bekunden eine „neue Intensität“ und Spiellust, beinahe wie Rennpferde stünden sie am Start.

„Mit dem Mut der Verzweiflung“ habe man während der Pandemie gearbeitet und fleißig geprobt. Jetzt aber gelte das Spielzeitmotto: „Türen auf, Köpfe auf, Herzen auf – Unlock statt Lockdown“. Denn ohne Publikum sei kein wirkliches Theater möglich. Und weiter geht’s im Überschwang: Wie eine „Umarmung“ solle Theater sein, befindet Johan Simons, das Bochumer Schauspielhaus sei schon so gebaut, dass man sich umfangen fühle. Überhaupt sei es die schönste Bühne der Welt. Uiuiui!

„Das neue Leben“ nach der Krise

Zum Spielplan hier einstweilen nur ein paar Stichpunkte:

Programmatisch klingt gleich der Titel der ersten Inszenierung der kommenden Saison (Premiere am 10. September), sie heißt „Das neue Leben“ und soll inspiriert sein von Dante Alighieri (Frühwerk „Vita Nova“), aber auch von den Pop-Größen „Meat Loaf“ und Britney Spears. Gemünzt auf die aktuelle Lage, werde die Frage verhandelt, wie man nach Krisen ein neues Leben beginnt.

Weitere Produktionen umkreisen Themenfelder wie Neoliberalismus und Klassenkampf („Wer hat meinen Vater umgebracht“ nach Édouard Louis, ab 31. Oktober), die Frage, was eigentlich „normal“ sei („Das Gespenst der Normalität“ von Saara Turnunen, ab 11. September) oder den postkolonialen Umgang mit Rassismus, Schuld und Rache („Schande“ nach J. M. Coetzee, ab 30. Oktober).

Schwergewichte der Weltliteratur stehen mit Knut Hamsuns „Mysterien“ (17. September) und Shakespeares „Macbeth“ (21. Januar 2022) auf dem Plan, beide Stoffe werden von Johan Simons in Szene gesetzt, der im „Macbeth“ mit seinen Hexen-Szenen finstersten Voodoo am Werke sieht. Und Hamsun, der zum Nazi-Anhänger gewordene Nobelpreisträger? Der werde in der Inszenierung nicht so ohne Weiteres davonkommen, deutet Simons schon mal an.

Fußball-Stück in Vereinsheimen, Berichte aus dem Liebesleben

Auf den ersten Blick alltagsnäher: „All the Sex I’ve Ever Had“ (ab 18. September), wobei sechs Ruhrgebiets-Menschen jenseits der 65 aus ihrem erotischen Leben erzählen, oder auch „Nicht wie ihr“, Story eines serbischen Fußballers, die ab 23. Januar 2022 in Bochumer Vereinsheimen gegeben wird.

Wenn wir schon beim Fußball sind: Johan Simons ist drauf und dran, sich eine Dauerkarte für den VfL Bochum zu besorgen, der just in die erste Bundesliga aufgestiegen ist. Es besteht Hoffnung, dass die Bochumer Bühne quasi in derselben Klasse spielen wird.

Die Revierpassagen werden demnächst ausführlicher auf den Bochumer Spielplan zurückkommen.

Infos: www.schauspielhausbochum.de




Verdis „Macbeth“ in Essen: Das Drama der lebenden Toten verläuft sich in Bildern

Gun-Brit Barkmin als Lady Macbeth in Essen. Foto: Matthias Jung

Gun-Brit Barkmin als Lady Macbeth in Essen. Foto: Matthias Jung

Ein kleiner Erdhügel zu den gläsernen punktierten Zweiunddreißigsteln des Vorspiels von Verdis „Macbeth“. Ein Grab. Zwei Menschen nähern sich ihm, Lilien in den Händen. Der Fortissimo-Sturm der scharf akzentuierten Bläser bricht los. Unter der Bühne kracht und knallt es; ein riesiger Baum reißt sich los, kämpft sich hinauf in den dunklen Himmel, als starte ein monströses Raumschiff. Die Wurzeln triefen zu Boden – dorthin, wo sich ein kreisrunder Schlund geöffnet hat.

Mit einem spektakulären Bild werden die Zuschauer im Essener Aalto-Theater von Bühnenbildner Christof Hetzer in Verdis abgründige Tragödie hineingestoßen. Baum und Grab – Symbole für Leben und Tod – bilden die zentralen Motive der Bühne; Abgrund und Brücke treten dazu: Hetzer baut über den manchmal schwarz starrenden, manchmal trüb beleuchteten Krater einen Steg wie aus einem jener schwarzweißen, gruseligen Gothic-Krimis, in denen sich das Abgründig-Menschliche und das Unheimlich-Übernatürliche auf geheimnisvolle Weise verbinden.

Herbstblätter bedecken die weite Fläche der Bühne. Ein riesiger Raum, in dem die Figuren oft verloren wirken – wie hinausgeworfen in eine Welt in Dunkelheit oder Zwielicht, in der sie keine Orientierung finden. Nur die Gräber sind Bezugspunkte: ein erdiges Kindergrab und ein alter Sarkophag aus rissig-moosigem Stein. Dorthin werden die Toten gekippt. Dort stirbt Macbeth, noch lebend schon im Grabe, mit seinen letzten Worten die Krone von sich werfend.

Kinderlosigkeit löst den blutigen Machttrieb aus: Tommi Hakala am Grab. Ein gestorbenes oder nie geborenes Kind? Foto: Matthias Jung

Kinderlosigkeit löst den blutigen Machttrieb aus: Tommi Hakala am Grab. Ein gestorbenes oder nie geborenes Kind? Foto: Matthias Jung

Das Motiv der lebenden Toten ist auch für David Hermann in seiner Inszenierung ein entscheidendes: Wenn der König die Schotten für jenes fatale Fest versammelt, auf dem ihn der Geist des ermordeten Banco in Angst und Wut entrückt, scheint er längst selbst zum Totenreich zu gehören: Er spricht mit den Ermordeten, die wie lebensgroße Marionetten auf dem Sarkophag hocken, lässt sie wie Handpuppen sprechen und nicken, echauffiert sich, als eine der Gestalten zusammenklappt. Ein grotesk-makabres Theater, von dem die Menschen um ihn herum keine Notiz nehmen. Wie bei einem Picknick in Glyndebourne sitzen sie im Herbstlaub, speisen aus geflochtenen Körben, lassen sich von Macbeth ohne Reaktion die Weinflasche wegnehmen. Mit der realen Welt hat das mörderische Königspaar nichts mehr zu tun – es ist längst in seine eigene Horrorwelt hineingestorben.

Das ist alles sehr klug, sehr konsequent und sehr detailreich erfunden – und lässt dennoch auf seltsame Weise unberührt. Vielleicht, weil uns diese Wiedergänger-Geschichte nicht interessiert. Weil die Spannung zwischen der Welt der Lebenden und der Toten im allumfassend leblosen Raum aufgelöst wird. Weil der humane und der politische Aspekt des Stücks wegsymbolisiert, wegpsychologisiert wird. Oder auch, formal argumentiert, dem spektakulären Baumstart zu Beginn szenisch nicht mehr viel folgt.

Ein riesiger Baum reißt sich los, kämpft sich hinauf in den dunklen Himmel. Foto Matthias Jung

Ein riesiger Baum reißt sich los, kämpft sich hinauf in den dunklen Himmel. Foto Matthias Jung

Die Hexenchöre schallen aus der unbestimmten Dunkelheit; die Erscheinungen im dritten Akt sind ein beziehungsreicher, aber szenisch läppisch gelöster Aufmarsch schwangerer Frauen. Das Bild des leidenden Volkes zu Beginn des vierten Aktes – der Chor schiebt sich durch den Zuschauerraum nach vorne – bleibt stumpf; die blutigen Kinderleichen um den Sarkophag auf der Bühne wirken dazu wie ein zu billig geratener Schockeffekt. Auch die zwei Zeit-Ebenen, durch Hetzers Kostüme gekennzeichnet, helfen nicht wirklich weiter.

So spitzt sich das Drama nicht zu, sondern verläuft sich eher in den Bildern. Ein Grund mag sein, dass Hermann mehr auf die sorgfältig gesetzten symbolischen Gesten setzt als auf eine sprechende Personenführung. Der glänzende Handschuh, den Macbeth vom Arm des toten Duncan streift – ist es „la man rapace“, die „räuberische Hand“, die er gegen seine erklärte Absicht dann doch erhebt? Wenn Macbeth den toten Banco mit einer Lilie peitscht – ist es eine Chiffre für den verzweifelten Hass auf den Mann, der Kinder hat? Kleine Jungs in Anzügen plagen den König – sind es die drohenden Nachkommen Bancos?

Die Videos von Martin Eidenberger, projiziert auf den massiven Mauerwürfel, der sich einige Male über die Szene senkt, schaffen in der Hexenszene des dritten Akts eine deutende Bild-Ebene, sind aber an anderer Stelle aber banal: eine rote Hand etwa, oder kaleidoskopartige Muster. Wir sehen eine Inszenierung, die das Stück nicht verschenkt, die viel Reflexion und Dramaturgen-Subtext integriert, aber als Theater die Spannung nicht hält, die Aufmerksamkeit nicht durchgehend fesseln kann. Kein missglückter, aber auch kein rundum überzeugender Auftakt der neuen Ära am Aalto-Theater.

Einstand mit "Macbeth": Tomás Netopil, der neue Chefdirigent der Essener Philharmoniker. Foto: TUP

Einstand mit „Macbeth“: Tomás Netopil, der neue Chefdirigent der Essener Philharmoniker. Foto: TUP

Mit Spannung erwartet wurde den Einstand des neuen GMD Tomáš Netopil in der Oper: Kurz gesagt, war es ein glückliches Debut. Netopil bewies, was sich bereits in Verdis „Missa da Requiem“ im Sinfoniekonzert angekündigt hatte: Er hat die Sensibilität für Verdis musikalisch-dramatische Orchestersprache, für den klugen Aufbau dynamischer Großstrukturen, für das behutsam ausgeformte Detail, für die rhythmische Prägnanz und den erfüllten Duktus der Melodie. Dem Finale des Ersten Akts etwa gibt er den agogisch gestalteten, inneren rhythmischen Drang, der sich in der sicher angesteuerten Entladung befreit.

Die Philharmoniker lassen kaum etwas zu wünschen übrig, sind auf dem Punkt, wenn es um die Einfärbung des Klangs durch gekonnte Balance der Instrumente geht, um die Schärfe punktierter Rhythmen oder den wuchtigen Tutti-Zugriff, gestützt von prachtvollen Blechbläsern. Was sich noch entwickeln muss, sind die Finessen des Ausdrucks: Die „tinta“, die Verdi haben will, jene im Falle des „Macbeth“ dunkel verschattete Orchesterfarbe, die fahlen Klänge, die erstickten, halb unterdrückten Laute, die unwirklichen, atmosphärisch entrückten Momente, bleiben bei Netopil noch zu neutral. Und im Vorspiel schlittert er aus einer zu stark angezogenen Bewegung in ein nicht unheimlich-majestätisches, sondern schleppend langsames Tempo. Auch die kruden Striche waren überflüssig und ärgerlich: So etwas sollte sich Netopil gleich gar nicht angewöhnen.

Eine reife Leistung darf man Alexander Eberles Chor attestieren: Tönten die Hexenchöre anfangs zu lyrisch-brav aus dem Off, entwickelte sich der Klang ab dem Sextett mit Chor zu prachtvoller Größe. Die Solisten geben dagegen nicht nur Anlass zum Glücklichsein. Gun-Brit Barkmin als Lady wird mit den Anforderungen ihrer Riesenpartie in punkto Beweglichkeit und psychologischer Differenzierung anstandslos fertig. Aber die Stimmfarbe ist sehr hell und schwer zu verschatten. Ihre Piano-Skala lässt sich weit auffächern, aber das hohe b, mit dem sie im Sextett über den Chor kommt, klingt gellend und scharf. Außerdem neigt Barkmin dazu, in die Sprechstimme zu wechseln, nähert sich veristischen Ausdrucksmitteln, die sie auch in ihrer Wahnsinnsszene einsetzt, statt mit der Stimmfarbe zu spielen.

Auch der Macbeth des finnischen Baritons Tommi Hakala flattert unzureichend gestützt, wird immer wieder in der Höhe eng, verliert den Kern des Klanges. Doch in der finalen Szene, als Macbeth allen Sinns verlustig mit seiner Krone auch sein Leben wegwirft, läuft Hakala zu großer Form auf: Diesem unterdrückten, stammelnden Absterben des Tones, das Verdi in seinem höchst expressiven Schluss des „Macbeth“-Ursprungsfassung von 1847 fordert, entspricht der Sänger voll und ganz. Hätte er nur für die kantablen Szenen dieselbe Solidität. Aber dort, wo sichere Technik gefragt ist, kommt Hakala ins Schwimmen.

Für Alexey Sayapin, neues Ensemblemitglied, als Macduff gilt das nicht. Er demonstriert in seiner Arie eine versierte Beherrschung seines Tenors – die ihm in den dünn gequäkten Tönen des Finales wieder fehlt. Was Sayapin nicht hat, ist der flutende, freie Klang, der den traditionell geschulten, heute selten gewordenen italienischen Tenor auszeichnet. Die Stimme sitzt zu fest, der Klang wird nicht entspannt gebildet.

Ein Gewinn für Essen ist der Bass Liang Li: Eine voluminöse, aber beherrschte Stimme, reich an Farben und fähig, sie auch flexibel einzusetzen; ein meist kontrolliertes Vibrato und eine schmelzende Legato-Linie. Ein mustergültiger Banco. Marie-Helen Joël bewährt sich erneut erfreulich als Kammerfrau der Lady, die von Macbeth ebenso gemeuchelt wird, ebenso wie der in seinen wenigen Sätzen schönstimmige Arzt (Baurzhan Anderzhanov). Abdellah Lasri kann als Malcolm problemlos Tenor-Paroli bieten. Die erste Premiere unter Intendant Hein Mulders ist mehr als ein Versprechen, noch nicht ganz eine Erfüllung, signalisiert aber den Elan, mit dem sich das neue Team am Aalto die Zukunft erobern will. Nur zu!




Das Böse ist nur ein Gaukelspiel – Lisa Nielebock inszeniert Shakespeares „Macbeth“ in Bochum“

Bochum. In Shakespeares „Macbeth“ geht es wahrlich archaisch und blutig zu, doch das Grundmuster kommt einem gar nicht mal so unglaublich fremd vor: Lady Macbeth, jene krankhaft machtsüchtige Gattin, stachelt ihren Mann an, alle möglichen Widersacher auf dem Weg zur Königsherrschaft beiseite zu schaffen. Der anfangs skrupelhafte Macbeth steigert sich in Rausch und Wahn hinein. Und wie deutet die junge Regisseurin Lisa Nielebock die Tragödie in Bochum?

Die Bühne (Kathrin Schlecht) ist leergefegt. Nur ein paar metallische, mit Kletter-Gestänge und Türen versehene Säulen ragen da hoch auf. Reichlich Platz also, auf dem sich Phantasien und Phantome ausbreiten können. Und so geschieht’s: Wir erleben vorwiegend Geisterspiele, Alpträume, irrlichternde Kopfgeburten. Und zwar hurtig. In weniger als zwei Stunden ist die ganze Sache gespenstisch abgetan. Auch das abgründig Böse ist letztlich nur ein Gaukelspiel.

Branchenübliches, gewiss nicht mehr provokantes Verfahren: Der Text (Übersetzung von Thomas Brasch) ist zwar nicht vollends skelettiert, wohl aber arg gekürzt und teilweise umgeschichtet worden. Etliche Satz-Bruchstücke von abwesenden Nebenfiguren werden hier auf eine neue Gestalt namens „Ein Nichts“ (Agnes Riegl) gehäuft, die gleichsam als Göre den ruhelosen Kobold der Inszenierung gibt, doch auch den Jammer bis ins Opernhafte treibt. Jedenfalls: Das Nichts ist hier ein steter Gast, als sei’s ein Endzeit-Stück von Beckett.

Der Wille zur Kürze verlangt Opfer, zumal von den zuweilen ins Konzept gezwängten Darstellern. Sehr unvermittelt muss Lady Macbeth (Lena Schwarz) nach den ersten Mordtaten dem Wahn anheimfallen. Eben noch intrigant, jetzt schon nicht mehr zurechnungsfähig. Macbeth (Martin Rentzsch), von Beginn an mit blutigen Händen, hat seine verstörendste Vision (der Geist des ermordeten Banquo erscheint ihm auf schauderliche Weise) hier nicht etwa beim wirklichen Bankett. Die Gäste sind als Geisterschar nur imaginär vorhanden.

Fast schon mit kühlem ärztlichen Interesse konzentriert man sich also ganz auf Raserei und Hirnfraß. Alles gar zu offenkundig Gesellschaftliche wäre demnach wohl nur schnöde Ablenkung. Derweil scheint die Erotik des mörderischen Herrscherpaars längst erloschen, sie ist nur noch schemenhaft als dunkle, untergründige Triebkraft zu ahnen. Es ist wie bei Kindern, die mit aller schreienden Unbedingtheit ihren Willen haben wollen.

Kein Wunder, dass die drei Hexen mit ihren doppeldeutigen Prophezeiungen hier häufig, ja nahezu penetrant präsent sind. Sie geben Takt und Melodie vor, wenn sich die naturwidrige Apokalypse entfaltet. Freilich gerät das ganze mitunter ein wenig zum Budenzauber. Da maunzt und jault es auch schon mal unfreiwillig komisch. Doch zwischendurch erklingen teutonisch tiefernst die in deutschen Theatern immer gern gewählten „Einstürzenden Neubauten“ – mit der Zeile „Sehn-Sucht ist einzige Energie“. Es muss wohl etwas dran sein, man hätte allerdings gern noch etwas mehr davon erfahren.

Der einstige König Duncan (Klaus Weiss) war wie ein gutmütig verwirrter Onkel. Sein Sohn Malcolm (Marco Massafra), der schließlich nach dem Tod des Usurpators Macbeth die Königswürde erbt, kommt als routinierter Rhetoriker ohne sonderliche Moral oder Sehnsüchte daher. Er könnte ein gewiefter Politiker aus neueren Epochen sein. Doch anders als im Stück bereiten die Hexen auch ihm schon das Menetekel. Es fällt Schnee auf ihn herab. Kältere Zeiten.

Sehr herzlicher Beifall nach Bochumer Art, vereinzelte Buhrufe.

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Zur Person

  • Die Regisseurin Lisa Nielebock wurde 1978 in Tübingen geboren.
  • Nach einigen Jahren als Schauspielerin in der Freien Theaterszene (Tübingen, Stuttgart, München) studierte sie Regie an der Folkwang-Hochschule in Essen.
  • Es folgten diverse Regie-Assistenzen, etwa am Bayerischen Staatsschauspiel in München und bei den Ruhrfestspielen.
  • Seit 2005 ist sie als Hausregisseurin am Schauspielhaus Bochum engagiert.
  • Dort inszenierte sie u.a. Sarah Kanes „Phaidras Liebe“ und Henrik Ibsens „Gespenster“. Besonderen Zuspruch fand ihre Bochumer Deutung von Kleists „Penthesilea“.

(Der Beitrag stand am 9. Juni 2008 in der „Westfälischen Rundschau“)




Macbeth auf der Suche nach dem Kick – Intendant Johannes Lepper inszeniert Shakespeare im Schlosstheater Moers

Von Bernd Berke

Moers. Überall wabert der Bühnennebel, und die Scheinwerfer leuchten so schockfarbig wie in einem Rock-Schuppen der frühen 70er Jahre. Es scheint, als hätte man Shakespeare mitsamt seinem „Macbeth“ unter Drogen gesetzt.

Fremder und ferner als Shakespeares elisabethanisches Zeitalter kommt einem dieser Einstieg im Schlosstheater Moers vor. Die Stimmen der Hexen, die Macbeth auf magisch-doppeldeutige Art den Aufstieg zum Königtum prophezeien, ertönen mit Verzerrer und Echo-Hall. Sodann verheißt der alte Beatles-Song „For the Benefit of Mr. Kite“ eine bizarre Show mit allseits garantiertem Vergnügen. Um im Genre zu bleiben: sozusagen „Best of Macbeth“ mit ein paar BonusTracks. Yeah!

Hausherr Johannes Lepper (auch Bühnenbild) hat das blutige Drama von der entgrenzten Machtgier tatsächlich inszeniert, als sei’s eine Show-Improvisation, eine mal lässige, mal überdrüssige, mal hysterisch aufwallende Probe aufs bereits tausendfach in Theatern gespielte Exempel.

Sie streiten wie im Kasperletheater

Seine nicht immer trefflichen Bilder sucht und findet dieser „postmoderne“ Zugriff zwischen Rock und Pop, Horror- und Gruftie-Ästhetik, Pornofilm und Variété, Comic und Hollywood-Kitsch. Sogar ein Bingo-Spielchen gehört zum Repertoire. Gewiss: Die winzige Bühne erlaubt keinen Panorama-Stil,. keine weitläufigen Aktionen, sie nötigt zum theatralischen „Tunnelblick“, zum (womöglich frechen) Konzentrat.

Offenbar haben alle Darsteller „Hier!“ gerufen, als es an die Besetzung der Hauptrollen ging. Lepper hat ihnen die Gunst erwiesen. Er lässt den Macbeth gleich von drei Schauspielern (Mike Hoffmann, Frank Wickermann, Jeffrey Zach) geben und verteilt die blutrünstige, ihren Gemahl zu etlichen Morden aufstachelnde Lady Macbeth auf zwei Damen (Stella-Maria Adorf, Sabine Wegmann).

Erst Athlet, dann Hänfling, dann Berserker

Aus dieser Mehrfach-Besetzung erwächst eher ein sich abnutzender Effekt als wahrer dramaturgischer Ertrag: Macbeth taucht zunächst als aggressiver Athlet auf, sodann als flatternd nervöser Hänfling, schließlich als wahnwitziger Berserker. Man könnte derlei Wandel auch spielen, doch hier herrscht Körper-Wechsel. Jede Identität ist eben dahin. Nun ja, so mag es denn zeitgemäß sein.

Mit seinen Armen imitiert Macbeth immer wieder angriffslustigen Flügelschlag, und er stoßt die Drohrufe eines Erpels aus. Ein Inbild der Gewalt-Anmaßung. Lady Macbeth, in ein blutrotes Kleidchen gehüllt und immerzu einen roten Ball in den Händen, tollt mit ihm zuweilen wie ein unartiges Kind umher. Dann wieder treiben sie’s gar ruppig. So sucht man den tierischen Kick, so geilt man sich auf zur nächsten Untat.

Und immer wieder hauen sie einander mit aus Zeitungen gekniffelten Papier-Pritschen, als würde Kasperle aufs böse Krokodil eindreschen. Da kann auch der edle König Duncan nur noch den lächerlichen Popanz im Schottenrock mimen.

Huldigungen nach Art eines Disney-Films

Und nicht etwa der gütige Malcolm wird am Ende neuer Regent, sondern Macduff nimmt, nachdem er Macbeth erstochen hat, die Huldigungen entgegen – bonbonbunt beleuchtet wie in einem Disney-Streifen. Merke: Mord ist Macht, und Macht ist Mord. Und die Show geht weiter.

Im Grunde aber sind all diese Gestalten nur bleiche Wiedergänger. Auf einem Bildschirm huschen zudem ihre flüchtigen Schatten einher. Vom Piano tröpfeln derweil melancholische Akkorde.

Etwas haltlos schien bisweilen die Inszenierung in ihrem Jux, aber auch in ihrem ernsten Drang. Doch selbst das Geschrei, in dem manche Textstelle markig hervortrat, manch andere jedoch unterging, scheint letztlich geisterhaft zu verwehen. Genau da horcht man plötzlich auf.




Mordgelüste – eine alltägliche Krankheit / Shakespeares „Macbeth“ beim Theaterpathologischen Institut in Hattingen

Von Bernd Berke

Hattingen. Die obszönen Hexen schänden ein Kreuz, ein bluttriefender Krieger dient als Lustobjekt, sein Kampfschwert desgleichen. Kein Zweifel: Wir befinden uns im „TPI“, im „Theaterpathologisehen Institut“ des Roland Reber zu Hattingen an der Ruhr.

D o c h Zweifel! Denn mit besagten Szenen hat die Truppe nur jene Erwartungshaltung ironisch zitiert, mit der ein Gutteil der Zuschauer zur „Schulenburg“ gepilgert sein mag. Schließlich war Shakespeares „Macbeth“ (Titelrolle: Reber) angesagt, dessen diverse Metzeleien um den schottischen Königsthron das Ensemble wahrlich mühelos in eine seiner berüchtigten Gewaltorgien hätte umsetzen können. Es kommt aber alles ganz anders, nämlich über weite Passagen so bieder, als müsse man ein kreuzbraves Publikum beschwichtigen.

Der TPI-Chef hat für dieses Projekt sein Ensemble um einige Bühnenlaien verstärkt. Das merkt man. Streckenweise ist die vollständig mit lehmigklumpigem Erdreich bedeckte, „L“-förmige Bühne Schauplatz von „Schülertheater“. Die tragenden Rollen sind hingegen diskutabel besetzt.

Der Untertitel lautet „Die vom Tod Befallenen“. Tatsächlich grassieren Mordlust und ihre Begleiterscheinungen hier als eine alltägliche Krankheit, fast einem Schnupfen vergleichbar. Das zynische Endlos-Spiel der Macht spielen nämlich ausnahmslos alle mit. Bereits Banquos Söhnchen bedroht den alten König Duncan (Thomas Rech als kümmerlich-lächerlicher „Papiertiger“) hinterrücks mit dem Schwert, was sein Papa, der im Grunde auch keine edleren Gedanken hegt, grad mal mit einer Backpfeife quittiert.

Keinesfalls ist Macbeth allein der große Usurpator. Höchstens ist er derjenige, der den tödlichen Intrigen noch die meisten Gelegenheiten zu ausgiebiger Theatralik abgewinnt – sei es, daß er alle Geschehnisse demonstrativ auf die leichte Schulter nimmt, sei es, daß er gestenreich vorgibt, monumentale Wahnsinnsanfälle zu haben. Am Ende findet er in Macduff, dem die Hexen unheilvollen Ehrgeiz einflüstern, einen mutmaßlich ebenbürtigen Nachfolger.

Bei genereller Zurückhaltung wirken einige Regieeinfälle desto greller – so der Auftritt eines öligen Muskelmanns, so verschiedene pyrotechnisch-circensische Effekte, so die Sturzflut von Tischtennisbällen, die zum Schluß eine Treppe hinabprasselt und das Geräusch des Beifalls vorwegnimmt. Schließlich Banquos Geist, der – was eigentlich verpönt sein sollte – körperlich erscheint. Solche Ideen liegen oft dicht an der Geschmacksgrenze (was der Aufführung gar nicht einmal zum Nachteil gereicht). Daß aber Macbeth’s Widersacher das Horst-Wessel-Lied anstimmen, kommt für meine Begriffe denn doch zu unvermittelt.

Warum diesmal „großes“ Theater beim TPI? Vermutlich wollte sich Reber – es ist seine erzwungenermaßen letzte Theaterproduktioft in Hattingen – einen beeindruckenden Abgang verschaffen, um andernorts Fürsprecher zu finden. Müßte er ganz aufgeben, wäre das Revier um einen kulturellen Reibungspunkt ärmer; man mag zu seiner Arbeit stehen, wie man will.




Mit Gebrüll ins Unvermeidliche – Pavel Mikulastik inszeniert „Macbeth“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Auf der Bühne ein Schlachtfeld, „verbrannte Erde“. Im Hintergrund liegen nackte Stilpuppen mit grotesk verrenkten Gliedern. Dem Bösen ist von Anfang an buchstäblich „der Boden bereitet“, als zehn Männer in Zivil die Szenerie betreten.

Diese „Einberufenen“ entnehmen ihren Plastiktüten Militärhosen und stehen einander bald als „blaue“.und „rote“ Partei gegenüber. Sie wollen weinen, sich verbrüdern, aber das Gemetzel findet doch statt. Wie auch anders, wo doch kein guter Herrscher in Sicht ist? König Duncan etwa, von William Shakespeare noch mit allen Attributen natur- und gesellschaftsgemäßen Lebens ausgestattet? Auch er ist in Pavel Mikulastiks Dortmunder Inszenierung des „Macbeth“ nur läppischer Vorsteher einer Militärmonarchie. Mit ihm wird kaum einer Mitleid haben, wenn Macbeth ihn erdolcht. Und Duncans rechtmäßiger Erbe Malcolm? Ein blasierter Jüngling, auch er ein möglicher Usurpator der Macht, weit entfernt von der hehren Lauterkeit, deren Demonstration Shakespeare eine eigene Szene widmete (die hier nicht gespielt wird).

Duncan (Günter Knecht) umgibt sich selbstgefällig mit einer Schar von Hofschranzen, die einem absurden Wachsfigurenkabinett entsprungen zu sein scheinen. Bei ihren dümmlichen Ritualen und Rokoko-Spielchen werden sie erst durch Macbeth (Fritz Eggert) gestört. Der soll denn in diesem Umfeld wohl auch keine Inkarnation des Bösen sein, sondern nur der Herrscher, der – und vor allem darum muß er am Ende auch „weg“ – das Wesen der Herrschaft am konsequentesten hervorkehrt und sie so entlarvt, ja erschüttert, darin vielleicht ein Vetter von Camus‘ „Caligula“.

Leider gewinnt Eggert aber nicht die dazu nötige Titanen-Statur. Weder geht er mit analytischer Kälte zu Werke, noch zeigt er uns die tieferen Abgründe der Macbeth-Seele. Eher schickt er sich, mal seufzend, mal brüllend, ins gleichsam „Unvermeidliche“. Freilich, Eggert hat es schwer, wird ihm doch kein leuchtender Widerpart entgegengestellt, von dem er sich dunkel abheben könnte. Daß macht die dreieinviertelstündige Aufführung über weite Strecken konturlos, kontrastarm.

Lady Macbeth (Ines Burkhardt), die sich „entweihen“ und ihren Mann zu Mordtaten anstacheln will, sieht man zuallererst in einem metallisch glänzenden Kasten, in schimmernder Wehr aus Kälte und Isolation. Da ohnehin alles seinen Gang geht, muß auch kaum ihre Durchtriebenheit aufflattern. Sie wäscht dem wie ein Knäblein in einer Wanne kauernden Macbeth den „Pelz“. Schon spurt er. Danach wird die Lady zum eigentlichen Geist der Inszenierung und hat denn auch ihre beste Szene als Schlafwandlerin, wenn sie Schwäche zeigen darf.

Höchst real kommen, allem wallenden Rauch und Lichtgewitter zum Trotz, hingegen die drei Hexen daher, die Macbeth mit orakelhafter Doppeldeutigkeit Aufstieg und Fall prophezeien. Drei kichernde alte Damen mit Mantel, Hut und Handtäschchen. Offenbar ein biederees Kaffeekränzchen, das sich mal einen Jux machen will. Mit Budenzauber, dessen Ingredienzen aus dem Warenhaus um die Ecke zu stammen scheinen.