Abermals Promi-Faktor im Osthaus Museum: Nach Sylvester Stallone ist Bryan Adams an der Reihe – als vielseitiger Fotograf

Schwer kriegsversehrt und mit Auszeichnungen dekoriert: Sergeant Rick Clement. (© Bryan Adams)

In Hagen gibt sich die internationale Prominenz aus vermeintlich museumsfremden Bereichen die Klinke in die Hand.

Noch für dieses Wochenende (bis 20. Februar) sind Gemälde des weltbekannten Hollywood-Stars Sylvester Stallone im Osthaus Museum zu sehen. Und sogleich beginnt am Sonntag eine neue Schau der Rock- und Pop-Größe Bryan Adams. Der wiederum verdingt sich seit längerer Zeit auch als beachtlicher Fotograf.

Es sieht fast so aus, als sei dieser Ansatz das neue Konzept des Museumsleiters Tayfun Belgin. Darüber ließe sich trefflich diskutieren. Jedenfalls versichert Belgin, der Name Stallone habe spürbar die Besuchszahlen gesteigert. Genaueres möchte er aber noch nicht verraten. Schließlich käme ja noch dieses Wochenende hinzu…

Blick in die Hagener Ausstellung – hier mit Bryan Adams‘ Porträts von Mick Jagger und Amy Winehouse. (© Bryan Adams / Ausstellungs-Foto: Bernd Berke)

Weltstars, Obdachlose und Verwundete

Bryan Adams hatte – wie man sich denken kann – relativ leichten Zugang zu seinesgleichen, sprich: zu zahlreichen anderen A-Promis wie zu Beispiel Mick Jagger, Amy Winehouse, Linda Evangelista, Kate Moss, Ben Kingsley oder auch Wim Wenders, Helmut Berger und den Mannen von Rammstein. Dabei sind Fotografien entstanden, die mitunter durchaus Ikonen-Qualitäten haben. Selbst der Queen hat Adams anno 2008 im Buckingham Palace ein besonderes Lächeln abgewonnen. Sie sitzt ganz entspannt auf einem Stuhl, neben ihr stehen zwei Paar Gummistiefel, als wollte sie sich gleich nach der Fotositzung rustikal auf den Weg machen.

Adams‘ großformatig ausgestellte Motive für den berühmt-berüchtigten Pirelli-Kalender 2022 (längst nicht mehr so lasziv wie ehedem) kommen hinzu. Erstmals darf ein Museum solche Bilder zeigen.

Noch ungleich eindrucksvoller ist freilich die ganz andere Seite des Fotografen Bryan Adams, der uns schmerzlich frontal mit Bildnissen von Obdachlosen (Serie „Homeless“) oder fürchterlich Kriegsversehrten (Serie „Wounded: The Legacy of War“) konfrontiert, die in Afghanistan und im Irak gekämpft haben. Das sind Ansichten, die man erst einmal aushalten muss.

Selbstporträt Bryan Adams. (© Bryan Adams)

Bryan Adams: „Exposed“. Osthaus Museum, Hagen, Museumsplatz 1. Vom 20. Februar bis zum 24. April. Di-So 12-18 Uhr. Tel.: 02331/207 3138.

www.osthausmuseum.de

Mitte März will sich Bryan Adams seine Hagener Ausstellung persönlich anschauen.

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Nachtrag am 24. Februar: Die Bilder der Kriegsversehrten bekommen noch einmal akutere Bedeutung, nachdem Russland die Ukraine überfallen hat.




„After Midnight“: Clapton, Cash und Cohen treffen sich im Diner und tragen ihre Songs vor

Laura Kiehne in der Inszenierung "After Midnight" von Florian Heller; Regie: Christian Tombeil

Laura Kiehne in „After Midnight“. (Foto: Diana Küster / Theater Essen)

Wo, wenn nicht in einem Diner, trifft man nach Mitternacht auf die einsamen Seelen, die Desillusionierten, die Experten im Scheitern aller Art? Nighthawks werden sie in Amerika genannt, Nachtfalken, gerade so wie Edward Hoppers berühmtes Bild, das ihnen ein Denkmal setzt.

Im „After Midnight“, dem Diner von Pattie (Laura Kiehne) gibt es nicht einmal mehr sie. Keiner mehr da. Der Laden steht irgendwo im Nirgendwo, im „Rustbelt“, dem Rostgürtel, der früher einmal das industrielle Herz Amerikas war, inzwischen aber weitgehend entvölkert ist. Monessen heißt der nächste Ort, den es wirklich gibt, und dessen Name sich im zweiten Teil tatsächlich auf Essen bezieht. (Das Mon- verweist auf den Monongahela-River).

Wer hier noch lebt, zählt sich nicht zu den Gewinnern. Auch Pattie wäre ja schon längst weg, wenn sie eine Alternative hätte. Hat sie aber nicht, Mutter hat ihr lediglich einen Haufen Schulden vererbt, der sie, warum auch immer, zum Weitermachen im verfluchten Diner zwingt. Doch dann, in einer stürmischen Winternacht, in der Internet und Telefon schon zusammengebrochen sind, betreten merkwürdige Personen das Lokal, und danach ist die Welt eine andere.

Szene mit Jan Pröhl, Philipp Alfons Heitmann, Laura Kiehne, Jens Winterstein. (Foto: Diana Küster / Theater Essen)

Alles auf der Bühne

Florian Heller, Jahrgang 1984 und Mitglied der Essener Intendanz, hat sich diese Rahmenhandlung für seinen musikalischen Abend „After Midnight“ ausgedacht, Ivonne Theodora Storm (Bühne und Kostüme) hat sie mit einem fast schon naturalistisch zu nennenden Bühnen-Diner plastisch werden lassen. Zu Beginn sehen wir das hässliche Teil von außen, Neonwerbung, runde Kanten, doch mit einem knappen Turn der Drehbühne wird es flugs zum Interieur. Hinten stehen nun ein paar Stühle und ein Tisch, links prunkt die Bar mit dem Spruch „Crying Is Okay Here“ in Leuchtbuchstaben. Auch die vierköpfige Band „The Hawks“ hat ihren Platz auf der Bühne.

Drei, die Musikgeschichte schrieben

Pattie streitet mit Rick, der heute abend mit dieser Band ein Konzert geben will und auf volle Hütte hofft. Doch statt des zahlenden Publikums laufen nacheinander Cassius (Jan Pröhl) und Norman (Jens Winterstein) ein, die, jetzt lüften wir das Geheimnis, niemand anders sind als Johnny Cash und Leonhard Cohen. Und Rick (Philipp Alfons Heitmann) ist eigentlich Eric Clapton, womit das Trio komplett wäre, das, unausweichliche Phrase an dieser Stelle, in der großen Fachabteilung Folk wirklich Musikgeschichte geschrieben hat. Nach den Gründen für dieses irrwitzige Zusammentreffen wollen, sollen wir nicht fragen. Manchmal fügt Unglaubliches sich auf Erden eben, sagt die Inszenierung. Zumindest darf man sich das vorstellen.

Clapton, Cash und Cohen: Philipp Alfons Heitmann, Jan Pröhl, Jens Winterstein in „After Midnight“. (Foto: Diana Küster / Theater Essen)

Der Tod ist allgegenwärtig

Rick/Clapton eröffnet die Gesangsdarbietungen mit „Wonderful Tonight“, später gelangen unter anderem Cohens „Suzanne“ oder Cashs „The Man Comes Around“ zur Aufführung, letzteres ein düsteres Spätwerk im Angesicht des nahenden Todes. Ja, der Tod ist oft mit im Raum, wenn sich die drei (mit Pattie vier) Protagonisten unterhalten, und von Norman/Cohen wie auch von Cassius/Cash erfahren wir explizit, dass sie krank sind und nicht mehr lange zu leben haben.

Hellers Stückvorlage räumt den Gesprächen der Protagonisten breiten Raum ein, sie sind weit mehr als unausweichliche Zwischenmoderation; eher entsteht streckenweise der Eindruck, dass die Songs in diesem Stück neben der biographisch grundierten Spielhandlung etwas fremdkörperhaft stehen. Auf jeden Fall jedoch ist den drei Sängern zu bescheinigen, dass sie mit ihren Stimmen die Vorbilder sehr gut treffen.

Ohne Gänsehaut-Gefühl

Zwangsläufig fehlt jedoch jenes „Gänsehaut-Gefühl“, das Interpretationen von Clapton, Cash und Cohen augenblicklich beim Zuhörer auszulösen vermögen, es fehlen die unverwechselbaren Artikulationen und auch die eine oder andere stilvoll in die Unverständlichkeit vernuschelte Zeile. Das Essener Bühnenpersonal artikuliert sorgfältig, was sicherlich der richtige Weg ist; ein bisschen klingt das jetzt allerdings so, als sängen Clapton, Cash und Cohen mit deutschem Akzent.

Mit seinem Johnny Cash-Programm war Thomas Anzenhofer im Bochumer Schauspielhaus über Jahre hin sehr erfolgreich, was sicherlich zum Nachmachen reizt. Wenn Regisseur Christian Tombeil in Essen nun aber gleich drei Vorbilder auf die Bühne bringt, stellt sich natürlich schon die Frage nach dem Warum. Warum diese drei?

Einen Bezug zum „Rustbelt“ und seinen zornigen alten (meist weißen) Männern hatte eigentlich nur Johnny Cash. Die anderen beiden sind bzw. waren thematisch etwas anders unterwegs. Bruce Springsteen hätte gut gepasst, Arbeiterdichter wie Pete Seeger oder Woody Guthrie, vielleicht auch Bob Dylan. Andererseits ist das American Songbook so voll von guter Musik und ihren Schöpfern, dass Vorschläge schnell beliebig erscheinen. So bleibt festzuhalten, dass Clapton, Cash und Cohen auf jeden Fall keine schlechte Auswahl darstellen.

Das Publikum war von Florian Hellers „After Midnight“ begeistert, tappte den Rhythmus mit und geizte, auch zwischendurch, nicht mit Applaus.

  • Termine: 28.12.2019 – 10., 18., 19., 21., 21.2.2020
  • Schauspiel Essen, Grillo-Theater, www.theater-essen.de



Die Klassik lockt mit Sex-Appeal – Während der CD-Absatz insgesamt schrumpft, wächst das Segment der E-Musik

Von Bernd Berke

Die Nachricht lässt aufhorchen: Während der CD-Absatz insgesamt seit Jahren rückläufig ist, ist der Markt für Klassikplatten zuletzt spürbar gewachsen. Woran könnte es liegen?

Die Deutschen haben 2006 rund 11 Millionen Klassik-Scheiben und damit 6 Prozent mehr gekauft als im Jahr zuvor. Der Absatz von Klassik-DVDs ist im selben Zeitraum sogar um 28 Prozentpunkte gestiegen. Auch der Klassik-Fan will seine Favoriten nicht nur hören, sondern sehen. Möglicherweise ist dies eine Nach- und Nebenwirkung der Videoclip-Kultur.

Peter Michalk, Sprecher des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft, mutmaßt: „Es gibt ja eine Renaissance der Bürgerlichkeit. Vielleicht hat der Trend zur Klassik damit zu tun.“ In diesem Zusammenhang erfahre offenbar der Musikunterricht für Kinder wieder höhere Wertschätzung. Denkbar sei also auch, dass manche Eltern Klassik-CDs erwerben, um sie ihrem Nachwuchs ans Herz zu legen.

Pop-Business prägt Konsumverhalten

Wir spekulieren mal mit: In den neuen Verkaufsziffern deutet sich wahrscheinlich an, dass das gesamte Publikum der Platten-Käufer im Schnitt etwas älter ist als früher. Klassikfans sind in der Regel gediegene Leute, die sich die meist nicht ganz billigen CDs leisten (können). Jedenfalls surfen sie wohl nur sehr selten durchs Internet, um dort Raubkopien ihrer Lieblingsmusik zu ziehen.

Andererseits ist auch diese etwas ältere Generation größtenteils mit Rock- und Popmusik aufgewachsen. Das prägt Hör-, Seh- und Konsumgewohnheiten. Da trifft es sich, dass die heutigen Klassik-Stars sich häufig wie Pop-Größen geben. Man muss hier gar nicht an wildere Vertreter wie etwa den Geiger Nigel Kennedy denken. Ein Mann wie der chinesische Pianist Lang Lang begreift sich ganz unverkrampft als Teil der weltweiten Pop-Kultur und viele andere ebenfalls. Mehr noch: Die strahlende Diva Anna Netrebko wird global glitzernd vermarktet – auf einem manchmal schmalen Grat zwischen zwischen seriöser Ausstrahlung und verhaltenem Sex-Appeal.

Auch hat sich hie .und da eine Hit- und Häppchen-Denkweise im Klassikbereich durchgesetzt. Gewisse „Format-Radios“ liefern unentwegt lediglich die „schönsten Stellen“ aus umfangreichen Werken. Nicht nur für puristische, konservative Hörer ist diese Praxis ein Graus, doch sie funktioniert im Sinne einer leichten Konsumierbarkeit.

Auch die HiFi-Technik spielt wohl eine Rolle

Wenn man sich die Plattenhüllen ansieht, ahnt man, wohin die Reise geht. Interpreten der klassischen Musik wirken längst nicht mehr so wirr-genialisch, weltenfern oder knorrig wie einst. Sie werden (mehr oder weniger dezent) erotisch in Szene gesetzt – in erster Linie natürlich die schönen Frauen der Zunft. Man denke nur an all die zierlichen Asiatinnen mit ihren schmucken Violinen. Aber auch so mancher Latin Lover spreizt sich da auf dem Cover. Imagepflege dieser Sorte ist fast schon inflationär.

Ähnliche Tendenzen zur glamourösen Oberfläche setzen sich im Literaturbetrieb gleichfalls durch. Gut aussehende Autor(inn)en haben am Markt erhöhte Chancen. Wenn sie überdies schreiben können, dürfte es in der Regel kein Hindernis sein…

Zurück zu den Klängen: Wer sich ernsthaft mit ambitionierter Rockmusik befasst, müsste sich über kurz oder lang ohnehin auch dem Jazz und der Klassik zuwenden. Hier finden sich eben die anderen Wege der Vollendung. Große, hinreißende Könner sind in all diesen Sparten zugange – um nicht gleich vollmundig von Genies zu reden.

Und noch eins kommt schließlich hinzu, nämlich die Segnungen der Technik. Wer sich eine bessere HiFi-Anlage gönnt, kommt an Klassik eigentlich gar nicht mehr vorbei. Denn die Dynamik guter Lautsprecher lässt sich mit einer Beethoven-Sinfonie ja noch mal ganz anders ausschöpfen als etwa mit den Beatles oder Beyoncé.

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HINTERGRUND

Zahl der Downloads steigt ständig

  • 2005 wurden in Deutschland insgesamt rund 124 Millionen CDs abgesetzt. Die Klassik oder so genannte „E-Musik“ hatte daran einen Anteil von immerhin rund 10 Prozent –  mit offenkundig steigender Tendenz.
  • Im ersten Halbjahr 2006 sank der gesamte Tonträger-Absatz um 3,4 Prozent. Im Vorjahreszeitraum war der Verkauf sogar um 10,1 Prozentpunkte gesunken.
  • Die abschließende Bilanz fürs Jahr 2006 wird erst Ende März vorliegen.
  • Unterdessen steigt die Zahl der Downloads im Internet Im ersten HalbJahr 2005 wurden 7.5 Millionen Einzeltracks legal heruntergeladen, im ersten Halbjahr 2006 rund 10,2 Millionen Titel.
  • Die Statistiken führt der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft.