Wie ich einmal Sylvester Stallone verpasst habe (obwohl er seine Gemälde in Hagen zeigt)

Offenbar gut gelaunt: Sylvester Stallone beim morgendlichen „Medienevent“ im Hagener Osthaus Museum – vor einem seiner Gemälde. (© sabinebrauerphotos)

Um die Überschrift gleich klarzustellen: Natürlich sehe ich den weltbekannten Sylvester Stallone auch sonst nicht, habe ihn überhaupt noch nie leibhaftig gesehen. Doch heute hätte es eine Gelegenheit gegeben, und zwar – man höre und staune – in Hagen.

Im dortigen Osthaus Museum werden jetzt einige seiner Gemälde gezeigt. Der Mann malt, wenn seine Zeit es erlaubt, seit Jahrzehnten leidenschaftlich. Der Hagener Termin wurde denn auch nicht als schnöde Pressekonferenz oder kreuzgewöhnliche Ausstellungs-Vorbesichtigung angekündigt, sondern als „Medienevent“ mit Pressecounter, Check-In, 2G-Regel und sonstigem Zipp und Zapp. Wow!

Als Jungredakteur wäre ich sogleich elektrisiert gewesen. Doch als nunmehr etwas älterer Knabe bin ich, obgleich akkreditiert (dafür Dank) und füglich dreifach geimpft, dann doch nicht hingefahren. Als ich die Wetterprognose (Nullgrade, Glatteisgefahr) hörte und auch noch vernahm, dass Hagen vor Innenstadt-Baustellen derzeit nur so strotze, dachte ich bei mir: Selbst für Stallone möchte ich mir das nicht antun und mir erst recht nicht die Gräten brechen. Sorry.

Das ist ja das Schöne, wenn einem kein Chef-Darsteller mehr etwas vorzuschreiben hat: Man kann manche Dinge auch einfach mal bleiben lassen. Ein solches Versäumnis schmälert das Leben nur ganz unwesentlich; wenn überhaupt.

Sylvester Stallones Gemälde „Hercules O’Clock“. (© Courtesy Galerie Gmurzynska)

Kleiner Rückblick nach dem Motto „Was bisher geschah“: Vor ein paar Jahren hat mich ein wilder Haufen männlicher Nachbarn gedrängt, allen etwaigen Feinsinn fahren zu lassen und endlich einmal ein Video von „Rambo“ anzuschauen. Widerstrebend habe ich mich darauf eingelassen, hab’s tapfer durchlitten und mich beim gemeinsamen Videoabend mit Jacques Tati („Mon Oncle“) als zweitem Programmpunkt revanchiert – ein nahezu größtmöglicher Kontrast zum vorherigen Action-Geballer. Was ich damit sagen will? Ich bin „vorgeschädigt“, was Sylvester Stallone angeht, der bekanntlich „Rambo“ verkörpert hat.

Was habe ich heute wohl versäumt? Mit Sicherheit ein ziemliches Medien-Gerangel, ein Blitzlichtgewitter, wie es Hagen höchstens alle paar Jahre erlebt. Dazu Kameras und Mikrofone sonder Zahl. Es dürfte auf diesem Planeten nur wenige geben, die es an globaler Bekanntheit mit Sylvester Stallone aufnehmen können, der ja u. a. auch den legendären Boxer „Rocky“ Balboa gespielt hat. Nach ersten Vorberichten („Stallone kommt nach Hagen“) haben sich denn auch etliche Menschen aus der Region angelegentlich erkundigt, wie und wo sie Sylvester Stallone in Hagen live erleben können. Das vorherrschende Lokalblatt (Westfalenpost) gelobte daraufhin maximale Zurückhaltung in seiner diesbezüglichen Informationspolitik.

Selbige Zeitung begleitete heute Syvester Stallones Erscheinen ganz aufgekratzt. Rund 100 Fans des Filmstars hätten sich denn doch am Osthaus Museum eingefunden (von wem hatten sie wohl die Tipps?). Stallone sei einer schwarzen Limousine entstiegen, von Bodyguards abgeschirmt worden und habe dennoch ein paar Autogramme geschrieben. Nett von ihm. Die Vermutung steht im Raum und ist kaum von der Hand zu weisen: Die meisten Menschen wollen vielleicht gar nicht so sehr Stallones Bilder sehen, sondern den Filmstar himself.

Stolz auf den Coup: Hagens Museumsdirektor Tayfun Belgin mit Sylvester Stallone vor dessen Gemälde „Finding Rocky“. (© sabinebrauerphotos)

Den vorab versandten Presseunterlagen habe ich staunend entnommen, dass die rund 50 Bilder umfassende Stallone-„Retrospektive“ aus Anlass seines 75. Geburtstages (Geburtsdatum 6. Juli 1946) gezeigt werde. Die Gemälde seien „action-geladen“ wie seine Filme, doch auch „feinnervig und vielschichtig“. Zitiert wird Sylvester Stallones Auffassung von der Malerei als der unmittelbarsten aller Künste, die das Seelenleben unverfälschter ausdrücke als etwa die Literatur. Vom Film ganz zu schweigen. Darüber könnte man lange reden. Oder auch nicht.

Demnach hat Sylvester Stallone schon in den später 1960er Jahren mit dem Malen begonnen, als er noch längst nicht der große Kinostar gewesen ist. Schon vor dem Filmscript habe er zuerst auf der Leinwand die berühmte Figur entworfen – auf dem Bild „Finding Rocky“ (1975).

Bisher wurden seine Werke in St. Petersburg (2013) und Nizza (2015) gezeigt. Keine ganz gewöhnliche Abfolge. Jetzt also Hagen. Über die künstlerische Qualität der Bilder erlaube ich mir – aus der Distanz – selbstverständlich keinerlei Urteil. Osthaus-Direktor Tayfun Belgin wird sicherlich nichts dagegen haben, dass sein Institut einmal so richtig starke Publicity-Effekte außer- und oberhalb des sonst Üblichen erzielt. Er hat denn auch ein passendes russisches Sprichwort gefunden, um Stallones Mehrfach-Begabung zu unterstreichen: „Ein talentierter Mensch ist in jeder Hinsicht talentiert.“ In seinem Text „Der Zauber des Seins“ preist Belgin die expressiven Qualitäten dieser Malerei, dieser Zeit- und Gedankenbilder, wie er sie nennt.

Mh. Na gut. Eventuell gehe ich doch noch einmal hin. In aller Ruhe. Wenn der Medienrummel abgeklungen ist.

Sylvester Stallone. Retrospektive zum 75. Geburtstag. Osthaus Museum, Hagen, Museumsplatz 1. Vom 4. Dezember 2021 bis 20. Februar 2022. Di-So 12-18 Uhr. Tel.: 02331 / 207 2138. Derzeit 2G-Regel (geimpft oder genesen) mit Ausweispflicht.

www.osthausmuseum.de

image_pdfPDF öffnen / Open PDFimage_printDrucken / Print
Visited 53 times, 1 visit(s) today

Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
Dieser Beitrag wurde unter Kino, Kunst & Museen abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

1 Antwort zu Wie ich einmal Sylvester Stallone verpasst habe (obwohl er seine Gemälde in Hagen zeigt)

  1. Rolf Pfeiffer sagt:

    Bemerkenswert, wie lieblos die WAZ am Samstag den Hagener Auftritt Sylvester Stallones auf der Seite „Aus der Region“ verklappt hat. Bemerkenswert auch, daß die FAZ – vermutlich soeben aus dem Schlaf geklingelt – am Montag ihr Feuilleton mit der Hagener Austellung aufmachte, allerdings mit einem nicht eben pulitzerpreiswürdigen Text. Aber immerhin doch mit einem Anreißerbild vom jungen Rocky auf Seite 1 – nebst putzigem, vielbezüglichem Anreißer.
    Was mir aber bisher niemand erklärt hat, ist, warum das Osthaus-Museum Bilder von Sylvester Stallone zeigt, zeigen kann, zeigen darf. Gibt es wirklich keine Geschichte dazu? Oder steht Hollywood in Hagen einfach nur demütig Schlange, um irgendwann mal im geschichtsträchtigen Osthaus-Haus ausgestellt zu werden? Dunkel erinnert man sich in diesem Zusammenhang noch an die Schau mit Bilder von Beatle Paul McCartney in Siegen, die doch auf jeden Fall ihre originelle Entstehungsgeschichte hatte.
    Sagen wir’s mal so: Was ich bisher gelesen habe, würde ich nicht zwingend in die Rubrk „Sternstunden des Journalismus“ einordnen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert