Balancieren am Absturz: Bravouröses Ensemble und faszinierende Bühne in Kurt Weills „Street Scene“ in Münster

Gefährdete Existenz: Garrie Davislim als Sam Kaplan in Kurt Weills "Street Scene" am Theater Münster. Foto: Oliver Berg

Gefährdete Existenz: Garrie Davislim als Sam Kaplan in Kurt Weills „Street Scene“ am Theater Münster. Foto: Oliver Berg

Der Tag kriecht dahin wie jeder andere: Hitze und Arbeit, Tratsch und Müßiggang, ein bisschen Liebe und ein bisschen Streit, etwas Sehnsucht und etwas Leid. Alltag eben, oder eine „Street Scene“, wie Kurt Weill seine „American Opera“ genannt hat. Er bleibt bei diesem neutralen Titel seiner Vorlage, einem mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnetem Stück von Elmer Rice, einem der einst führenden Dramatiker der USA. Am Theater Münster hat Hendrik Müller Weills Musiktheater-Experiment neu inszeniert.

Ein beliebiges Haus, eine beliebige Straße, kein Reichtum, aber auch kein Elend, und Menschen aus aller Herren Länder, von Schweden und Irland bis Italien und Mexiko. Blitzlicht-Szenen lassen die Charaktere aufscheinen:

Anna Maurrant, abgearbeitet, duldsam, geknechtet von ihrem dumpfen, jähzornigen Mann Frank, und doch immer noch schön mit ihren blonden Haaren und in ihrem roten Kleid – die Kostüme von Katharina Weissenborn geben stets Fingerzeige für Interpretation. Sam Kaplan, linkisch, aber mit nachpubertärem Enthusiasmus für Bücher und Wissen, Sohn eines jüdischen Paares in besseren Verhältnissen. Vincent, ein übergriffiger, fieser Herumtreiber aus der nicht eben sympathischen Familie Jones. Die Fiorentinos, Italiener aus dem Klischee-Bilderbuch. Und dazu eine Reihe episodischer, aber liebevoll gezeichneter Figuren.

Frage nach dem Gelingen oder Scheitern des Lebens

„Street Scene“ braucht ein sorgfältig aufeinander eingespieltes Ensemble und eine im Detail wie im großen Bogen gleich bewusst arbeitende Regie. Denn so atomisiert die Szenen zunächst wirken, so geschickt arbeiteten Rice und Weill allmählich die Konturen des Dramas heraus, das sich im zweiten Akt zu einer Tragödie antiken Zuschnitts steigert. Man darf sich nicht täuschen lassen: Im Flair des Alltäglichen wird die Frage, wie Leben gelingt oder sich verfehlt, nicht klein gemacht. Sie wird aber neu verortet in einer konkreten Gegenwart und in Menschen, die uns heute auf unseren Wegen auch begegnen könnten. Das macht den Realismus in Weills Oper aus, der aber überhöht wird und die Story ins Prinzipielle steigert.

Die gespiegelte Bühne als Meta-Ebene in Rifail Ajdarpasics raffinierter Erfindung: Szene aus Kurt Weills "American Opera" in Münster. Foto: Oliver Berg

Die gespiegelte Bühne als Meta-Ebene in Rifail Ajdarpasics raffinierter Erfindung: Szene aus Kurt Weills „American Opera“ in Münster. Foto: Oliver Berg

Am Theater in Münster verlieren Müller und sein Bühnenbildner Rifail Ajdarpasic beide Aspekte nicht aus den Augen. Ein so präzise analysierendes und gleichzeitig sinnlich faszinierendes Bühnenbild ist selten zu erleben: Das abgewohnte Gründerzeit-Mietshaus mit seinen lichtlosen Fenstern im Zentrum des Raumes ist nur scheinbar ein realer Bau.

Spiegelbildlicher Blick

Ein riesiger Spiegel bildet ab, was tatsächlich auf dem Bühnenboden liegt – und wenn sich die Darsteller auf dieser durch Simse, Schwellen und Vertiefungen gegliederten Fläche bewegen, betrachtet sie der Zuschauer im Spiegel von oben.

Die raffinierte Konstruktion ermöglicht Hendrik Müller und seiner Choreographin Andrea Danae Kingston, konkrete Handlungs- und spiegelnde Meta-Ebene gleichzeitig zu gestalten. Das Abbild der Figuren bricht Realismus auf, macht Spuren des Seelischen in der Haltung der Körper und in ihren Bewegungen sichtbar. Menschen balancieren nahe am Absturz sind, klammern sich mit einer Hand an einen Fenstersims, als fielen sie jeden Moment in die Tiefe; eine Frau hängt kopfüber über eine Brüstung, als könne sie sich nur noch mit Mühe halten: Bilder gefährdeten Daseins; daneben bilden sich für Momente abstrakte Formationen, kühl, schön und bedeutungsoffen.

Das Bild überhöht auf diese Weise das Sozialdrama, wendet es ins Psychologische und ins Parabelhafte. Wenn im zweiten Akt Kristi Anna Isene als von allen gedemütigte Anna Maurrant im langen weißen Kleid erscheint, wirkt sie nicht sozial-naturalistisch wie die Frau aus der unteren Mittelschicht, sondern wie eine zeitlose Erscheinung.

Müller lässt auch den Mord nicht hinter der Szene geschehen. Er zeigt in stilisierender Langsamkeit, wie Frank Maurrant seine Frau und ihren Liebhaber Sankey umbringt: Eine poetisch enthobene Szene, die bestätigt, dass Jörn Dummann mit athletischem, entblößtem Oberkörper eher ein erotisch getöntes Sehnsuchtsbild als eine reale Person darstellt. Der Chor kommentiert aus dem Rang – auch das führt auf das antike Drama hin, wie Rice und Weill auch die klassische Einheit von Zeit, Ort und Handlung unangetastet lassen.

Als Revue missverstanden

Was aber bezweckt Müller, wenn er vor allem im ersten Akt Szenen dezidiert in die Nähe des Revue-Musicals rückt? Sicher gibt es das Durchbrechen der Handlung im musikalischen Bild – das Ice-Cream-Sextett ist ein Beispiel. Aber die Figur im Frack mit roten Pailletten gehört eher zu John Kanders „Cabaret“. Sie stiftet keinen Sinn, sie lenkt auf die falsche Fährte. Youn-Seong Shim muss als Daniel Buchanan in einem Clownskostüm in komisch dünnem Ton die Schmerzen seiner Vaterschaft beklagen – ein Missgriff wie die Revue-Girls, gehüllt in glitzernde Stars and Stripes. Besser hätte der Regisseur auf das Timing der Dialoge geachtet, die in Stefan Troßbachs deutscher Übersetzung den Ruch des Einstudierten nicht abstreifen können.

Offenbar ein tiefes Missverständnis: Kurt Weill wollte gerade kein „musical play“ schaffen, sondern eine eigene Form von Oper. Wenn Blues, Gospel- oder Tanzmusik in Weills Partitur auftauchen, so nicht, um „Street Scene“ in die Nähe des Musicals zu rücken. Weill hat im Sinn, die Formen zu emanzipieren und als seriöse musikalische Ausdrucksmittel zu verwenden. Stefan Veselka und das Sinfonieorchester Münster verstehen diesen Ansatz: Sie lassen sich nicht auf die grellen Rhythmen und den frechen Schmiss etwa eines Cole Porter ein, sondern betonen die strukturelle Tiefe der harmonisch reichhaltig ausgearbeiteten Musik. Das geht manchmal zu Lasten eines pointierten Tempos, trifft aber Weills Intention.

Eindrückliche Bilder: Eine Haltestelle, an der nie ein Bus abfährt, ein Gebäudeskelett: Chiffren der Einsamkeit, des Verfalls, der Ausweglosigkeit. Foto: Oliver Berg

Eindrückliche Bilder: Eine Haltestelle, an der nie ein Bus abfährt, ein Gebäudeskelett: Chiffren der Einsamkeit, des Verfalls, der Ausweglosigkeit. Foto: Oliver Berg

Allgegenwärtige männliche Gewalt

Das Ensemble des Musiktheaters Münster schlägt sich mit einiger Bravour: Gregor Dalal ist dort atemberaubend präsent, wo er die brodelnde innere Ohnmacht des Frank Maurrant in hilflosen Ausbrüchen verbaler Aggression und körperlicher Brutalität ausdrückt. Kathrin Filip zeichnet mit sensiblen Zwischentönen nach, wie sich der innere Widerstand von Maurrants Tochter Rose gegen die bedrückenden Lebensverhältnisse und gegen die allgegenwärtige männliche, sexuell geladene Gewalt konkretisiert und nach dem Mord an ihrer Mutter zum einsamen Aufbruch aus ihrer bisherigen vergifteten Welt führt.

Juan Sebastián Hurtado Ramirez ist Roses Büroleiter, der gerne ihr latin lover wäre, Til Ormeloh der junge Vincent Jones, der Frauen für Freiwild hält, Gerry Davislim der Student Sam Kaplan, der die junge Frau trotz seiner Liebe nicht gewinnen kann, weil sie niemandem mehr „gehören“ will. Christian-Kai Sander und Ute Hopp haben als Eltern Kaplan je einen eindrücklichen Kurzauftritt. Melanie Spitau und Christina Holzinger lassen in ihrem grotesken Kindermädchen-Auftritt in Himbeercrème-Rosa an die Totengräber aus Shakespeares „Hamlet“ denken. Chor (Inna Batyuk), Kinderchor (Claudia Runde) und Statisterie beleben die Szenerie. Nicht zu vergessen Cedrik Runde in der wichtigen Kinderrolle des Willie, Jendrik Sigwart (Dick McGann) mit energiegeladenen Moves und Rüdiger Wölk, der allein durch seine Anwesenheit in seinem rollenden Drugstore wirkt.

„Street Scene“, zuletzt 2009 in Hagen und 2012 auch am Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen, wird am 28. April 2019 in der Regie von John Fulljames an der Oper Köln Premiere haben und einen Vergleich mit der ambitionierten Produktion am Haus von Ulrich Peters in Münster ermöglichen.

Vorstellungen in Münster: 31. Januar, 10., 15. Februar, 2., 13., 16. März, 23. April, 25. Mai.
Info: https://www.theater-muenster.com/produktionen/street-scene.html

Vorstellungen in Köln: 28., 30. April, 2., 5., 8., 10., 12., 16. Mai.
Info: https://www.oper.koeln/de/programm/street-scene/4064

 

 




Verdorrter Wald, zutiefst gespaltene Welt: Carl Maria von Webers „Freischütz“ am Theater Münster

Entwurzelter Baum, entwurzelte Existenzen: Mirko Roschkowski als Max und - im Hintegrund - Gregor Dalal als Kaspar in Webers "Freischütz" am Theater in Münster. Foto: Oliver Berg/Theater Münster

Entwurzelter Baum, entwurzelte Existenzen: Mirko Roschkowski als Max und – im Hintergrund – Gregor Dalal als Kaspar in Webers „Freischütz“. (Foto: Oliver Berg/Theater Münster)

Rotgraue narb‘ge Wurzeln strecken nach uns die Riesenfaust: Ein gewaltiger Baum beherrscht die Bühne des Theaters Münster. Er ist entwurzelt, hat im Fallen eine Bresche in einer Mauer geschlagen und zerteilt die Einheit des Raumes. Neblige Dunkelheit, der Schatten eines stattlichen Sechzehnenders taucht auf. Lautlos röhrt der Hirsch zur Ouvertüre.

Die Bühne von Christophe Ouvrard für Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ nimmt von Anfang an für sich ein. Die unheimlich ragenden Wurzeln des Baumriesen, das harte Licht von oben und hinten, das die Konturen gespenstisch belebt, der unfassbar tiefe, in Nichts mündende Raum. Ouvrard arbeitet mit szenischen Mitteln, die zum Naturalismus taugen könnten, aber sofort assoziativ gebrochen, mit symbolischer und metaphorischer Brisanz geladen werden: Natürlich erinnert der Baum an den deutschen Wald, der in Webers „Freischütz“ eine so große Rolle spielen soll. Aber er ist – vielleicht von einem Sturm des „wilden Heeres“ – gefällt und tot. Nur einmal sprießen aus der Baumleiche ein paar frische Zweige, grüne Blätter: O lass‘ Hoffnung …

Dieser verdorrte Wald ist schon lange kein Hort naturschwärmerischer Romantik mehr. Er ist der Ort des Unheimlichen, das die frühere Einheit der Welt zerschlagen hat. Auf der Drehbühne wird das sichtbar: Der Stamm teilt sie in zwei Hälften. In der einen steht die Welt in der Wolfsschlucht-Szene im wahrsten Sinn des Wortes Kopf: Agathes Jagdschlösschen, selbst kein anheimelnder Ort, sondern eine zerstörte Stätte mit letzten Resten von Wohnlichkeit, hat sich gedreht, das Sofa hängt an der Decke, die Lampenschirme des Leuchters werden zu Töpfen. Aus ihnen nimmt Kaspar die Zutaten des zaubrischen Suds, aus dem die Freikugeln gegossen werden.

Der Teufelspakt hat einen Bocksfuß

Ouvrard fängt in szenischer Symbolik wesentliche Begriffe der Romantik ein. Die Welt ist zutiefst gespalten. Die eine Seite, die des alltäglichen Lebens, ist beschädigt, gestört, von Kräften „höh’rer Macht“ beeinflusst, denen sich die armen Menschen mit Regeln und Ritualen oder – wie Ännchen mit seinem Kettenhund Nero – mit beschwichtigendem Humor zu entziehen suchen. Die sich der „anderen Seite“ bewusst sind, wie Kaspar, versuchen, diese unfassbaren Kräfte zu nutzen, für sich zu bändigen – aber wir wissen, das gelingt nicht: Die siebente Kugel gehört immer dem Bösen, der sie nach seinem Willen lenkt. Der Teufelspakt hat einen Bocksfuß.

Streng, alt, gespenstergleich: Die Brautjungfern im "Freischütz" in Münster. Foto: Oliver Berg/Theater Münster

Streng, alt, gespenstergleich: die Brautjungfern. (Foto: Oliver Berg/Theater Münster)

Wer den Baumstamm besteigt, mag von oben eine verbindenden Sicht der romantisch zwiespältigen Welt gewinnen. Agathe versucht es, aber es gelingt ihr nicht. Nur der Eremit, der von oben seine weisen Worte strömen lässt, ist eine integrierende Figur: Er und Samiel sind eins, das „Höh’re“ spricht aus ihm, gleich ob Gut oder Böse. In seinem schmutzigweißen Mantel, den kahlen Kopf noch vernarbt vom Teufelsgeweih Samiels, verkörpert er, was den Menschen als Antagonismus, aus der Perspektive einer jenseitigen Welt aber nur als unterschiedliche Aspekte einer Existenz erscheinen mag. Gut und Böse, nicht nur als moralische, sondern auch als prinzipielle Kategorien, heben sich auf – in diesem postmodernen Ansatz ist die Münsteraner Inszenierung von Webers Oper auf der Höhe der Zeit.

Die Regie von Carlos Wagner allerdings erreicht die konzeptuelle Dichte des Buhnenbilds nicht. Sicher: Er will uns klar machen, wie Max am Unerklärlichen scheitert, wie ihn in einer Gesellschaft klarer Vorgaben und eindeutiger Zusammenhänge die Logik des Handelns und seiner Folgen abhandenkommt, wie ihn des Zufalls Hand in die Verzweiflung, sogar zur Frage nach der Existenz Gottes führt.

Wenn der Chor langsam in seinem derben Tanz erstarrt, die Bewegungen fragmentiert wiederholt, dann bei „Durch die Wälder, durch die Auen …“ Paare bildet und langsam hinaustanzt, ist das ein Aufmerksamkeit weckender szenischer Vorgang – aber er wird nicht eingelöst, es resultiert nichts daraus. Wenn zu Beginn ein ausgeweideter Hirsch an den Baumwurzeln aufgehängt wird, denken wir sicher an das „männlich‘ Vergnügen“ der Jagd – aber wenn ein Landmetzger später Schinken und Braten vom Hirsch in die johlende Menge wirft, bringt das die Zuschauer nur zum Lachen.

Lustiges Schießen auf Bierdosen

Agathe ist als Figur spannend angelegt: Sie erscheint im fahlen Mondlicht wie eine Geisterbraut, als sei sie von Heinrich Marschners „Vampyr“ gebissen, aber sie erschöpft sich dann doch in der eher larmoyanten Rolle des schreckhaften „Bräutchens“. Ännchen gibt sich in Jagdhosen und Krawatte sehr männlich, veranstaltet ein lustiges Schießen auf Bierdosen, bleibt aber am Ende als unterhaltsame Opernsoubrette ohne dezidiertes Profil.

Max geriert sich als heillos verunsicherter Jägersjüngling, der in der Wolfsschlucht den Sudel aus Luchs- und Wiedehopfaugen saufen muss und die Freikugeln zuckend in eine Schüssel erbricht – aber die Konturen seines Charakters, sein Zugriff auf das „Andere“ bleiben verschwommen. Kaspar dagegen ist ein saft- und kraftvolles Mannsbild, und Gregor Dalal macht mit seinen darstellerischen Mitteln und seinem unmittelbar wirksamen Sprechen aus ihm eine lebensvolle Persönlichkeit. Carlos Wagners Regie traut dem Stück, aber sich selbst offenbar zu wenig zu: Das Ganze schließt zu offen.

Offene Wünsche auch auf der musikalischen Seite: Stefan Veselka schlägt mit dem Sinfonieorchester Münster ein gemessenes Tempo an, was der Entwicklung der melodischen Thematik und der Ausformung des Klangs zugutekommt. Die Hörner sind lobenswert, die Klarinette hat – mit einem eher hell-fragilen Ton – schöne solistische Momente. Im Lauf des Abends arbeitet Veselka immer wieder harmonische Tiefenstrukturen aus, bringt manche Holzbläserstimme zum Leuchten. Aber der Klang des Orchesters bleibt oft pauschal, der Aufbau innerer Spannung allzu diskret. Entschiedene Akzente, packender Zugriff könnten der Musik auf die Beine helfen.

Innige Agathe, leuchtend singender Max

Münster hat mit Mirko Roschkowski einen seine Partie anstandslos bewältigenden Max: Ohne Forcieren, ohne Gewalt lässt er seinen Tenor leuchten, steigert den Verzweiflungston in der Arie, bringt für die Wolfsschlucht den panischen Unterton in der Deklamation mit. Sara Rossi Daldoss ist eine sehr innig singende Agathe, bei der man manchmal Sorge um die Stütze und den klanglichen Kern der Stimme hat. Ihre zweite Arie nimmt sie weniger vom Legato her, bildet die Töne separiert, um sie mit verschiedenen Farben zu gestalten. Auch wenn so der große Bogen sehr fragil gespannt wird: Der Ausdruck überzeugt. Eva Bauchmüller als Ännchen gewinnt nach manch leichtgewichtigem Ton an Format, singt nach der Pause mit tadelloser Diktion und einem feinen, aber substanzreichem Klang.

Plamen Hidjov ist als Kuno von Statur und Stimme ein würdiger älterer Herr; Sebastian Campione spricht als Samiel die – ansonsten bis zur Unkenntlichkeit zusammengestrichenen – Dialoge ohne „teuflische“ Plattitüde. Als Eremit ist er weniger ein balsamisch strömender als ein schneidend präsenter Bass. Der Opernchor und Extrachor des Theaters Münster – Inna Batyuk hat ihn einstudiert – glänzt in der Eröffnung, fällt aber ausgerechnet im Jägerchor auseinander, weil die Sänger über die ganze Breite verteilt auf der Drehbühne marschieren müssen. Auch das ein Bild, das keinen Bedeutungs-Zusammenhang konstituiert – ebenso wie der finale Moment, als Kaspars Leiche in Brand gesetzt wird und als flackerndes Feuer auf dunkler Bühne die Oper abschließt.

Vorstellungen: 7. und 28. April, 3. und 30. Mai, 20. und 25. Juni, 1. und 13. Juli. Karten: (0251) 59 09-100. www.theater-muenster.com