Kolonialzeit – Auch Westfalen war vielfach verstrickt

„Wie lange noch ohne Kolonien?“ – Diese deutsche Propaganda-Marke aus dem Jahr 1925 forderte die Rückgabe der Kolonien nach deren „Verlust“ durch den Ersten Weltkrieg und stellte den Kolonialismus als gleichsam „naturwüchsigen“ Wirtschaftskreislauf dar. Kolonien waren Rohstofflieferanten und lukrative Absatzmärkte.  (Foto/Repro: LWL)

Manche Zeitgenossen mögen gleich abwinken: Was soll denn Westfalen mit Kolonialismus zu tun haben? Berlin oder Hamburg, ja. Aber „wir“? Nun, beim genaueren Hinschauen zeigt sich: eine ganze Menge, bis hinein in lokale Verästelungen – und bis in rassistische Abgründe, die immer noch nachwirken.

Den vielfältigen Beweis tritt eine Ausstellung im Dortmunder LWL-Industriemuseum Zeche Zollern an. Der Titel fällt gleichsam mit der Tür ins Haus und duldet wenig Einspruch, er lautet „Das ist kolonial“. Es ist das zentrale „Anker-Ereignis“ des LWL-Themenjahres „Postkoloniales Westfalen-Lippe“.

Aufregung im Vorfeld

Die Schau ist aus intensiven Diskussionen, Projekten und Workshops hervorgegangen. Ein Werkstatt-Vorläufer erregte 2023 rechts gestrickte Gemüter, weil für wenige Stunden pro Woche ein „safer space“ (Schutzraum) eigens für Menschen mit dunkler Hautfarbe eingerichtet wurde, die sich möglichst ohne Irritationen mit dem heiklen Thema befassen sollten.

Tatsächlich macht die jetzige Ausstellung mit über 250 Exponaten sowie Video- und Hörstationen plausibel, dass Schwarze (heutige Lesart: „People of Color“) den Geschichtsverlauf und seine Relikte möglicherweise völlig anders wahrnehmen. Während etwa prachtvolle Federn als Verkleidungs-Material im deutschen Karneval dienen, haben sie in etlichen afrikanischen Regionen rituelle Bedeutung und müssen durch existentielle Prüfungen verdient werden. Hier ahnt man, warum die gelegentlich im Übermaß beschworene „kulturelle Aneignung“ ein Problem sein kann.

Rohstoffe aus Afrika, Wertschöpfung in Herford

Der rassistisch dargestellte „Sarotti-Mohr“ (hier eine Rückenansicht) war seit 1922 Werbefigur für die Schokoladenfirma und wurde erst 2004 vom „Sarotti-Magier“ abgelöst. (Foto: LWL)

Gleich eingangs findet sich ein Schaukasten, mit dem deutsche Schüler kurz nach 1900 „Naturgaben deutscher Kolonien“ kennenlernen sollten, also bestimmte Fasern, Früchte, Bodenschätze und dergleichen. Ein unscheinbarer Besen besteht just aus afrikanischen Rohstoffen, Wertschöpfung und Profit flossen allerdings nach Deutschland. In diesem Falle machten sie eine Familie im westfälischen Herford steinreich.

In der Zeche Zollern befindet man sich keineswegs auf „neutralem“ Boden. Emil Kirdorf, einstiger Zechendirektor dieses jetzigen Ausstellungsortes, war ein Kolonialismus-Befürworter ersten Ranges, wie überhaupt viele Industrielle in Westfalen. Dortmunds Hafen diente derweil als Umschlagplatz für Kohle, die nicht zuletzt Kriegsschiffe antrieb. Aus dem heimischen Stahl erwuchsen auch Eisenbahnen, die die eroberten Gebiete durchpflügten.

Sklavenhändler aus dem Sauerland

Und wer hätte gedacht, dass im Sauerland ein Sklavenhändler wie Friedrich von Romberg (aus Hemer) sein Unwesen getrieben hat? Zu den Dokumenten, die sein Leben erschließen, zählt auch eine Rechnung, in der er 10 Prozent tödlichen „Verlust“ beim Transport versklavter Schwarzer geltend machte.

Das vielköpfige, übrigens rein weibliche Kuratorinnen- und Vermittlungsteam, nahezu paritätisch auch Frauen mit afrikanischen Wurzeln umfassend, hat wesentliche Aspekte des Themenfeldes einleuchtend aufbereitet, übrigens auch und gerade für Kinder, die ein eigenes Begleitheft in die Hand bekommen. Darin führt eine agile Comic-Spinne („Anansi Spider“) kurzweilig durch die Ausstellung.

„Völkerschauen“ in Dortmund und Münster

Beispielsweise geht es auch um christlichen Missionseifer zur Kolonialzeit. Eine historische Spendendose in Gestalt eines dunkelhäutigen Menschen wird ganz bewusst halb hinter Milchglas präsentiert, um vorgefasste Blickweisen zu verunsichern. An anderen Stellen sollen künstlerische „Interventionen“ die altgewohnte Sicht durchbrechen.

Kolonialismus im Schulunterricht: Schaukasten zu den „Naturgaben deutscher Kolonien“ (vor 1919). (Foto: LWL/Julia Gehrmann)

Das weitere Spektrum reicht von der alltäglichen Propaganda deutscher Kolonialvereine über Kolonialwarenläden bis zur in Afrika erbeuteten Raubkunst mitsamt der aktuellen Debatte um deren Rückgabe. Ein besonders düsteres Kapitel gilt der Niederschlagung des Herero-Aufstands durch die deutsche Kolonialmacht, bei der 70.000 bis 100.000 Eingeborene starben. Auch geht es um ehedem übliche „Völkerschauen“, für die indigene Menschen nach Europa verfrachtet und ruchlos öffentlich zur Schau gestellt wurden, so etwa wiederholt im Dortmunder Fredenbaumpark oder im Münsteraner Zoo.

Beim Rundgang sind einige Merkwürdigkeiten zu entdecken: Tuchware mit „typisch afrikanischen“ Motiven entstand teilweise nicht etwa dort, sondern wurde – grotesk genug – u. a. in einer Druckerei zu Herdecke hergestellt und sodann nach Afrika exportiert.

Fragwürdige Bücher, Denkmäler, Straßennamen

So unabweislich grinst einem aus vielen Objekten der blanke Rassismus entgegen, dass es einer kleinen Abteilung mit fragwürdigen Büchern kaum noch bedurft hätte. „Zehn kleine…“ mit dem unsäglichen N-Wort, aber auch „Jim Knopf“ und „Pippi Langstrumpf“ finden sich hier. Über Letztere ließe sich freilich diskutieren.

In Frage gestellt werden auch Denkmäler früherer Kolonialherren und nach ihnen benannte Straßen, die vielerorts vorhandene Robert-Koch-Straße inbegriffen. Der berühmte Mann hat, geschützt von deutschen Soldaten, medizinische Menschenversuche an Indigenen angestellt. Muss man solche Straßen umbenennen und Denkmäler stürzen – oder sollte ein aufklärerischer Umgang mit derlei Zeugnissen möglich sein? Gewichtige Fragen, längst noch nicht abschließend beantwortet.

„Das ist kolonial. Westfalens (un)sichtbares Erbe“. LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Dortmund, Grubenweg 5. Bis zum 26. Oktober 2025. 

zeche-zollern.lwl.org/dasistkolonial

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Der Beitrag ist in ähnlicher Form zuerst im Kulturmagazin „Westfalenspiegel“ erschienen: www.westfalenspiegel.de




Wahrhaftige Nahansichten aus Europa – Historische Fotografien des Dortmunders Erich Grisar auf Zeche Zollern

Erich Grisar: Schuhputzer und Kunde in Barcelona. (Bild: Stadtarchiv Dortmund)

„Mit Kamera und Schreibmaschine durch Europa“ – schon beim bloßen Titel dieser Ausstellung klingelt es neuerdings wieder vernehmlich mahnend und vielleicht bedrohlich in den Ohren. In diesen Tagen hat „Europa“ wieder einen anderen Klang als noch vor kurzer Zeit.

Das LWL-Industriemuseum Zeche Zollern führt uns zurück in die Jahre 1928 bis 1933. Damals gab es große Hoffnungen auf einen engeren Zusammenschluss der Völker. Bald darauf wurden sie bitterlich zunichte. In jenen Jahren hat sich der Dortmunder Schriftsteller, Journalist und Fotograf Erich Grisar auf Reisen durch den Kontinent begeben und vor allem das zumeist entbehrungsreiche Alltagsleben der Menschen festgehalten – auf oft ganz erstaunlichen Fotografien, die so gar nicht „gestellt“ und gewollt, sondern (im Gegensatz zum damals weithin Üblichen) wunderbar spontan und wahrhaftig wirken.

Man merkt es den Bildern an, dass Grisar die verschiedensten Leute für sich und sein fotografisches Vorhaben einzunehmen wusste – von Kriegsversehrten in Flandern über Hafenarbeiter in Marseille bis hin zu Marktfrauen in Polen. Es scheint so, als hätte er sich ihnen allen in solch freundlicher Art genähert, dass sie sich und ihre oft ärmlichen Lebensumstände zeigten, wie sie eben wirklich waren. Daraus erwachsen zuweilen erschütternde, aber auch bezaubernde Momente.

Erich Grisar: Frauen und Kinder suchen verzweifelt nach brauchbarer Kohle – auf einer Schlackehalde in Mons/Charleroi (Belgien). (Bild: Stadtarchiv Dortmund)

Seltsam, dass Erich Grisar auf sein fotografisches Können wohl selbst keine allzu großen Stücke gehalten hat. Er legte es vielmehr darauf an, sich als Schriftsteller und schreibender Journalist zu beweisen, u. a. war er für den legendären Dortmunder Generalanzeiger tätig, die Vorläufer-Zeitung der Westfälischen Rundschau und seinerzeit das auflagenstärkste deutsche Blatt außerhalb Berlins. Die Handhabung der Kamera war für den Autodidakten demgegenüber eher eine schöne Nebensache. Doch heute wird Grisar als Fotograf (mindestens) ebenso geschätzt wie als Autor.

Erich Grisar: Junge Frau mit Putzeimer in Amsterdam. (Bild: Stadtarchiv Dortmund)

2016/17 waren Grisars Bildern aus Dortmund und dem Ruhrgebiet vielbeachtete Ausstellungen in Essen (RuhrMuseum auf Zeche Zollverein) und just Dortmund (Zeche Zollern) gewidmet. Das hiesige Stadtarchiv verwahrt, wie die Kuratorin Andrea Zupancic berichtet, rund 4200 Grisar-Fotografien. Ein weiterer, noch nicht öffentlich gezeigter Schwerpunkt bezieht sich auf diverse Deutschland-Reisen.

Doch jetzt erst einmal Europa! 255 Aufnahmen sind zu sehen, selbstverständlich schwarzweiß und noch selbstverständlicher analog (vielleicht muss man es aber für Digital Natives allmählich betonen). Erich Grisar hat auch späterhin als touristisch verpönte Motive und Folklore nicht verschmäht, die damals freilich noch längst nicht so „verbraucht“ waren. Beispiele: Käsemarkt in Alkmaar, Markusplatz in Venedig, Stierkampf in Spanien. Doch selbst das sind Ansichten, wie sie sonst nur selten gelingen. Überdies haben sie den nachträglichen Charme, dass sie einen anderen historischen Zustand bekannter Plätze und Zonen erfassen. Es ist unverkennbar: Paris, Barcelona, London oder auch Warschau hatten damals ungleich mehr spezifisches, noch nicht global vereinnahmtes Flair.

Erich Grisar: Straßenszene in Paris. (Bild: Stadtarchiv Dortmund)

Vor allem aber hat der bekennende Sozialist und Pazifist Grisar sich dorthin aufgemacht, wo die Menschen lebten und litten, wo sie ihre täglichen Überlebenskämpfe führten, aber auch ihren kleinen Vergnügungen nachgingen. Hart kam ihn Flandern an, wo Grisar selbst furchtbare Schlachten des Ersten Weltkriegs mitgemacht hatte. Auch um einer „Bewältigung“ willen, hat er diese Stätten in den späten 20er Jahren erneut aufgesucht. Die Bilder von Soldatenfriedhöfen und Versehrten summieren sich zu einem großen „Nie wieder!“ Auch eine Kehrseite blieb Grisar nicht verborgen. So hat er bildlich dokumentiert, wie die traumatischen Erinnerungen schon damals als Schlachtfeld-Tourismus vermarktet wurden.

Vielfach bewegend sind seine Aufnahmen aus den ärmeren und ärmsten Vierteln der Metropolen. Und welche Kontraste! Da sieht man einerseits Quellen des Reichtums (Diamanthandel in Antwerpen), doch weitaus häufiger kläglich zerlumpte Gestalten, denen „das Leben“ (sprich: der Kapitalismus) übelst mitgespielt hat. Armut war damals viel offenkundiger und drastischer als heute.

Erich Grisar: Menschenansammlung in London, offenbar Zuhörer an „Speakers‘ Corner“. (Bild: Stadtarchiv Dortmund)

Zweierlei gibt es noch zur Fotoausstellung hinzu. Zum einen hat das ebenfalls auf Zeche Zollern ansässige, literarisch rührige Fritz-Hüser-Institut in den letzten Jahren fünf Notizbücher durch Europa geschickt, die von Menschen aus etlichen Ländern (darunter Armenien, seinerzeit im Kriegszustand) mit Eindrücken gefüllt wurden und schließlich wieder in Dortmund anlangten. Anstoß war Erich Grisars Gewohnheit, auf seinen Reisen ein solches Büchlein mit sich zu führen und bei allerlei Begegnungen Einträge zu sammeln – so etwa auch von Erich Kästner und Bert Brecht, der ein kurzes Gedicht beisteuerte. Auch dieses historische Originalbuch ist in der Ausstellung zu sehen, während die erwähnten fünf Gegenwarts-Exemplare unter dem Titel „Wanderbuch“ und dem Motto „To cross all frontiers“ in einen Online-Auftritt eingeflossen sind, der sich hier aufrufen lässt: www.wanderbuch.de

Schließlich haben Menschen „zwischen acht und 85 Jahren“ in der Dortmunder Nordstadt am flankierenden Projekt „Mein Europa“ mitgewirkt, das vor allem Migrationsgeschichten erzählt und dabei Dortmund als neue Heimat in den Blick nimmt. Erich Grisar hat, bevor er südwärts ins Kreuzviertel zog, gleichfalls einst im Dortmunder Norden gelebt. Man kann nicht wissen, wohl aber mit Fug annehmen, dass ihm der offenherzige Geist dieses Projektes zugesagt hätte.

Erich Grisar – Mit Kamera und Schreibmaschine durch Europa. 5. März bis 16. Oktober. LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Dortmund, Grubenweg 5. Geöffnet Di-So 10-18 Uhr.

zeche-zollern.lwl.org




Im Bergbau war von Arbeitsschutz lange nicht die Rede

Teilansicht vom weitläufigen Gelände des LWL-Industriemuseums in Dortmund. (Foto: Bernd Berke)

Nicht nur zum Tag der Arbeit am 1. Mai sollte man sich daran erinnern, wie wesentliche Teile der Arbeitswelt im Revier ehedem ausgesehen haben.

Ein kurzer Film des LWL gibt dazu einen Anstoß. Der ehemalige Bergmann Hans Georg Zimoch (heute 83), der über 40 Jahre als Kumpel unter Tage malocht hat (anders kann man es kaum ausdrücken), erzählt darin vom knochenharten und gefährlichen Leben der Bergleute. Zimoch selbst hat neun Kollegen durch Bergunglücke verloren. Allein auf der 1955 geschlossenen Dortmunder Zeche Zollern sind im Laufe der Jahrzehnte 161 Bergleute ums Leben gekommen.

Insgesamt haben zigtausend Menschen im Steinkohlebergbau ihr Leben verloren. Und dabei hat man noch gar nicht die Langzeitfolgen bei jenen mitbedacht, die zwar mit dem Leben davongekommen sind, aber unter Silikose litten und leiden. Staublunge, so sagt auch Hans Georg Zimoch, wird man nie wieder los, diese Krankheit ist unheilbar.

Erzählt im LWL-Video vom schweren Arbeitsleben der Bergbau-Kumpel: Hans Georg Zimoch (83). (Foto: LWL)

Noch bis in die 1920er Jahre hinein wurde in den Bergwerken vollkommen ungeschützt gearbeitet. Auch gab es bis dahin weder Kranken- noch Unfallversicherung für die Bergleute.

Von Arbeitsschutz, der den Namen verdiente, konnte bis in die 1950er Jahre hinein so gut wie gar nicht die Rede sein. Die ersten Ansätze waren dann immerhin konkrete Warnhinweise und Plakate, alsbald kamen Sicherheitskleidung (Gummistiefel mit Stahlkappen, feste Handschuhe, Kunststoffhelme) und ortsfeste Beleuchtung unter Tage hinzu. Erst seit Anfang der 1960er Jahre trugen die Bergleute Stirnlampen. Nicht von ungefähr hieß es „Vor der Hacke is‘ duster.“ Manchmal zappenduster.

Und der Maifeiertag? Vor rund 130 Jahren legten rund 100.000 Männer und Frauen in Deutschland am 1. Mai die Arbeit nieder. Von Anfang an waren solche Streiks nicht nur mit Forderungen zur Verkürzung der Arbeitszeit und nach besserer Entlohnung verknüpft, sondern galten eben auch auch den desolaten Arbeitsbedingungen, zu denen der fehlende Arbeitsschutz zählte. 1919 wurde der 1. Mai ein einziges Mal als proletarischer Tag der Arbeit begangen, ehe ihn später das Nazi-Regime für seine Zwecke missbrauchte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg lebte die freiheitliche Tradition des Maifeiertages wieder auf.

Für Nicht-Revierkundige sei’s angefügt: Mit der Zeche Zollern hat es eine besondere Bewandtnis. Dem 1955 geschlossenen Bergwerk mit seinen imposanten Jugendstilbauten drohte der Abriss, der Ende 1969 – nach Protesten aus Bevölkerung und Fachwelt – verhindert wurde. Es war sozusagen der bundesweite Beginn des Denkmalschutzes auch für Industriebauten und zeugte von den Anfängen eines grundlegenden Bewusstseinswandels – nicht nur, aber speziell im Ruhrgebiet. 1979 wurde das Industriemuseum in der Zeche Zollern II/IV gegründet, seit 1999 fungiert es offiziell als Zentrale des LWL-Industriemuseums mit seinen acht Standorten. In der hoffentlich bald wieder besuchbaren Dauerausstellung des (derzeit noch wg. Corona geschlossenen) Museums erfährt man viel über die Sozial- und Kulturgeschichte des Bergbaus im Ruhrgebiet.




„Revierfolklore“: Zechenära in Relikten, Reliquien und Retro-Moden

Wie eine verblassende Erinnerung ans alte Revier: Förderturm auf dem Gelände des Dortmunder LWL-Industriemuseums Zeche Zollern, durch eine verregnete Autoscheibe (stehendes Fahrzeug) aufgenommen. (Foto: Bernd Berke)

Fördertürme. Grubenlampen. Schlägel und Eisen. Grubenwagen. Sozusagen klassisches Ruhrgebiet in Reinkultur. Derlei Zeichen und Symbole gibt es in dieser verdichteten Form nirgendwo sonst im deutschsprachigen Raum. Einst standen diese Dinge für den Berufsstolz der Bergleute. Doch noch heute, wo all das kaum mehr eine wirtschaftliche oder soziale Basis hat, identifizieren sich viele Nachgeborene der damaligen Kumpel damit.

Regionalstolz oder Kommerz?

Was daran jetzt noch einigermaßen authentisch, was glaubhafte Signatur für Heimatstolz und was vielleicht eher kommerziell ist, versucht eine Ausstellung des LWL-Industriemuseums zu beleuchten. In Bochum (Zeche Hannover) war sie bereits zu sehen, jetzt ist sie in der Zentrale des Industriemuseums angelangt, der Zeche Zollern in Dortmund, deren grandioses Gebäude-Ensemble gleichsam das größte „Ausstellungsstück“ ist. Den thematischen Anstoß gab seinerzeit die Schließung der letzten Revier-Zeche Ende 2018 in Bottrop. Doch ist das Ganze keine Vergangenheits-Bewältigung, sondern ein Blick zurück nach vorn.

Badeentchen in Kumpel-Kluft und mit Fußball-Bezug, rechts daneben die Eieruhr, die das Steigerlied spielt. (Foto: Bernd Berke)

Grubenwagen an über 1000 Standorten 

Das Kind muss einen Namen haben – und er ist gut gewählt: „Revierfolklore“ heißt die Schau, die hie und da beinahe auszuufern droht, aber doch in der Fahrrinne bleibt. Sie versammelt Hunderte von Objekten von inzwischen nostalgischem Charakter. Etwas wehmütig, aber nicht frei von Humor und Ironie werden allerlei Relikte und Reliquien der Bergbau-Epoche besichtigt. Recht angenehm: Die Besucher(innen) werden nicht zu Erkenntnissen gedrängt, sie sollen anhand der Exponate möglichst selbst ihre Wahrheit(en) finden. Zur Vertiefung empfiehlt sich freilich das Katalogbuch.

Bergmännische Erinnerungsstücke der herkömmlichen Art. (Foto: Bernd Berke)

Besonders prägant hervorgehoben wird gleich eingangs ein Grubenwagen (andere Bezeichnungen: Förderwagen, Lore oder auch Hunt). Heute stehen solche Wagen (anderer Plural: Wägen) vielhundertfach in Vorgärten, Parks oder an ähnlichen Stätten, zumeist bunt bepflanzt und nicht selten regionalstolz beschriftet. Im Obergeschoss sind dazu ausgewählte Fotografien zu sehen, die der von der Materie offenbar geradezu besessene Martin Holtappels im ganzen Revier und darüber hinaus aufgenommen hat. Sie zeigen Grubenwagen jeder Sorte und Couleur an ihren heutigen Stellplätzen. Schier unglaubliche 1094 Standorte – auch auf dem Friedhof oder vor dem Baumarkt – hat der Fotograf bis gestern ausgemacht, sie sind auf einer interaktiven Karte im Internet zu finden. Nicht auszuschließen, dass es schon heute mehr sind. Jedenfalls haben die Fahrzeuge einen deutlichen Funktions- und Bedeutungswandel hinter sich.

Wenn die Historie allmählich entrückt ist

Zurück ins weitläufige Erdgeschoss, wo solche Bedeutungsverschiebungen zuhauf dokumentiert sind. Da sind etwa die zahllosen einschlägigen Anstecker, die ehedem tatsächlich von Bergleuten am Revers getragen wurden und Zugehörigkeit zum angesehenen, aber eben auch knochenharten Berufsstand markierten. Heute sind es just Sammlerstücke. Wohl kein bergbaufremder Mensch wird sie sich allen Ernstes anheften mögen; es wäre eine Art Anmaßung, wenn nicht gar Frevel.

In Hülle und Fülle vorhanden: bergmännische Abzeichen und Anstecker in einer Ausstellungs-Vitrine. (Foto: Bernd Berke)

Eines der wertvollsten Stücke stammt ebenfalls von ganz früher: die um 1884 angefertigte, großflächige Vereinsfahne des Knappen- und Unterstützungsvereins Glück auf Herbede (Witten), die aus konservatorischen Gründen nur bei gedämpftem Licht gezeigt werden darf. Dieses Exponat kommt einem wahrhaftig historisch und ehrwürdig vor, in dieser Weise ist uns das Ruhrgebiet von (vor)gestern entrückt. Man hat allenfalls eine vage „Ahnung“ davon. Wenn überhaupt.

Die kohlenschwarze Eieruhr plärrt das „Steigerlied“

Geradezu frappierend ist hingegen die Verwandlung früherer Bergmannskleidung, deren Stoffe recycelt und zu modischen Taschen oder Portemonnaies verarbeitet wurden – unter dem bezeichnenden Label „Zechenkind“. Darin kann man durchaus noch eine gewisse kreative  Sinnhaftigkeit erkennen. Etwas fragwürdiger ist dann schon jene kohlenschwarze Eieruhr, die bei Erreichen des eingestellten Zeitlimits – na, was wohl? – das allfällige „Steigerlied“ abschnurren lässt. Für Bayern, Schwaben und dergleichen Exoten seien die Anfangszeilen zitiert: Glückauf, Glückauf! Der Steiger kommt. Und er hat sein helles Licht bei der Nacht, und er hat sein helles Licht bei der Nacht, schon angezünd’t, schon angezünd’t…“ Es scheint so, als wäre in diese Falle das Grenzgelände zwischen (selbst)ironischer Aneignung des regionalen Erbes und purem Verkaufsgag überschritten. Auch bei Badeentchen in Kumpel-Kluft überwiegt der wohlfeile Jux. Damit verglichen, sind all die vielen T-Shirts, Tassenserien oder Schlüsselanhänger mit Reviermotiven noch ganz gut erträglich.

Fußball, Schlager, Kino und Kulinarik

Selbstverständlich ist auch dem Umfeld des Revier-Fußballs ein Kapitel gewidmet, schließlich huldigen die Fans aller hiesigen Lager gern dem „Ruhrpott“-Mythos. Jüngst haben die „Choreos“ zu den letzten BVB-Heimspielen gezeigt, welcher Wert hier auf (ursprüngliche oder nachträglich erlangte) Herkunft und Zugehörigkeit gelegt wird. Wobei die Silhouetten der Zechentürme neuerdings auch schon mal durch die Umrisse des „Dortmunder U“ ersetzt werden, also durch ein imposantes Kulturzentrum. Es darf als ein Zeichen des Strukturwandels gelten.

Etwas peinlich für Dortmund ist allerdings dieser Umstand: Die angereisten Exponate zum Fußball betreffen weit überwiegend den FC Schalke 04, auch Jürgen Klopps Dortmunder „Pöhler“-Kappe kann diesen Mangel bei weitem nicht aufwiegen. Zollern-Museumsleiterin Dr. Anne Kugler-Mühlhofer ruft daher die BVB-Anhänger auf, durch Einreichen tauglicher Exponate (als Leihgaben) zumindest ein nachträgliches Gleichgewicht herzustellen.

Neben einem stilisierten Zechenturm in der Ausstellung (von rechts): Dirk Zache, Direktor des gesamten LWL-Industriemuseums, Anne Kugler-Mühlhofer, Leiterin des LWL-Industriemuseums Zeche Zollern und Alexander Muszeika, wissenschaftlicher Volontär. (Foto: Bernd Berke)

Seitenblicke gelten ferner dem mehr oder weniger reviertypischen Liedgut (vom Schlager bis zum Rap, mit teilweise irrwitzig anmutenden Fundstücken) sowie  dem regionalen Filmschaffen, z. B. zwischen Adolf Winkelmanns „Jede Menge Kohle“ (1981) und Peter Thorwarts „Was nicht passt, wird passend gemacht“ (2002). Und ganz klar: Bodenständige Comedy seit Tegtmeier sowie Duisburgs „Schimanski“ alias Götz George dürfen ebenso wenig fehlen wie die kulinarischen Grob- und Feinheiten der Currywurst mitsamt reichlicher Bier-Nachspülung. Wohl bekomm’s!

Eigentlich ist’s ja kein Wunder, dass man immer wieder auf die althergebrachten, ausgesprochen kraftvollen Symbole zurückgreift, denn man kann sich schwerlich vorstellen, dass strukturgewandelte, aber ziemlich gesichtslose Versicherungs- oder Universitätsbauten neueren Datums zur Identifikation einladen.

„Revierfolklore. Zwischen Heimatstolz und Kommerz“. 29. Februar bis 25. Oktober 2020. LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, 44388 Dortmund, Grubenweg 5. Geöffnet Di bis So und an Feiertagen 10-18 Uhr. Katalogbuch 272 Seiten, 14,95 Euro.

Nächste Station ab November 2020: Waltrop, Museum Schiffshebewerk Henrichenburg.

www.lwl-industriemuseum.de

 




„Alles nur geklaut?“ – Dortmunder Schau auf Zeche Zollern zeichnet „abenteuerliche Wege des Wissens“ nach

Vorführung des von Karl Drais erfundenen Laufrades anno 1818 in Paris. (LWL/Repro: Hudemann)

Wichtige Station in der Erfindungsgeschichte des Rades: Vorführung des vom Karlsruher Karl Drais erfundenen Laufrades – anno 1818 in Paris. (LWL/Repro: Hudemann)

Das gibt’s beileibe nicht in jeder Ausstellung: In der Dortmunder Schau mit dem flotten Fragezeichen-Titel „Alles nur geklaut?“ (ebenfalls geklaut: beim gleichnamigen Song der „Prinzen“) wird das Rad gleichsam noch einmal neu erfunden.

Auch sonst werden „Die Abenteuerlichen Wege des Wissens“ (Untertitel) beschritten. Es geht um Entstehung und Weitergabe des Wissens, aber auch um Geheimhaltung und Spionage – mit historischen und aktuellen Weiterungen bis zum Datenschutz. Ein weites Feld, fürwahr, das da mit 370 Exponaten auf 1000 Quadratmetern ausgeschritten wird.

Symboltier der Ausstellung für „geklautes" Wissen: die diebische Elster. (Grafik: baier + wellach projekte / Golasch)

Steht als Symboltier der Ausstellung für „geklautes“ Wissen: eine diebische Elster. (Grafik: baier + wellach projekte / Golasch)

Kurz zurück zum Rad. Das älteste Exponat im Dortmunder LWL-Industriemuseum Zeche Zollern ist ein jungsteinzeitliches hölzernes Scheibenrad, aufgefunden im Moor bei Aurich und daher staunenswert gut konserviert. Es stammt aus der Zeit um 2350 v. Chr.

Sodann kann man wesentliche Entwicklungsschritte bis hin zum heutigen Formel-1-Reifen verfolgen. Zwischendurch hat eine holographisch erzeugte „Geistererscheinung“ ihren Auftritt. Da spricht im Kleinformat ein dreidimensionaler Schauspieler zu uns, stilecht gewandet als Freiherr Karl von Drais, welcher anno 1817 das Laufrad („Draisine“) erfunden hat. Gleich daneben kann man Drais‘ Antlitz als Lebendmaske bewundern, zusätzlich versehen mit echten Wimpern des Mannes. Ein Stück wie aus der Wunderkammer.

Diese Ausstellung arbeitet mit verschiedensten Medien und Methoden, um eben auch möglichst viele Menschen anzusprechen. Herkömmliche museale Exponate und Vitrinenstücke werden vielfach flankiert von künstlerischer „Intervention“ (mit einer Arbeit von Jean Tinguely bis hin zur Performance) und vor allem (multi)medialer Aufbereitung. Wo irgend möglich, geht es betont spielerisch zu, im nicht gar so schönen Neusprech gesagt: „Gamification“ genießt im Zweifelsfalle Vorrang.

Wer knackt die Codes in den Geheimkammern?

Ein Clou sind die sechs „geheimen Kammern des Wissens“. Nach dem Muster der schwer angesagten Escape Rooms (man darf ins Freie, wenn man vorher Rätsel gelöst hat) soll man in diesen abgetrennten Räumen knifflige Fragen beantworten und Codes knacken; natürlich alles auf freiwilliger Basis. Wer es schafft, wird in die „Loge des Wissens“ aufgenommen. Und selbstverständlich bleibt niemand, der die Antworten nicht findet, hilflos in der Raumzelle gefangen…

Die Loge in allen Ehren. Aufschlussreich ist aber schon der ganz normale Rundgang durch die Schau. Eingangs wird der Prometheus-Mythos aufgegriffen, demzufolge alles Wissen ursprünglich von den Göttern herrührt, das ihnen jedoch vom Menschen entwunden („geklaut“?) wurde.

Diese Installation bezieht sich auf den frühen Ruhrgebiets-Industriellen Friedrich Harkort, der sein Fachwissen auf Reisen nach England entscheidend erweiterte. War er Pionier oder Spion? Scherzhaft hat man gesagt: ein „Spionier". (Foto: LWL/Hudemann)

Diese Installation bezieht sich auf den frühen Ruhrgebiets-Industriellen Friedrich Harkort, der sein Fachwissen auf Reisen nach England erwarb. War er Pionier oder Spion? Scherzhaft hat man die Worte kombiniert: ein „Spionier“. (Foto: LWL/Hudemann)

Doch allmählich wurde offenbar, dass der Mensch auch selbst neues Wissen generieren konnte. Und zwar mit der Zeit dermaßen viel Wissen, dass es irgendwie gespeichert werden musste: Da steht man unversehens zwischen einem 243 Bände umfassenden Lexikon des Universalgelehrten Johann Georg Krünitz und einem Bildschirm mit Wikipedia-Zugriff. Vertreter dieser Online-Enzyklopädie wollen die Schau besuchen, Workshops veranstalten – und dabei auch um potenzielle Mitarbeiter werben, an denen es zunehmend mangelt; womit auch eine Frage zur Weitergabe des Wissens berührt wäre.

Wissen schützen, Wissen stehlen

Weitere Themen-Facette: der Schutz des Wissens und die Verletzung dieses Schutzes. Als sinnfälliges Beispiel dient die ehedem äußerst lukrative Porzellanherstellung, die über lange Zeit ein bestens gehütetes chinesisches Geheimnis blieb. Erst 1710 kam man im sächsischen Meißen auf den „Trichter“ (Kaolin hieß das Zauberwort), führend daran beteiligt war Samuel Stöltzel. Sein Expertenwissen galt unter August dem Starken quasi als Staatsgeheimnis. Stöltzel freilich übte Verrat. Er ließ sich vom Kaiser in Wien das wertvolle Wissen abkaufen – und kehrte hernach wiederum mit frischen Erkenntnissen um Porzellan-Bemalung nach Sachsen zurück. Ein Doppelagent also. Auch er begegnet uns als sprechendes Hologramm und versucht, seine Beweggründe zu erklären.

Besonderes Exponat: In sauerstoffarmem Wasser konservierte Turbopumpe einer V2-Rakete. (Foto: Bernd Berke)

Heikles Exponat: im sauerstoffarmen Wasser konservierte Turbopumpe einer V2-Rakete. (Foto: Bernd Berke)

An etlichen Stellen stößt man in der Schau auf Ambivalenzen und Widersprüche, manchmal auch auf schreckliche Untiefen: Wernher von Braun war mit seiner Raketenforschung zunächst den Nazis zu Diensten. In Dortmund sind Teile einer V2-Rakete, der in Peenemünde entwickelten, so genannten „Wunderwaffe“ zu sehen, bei deren Fertigung mindestens 12.000 Zwangsarbeiter aus dem KZ Mittelbau-Dora (Thüringen) ums Leben gekommen sind. Wissens-Weitergabe der überaus wendigen Art: Später war von Braun eine treibende Kraft der Raketenentwicklung und des Weltraumprogramms in den USA. Sein Weg führte sozusagen von Hitler zu Kennedy, was in Dortmund durch ein irritierendes Kippbild veranschaulicht wird. Allemal ist es ein Denk- und Lehrstück zur angeblich wertneutralen Wissenschaft.

Kein Patent auf Röntgenstrahlen

Manche Leute waren aufs Eigentum an Wissen bedacht, andere zeigten sich freigebig: Wilhelm Conrad Röntgen verzichtete tatsächlich auf ein Patent für seine bahnbrechende Entdeckung der Röntgenstrahlen (Ausstellungsstück: durchleuchteter Schädel Sigmund Freuds), er befand, solches Wissen gehöre der ganzen Menschheit. Konrad Adenauer kämpfte hingegen vergebens um ein Patent für eine ungleich geringere Erfindung. Der nachmalige Bundeskanzler hatte sich einen beleuchteten Stopfpilz ausgedacht…

Ein Exemplar der legendären deutschen Verschlüsselungs-Maschine „Enigma" aus dem Zweiten Weltkrieg. (LWL/Nixdorf-Museum/ Foto: Bernd Berke)

Ein Exemplar der legendären deutschen Verschlüsselungs-Maschine „Enigma“ aus dem Zweiten Weltkrieg. (LWL/Nixdorf-Museum/ Foto: Bernd Berke)

Um Geheimhaltung und Entschlüsselung geht es an einer anderen Station: Ein Exemplar des legendären, weil weltweit beispiellosen deutschen Verschlüsselungs-Apparats „Enigma“ steht für den Geheimdienst im Zweiten Weltkrieg. Rund 10.000 Menschen arbeiteten in London an der Entschlüsselung deutscher Militär-Nachrichten, lediglich vier deutsche Fachkräfte waren als „Enigma“-Abwehr eingeteilt, wie Ausstellungs-Kurator Georg Eggenstein zu berichten weiß.

Bochum mit James Bond und Stasi

Natürlich konnte man auch diesen populären Aspekt nicht verschenken: In Sachen Spionage wirft man einen kecken Seitenblick auf James Bond, der ja bekanntlich aus dem heutigen Bochumer Stadtteil Wattenscheid stammt. Zudem wird die abenteuerliche Geschichte des Bochumer Stasi-Spitzels Karl Heinz Glocke angerissen, wie es denn überhaupt einige frappierende regionale Bezüge gibt.

Spionage-Chefin aus Dortmund setzte Mata Hari ein

Am erstaunlichsten vielleicht diese Verbindungslinie nach Westfalen: Haben Sie schon einmal den Namen Elsbeth Schragmüller gehört? Ihre Geschichte ist ein Thema für sich, sie ist wohl noch lange nicht auserzählt und dürfte weitere Recherchen lohnen. Die Frau wurde im später zu Dortmund gehörenden Vorort Mengede geboren und besaß offenbar einen scharfen analytischen Verstand. In Berlin brachte sie es im Ersten Weltkrieg zur Leitung der Spionage-Aktivitäten gegen den „Erzfeind“ Frankreich. Mancherlei Legende rankte sich um „Mademoiselle Docteur“. Genaueres wusste kaum jemand. Sie selbst hat sich – erst 1929 – nur ein einziges Mal öffentlich zu ihrer Funktion geäußert.

Verantwortliche Akteure des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (v. li.): LWL-Direktor Matthias Löb, Projektleiterin Anja Hoffmann, Dirk Zache (Direktor der Zeche Zollern) und Kurator Georg Eggenstein). (Foto: Bernd Berke)

Akteure des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), von links: LWL-Direktor Matthias Löb, Projektleiterin Anja Hoffmann, Dirk Zache (Direktor des Industriemuseums Zeche Zollern), Kurator Georg Eggenstein. (Foto: Bernd Berke)

Frau Schragmüller setzte auch die berühmte Mata Hari ein, die vormals halbseidene Tänzerin, die nach ihrer Bühnenkarriere weiter ein glamouröses Leben führen wollte und sich daher auf Spionage einließ. Hilfreich waren dabei ihre teils hochrangigen Nachtclub-Bekanntschaften. Auch dazu gibt es neue Einsichten, weil erst seit Ende 2017 die französischen Prozessakten gegen Mata Hari eingesehen werden dürfen. 1917, also 100 Jahre zuvor, hatte das Verfahren zur Hinrichtung der Spionin geführt.

Gar vieles könnte man noch erwähnen: Besucher-Selfies, die in einer Cloud auf Stoffbannern auftauchen; einschlägige Objekte zu „Fake News“ und sonstigen Fälschungen von Schülern aus Irland, Polen und Deutschland; eine ebenso niedliche wie gruselige Spielzeugpuppe, die ins Kinderzimmer hinein lauscht und in Deutschland verboten ist. Und, und, und. Nun ist’s aber auch genug der Vorrede: Ein Besuch der schlauen Schau ist schlichtweg ratsam.

„Alles nur geklaut? Die abenteuerlichen Wege des Wissens“. Vom 23. März bis zum 13. Oktober 2019. LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Dortmund, Grubenweg 5. Di-So 10-18 Uhr. Eintritt 8 Euro, Kinder/Jugendliche (bis 17) frei. Katalog 29,95 Euro. Tel. Führungen/Museumspädagogik: 0231/6961-211. Internet: allesnurgeklaut.lwl.org




Geierabend in der Nach-Bergbau-Ära: Alte Rituale, neuer Drive

Neue Unternehmenskultur à la Bollywood bei Thyssen Krupp

Farbenfroh: neue indische Unternehmenskultur à la Bollywood bei ThyssenKrupp. (Foto: StandOut Bussenius & Reinicke)

Wir schreiben das Jahr 2019. Auch die allerletzte Zeche ist inzwischen geschlossen – doch der Geierabend lebt weiter. Ist er noch zeitgemäß im Jahr 1 nach Ende der Kohleförderung im Ruhrgebiet?

Wird der alternative Karneval im Industriedenkmal Zeche Zollern in seiner 28. Auflage langsam selbst zum Denkmal? Oder fällt den Machern auch in der 28. Auflage noch Originelles ein, zwischen Zechenkulissen und Steiger-Thron? Die Antwort lautet eindeutig: ja. Mit neuem Regie-Team, einem neuen Ensemble-Mitglied und einer moderaten digitalen Erfrischungskur fürs Bühnenbild gelingt ein Abend, der den beliebten Geierabend-Ritualen und Klamauk-Traditionen huldigt, aber gewohnt giftige Pfeile sendet – in alle Richtungen, die es in diesem Jahr eben verdient haben.

Tatsächlich – für den Geierabend hat eine neue Ära begonnen. Günter Rückert, der von Anbeginn für Regie, Kulissen und Geierabend-Spirit verantwortlich zeichnete, hat sich zurückgezogen und seine Geier nun erstmals vom Publikum aus verfolgt. „Zechen und Wunder“ heißt das Programm, das die acht Darsteller und fünf Musiker nun bis Anfang März 37 Mal auf die Bühne bringen – dank der Improvisationskunst und journalistisch-tagesaktuellen Denke des moderierenden „Steigers“ Martin Kaysh sicher jedes Mal ein wenig anders.

„Kaffeefahrt ins Braune"

„Kaffeefahrt ins Braune“ mit allem Drum und Dran. (Foto: StandOut Bussenius & Reinicke)

Weniger Lokalpolitik

Weniger Kulissen, dafür animierte Projektionen im Hintergrund – das ist rein optisch die augenfälligste und durchaus gelungene Änderung unter dem neuen Regie-Team. Ob es auch an der neuen Regie (Heinz-Peter Lengkeit und  Till Beckmann) liegt oder nicht – auffällig ist, dass der Abend zwar nicht weniger politisch, aber weniger lokalpolitisch geworden ist.

Entweder, Dortmund und die anderen Ruhrgebietskommunen hatten anno 2018 zu wenig Satirefähiges zu bieten – oder das Ensemble hat den Schwerpunkt bewusst stärker auf landes-, bundes- und sogar europapolitische Themen gelegt. So wird Ministerpräsident Armin Laschet für den Anti-Preis „Pannekopp des Jahres“ nominiert, weil er dank der Fahrverbote unerwartet sein Wahlversprechen einlösen kann: Weniger Staus auf der A40. Denn wo niemand mehr fahren darf, kann es auch keine Staus geben.

Harte Konkurrenz um „Pannekopp des Jahres“

Laschet konkurriert um den Schrott-Preis mit dem Unternehmen DB Netz, das Herten einen Haltepunkt verwehrt – und der 60.000-Einwohner-Stadt damit zum zweifelhaften Titel „Größten Stadt Festlandeuropas ohne eigenen Bahnhof“ verhilft. Wer den tonnenschweren Orden bekommt, entscheidet das Publikum an jedem Abend per Applaus – bei der Premiere votierten die anwesenden Ehrengäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haarscharf für Laschet.

Zu den Highlights im zweiten Teil gehört die Nummer „Bollywood West“: Weil das indische Unternehmen Tata nun bei ThyssenKrupp einsteigt, ändert sich natürlich auch die Unternehmenskultur. Beim Ruf nach dem Betriebsrat erscheint den Stahlarbeitern plötzlich ein weiß gekleideter Inder, der die Sorgen und Nöte der Malocher einfach wegtanzt. Auch Rechtsradikalismus und Nazis sind (mal wieder) Thema: Bei einer „Kaffeefahrt ins Braune“ gibt es die Argumentationshilfe V3 für die Teilnehmer – Schlagstock statt Heizdecke, bevor es zum „All you can beat“ mit linksversifften Demonstranten geht.

Wenn der „Steiger“ Plastikhalme verteilt

So richtig bitterböse gerät allerdings keine Nummer – die Gutmenschen im Publikum runzeln wohl am ehesten die Stirn, wenn „der Steiger“ Martin Kaysh aus Trotz gegen das entsprechende EU-Verbot einzeln in Plastik verpackte Plastikhalme ans Publikum verteilt.

Die Welt über Tage hat sich verändert

Die Welt über Tage hat sich ziemlich verändert. (Foto: StandOut Bussenius & Reinicke)

„Endlich über Tage“ heißt das titelgebende Stück: Hans-Peter Krüger und Murat Kayi mimen zwei Bergleute, die nach 40 Jahren dank des Ende der Steinkohleförderung erstmals wieder ihre Kopf aus der Erde stecken. Alles was sie wollen, ist ein Bier – doch die Welt hat sich inzwischen verändert. Die Autowerkstatt, in der man früher stets ein Bier schnorren konnte, ist nun ein schickes Lokal, das nur alkoholhaltigen Hopfen-Smoothie im Angebot hat und sich von der Werbeagentur „Zechen und Wunder“ hippe Ideen erhofft. Die Vermarktung und Verkitschung der Bergbau-Ära hat längst begonnen, und ab sofort werden im Ruhrgebiet Kinder in die Nach-Kohle-Zeit geboren, für die die Arbeiterkultur der Malocher nur mehr Content zum Storytelling im Marketing sein wird.

Neu im Ensemble: der Obel

Neu im Ensemble: Andreas Obering alias „Der Obel“. (Foto: StandOut Bussenius & Reinicke)

Mit Andreas Obering aus Hamm, bekannt als „Der Obel“, hat das Ensemble einen veritablen Fang gemacht. Der Dialekt-Profi glänzt als beleidigter „Danke, Merkel!“-Ossi ebenso wie als Kölsche Stimmungskanone, die dem Geierabend-Publikum einmal zeigt, wie richtiger Karneval geht.

Was ist die Mehrzahl von Bier?

Die ewiggleichen Inszenierungen politischer Debatten in TV-Talkshows nimmt die Nummer „Brei mit Illner“ aufs Korn: Vier Politiker reden zwar nicht um den heißen Brei herum, dafür aber mit buntem Brei im Mund, der am Ende auch auf den politischen Gegner abgeschossen wird – das rituelle Ausspeien von Floskeln und Versatzstücken einmal auf seinen Kern reduziert.

Immergleiche Polit-Talkshows

Parodie auf immergleiche Polit-Talkshows. (Foto: StandOut BUssenius & Reinicke)

Kein Geierabend ohne „Die zwei vonne Südtribüne“ – auch wenn mit Hans-Martin Eickhoff 50 Prozent des beliebten „Lollo und Immi“-Duos inzwischen ausgeschieden ist. Der Geierabend schickt weiblichen Nachwuchs auf die Süd. Franziska Mense-Moritz fußball-fachsimpelt nun als „Priscilla“ mit verraucht-versoffener Stimme mit Pelzmantel und Sonnenbrille mit ihrer Kollegin Sandra Schmitz – und natürlich einem Kasten Bier. Denn: „Was ist die Mehrzahl von Bier? Kasten!“

Termine, Ort, weitere Infos (auch zu den Tickets)  hier.




Von Dortmund-Dorstfeld bis Donald Trump: der Geierabend 2017/2018

Auf Zeche Zollern feierte der 26. „Geierabend“ Premiere – Auftakt einer Session, in deren Verlauf weit über 10.000 Besucherinnen und Besucher aus dem ganzen Ruhrgebiet nach Dortmund-Bövinghausen kommen werden, um das Jahr kabarettistisch Revue passieren zu lassen – von Donald Trump bis Dortmund-Dorstfeld.

Alle Fotos in diesem Beitrag: © StandOut Tania Reinicke und Ekkehart Bussenius. www.standout.de

Alle Fotos in diesem Beitrag: © StandOut Tania Reinicke und Ekkehart Bussenius. www.standout.de

Im „Amt für entschwundene Kunst“ verwaltet die schwangere Vertretung der Schwangerschaftsvertretung die Lücken im Bestand, als Paul auftaucht. Paul hat viel Gerümpel im Keller und bringt das ahnungslose Fräulein vom Amt dazu, sein Waschbecken für eine verschwundene Installationen von „Villeroy Boch dem Älteren“ und seine alten Winterreifen für das Werk des Fluxus-Künstlers Michelin zu halten – und so die für ihn kostenlose Abholung zu veranlassen.

Der „Dortmunder Kunstschwund“ ist damit zweiten Mal Thema im Ruhrpott-Karneval „Geierabend“, diesmal in einer Nummer, die die Realität urkomisch-lakonisch auf den Punkt bringt: Das Schlimmste am vermeintlichen Skandal sind Menschen, die ihn für eigene Zwecke instrumentalisieren.

Die Kunstschwund-Nummer ist typisch für den 26. Geierabend, der am Donnerstagabend auf Zeche Zollern Premiere feierte: Randvoll mit aktuellen Anspielungen und bissigen Kommentaren aufs Zeitgeschehen, und dabei weder platt noch wirklich böse. Das war in den vergangenen Jahren schon mal anders, als Themen wie Flucht oder Rechtsextremismus verarbeitet wurden und das Lachen auch mal im Hals steckenblieb. Diesmal: intelligente Unterhaltung für politisch interessierte Ruhris – gemischt, natürlich, mit ausreichend Klamauk aus Schnöttentrop oder Kaninchenstall.

Martin F. Risse und Sandra Schmitz. Foto: StandOut

Der „Steiger“ wird hoffentlich bleiben

„Bye Bye Bottrop“ ist das titelgebende Motto diesmal – im Jahr 2018 endet mit der Schließung der Zeche Prosper Haniel in Bottrop die Steinkohleförderung im Ruhrgebiet und damit eine Ära. Es ist nur einer von mehreren Abschieden beim Geierabend: Das kreative Multitalent Günter Rückert gibt in dieser Session seinen Ausstand als Regisseur, und auch Ensemblemitglied Hans Martin Eickmann ist zum letzten Mal dabei. Dass dagegen der „Steiger“ dem Geierabend erhalten bleibt, darauf darf man trotz seiner traditionell anderslautenden Ankündigung wetten, es zumindest sehr hoffen: Neben der großartigen fünfköpfigen Band macht vor allem die blitzgescheite und pointierte Moderation von Martin Kaysh als „Steiger“ den Geierabend unverwechselbar.

Dafür steht zum Beispiel die Verleihung des „Pannekopp-Ordens“, die zum Ende der Session demjenigen winkt, der sich aus Sicht des Publikums am meisten um die 28,5 kg rostigen Stahlschrotts verdient gemacht hat. Nominiert sind in diesem Jahr NRW-Ministerpräsident Armin Laschet für seine Pläne, die Olympischen Spiele ins Ruhrgebiet zu holen („Wo das Stadion von Westfalia Herne nicht mal Rasen hat!“) , sowie das Literaturfestival lit.cologne, das in diesem Jahr mit dem Ableger „lit.RUHR“ die „Alphabetisierung vom Ruhrgebiet“ versucht hat – in der allzu offenkundigen Annahme, die Gegend zwischen Duisburg und Dortmund sei, literarisch gesehen, Diaspora.

„Der Steiger“ Martin Kaysh. Foto: StandOut

„Gebiet der Gebieter“

Überhaupt: Wenn andere versuchen, ein Selbstverständnis des Ruhrgebiets zu formulieren, schaut der Geierabend besonders genau hin. So gibt es Spott für die neue Standortmarketing-Kampagne der Metropole Ruhr, die mit dem Slogan „Stadt der Städte“ wirbt – Gegenvorschläge der Geier: „Gebiet der Gebieter“ – oder, noch besser, „Metropole der Polen“?

Es bleibt nicht bei der Kritik – der Geierabend liefert konstruktive Vorschläge zur Zukunft des Reviers. Was aus dem Ruhrgebiet werden soll, wenn die letzte Kohle gefördert ist? Zum Beispiel ein unterirdisches Endlager für all den Hass, der online gepostet, getwittert und getippt wird. In der Nummer „Prosper Haniel reloaded“ brodelt und dampft ein Leck geschlagener Hass-Castor, übervoll mit Kommentaren von „Wutbürgern, Reichsbürgern und ganz normalen Arschlöchern“. „Unter Adolf wär das nicht passiert“, entfleucht es, und die Grubenwehr steht hilflos daneben – bis die Heilige Barbara kommt. Auch diese Nummer hat einen ernsten Hintergrund: In Essen beschäftigt Facebook hunderte Mitarbeiter damit, Hass-Kommentare zu erkennen und zu löschen.

Die mächtigsten Tänzer der Welt beim „Pas de Doof“: Kim Jong-Un (Murat Kayi) und Trump (Martin F. Risse). Foto: StandOut

Dirty Dancing mit Kim Jong-Un

Die Spannungen zwischen Nordkorea und den USA bringt der Geierabend in einem herrlichen „Pas-de-Doof“ auf die Bühne: Trump (Martin F. Risse) und Kim Jong-un (Murat Kayi) praktizieren „Dirty Dancing“ und liefern sich einen tänzerischen Schlagaustausch, der die Absurdität der gegenseitigen Provokationen wortlos umso deutlicher macht. Auf der Bühne endet die Eskalationsspirale in der berühmten Hebefigur – allerdings mit Hilfe einer kleinen Leiter.

Ein depressiver Bundesadler (Sandra Schmitz) macht SPD-Witze („Was liegt am Boden und kann trotzdem noch fallen? Die SPD auf dem Weg zur Großen Koalition“) und wünscht sich, Angela Merkel würde mit der AfD regieren – bislang habe sie schließlich alle Koalitionspartner in Grund und Boden regiert.

Angela Merkel (Franziska Mense-Moritz) beim ausgelassenen Singen mit dem depressiven Bundesadler (Sandra Schmitz). Foto. StandOut

Respekt verdient Franziska Mense-Moritz, die nach ihrem Wadenbeinbruch humpelnd auftritt – ein absoluter Bühnen-Profi, die es schafft, ihre Krücke überzeugend in die Nummern einzubauen, sei es als eine der „Zwei vonne Südtribüne“, die diesmal gegen die Ausweitung der Spieltage und den „Kommarz“ im Fußball ansaufen, sei es als genervte Brautjungfer, als „Sonne“ in Tommy Finkes anspruchsvollem Klimasong oder als heiserer „Wemser“. Der entwickelt gemeinsam mit seinem Bruder „Missgeburt“ (Sandra Schulz) die Idee, die nach Hannibal-Räumung wohnungslos gewordene Mutter zu verprügeln, damit sie im Frauenhaus unterkommen könne. Was aus dem Hannibal werden könnte, auch dazu gibt es eine Idee: Dort könnten die Dorstfelder Nazis unterkommen. Die zündeln doch so gerne…

Geierabend noch bis 13. Februar im LWL Industriemuseum Zeche Zollern, Eintritt 37 Euro (ermäßigt 20.90 Euro)




Renaissance und Moderne auf Augenhöhe – Das Chorwerk Ruhr zelebriert bei der Ruhrtriennale die Schönheit des Klangs

Das ChorWerk Ruhr unter Leitung von Florian Helgath mit Axel Portal (Bratsche), Dirk Rothbrust (Schlagzeug) und Sebastian Breuing (Celesta). (Foto: Pedro Malinowski)

Zwischen der Musik des spanischen Renaissance-Meisters Tomás Luis de Victoria und den Werken eines John Cage oder Morton Feldman liegen vier Jahrhunderte. Doch bei aller historischen Distanz sticht ein gemeinsames Merkmal heraus: die Fokussierung auf das Phänomen des Klangs. Auf dessen Spuren hat sich nun, in der Maschinenhalle der Dortmunder Zeche Zollern, das ChorWerk Ruhr begeben; wie stets höchst professionell, intonationsstark, sensibel und äußerst differenziert. „Memoria“ ist das Konzert überschrieben, das im Rahmen der Triennale zu hören war.

Um in Klang geronnene Erinnerungen also geht es, bei de Victoria in Form eines Requiems auf den Tod der habsburgischen Kaiserin Maria (1603). Feldmans „Christian Wolff in Cambridge“ wiederum bezieht sich auf eine zwiefache Begegnung mit seinem Freund (eben Wolff) am exakt gleichen Ort, allerdings im Abstand von 15 Jahren – Feldman konstruierte daraus ein Werk, das ausgedehnte Klangfolgen wiederholt, mit nur leichten Varianten.

Cages „Four2“ mag nicht ganz ins „Memoria“-Raster passen, ist aber ebenfalls ein Stück für Chor a cappella, das zuerst aufs Erleben ruhiger, meditativ anmutender Klangflächen zielt. Der Höreffekt ist verblüffend: vermeintlich alte und neue Musik begegnen sich auf Augenhöhe.

Was nicht heißen soll, dass hier nur statische Tongebilde gewissermaßen zum Aushorchen einladen. Vielmehr liegt in all der Ruhe viel Bewegung, ein steter Fluss charakterisiert die Werke, oder, auf die Moderne bezogen, der kontinuierliche Fortgang.

Das exzellente ChorWerk Ruhr, unter Florian Helgaths umsichtiger Leitung, kostet jede Nuance aus, zelebriert die Schönheit des Klangs und manchmal sogar, bei Feldman und Cage, die tönende Stille. Das Requiem de Victorias andererseits besticht durch seine Wechsel von polyphoner Leuchtkraft und gregorianischer Schlichtheit, darüber die große Melancholie schwebt.

Arbeitet der spanische Altmeister naturgemäß mit einem vorgegebenen Text, setzen die Amerikaner lediglich auf einzelne Buchstabenlaute, oder noch puristischer, auf gesummte Vokalisen. Wie Feldman in „Rothko Chapel“, sein Versuch, mit Stimm- und Instrumentalfarben die großen, satten Farbflächen des Malers Mark Rothko in Klang zu verwandeln. Zum Chor gesellt sich dabei das dunkle Raunen der Bratsche oder die sonnenhell blinkende Celesta. Faszinierend auch die irisierenden Sopranhöhen, die sich aufs Feinste mit den Obertönen der Röhrenglocken mischen. Das mutet bisweilen ein wenig sakral an, ist indes alles andere als pathetisch. Feldmans Werk schreitet sanft, kennt aber auch den energischen Puls, am Ende gar melodisches Aufblühen.

Natürlich bedarf es in dem Riesenraum, der etwa zur Hälfte fürs Konzert genutzt wird, ein wenig der elektronisch-technischen Unterstützung. So wird das Klangerlebnis kompakter, die Atmosphäre der Kontemplation nahezu greifbar.

Ein spannender, bewegender Abend. Auch wenn draußen, von irgendwo her, stampfende, monotone Beats sich einmischen wollen – sie haben keine Chance gegen die tönende Schönheit im Innern.




PEN-Vorsitzender Josef Haslinger in Dortmund: Lesung und mahnende Worte zu den Menschenrechten

Josef Haslinger (re.) und sein Schriftsteller-Kollege Heinrich Peuckmann. (Bild: TK)

Josef Haslinger (rechts) und sein Schriftsteller-Kollege Heinrich Peuckmann. (Bild: TK)

Josef Haslinger, prominenter Vorsitzender des PEN-Zentrums Deutschland, las jetzt in der Dortmunder Zeche Zollern (LWL-Industriemuseum) u. a. aus seinem Buch „Jáchymov“ (Fischer Taschenbuch Verlag), in dem er von der Tragödie der tschechoslowakischen Eishockeymannschaft zu Beginn der kommunistischen Herrschaft in dem osteuropäischen Land gegen Ende der 40er und in den 50er Jahren erzählt.

Das Buch ist jedoch keine Dokumentation, sondern es handelt sich um einen Roman, der auf Dokumenten, Fakten und Chroniken beruht. In den Auszügen, die Haslinger vortrug, kam die gesamte Dramatik der damaligen Ereignisse zum Ausdruck.

Protest kann die Lage verschärfen

Im anschließenden Gespräch mit dem Schriftsteller Heinrich Peuckmann (Dortmund/Kamen) ging der Österreicher Haslinger auf das Engagement des PEN-Zentrums für verfolgte und bedrohte Schriftsteller ein. Mit Beispielen aus Mexiko, Kolumbien und Kamerun verdeutliche Haslinger die gesellschaftspolitische Verantwortung der Schriftstellerorganisation. Zudem sprach er auch über die Situation von Deniz Yücel, Türkei-Korrespondenten der Zeitung „Die Welt“, der sich im Gewahrsam der türkischen Polizei befindet. Die momentane Lage sei sehr komplex, erläuterte der Schriftsteller. Man stehe vor der Frage, ob es gut und richtig ist, weiter zu protestieren oder ob sich dadurch die Situation für den in Deutschland geborenen Journalisten noch weiter verschärfe.

Orbán-Berater führt Ungarns PEN

Das PEN-Zentrum sei nicht parteipolitisch gebunden, unterstrich Haslinger, gleichwohl ergreife die Organisation beispielsweise Partei, wenn es um Menschenrechte geht. Unter anderem kritisierte Haslinger, dass Menschen, die Zuflucht in Deutschland suchen, wieder in ihr Heimatland zurückgeführt werden, das als „sicher“ erklärt wird, es aber in Wirklichkeit nicht ist.

Dass in einzelnen Ländern PEN-Organisationen durchaus vom Staat unterwandert werden können, zeigte Haslinger am Beispiel von Ungarn auf. Inzwischen sei ein Berater des Ministerpräsidenten Viktor Orbán dort der Vorsitzende.

Neuer Erzählband „Schichtwechsel“

Zum Abschluss las Josef Haslinger einen Auszug aus seinem Beitrag zum neuen Erzählband „Schichtwechsel“, den Heinrich Peuckmann und Gerd Puls herausgegeben haben. Insgesamt haben an dem Band, der Geschichten aus und über das Arbeitsleben beinhaltet, elf Autoren mitgewirkt. Erschienen ist das Buch im Oberhausener assoverlag.

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Vom 27. bis 30. April hat das PEN-Zentrum Deutschland seine Jahrestagung in Dortmund. Dazu werden rund 200 Schriftsteller erwartet. Das Motto der Tagung stammt vom gebürtigen Dortmunder Autor Peter Rühmkorf und lautet: „Bleib erschütterbar und widersteh“.




Endlich Dortmund: Ruhrtriennale-Konzert in der Jugendstilhalle der Zeche Zollern

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MusicAeterna aus Perm beim Auftritt in der Dortmunder Jugenstil-Halle (Foto: Martin Steffen/Ruhrtriennale)

Es hat wirklich lange gedauert. 2002 fand die erste Ruhrtriennale statt, die Anfänge des Westfälischen Industriemuseums reichen in die 80er Jahre zurück. Doch erst in diesem Jahr haben die beiden kulturellen Großprojekte des Reviers intensive Berührung miteinander.

Das wohl berühmteste Gebäude des Museums, die jüngst renovierte Jugendstilhalle der Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghausen, wurde zum Aufführungsort für ein bewegendes Konzert von „MusicAeterna“ aus Rußland. Neben viel Bochumer Jahrhunderthalle und Duisburger Landschaftspark und etlichen weiteren, vorwiegend im westlichen Ruhrgebiet gelegenen Spielstätten (was sämtlich nicht zu kritisieren ist) nun also endlich auch Dortmund. Und einmal mehr ist man geneigt, dem Intendanten des Festivals Johan Simons dafür zu danken, daß er keinen Spielstättentunnelblick entwickelt hat und sich dem ganzen Ruhrgebiet in erfreulicher Offenheit annähert.

Künstler aus Perm

Die Künstler kamen aus Perm, gelegen etwa 1150 Kilometer Luftlinie nordöstlich von Moskau (wie Wikipedia zu entnehmen ist). Doch die ersten Permer (sagt man so?) bei der Ruhrtriennale waren sie nicht, letztes Jahr schon spielte das Permer Opernorchester zu Simons’ „Rheingold“-Inszenierung druckvoll auf. Die Damen und Herren in ihren strengen, bodenlangen schwarzen Gewändern entstammen dem Permer Opernchor. Unter Leitung von Vitaly Polonsky widmen sie sich in der Formation „MusicAeterna“ („ewige Musik“) christlichen Chorgesängen und haben auf diesem Feld große Bedeutung.

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Vitaly Polonsky leitet den Chor MusicAeterna (Foto: Martin Steffen/Ruhrtriennale)

Mäßige Akustik

Am Anfang und am Ende des 90-minütigen Chorabends, den ein abnehmendes Tageslicht durch die großen Fenster der Maschinenhalle stimmig durchleuchtete, stand Thomas Tallis’ „Spem in alium“ (nur annähernd korrekt übersetzt als eine religiös grundierte „Hoffnung auf anderes“) – zu Beginn dargeboten aus der Ferne im hinteren Hallenbereich, am Schluß auf der Bühne direkt vor dem Publikum.

Fraglos entfalten Klangdarbietungen an verschiedenen Punkten in einem großen Raum, in Kirchen zumal, durch Hall und Echo unterschiedliche ästhetische Valeurs; die Maschinenhalle indes tat dem Vortrag aus weiter Ferne nicht gut. Sie ist eben nicht als Konzertsaal konzipiert worden, und etliches an Klang und Differenzierung verbröselte deshalb irgendwo zwischen nackten Wänden und funktionalem Stahlfachwerk der Deckenkonstruktion. Besser, noch ein Satz zur Akustik, war der Vortrag direkt vor Publikum, wenngleich auch hier der Raum an seine Grenzen stieß. Wäre der Chor eine Lautsprecherbox, würde man sagen, daß sie bei großen Lautstärken erheblich klirrt (fachlich: hoher „Klirrfaktor“). Vielleicht könnte man für anspruchsvolle Konzerte noch etwas nachbessern.

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Chorgesang bei abendlichem Tageslicht in der renovierten Halle (Foto: Martin Steffen/Ruhrtriennale)

Begeisternde Filmmusik

Wenn auch der mittelalterliche Gesang „Spem in alium“ von Thomas Tallis dem Abend seinen Titel gab, war doch ein anderes Werk eindrucksvoller: György Ligetis quasi zeitgenössisches „Lux Aeterna“, ein vermeintlich ununterbrochener Sangesklang mit verstörenden Höhenverschiebungen im Vierteltonbereich, die in ihrer ungleichmäßigen polyphonen Darbietung eigentümlich instabil wirken. Man kennt den Gesang aus dem Film „Odyssee im Weltraum“ von Stanley Kubrick, in dem der Raumschiffcomputer HAL Größenphantasien entwickelt und verrückt spielt. Eine kongeniale Filmmusik, dem Göttlichen nah.

Weitere Komponisten des Abends waren Henry Purcell und Alfred Schnittke, und ich bitte um Nachsicht, wenn ich mich wg. unzureichender Kompetenz nicht an einer weiteren Würdigung der Darbietungen versuche.

Das unvermeidliche Drumherum bei Konzerten an besonderen Spielstätten – Parkplatzsituation, Wegweisungen, Toiletten, etc. – war gut organisiert, kein Grund zu Klagen. Auch deshalb steht zu hoffen, daß es bei der nächsten Ruhrtriennale wieder Konzerte in der Zollern-Halle geben wird.




Start mit Gluck – Intendant Johan Simons stellt das Programm der RuhrTriennale 2016 vor

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Auf Zeche Zollern erklingt zumindest an einem Abend Triennale-Musik – allerdings nicht im abgebildeten Verwaltungsgebäude, sondern in der (unsichtbar) dahinter liegenden berühmten und frisch renovierten Jugendstil-Maschinenhalle (Foto: Ruhrtriennale/LWL Hudemann)

Christoph Willibald Gluck macht den Anfang, es folgen Albert Camus, Emile Zola und viele andere. Johan Simons hat das Programm seiner zweiten Ruhrtriennale (12. August bis 24. September 2016) vorgestellt, die an etlichen ehemaligen (oder noch aktiven) Industriestandorten des Ruhrgebiets stattfinden soll. Nach langer Pause ist auch Dortmund wieder mit Spielstätten vertreten, dem Hafen und (endlich!) der renovierten Maschinenhalle von Zeche Zollern in Bövinghausen. Hier ein paar Fakten:

Beginn in der Jahrhunderthalle

Große Auftakt-Produktion ist Glucks Reformoper „Alceste“ in der Bochumer Jahrhunderthalle. Simons hat sie, wie wir den sorgfältig zusammengestellten Presseunterlagen entnehmen können, „neu inszeniert und stellt Fragen nach Opferbereitschaft, Mut und Demut“. Der belgische Dirigent René Jacobs steht am Pult, leitet das B’Rock Orchestra und den MusicAeterna-Chor aus Perm.

Paris  Paris

René Jacobs dirigiert die Eröffnungsproduktion „Alceste“ (Foto: Ruhrtriennale/ Molina-Visuals)

Drei Wochen später startet die zweite große Musikproduktion, wiederum unter Simons’ Leitung. Das Werk heißt „Die Fremden“ und ist eine musikalische Bühnenadaption des Romans „Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung“ von Kamel Daoud. Daouds Roman wiederum ist eine (etwas späte) Antwort auf den Roman „Der Fremde“ von Albert Camus, in dem der scheinbar grundlose Mord an einem namenlos bleibenden Araber eine zentrale Rolle spielt. Der Mord, ist zu erfahren, war nicht nur tödlich, sondern seine Beschreibung auch rassistisch, was Daoud zur Gegendarstellung bewegte.

Jetzt auch Auguste Victoria

Die Inszenierung hinterfragt menschliches Dasein in einer gottverlassenen Welt, fragt nach den Werten, die unsere Kulturen bestimmen, und läßt bei alledem Musik von György Ligeti und Mauricio Kagel hören. Da wage ich die Prognose, daß dies kein leichter Abend wird – aber ein spannender. Ein hoffentlich auch bereichernder. Spielort übrigens ist erstmalig die Kohlenmischhalle der Zeche Auguste Victoria in Marl, die erst vor kurzem stillgelegt wurde. Reinbert de Leeuw leitet das Asko/Schönberg Ensemble.

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Ein Bau von einschüchternder Größe: Die Marler Kohlenmischanlage, wo „Der Fremde“ gespielt wird (Foto: Ruhrtriennale/RAG Montan Immobilien GmbH)

In der Abteilung „Musik“ sticht das Projekt „Carré“ ins Auge, bei dem Bochumer Symphoniker und ChorWerk Ruhr, auf jeweils vier Gruppen verteilt, Musik von Karlheinz Stockhausen sozusagen dezentral zum Klingen bringen. Eigentlich geht das nirgendwo, aber in der Jahrhunderthalle eben doch.

Ebenfalls bemerkenswert: „Répons“, das „Raummusik-Meisterwerk“ des Komponisten Pierre Boulez, das im Landschaftspark Duisburg Nord vom Ensemble Inter-Contemporain unter der Leitung von Matthias Pintscher gegeben wird.

Fortsetzungen: Zola und Couperus

Im Bereich „Schauspiel“ werden Fortsetzungen angekündigt. Luc Perceval wandelt weiterhin auf Emile Zolas Spuren und bringt „Geld. Trilogie meiner Familie 2“ auf die Bühne. Ivo van Hove inszeniert „Die Dinge, die vorübergehen“ von Louis Couperus, eine Art Familienthriller. Wie auch im letzten Jahr, als das Couperus-Stück „Die stille Kraft“ im steten Tropenregen das Scheitern des Kolonialismus am Beispiel eines Verwaltungsbeamten und seiner Familie schilderte, umkreist Couperus das, was falsch ist an der Besitznahme ferner Länder durch sein Land.

Liebe. Trilogie meiner Familie 2 nach Émile Zola Regie Luk Perceval Bühne Annette Kurz Kostüme Ilse Vandenbussche Musik Lothar Müller Licht Mark Van Denesse Dramaturgie Susanne Meister Jeroen Versteele Darsteller Patrick Bartsch (Goujet) Stephan Bissmeier (Dr. Pascal) Pascal Houdus (Dr. Ramond) Marie Jung (Clotilde) Barbara Nüsse (Felicité; Frau Lorillieux; Leichenbesorger; Mme Goujet) Sebastian Rudolph (Lantier) Gabriela Maria Schmeide (Gervaise) Maja Schöne (Nana) Rafael Stachowiak (Jacques Lantier) Oda Thormeyer (Martine) Tilo Werner (Coupeau) Patrycia Ziolkowska (Clémence) Copyright by Armin Smailovic Gravelottestrasse 3                               D- 81667 Muenchen         Commerzbank Muenchen   Kto. 682038400 Blz. 70080000   Veröffentlichung honorarpflichtig! Umsatzsteuersatz 7% Steuernummer 146/198/60102  FA München

Das ist jetzt ein Symbolfoto zu „Geld. Trilogie meiner Familie 2“ (Foto: Ruhrtriennale/ Armin-Smailovic)

Es gäbe der Projekte viele, viele mehr zu nennen, doch soll dies ja nur ein erster Eindruck sein.

Im Dortmunder Hafen, um darauf zurückzukommen, ist die neue Arbeit von „osa_office for subversive architecture“ zu bestaunen und auch zu benutzen. Konkret handelt es sich um einen zehn Tonnen schweren Container in der Farbe Pink, der in eine real existierende Bearbeitungshalle für Stahlprodukte gekrant wird. Dabei dürfen um die 20 Besucher „an Bord“ („an Container“?) sein, bestimmt ein unvergeßliches Erlebnis.

Endlich in der Maschinenhalle von Zeche Zollern

Die Maschinenhalle der Zeche Zollern in Dortmund schließlich ist am 17. August Ort des Konzerts „Spem in alium“, benannt nach einer Motette Thomas Tallis’. An diesem Abend wird es experimentell, mit Musik von Henry Purcell, Alfred Schnittke, György Ligeti und eben Tallis. Vitaly Polonsky dirigiert den Chor MusicAeterna, der aus dem russichen Perm zur Ruhrtriennale gestoßen ist.

So, hier soll es einstweilen sein Bewenden haben. Natürlich könnte man über das Ruhrtriennale-Programm noch unendlich viel mehr schreiben, doch würde es bald unübersichtlich und sicherlich auch langweilig. Auf den Internet-Seiten des Festivals können Interessierte sich orientieren und Karten kaufen. Noch gibt es 15 Prozent Frühbucherrabatt.

www. ruhrtriennale.de




Geierabend 2014: Schwarzhumor aus der Grube

Flüchtlinge gucken vor Lampedusa. Foto: StandOut

Flüchtlinge gucken vor Lampedusa. Foto: StandOut

Einst war Kabarett relevant. Kabarettisten wie Dieter Hildebrandt kommentierten mit Schärfe die Missstände in Politik und Gesellschaft. Ins Kabarett ging man nicht nur in Erwartung eines bierseligen Schenkelklopf-Abends, sondern durchaus in dem Bewusstsein, dort auf Standpunkte zu treffen, die dazu beitragen können, sich eine (andere) Meinung zu bilden. Solche Kabarettisten gibt es heute immer noch, sicher. Doch sie erreichen längst kein Massenpublikum mehr. Wenn ein Comedian heute Stadien füllt, dann mit flachen Witzen über die Geschlechter und ihren fortwährenden  Kampf, eine offenbar bodenlose Fundgrube.

Umso bedeutsamer ist, dass sich der Dortmunder Geierabend mit seinem aktuellen Programm („Späßchen in der Grube“) dazu entschieden hat, noch konsequenter auf Gegenkurs zu gehen. Die Comedy-Show zum Ruhrpott-Karneval, eine Art Stunksitzung des Reviers, geht in diesem Jahr in ihre 23. Session. Sie hat ihre treue Fan-Gemeinde, und viele warten vor allem auf die Kult-Nummern im Programm: „Die Zwei vonne Südtribüne“, besoffene Fußball-Philosophen, rülpsen ihre Weisheiten über den Sport, den Alkohol und das Leben. „Die Bandscheibe“ (die großartige Franziska Mense-Moritz) widersetzt sich Jahr für Jahr renitent dem Nichtraucherschutz („Wo ich bin, is Raucherecke!“). Die „Hossa Boys“ intonieren mit heiligem Ernst Bierhymne um Bierhymne. Darin sind die „Geier“ um Regisseur Günter Rückert groß; das Ensemble besteht aus versierten und professionellen Kleinkünstlern, Musikern und Comedians, die auch alleine Abende bestreiten können.

"Kimberley, komm vom Gerüst weg": Sandra Schmitz als Hartz 4-Mutti. Foto: StandOut

„Kimberley, komm vom Gerüst weg“: Sandra Schmitz als Hartz 4-Mutti. Foto: StandOut

Es sind jedoch  die Nummern dazwischen, die den Geierabend zu dem machen, was er heute ist: ein relevantes Stück Gegenöffentlichkeit. In einer Zeit, in der ein schwuler Fußballer auf mehr Interesse stößt als Umwelt- oder Abhör-Skandale und in einer Region, die sich überwiegend schon an die Existenz nur einer Zeitung vor Ort gewöhnt hat, holt der Geierabend das Politische auf die Bühne öffentlicher Unterhaltung zurück. Das ist altmodisch, aber heute sogar wichtiger als zu Blütenzeiten des Kabaretts vor drei, vier Jahrzehnten.

Es ist vor allem eine Nummer, bei der einem Großteil des Publikums das Lachen im Halse stecken bleibt: „Eine Seefahrt vor Lampedusa“. In der bitterbösen Satire hat eine Familie eine Seefahrt mit besonderer Attraktion gebucht: Flüchtlinge gucken. Walfische standen schließlich schon im vergangenen Jahr auf dem Programm. „Die hab‘ ich mir viel schwärzer vorgestellt“, sinniert der Vater (Murat Kayi), während das Kind (Sandra Schmitz) quengelt: Es will die über Bord gegangenen Flüchtlinge füttern, am liebsten einen mitnehmen. „Füttern verboten! Du darfst eines herausholen, aber hinterher kommt es wieder ins Wasser!“, mahnt der Kapitän (Roman Henri Marczewski). „Wenn ein Neger vor Lampedusa im Meer versinkt…“, singen die Geier auf die Melodie von „Bella Bella Marie“. Wer sich traut zu lachen, hält plötzlich erschrocken inne.

Hitler und sein Hund Eva. Foto: StandOut

Hitler und sein Hund Eva. Foto: StandOut

Denn politisch korrekt sind wir Deutschen ja – keiner kann das besser beurteilen als „Osman und Yüksel“ (Hans-Peter Krüger, Murat Kayi). „Roma? Wer Sinti?“, fragt der einbürgerungswillige Türke seinen bereits erfolgreich integrierten, ja assimilierten Landsmann. Dieser erklärt seinem Kollegen, wie wichtig die korrekte Wortwahl ist – Eiche rustikal reiche nicht, um ein guter Deutscher zu werden. Was wiederum Unverständnis provoziert: Ayshe rustikal? Am Ende ist man sich einig: Die Deutschen bürgern Türken wohl vor allem aus einem Grund ein: Damit es wieder einen Türken in Deutschland weniger gibt.

Mutti macht die Raute. Foto: StandOut

Mutti macht die Raute. Foto: StandOut

Diese Botschaft kommt in der Nummer „Neujahrsansprache der Kanzlerin“ so zwar nicht vor – dafür wird diese aber gereimt und gesungen. Mense-Moritz ist ein wunderbares Mutti-Double, zurzeit originalgetreu auf Krücken. Und selbst mit denen kann frau die berühmte Raute machen.

Es geht um weiterhin um die NSA und den Luxus liebenden Bischof, das Ende der FDP und die Zukunft des Ruhrgebiets, vegane Ernährung, singende Sauerländer und fliegende Holländer. Doch das bislang heftigste Erregungspotential birgt zumindest den Reaktionen auf Facebook zufolge eine Homöopathie-Nummer: „Der Steiger“ (Martin Kaysh) schluckt Geierabend für Geierabend den Inhalt einer zufällig ausgewählten Flasche Globuli. Ein Menschenversuch auf der Bühne. Auf der Facebook-Seite des Steigers entbrannten bereits engagierte Diskussionen über wahlweise Sinn und Unsinn dieses Experiments sowie der Homöopathie.

Wie geht es heute, das richtige Leben, und wird es durch Homöopathie besser? Das sind Fragen, die die Menschen bewegen – zumindest dazu bewegen, sich zu Wort zu melden. Es wird wirklich Zeit für mehr gutes Kabarett.

Wer es drei Stunden lang eingeklemmt zwischen bestens aufgelegten Mitmenschen auf Bierbänken aushält, dem sei der Geierabend 2014 warm empfohlen.

(Offenlegung: Die Autorin verfasst ab und zu Pressetexte für den Geierabend. Für diesen Beitrag wird sie jedoch nicht bezahlt).




„Die Deutschen und die Zwangsarbeiter“ in der Zeche Zollern

„Schloss der Arbeit“ wurde die Dortmunder Zeche Zollern genannt. Nun ist sie ein „Landesmuseum für Industriekultur“, allerdings nicht überall zugänglich, denn der Hauptteil, die Maschinenhalle mit dem wunderschönen Jugendstil-Portal, wird gerade aufwändig renoviert. Stattdessen gibt es in einem anderen Gebäude noch bis zum 30. September die Ausstellung „Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ zu sehen.

Allein in Dortmund schufteten etwa 30.000 Zwangsarbeiter. (Foto: lwl)

Die historische Forschung über das System der NS-Zwangsarbeiter-Rekrutierung und -Ausbeutung ist relativ weit fortgeschritten, doch diese Ausstellung wendet sich eher an Menschen, die wegen der Industrieanlagen kommen und nun mit einem wichtigen Problemkreis der jüngeren Geschichte konfrontiert werden.

Die Bilder und Dokumente in der sehr professionell zusammen gestellten Schau machen frösteln, manchen Besuchern stehen sogar Tränen in den Augen angesichts der deutlich dargestellten Grausamkeiten, der unvorstellbaren Unmenschlichkeit dieses durch und durch verbecherischen Systems. Vor allem die vorgestellten Text-Originale und die Tondokumente lassen anschaulich werden, wieviel Leid und Tod unsere Ahnen diesen unschuldigen Menschen brachten.

Die Ausstellung widmet sich am Schluss auch der Befreiung und den Schwierigkeiten in den DP-Lagern für „Displaced Persons“, heimatlosen ehemaligen Zwangsarbeitern und Krieggefangenen, wie es sie in unserer Region zum Beispiel in Iserlohn oder Ennepetal-Voerde gab. Etwas iritierend an der sehenswerten Ausstellung ist nur der Titel: Der Obertitel „Zwangsarbeit“ hätte gereicht, denn tatsächlich bekommt man einen umfassenden Überblick über das System und die Untaten.

Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg. LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Grubenweg 3 in Dortmund, Di-So 10-18 Uhr. Eintritt 5 Euro. Bis 30. September.




Der Geierabend: Klamauk in Ruhrdistan

Geierabend - Screenshot der Homepage www.geierabend.de

Geierabend - Screenshot der Homepage www.geierabend.de

Erdig, ungestüm, ein bisschen verrückt – wer sich mit dem „Geierabend“ in der Regie von Günter Rückert auf einen Ritt „Durch das wilde Ruhrdistan“ aufmacht, kann sich auf humoreske Abenteuer gefasst machen.

Von der bissigen Dortmunder Lokalsatire bis zu bundespolitischen Ausrutschern fegen die Geier in der 21. Session ihres alternativen Ruhrgebiets-Karnevals auf Zeche Zollern hinweg. Die Tour d’humour bietet echte Höhen – aber auch tiefe Tiefen.

Karneval im Ruhrgebiet ist anders, vor allem beim Geierabend. Kaum jemand ist verkleidet, außer den Gestalten auf der Bühne, es wird wenig bis gar nicht geschunkelt und Gefühlsausbrüche drücken die Zuschauer durch Trampeln und Geiern aus.

Und doch: Ob im Rheinland oder im Ruhrgebiet, die Giftpfeile schießen auf diejenigen, die über das Jahr die peinlichsten Vorlagen geliefert haben. Und das tagesaktuell, fragt doch der „Steiger“ (Martin Kaysh) den Präsidenten (Roman Henri Marczewski) aus, ob er standesgemäß Urlaub auf Kosten von Freunden gemacht habe.

Bissig ohne Scheu

In seinen besten Momenten ist das eingespielte Ensemble bissig ohne Scheu: „Wissen macht aua“ wird da zum Motto der Mitglieder der Piratenpartei, deren Ehrenvorsitzender ein kopfloser Klaus Störtebeker ist, während der Migrationsexperte gerade seinen Ausstand bei der NPD gibt. Die Geier erlauben sich, auch bei den ernstesten Themen herrlich rumzuspinnen – und bieten zum Beispiel bei „Kuh-VC“ den ultimativen Euro-Rettungsschirm feil, Modell „Titanic“ mit patentierter EZB-Schutzschicht.

Eine der besten Nummern nimmt das Phänomen „Facebook“ aufs Korn: Während zwei schüchterne Jugendliche sich zum „privaten Weichteil-Flashmob“ verabreden, tanzen „Gefällt mir Buttons“ über die Bühne und eine Dietrich-Diva sind „Frag nicht wo die Daten sind“.

Strukturwandel als Klischee

Auch viele Dortmunder Spezialitäten nehmen die Geier aufs Korn. Gut, dass den Panneköppen dank des Steigers, dem „Julian Assange des Geierabends“, schon die ersten Drehbücher für den Dortmunder Tatort vorliegen. Die aber erweisen sich bei näherem Hinschauen als höchst komplex. Schließlich gilt es, Klischees zu vermeiden – da gilt es eine Leiche auf der Lore dringend zu vermeiden. „Ja, soll ich die jetzt in den Technologiepark ziehen, oder watt?“, fragt ein verzweifelter Ermittler. „Bloß nicht. Das wäre Strukturwandel und auch ein Klischee“ ist die niederschmetternde Antwort. Ohne Klischees also keine Leiche, kein Mörder, keine Geschichte – das könnte auch das Motto des Geierabends in diesem Jahr sein.

Ulli Durau

Stark ist, wenn das Ensemble das lokale Geschehen zu aberwitzig bösen Geschichten strickt: Für das Dortmunder U, das selbst trotz „Skandalmarketings“ mit der Kunstwerke wegschrubbenden Putzfrau an zweistelligen Besucherzahlen „arbeitet“, hat Tourismus 21 eine simple Idee. Warum nicht einfach die Dortmunder Nazis dort unterbringen, wo sie unter sich sind? „Da könnt ihr euch ein bisschen fühlen wie in Albert Speers Germania-Halle“ säuselt die Tourismusleiterin (Sandra Schmitz) dem Nazi-Kevin (Benedikt Hahn) zu. Da muss man bei dem Werbespruch schon ein bisschen schlucken: „Dortmund – wo Faschos zu Hause sind“.

Andere Szenen wie „Der Schatz im Phoenixsee“ klingen und beginnen zwar vielversprechend, werden aber nicht konsequent durchgezogen und versanden.

Verve zeigt allerdings der Steiger: Auch wenn er bei der Premiere noch nicht ganz ‘witzwarm’ wirkte, ließ er sich von der anwesenden Lokalprominenz nicht irritieren – baute OB Ullrich Sierau („Wir duzen uns, ich darf Ulli Durau sagen“) ein Fahrrad zum Telefonieren auf der Bühne auf und spottete über die umstrittenen Spenden von Kölbl und Kruse. Und auch einen treffenden Vorschlag für einen Ortszusatz hatte er parat: „Dortmund – die immer-wieder-Wahl-Stadt“…

Ab und zu daneben gegriffen

Und doch greifen die Geier auch manches Mal daneben: Ob nun Kakerlaken einen wenig erhellenden Choral zum Weltuntergang singen, allein der Name des Kfz-Mechanikers Boskop („Keine Äpfel!“) als Witz tragen soll oder Spielerfrauen angesichts von homosexuellen Fußballern plötzlich Spielermänner neben sich stehen haben – all das könnte man sich sparen und so das fast vierstündige Programm kürzen.

Da feiert das Publikum schon lieber die albernen, grellen Kostüme, die starke Musik der Geierabend-Band und die Kultfiguren wie die Bandscheibe (Franziska Mense-Moritz) oder die Zwei vonne Südtribüne (Mense-Moritz und Hans Martin Eickmann). Bei Joachim Schlendersack (Martin F. Risse) wird sogar ein Schweinetransport nach Brasilien zur Gaudi – was den Geierabend eben auch ausmacht, ist die Lust am reinen Klamauk.




„Kultur im Revier gehört nicht an den Katzentisch“ – Thierse und Clement auf Zeche Zollern zum „Kulturforum der Sozialdemokratie im Ruhrgebiet“

Von Bernd Berke

Dortmund. Ein „Kulturforum der Sozialdemokratie im Ruhrgebiet“ ist am Samstag in Dortmund gegründet worden. In kulturellen Grundsatzreden skizzierten zwei hochrangige SPD-Politiker den thematischen Rahmen: Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, zugleich Bundesvorsitzender der 1983 noch von Willy Brandt angeregten Kulturforen, und NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement.

Rund 300 Teilnehmer aus Kultur, Politik und Wirtschaft hatten sich im Westfälischen Industriemuseum (Zeche Zollern II/IV) in Dortmund-Bövinghausen versammelt. Thierse ermutigte die Dortmunder, mit dem Pfund dieser musealen Einrichtung zu wuchern, denn es sei wohl das deutsche Industrieareal, welches am frühesten unter Denkmalschutz gestellt wurde. Überhaupt sei historisches Bewusstsein eine Stärke des Reviers. Den „Mythos Ruhrgebiet“ habe er sogar zu DDR-Zeiten in Thüringen wahrgenommen. Also sei es an der Zeit, auch hier ein SPD-Kulturforum ins Leben zu rufen.

Ob das Forum zum Gesprächskreis zwischen Künstlern und Politikern gerät, ob es als kulturelle Lobby, als loses „Netzwerk“ antritt oder sich völlig anders entwickelt (2002 ist ein Bundestags-Wahljahr), das alles ist noch nicht ausgemacht.

Neuer Auftrieb nach dem Ende der Ära Kohl

Thierse wünscht sich jedenfalls, dass die Debatten der Kulturforen „ins Regierungshandeln einfließen“. Nur im offenen, beiderseitig kritischen Dialog mit Kulturschaffenden könne seine Partei „auf der Höhe der Zeit“ bleiben. Gerade im Strukturwandel, bei dem das Revier vorangegangen sei, eröffne Kultur neue Denkfelder, neue Handlungsorientierung. Sie werde immer wichtiger und gehöre „nicht an den Katzentisch, sondern ins Zentrum politischer Kommunikation.“ In der Kohl-Ära hätten sich Künstler und Intellektuelle vielfach auf unverbindliche Positionen zurückgezogen, doch „seit 1998″ – so Thierse – seien Kulturfragen auch bundespolitisch wieder nach vorn gerückt.

Ministerpräsident Clement schwelgte in einer Vision des Ruhrgebiets von morgen. Die Region bekomme einen „ganz neuen Rhythmus“, auch und vor allem kulturell. Gérard Mortier werde hier mit der „Ruhr-Triennale“ gewiss „das aufregendste Signal der Erneuerung setzen“. Die öffentliche Kulturfinanzierung begreife er, Clement, ohnehin nicht als „Subvention, sondern als Investition in die Zukunft“. Vom neuen SPD-Kulturforum erwarte er, dass es eine „Plattform der Kreativität“ werde.

Das Forum wird getragen von den SPD-Bezirken Westliches Westfalen und Niederrhein. Schon daran sieht man: Revier ist nicht gleich Revier. Clement sprach über die Provinzialstraße, jene in mancher Hinsieht kaum überwindliche Grenzen zwischen westlichem und östlichem Ruhrgebiet. Und auch Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer setzte sich von der Idee einer übergreifenden „Ruhrstadt“ ab.