„Dein Bücherregal verrät dich“ – Grant Sniders Cartoons aus der Lesewelt

Bücher über Bücher bilden bekanntlich ein eigenes Genre. Man denke nur an die zahllosen Publikationen über prächtige Bibliotheken oder herausragende Buchhandlungen. Just dort und auf Buchmessen machen sich solche Bände immer gut. Der US-Amerikaner Grant Snider reiht sich ein, durchpflügt das Thema zeichnerisch und zielt schon im Titel direkt auf die Lesenden: „Dein Bücherregal verrät dich“ (Original: „I Will Judge You By Your Bookshelf“).

Die Cartoons (Sniders erstaunliche Doppelbegabung laut Verlag: „tagsüber Kieferorthopäde, nachts Zeichner“) rufen mancherlei Wechselfälle des Lese- und Schreiblebens auf, so gut wie alles wird angetippt und flott durchbuchstabiert. Und alles, aber auch wirklich alles wird auf Lektüren bezogen. So führen die Stufen der Lebensleiter von der „Entdeckung“ allererster Bücher über einschlägige Schmöker-Stationen bis hin zur Weitergabe der Bücher an die nächste Generation. Außer Lesen nichts gewesen?

Nur ein paar Beispiele: Da findet man die „Ode an ein halbgelesenes Buch“ (soll man’s denn fertiglesen oder weglegen?), saust mit der windungsreichen „Erzähl-Achterbahn“ durch einen Roman oder erblickt Schriftstellers Leid und Freud in Form eines urbanen Wimmelbildes („Haiku-Hochhaus“, „Grammatik-Polizei“ und Müllwagen mit „Ideen für die Tonne“ inbegriffen). Grant Snider plädiert dafür, die üblichen Kinderbuch-Tiere zu ersetzen (Tapir statt Pinguin usw.), entwirft sodann ein launiges Schema zu Konfliktmustern in der Literatur, hübsch unterschieden nach klassischer, moderner und postmoderner Lesart.

Ferner geht’s um Sortier-Prinzipien fürs Buchregal, gängige Zutaten von Shakespeare-Dramen oder „Brotberufe berühmter Dichter*innen“ – ersichtlich langweilt sich T. S. Eliot als Bankangestellter, während Robert Frost sich als Farmer verdingt. Apropos: Snider bezieht sich vorwiegend auf den angloamerikanischen Sprachraum. Er lebt nun mal in Wichita (Kansas/USA) und zeichnet vor allem für die New York Times, den New Yorker sowie den Kansas City Star.

Der cartoonistische Zugriff bringt es schon mit sich: Hier wird nichts allzu ernst oder gravitätisch, sondern nach Möglichkeit alles recht leicht genommen. Liebenswert und stellenweise fast schon etwas schrullig ist die zeichnerische Detailfreude, mit der sich Snider in seinen Lesewelten ergeht. Keine Frage, dass hier ein echter Bücherwurm zugange ist.

Viel umfangreicher hätte das weitgehend monothematische Buch freilich auch nicht ausfallen sollen, sonst hätte es gewisse Schwächen wohl deutlicher offenbart. Über manche Idee wird man sicherlich schmunzeln, doch der eine oder andere Einfall Sniders ist wiederholungsträchtig, der zeichnerische Stil zwar ansprechend, aber letztlich auch limitiert. Die vorliegenden 128 Seiten erweisen sich gleichwohl als vergnüglich.

Grant Snider: „Dein Bücherregal verrät dich. Momente, die du nur kennst, wenn du Bücher liebst“. Aus dem Englischen von Sophia Lindsey. Penguin Verlag, München. 128 Seiten, durchgehend farbig, 16 Euro.

 

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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