„Geh nicht durchs Gewischte!“ – Torsten Sträters „Heimspiel“ in der großen Westfalenhalle

Mit der weithin berühmten Mütze: Torsten Sträter (Aufnahme vom Januar 2020). (Foto: © Harald Krichel / Wikimedia Commons – Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Torsten Sträter war spürbar und eingestandenermaßen richtig gerührt, als er jetzt vor Tausenden in der Dortmunder Westfalenhalle 1 (also in der „Großen“) aufgetreten ist. Beim „Heimspiel“ ließ er sich nicht lumpen und stand solo beachtliche zweieinhalb Stunden auf der Bühne, Pause nicht mitgerechnet. Allein das war schon eine reife Leistung.

Die veranstaltungslose Zeit der Pandemie, so bekannte der Comedian, habe ihn in wirkliche Depressionen gestürzt. Und überhaupt: Für den gebürtigen Dortmunder (Jahrgang 1966, aufgewachsen im stark vom Bergbau geprägten Ortsteil Eving) war gerade dieser Abend etwas Besonderes. In jungen Jahren sei ihm Dortmund immer wie die „große weite Welt“ erschienen, auch heute hänge er an dieser Stadt. Ja, hömma!

Der Titel des Programms („Schnee, der auf Ceran fällt“) tat nicht viel zur Sache, Sträter hatte ihn des geschmeidigen Klangs wegen gewählt. Ansonsten war von Schnee und Ceran keine Rede.

Aus zahlreichen Fernsehauftritten kennt man ihn mit der typischen Wollmütze. Diesmal legte er sie zu fortgeschrittener Stunde ab und offenbarte damit sein „eigentliches“ Aussehen. Dazu nur dies: Er kann sich durchaus auch ohne Mütze blicken lassen. Trotzdem würde man sein Markenzeichen auf Dauer vermissen. Ein Herbert Knebel geht ja auch nicht ohne Kappe auf die Bühne.

Torsten Sträter begann nicht um Punkt 20 Uhr, sondern etwas später. Dennoch sickerten immer und immer wieder noch zahlreiche Nachzügler (gegendert: Nachzügelnde???) in die Halle, als das Programm schon längst lief. Sträter begrüßte sie allesamt einzeln oder grüppchenweise, äußerte einerseits Verständnis (wg. langwieriger Parkplatzsuche), hatte aber auch einige Anmeier-Sprüche parat. Was tun Spaßmacher nicht für einen Gag! Aber nichts ist bös gemeint. Echt nicht.

Der Meister der Abschweifung kam mal wieder verbal von Hölzchen auf Stöckchen. Bemerkenswert: Es gibt beileibe nicht viele Comedians, die auf der Bühne erwähnen, wie ihr Vater sie einst verdroschen hat. Auch Sträters heute 19jähriger Sohn („Der ist viel schlauer als ich“) kam vor, beispielsweise mit genüsslich zitierten Äußerungen wie: „Ich hab‘ gottlos Bock auf Pommes.“ Solche Wendungen muss man sich merken.

Worum ging’s noch? Um alles oder nichts – in bunter, kaum vorhersehbarer Reihenfolge. Zum Exempel um hassenswerte Nahrung (Kürbis, Knäcke, Spekulatius) oder einen Tesla, den Sträter als Leihwagen fahren durfte. Gewiss, das Spaltmaß beim Tesla ähnele dem eines chinesischen Hochzeitsschranks. Doch das hochtechnisierte Modell zeige so viel auf dem Riesendisplay, dass man gar nicht mehr zum Fenster rausschauen müsse; eine veritable Vergünstigung, wenn man etwa durch Bottrop fahre… Überdies zeichne der Tesla mit seinen Kameras rundum fast alles auf, z. B. wenn „sein“ Fahrer mal ans Raststätten-Gebüsch pieseln geht, um die elende Sanifair-Gebühr nicht bezahlen zu müssen.

In einer der stärksten Passagen grub Sträter familiäre Redensarten von früher aus – von der 20-Watt-Funzel, die stets geradezu ehrfürchtig die „groooße Lampe“ genannt wurde, bis hin zur dringlichen Aufforderung an Putztagen: „Geh nicht durchs Gewischte!“ Zugegeben: Schriftlich kommt das gar nicht so eminent rüber, doch w i e Sträter das live vorbringt, ist wirklich zum Gackern.

Sträter kann sehr kalauerhaft und albern zum Wortwerk gehen, er ist aber auch durchaus nachdenklich und reflektiert. Eine gute Mischung. Da lässt sich auch darüber hinwegsehen, dass eines seiner gar zu häufig eingestreuten Lieblingsworte „Pimmel“ lautet. Und wenn man mit teils trivialen Kinofilmen nicht so vertraut ist wie er, versteht man auch die eine oder andere Anspielung nicht so gut. Aber dennoch hat sich Bolle (und nicht nur er) ganz prächtig amüsiert.

Am Samstag, 12. November, gastiert Torsten Sträter in Duisburg (Mercator-Halle im CityPalais), am 14. 11. in der Stadthalle Neuss und am 15.11. in der Essener Lichtburg. Danach geht’s kreuz und quer durch die Republik.  Für die NRW-Termine gilt: Alles um 20 Uhr, jeweils nur noch vereinzelte Restkarten oder schon ausverkauft (mit vager Hoffnung auf zurückgegebene Tickets).

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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