Wie sich Pflegedienste nennen

Wer zählt noch die putzmunteren Glossen über Friseurläden und deren abgrundtief pfiffige Namen? Nein, damit hat man längst aufgehört. So wohlfeil ließ es sich stets über haarige (!!!) Wortspielchen witzeln, dass einem die – na? na? – Haare (!!!) zu Berge standen. Harr, harr, harr.

Immer mit Herz... (Foto: Bernd Berke)

Immer mit Herz… (Foto: Bernd Berke)

An dieser Stelle also nichts mehr über Coiffeure als Wortjongleure. Im Rahmen unseres Forschungsbereichs „Sondersprachen“ (bisherige Projekte: Maklerdeutsch und Weinverkostungsjargon) wenden wir uns hingegen umso lieber den Pflegediensten zu, die in der Seniorenrepublik vielfach florieren, jedoch füglich auf sich aufmerksam machen sollten, denn die Konkurrenz schläft nicht.

Stockseriös, wie wir sind, verlassen wir uns auf eine einzige Quelle, nämlich auf das bundesweite Verzeichnis http://www.pflegedienst.de
Dort lassen sich die Namen wohl aller relevanten Einrichtungen des Gewerbes aufrufen. Das wollen wir jedenfalls stark hoffen. Falls nicht, so haben wir eben Pech gehabt.

Gewiss. Das Gros der Pflegedienste benennt sich ausgesprochen nüchtern und sachlich. Wir wollen annehmen, dass dort just so und trotzdem nicht herzlos gearbeitet wird, wie wir überhaupt nur das Allerbeste vermuten möchten. Dass sich hinter Pfleko GmbH ein dezenter Hinweis auf Pflege-Kosten verbirgt, das halten wir unter allen Umständen für ausgeschlossen.

Manche Marktteilnehmer treiben sprachliche Blüten, dass einem Tränen der Rührung kommen. Idiom der Wahl ist vor allem das Lateinische, gelegentlich auch das Griechische, es klingt so gediegen, gebildet, vertrauenswürdig, so wissenschaftlich und human(istisch). Beispiele fürs antikisch gewandete Allzumenschliche:

Humanitas, Humanika, HU-MA, Harmonica, Angelus, Domus, Visita, Sanitas, Prosano, pro sana, Procura, Curatio, Manus, Sensorium, Philantrop (sic! Es fehlt das zweite „H“, als sei man in traurigen Tropen gelandet).

Ach, wer da mitmenscheln könnte! Mitunter wird auch auf Deutsch gesäuselt und geraspelt, das hört sich dann so herzerwärmend an:

Die Hausgeister GmbH, Hausengel, Engel, Sonnenblume, Die Sonne, Regenbogen, Sorgsam GmbH, Pflege mit Herz.

Englisch gilt hingegen als zu jugendlich und genießt daher in diesen Kreisen keine Dignität, es waren nur drei Beispiele zu finden:

Home Care, Home Instead, CarePlus.

Auf medizinische Fertigkeiten pocht man hingegen gern, etwa so:

MedKontor, medicur, medi top, Medi Vario, Medilux, Medicura, MOBImed, Vita Med, Aeskulap.

Mehr noch. Gerade hier, wo es sich bisweilen dem Ende zuneigt, wird das Leben inbrünstig beschworen:

pro vita, Mediavita, Samavita, Vital, Vivus, Coravita, movita.

Und wo manche Klienten vielleicht nur noch dahindämmern, wird das aktive Dasein im Versicherungs-Sound (Standardausführung) gepriesen:

Aktiv, Aktiva, Futura, Inova.

Schließlich jene Fügungen, die etwas origineller wirken sollen:

Hallo Schwester, OMA, doppel.herz, LichtBlick, Polonia, Camelot, Theseus, Pflegemanufaktur 24, Quo Vadis…

Ja, wohin nur, wohin? In einem Fall könnte übrigens eine Marken-Kollision vorliegen. Wir verraten aber nicht, in welchem.

Zur wissenschaftlichen Abrundung folgt nun noch ein

statistischer Nachspann:

Die Anzahl der verzeichneten Pflegedienste korreliert, von den ersten beiden Plätzen abgesehen, keineswegs mit den Einwohnerzahlen. Hannover und Düsseldorf fallen weit ab, Stuttgart und Essen hingegen erweisen sich geradezu als Pflege-Metropolen. Woran liegt’s? Mit der schonungslosen Recherche werden wir unser Forschungsteam „Städte mit und ohne Herz“ betrauen. Hier schon einmal die schockierende Liste:

Berlin 203
Hamburg 98
Stuttgart 65
Essen 49
München 46
Köln 42
Wuppertal 29
Bremen 26
Dresden 20
Frankfurt 20
Duisburg 18
Rostock 17
Nürnberg 16
Leipzig 16
Dortmund 16
Kiel 15
Wiesbaden 15
Düsseldorf 11
Hannover 11

P. S.: Ironiemodus aus. Bitte von sauertöpfischen, sozialpolitisch korrekten Kommentaren Abstand nehmen, so schwer es auch fällt. Dem Verfasser ist bewusst, dass viele Pflegekräfte aufopfernd tätig sind – und das zumeist für sehr bescheidenes Salär.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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2 Antworten zu Wie sich Pflegedienste nennen

  1. Martin sagt:

    Klar kann man sich über die verschiedenen Namen lustig machen. Aber besser viele verschiedene Anbieter, die etwas leisten. Ein staatlicher Pflegedienst würde gnadenlos versagen.

  2. Klasse Artikel! Ja, wie wenige Pflegedienste es eigentlich gibt, wenn man dann doch einen braucht, wird erst im Ernstfall klar. Gerade in ländlichen Regionen ist die Auswahl leider recht bescheiden, sodass man froh sein kann, wenn der jeweilige Pflegedienst im Ort noch Kapazitäten hat.

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