Schurke und Biedermann: Ausstellung zum 100. Geburtstag des Schauspielers Gert Fröbe

Gert Fröbe in "Es geschah am hellichten Tag". Foto: Filmmuseum Düsseldorf

Gert Fröbe in „Es geschah am hellichten Tag“. Foto: Filmmuseum Düsseldorf

Den irren Blick wird so schnell niemand vergessen. Dieses gehetzte Angesicht, gezeichnet von Gier und Angst zugleich. Brutal und erbarmungswürdig, boshaft und hilflos. Die Studie über einen Kinderschänder wurde zu Legende: „Es geschah am hellichten Tag“ mit Heinz Rühmann als Kommissar, 1958 erschienen, war einer der viel beachteten deutschsprachigen Filme der Fünfziger Jahre.

Die Rolle des Mörders übernahm ein Schauspieler, der damals schon seit zehn Jahren aus dem deutschen Film nicht mehr wegzudenken war: Gert Fröbe. Ihm schien die Rolle der Bösewichter auf den fülligen Leib geschneidert zu sein. In dem Skandalfilm „Das Mädchen Rosemarie“ (1958) hatte er den Generaldirektor Bruster verkörpert, einen skrupellosen Wirtschaftskapitän der Nachkriegszeit. Und schon 1957 war er als menschenverachtender Mr. Gillis im prominent besetzten Film „Robinson soll nicht sterben“ (mit Horst Buchholz und Romy Schneider) aufgetaucht.

Aus Anlass des 100. Geburtstags des gewichtigen Sachsen (genaues Datum: 25. Februar 1913) zeigt das Filmmuseum Düsseldorf noch bis 28. Februar eine Studio-Ausstellung. Sie entstand gemeinsam mit dem Sammler Markus Grieb aus Dortmund. Zu sehen sind zahlreiche, wenig bekannte Fotos aus Fröbes Jugend und von seinen Bühnenauftritten. Präsentiert werden auch Original-Drehbücher, etwa von „Goldfinger“ – Fröbes größter internationaler Erfolg – und von „Es geschah am hellichten Tag“; außerdem sind Briefe und Reproduktionen von Gemälden des Hobbymalers zu sehen.

Kaum bekannt ist, dass Fröbe 1937 seine Schauspielerkarriere am Stadttheater in Wuppertal begonnen hat. Zuvor hatte er sich 1933 bis 1935 als Bühnenmaler in Dresden ausbilden lassen und Schauspielunterricht bei Erich Ponto, Paul Günther und Lothar Müthel in Berlin genommen. Nach Wuppertal folgten Engagements in Frankfurt und Wien. Er selbst sagt zu dieser Zeit: „Ich habe mehr als zwanzig Jahre Theater gespielt. Habe in der Provinz angefangen – was viele Kollegen heute als unwürdig bezeichnen. Es muss eben nicht gleich München oder Berlin sein … Als Schauspieler muss man sowas wie eine Persönlichkeit werden. Wenn man auf die Bühne kommt, müssen die Leute sagen: Ah da kommt jemand! – Dazu muss aber in einem etwas gewachsen sein. Und dazu trägt alles bei: die Liebe, die Trauer, der Schmerz, die Hoffnung und auch das Unglücklichsein. Das alles trägt dazu bei, die Persönlichkeit zu formen, von der man eines Tages sagen kann: das war ein vernünftiger Schauspieler.“

Fröbe hat sich schon in jungen Jahren als Künstler, wenn auch nicht unbedingt als Filmschauspieler gesehen. Geboren und aufgewachsen ist er in Zwickau-Planitz. Mit der Welt des Theaters kam er im Stadttheater seiner Heimat in Berührung, wo er kleine Handlangerdienste leistete. Nebenbei verdiente er sich als Stehgeiger sein Geld. Der 1,85 Meter große Mann war damals noch spindeldürr und wurde wegen seines rötlichen Haares „Der rote Geiger“ genannt.

Fröbe liebte es, Anekdoten aus seinem Leben zu erzählen. Seine Rezitationsabende waren legendär; von Kleinkunst fühlte er sich ein Leben lang angezogen. Bei seinen Besuchen in der DDR gab er heimlich Vorleseabende. Aber er galt auch als der „Mann mit den tausend Gesichtern“ – für einen Schauspieler durchaus ein Kompliment. Seine darstellerischen Facetten reichten vom abgründig Bösen („Via Mala“, 1961) über banal brutale Typen und Kriminelle bis hin zu gemütvollen Knallchargen („Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ 1965 oder „Der Raub der Sabinerinnen“ 1982). Fröbe konnte auch auf der Seite des Gesetzes mit seiner Charakterkunst brillieren, so als Kommissar in drei Dr. Mabuse-Filmen anfangs der sechziger Jahre.

Fröbe noch spindeldürr in seinem Debütfilm "Berliner Ballade" als sprichwörtlich gewordener Otto Normalverbraucher. Foto: Filmmuseum Düsseldorf

Fröbe noch spindeldürr in seinem Debütfilm „Berliner Ballade“ als sprichwörtlich gewordener Otto Normalverbraucher. Foto: Filmmuseum Düsseldorf

Eine seiner Rollen sollte sprichwörtlich werden: Als „Otto Normalverbraucher“ begründete Fröbe seine Filmkarriere in „Berliner Ballade“ von 1948. Vier Jahre später tauchte er als deutscher Offizier in dem Kriegsfilm „Entscheidung vor Morgengrauen“ auf. Unter den vielen Tagesproduktionen der folgenden Jahre fällt seine Rolle als Detektiv in „Herr Satan persönlich“ auf. Und kurz vor dem Aufsehen erregenden Kindsmörder-Drama von 1958 war er ebenfalls mit Heinz Rühmann in der Halbstarken-Moralgeschichte „Der Pauker“ als geistig einfach gestrickter Catcher mit goldenem Herzen zu erleben. Für seine Darstellung des kleinen Gauners Paul Wittkowski, der sich als falscher Pfarrer ausgibt, erhielt Fröbe 1961 den Ernst-Lubitsch-Preis für die beste komödiantische Leistung im deutschen Film. „Der Gauner und der liebe Gott“ zeigt ihn von einer liebenswert durchtriebenen Seite. Zahlreiche weitere Auszeichnungen folgten.

„Es geschah am hellichten Tag“, dessen Drehbuch Friedrich Dürrenmatt erstellt hatte, war für Fröbe ein entscheidender Meilenstein, der ihm die wohl größte Rolle seiner Schauspielerkarriere bescherte: In „James Bond 007 – Goldfinger“ (1964) besetzte Regisseur Guy Hamilton den Widersacher Bonds, Auric Goldfinger, mit dem deutschen Mimen. Bond-Darsteller Sean Connery soll später Fröbe als seinen einzigen echten Gegenspieler gewürdigt haben. Wie vielseitig dieser Mann war, zeigt ein Film wie „Der Räuber Hotzenplotz“ (1974). Fröbe einmal nicht als finsterer, dämonischer Typ, sondern als verschmitzter Kinderliebling.

Am Ende seiner Karriere fand er zur Kleinkunst zurück, zu der ihn einst kein Geringerer als Karl Valentin ermutigt hatte. Dass sein Abschied im Fernsehen stattfand, dass seine letzten Auftritte in den Serien „Der kleine Vampir“ und „Die Schwarzwaldklinik“ stattfanden, war so nicht geplant: Fröbe starb am 5. September 1988 unerwartet an einem Herzinfarkt. In einem Nachruf fasst der „Spiegel“ die Lebensleistung des Schauspielers zusammen: „Kein Zweifel, Fröbe hatte Format. Er füllte Bühne und Leinwand, in jeder Hinsicht. Aber noch wichtiger ist: Er hatte die schauspielerische Intelligenz, dieses Format, diese raumgreifende Fülle in Frage stellen zu können. Er spielte nie so ganz sich selbst, sondern kommentierte mit Skepsis und Schlauheit menschliche Ungetüme. Vielleicht blieb deshalb die Sympathie auf seiner Seite.“

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Über Werner Häußner

Redakteur, Musikkritiker, schreibt u.a. für WAZ (Essen), Die Tagespost (Würzburg), Der Neue Merker (Wien) und das Online-Magazin www.kunstmarkt.com.
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