„Tatortreiniger“ ist gewiss kein Beruf wie jeder andere. Aber andererseits doch auch. Wenn Schotty Schotte, bepackt mit großen und sehr professionell wirkenden Aluminiumboxen bei Frau Hellenkamp klingelt und zermürbende Überzeugungsarbeit leisten muss, um vorgelassen zu werden, dann könnte er ebenso der Klempner sein oder der Postbote. Da ist ein Job so ätzend wie der andere.
Als Fernseh-Tatortreiniger musste der Schauspieler Bjarne Mädel solche Kämpfe durchfechten. Im Westfälischen Landestheater (WLT) in Castrop-Rauxel hat Ensemblemitglied Guido Thurk die Rolle übernommen. Hier, wenn man so sagen darf, schnuppert der Tatortreiniger nun Theaterluft.
„Richtiges“ Theater
Folgt der Kino- und der Literaturadaption im Theater nun also die Fernsehadaption? Es gehört ja zu den Merkwürdigkeiten unserer Zeit, dass viele Bühnen – das WLT ist da eine löbliche Ausnahme – alles lieber zu spielen scheinen als die Stücke, die Schriftsteller für das Theater schreiben oder schrieben. Doch hier trügt der Schein. Die drei Episoden der Serie „Der Tatortreiniger“, die Ralf Ebeling inszeniert hat, stammen sämtlich aus der Feder von Mizzi Meyer und werden hier – in der NDR-Mediathek kann man es mit den dort gespeicherten Folgen abgleichen – Wort für Wort vorlagengetreu auf die Bühne gestellt. Richtiges Stücke-Theater also, fast wähnt man sich gerührt.
Ein Werk von Mizzi Meyer
Mizzi Meyer übrigens ist, man ahnte es, ein Künstlername. Im wirklichen Leben heißt sie Ingrid Lausund , ist Hausautorin und Regisseurin am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, wo sie mit Stücken wie „Benefiz – jeder rettet einen Afrikaner“ (2009) oder „Trilliarden“ (2017) Bekanntheit erlangte. Sie hat sämtliche 31 Folgen des „Tatortreinigers“ geschrieben, die zwischen 2011 und 2018 ausgestrahlt wurden.
Boulevardeskes Vergnügen
Sofa, Stühle, Teppich, Schreibtisch – in der naturgemäß sparsamen kammerspielhaften Möblierung eines Tourneetheaters (Ausstattung: Jeremias H. Vondrlik) nehmen die Dinge ihren Lauf, wobei das unerhörte Nebeneinander von alltäglicher Banalität und abgründigem Gruselschauer nur mäßig Präsenz zeigt.
Wenn Schotty erkennt, dass Frau Hellenkamp (Vesna Buljevic) den Einbrecher vermittels Golfschläger zum Tode gebracht haben muss, andererseits aber die Aussicht auf einen Maserati Quattroporte als Bestechungsgeschenk die Strafverfolgung wohl vereiteln wird, dann ist das über längere Strecken vor allen Dingen pointensicher gespielte Sitcom, wie man sie gern etwas häufiger auf den Bühnen sähe – jedenfalls, wenn es so gut gemacht wird wie von dieser vierköpfigen Bühnenmannschaft, zu der neben Thurk und Buljevic auch Franziska Ferrari und Mario Thomanek gehören.
Unübersehbar liegt das Boulevardeske ihnen allen, darstellerische Spielfreude blitzt hervor, der Abend ist vergnüglich und kurzweilig. Und von Guido Thurk, der als Titelheld naturgemäß die größte Bühnenpräsenz hat, wusste man noch gar nicht, dass er so ein überzeugender Hamburger Junge mit Witz und Verstand sein kann.
Özgür Heiko Hansen
Die zweite Episode „Özgür“, dreht sich (ein bisschen zu lange) um die Wahl des richtigen Namens für das Kind einer Hochschwangeren. Özgür will sie ihn nennen, Özgür Hansen, was Schotty nicht so gut findet, wegen zu befürchtender Diskriminierung. Trotzdem kommen sich die beiden in ihrer heftigen Diskussion näher, und schließlich zieht Schotty recht zufrieden ab, weil der zweite Vornahme des Knaben Heiko sein soll. Heiko, wie Schotty in Wirklichkeit auch heißt. Gerufen wurde der Tatortreiniger übrigens, weil es in einem Zimmer der Pension Hansen einen Doppelmord gab, eine Beziehungstat.
Schotty ist sich nicht sicher
Die dritte Episode nach der Pause dieses knapp zweieinhalbstündigen Abends schließlich heißt „Sind Sie sicher?“ und folgt einem veränderten Schema. Während Schotty bisher Beobachter und Deuter der Verhältnisse war, wird er nun zum Opfer. Herr Grimmeheim, Chef eines Consulting-Unternehmens, hat die gnadenlose Steigerung der Arbeitseffizienz von Mitarbeitern sozusagen zu seinem Hobby gemacht. Nun schüchtert er Schotty ein und macht ihn glauben, auch er werde – im Auftrag seines Chefs – evaluiert, veranlasst ihn zu gleichermaßen bizarren wie entwürdigenden Tätigkeiten. Natürlich bricht diese Konstellation bald ein, trotzdem wirkt sie künstlicher gesetzt als die anderen. Sei’s drum; die sportliche Entschlossenheit, mit der Guido Thurk sich an die Bewältigung unsinniger Aufgaben gibt, ist auf jeden Fall beeindruckend.
Besser als Fernsehen
Der frenetische Beifall im ausverkauften Studio beantwortete auf seine Art die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines auf der Bühne inszenierten Fernsehstoffs. Großartiges Spiel echter Menschen, die Nähe zum Publikum und der völlige Verzicht auf verfremdende Elemente schaffen hier einen auratischen Mehrwert, gegen den der Fernseher verblasst. Und es beschleicht einen der Wunsch, im Westfälischen Landestheater weitere Stücke der Autorin Mizzi Meyer/Ingrid Lausund zu erleben.
www.westfaelisches-landestheater.de
- Termine (Auswahl):
- 14.2. Lüdenscheid, Kulturhaus
- 19.2. Rheine, Stadthalle
- 20.2. Warendorf, Theater
- 23.2. Sulingen, Stadttheater im Gymnasium
- 25.2. Dorsten, Realschule
- 26.2. Lünen, Heinz Hilpert-Theater
- 15.3. Marl, Theater
- 16.3. Siegen, Apollo-Theater
- 17.3. Hamm, Kurhaus