„re:set“ – Recklinghausen zeigt Malerei nach Computer-Motiven

Drum

Viereinhalb Quadratmeter wabernde Kunst: „Drum’n Bass“ von Volker Wevers aus dem Jahr 2007 (Bild: Kunsthalle Recklinghausen/Katalog)

Der Computer, eine Binse, hat viele Lebensbereiche gravierend verändert. Auch die bildende Kunst bedient sich seiner, manche Menschen behaupten gar, der Computer selbst besäße Kreativität und würde den Künstler bald überflüssig machen. Ist die Maschine also das letzte Maß der Dinge? Das will man ja auch nicht so recht glauben, zumal Bäume nicht in den Himmel wachsen, selbst dann nicht, wenn sie digitalisiert sind.

In der Recklinghäuser Kunsthalle sind nun rund 70 Bilder zu sehen, deren Schöpferinnen und Schöpfer sehr bewußt eine Trennlinie zur elektronischen Kunstgenerierung gezogen haben. Es ist dies eine Grenze irgendwo auf dem Weg zum künstlerischen Endprodukt, keine Ausgrenzung des Elektronischen schlechthin. Vielmehr sind viele Entwürfe im Rechner entstanden, um letztlich jedoch zu einem „gemalten“ Bild zu führen. „Re:set – abstract painting in a digital world“ ist die Gemeinschaftsschau von 16 Künstlerinnen und Künstlern überschrieben, und es darf einen nicht wundern, daß vier von ihnen mit Video arbeiten, was der Malerei ja nur mit einigen definitorischen Anstrengungen zuzuordnen ist.

Die Teilnehmer stammen aus Deutschland, Belgien, Dänemark und den Niederlanden, kuratiert wurde die Ausstellung von Claudia Desgranges und Friedhelm Falke, die auch als Künstler beteiligt sind, und das ganze ist ein Gemeinschaftsprojekt der Kunsthalle Recklinghausen mit dem Kunstmuseum Heidenheim, dem Clemens-Sels-Museum in Neuss und dem Kunstmuseum Celle, wo die Ausstellung bereits zu sehen war. Womit wir endlich beim Thema wären: Was gibt es überhaupt zu sehen?

Global und kränkend phantasielos geantwortet: Viele große bunte Bilder, die in Machart und Anmut natürlich ebenso heterogen sind wie das Teilnehmerfeld. Noch komplizierter wird es, wenn in jedem Oeuvre die spezifische Beziehung zur elektronischen Bildergenerierung mitgedacht werden soll oder gar der Mehrwert für den Betrachter, der durch die handwerkliche Ausführung entsteht. Da hat Friedhelm Falke beispielsweise von schwarzen Balken dominierte Flächenkompositionen auf dem Rechner durchprobiert und seine Favoriten mit Acrylfarbe auf Nesselgrund gemalt; Signe Guttormsen betont die Stofflichkeit ihrer Werke, indem sie beim hölzernen Trägermaterial immer wieder die rechteckige Grundform bricht, Ab van Hanegem wiederum malt vergleichsweise traditionelle, farbenfrohe Flächenkompositionen auf Segeltuch. Ist er damit eher bei Cézannes Stilleben-Apfel, oder war der Bildschirmschoner sein Vorbild? „Eher Apfel als Bildschirmschoner“, stellt Hans-Jürgen Schwalm, der stellvertretende Chef der Kunsthalle, kategorisch fest. Wenngleich van Hagenems farbsatte Bilder auch sehr schöne Bildschirmschoner ergeben würden, unterlegt vielleicht mit einem pfiffigen Animationsprogramm.

Man schreitet voran durch die Hallen des ehemaligen Hochbunkers am Recklinghäuser Bahnhof, trifft auf Michael Jägers stupende Ansammlungen kleinteiliger Dekorationsmuster in knallbunten Clustern auf monochromen Flächen, begegnet Martijn Schuppers’ geheimnisvollen, dreidimensional wirkenden Farboberflächen, die aus dem All oder auch aus dem Elektronenmikroskop stammen könnten, tatsächlich jedoch in einer sehr speziellen Prozedur unter Zuhilfenahme von Lösungsmitteln und weiteren geheimen Chemikalien entstanden. Entfernt lassen sie in ihrer Textur übrigens an manche Flächenbilder von Gerhard Richter denken, der jedoch mit vollkommen anderer Technik zu seinen Resultaten gelangte.

Den wild geschweiften Flachformaten Volker Wevers’ ist eigen, daß sie kraftvolle Titel tragen: „Roundaboard“ heißt eines von ihnen, „Drum’n Bass“ ein anderes, „Wide Car in Germany“ ein drittes. In ihrer schlierigen, plastischen Anmutung erinnern sie an den spontanen Expressionismus des hundertjährigen K.O. Götz, den die Kunstwelt soeben wiederentdeckt (ab März in der Duisburger Küppersmühle), doch sind sie, wie angesagt, Früchte der Auseinandersetzung mit Computergeneriertem.

Einige Plastiken sind in der Ausstellung, und warum sie nicht Plastiken sein sollen sondern Malerei, ist beim besten Willen nicht nachvollziehbar. Aber die stilistischen Zuordnungen von Kunst sind eh immer schwierig und wirken oft auch willkürlich. Ohne Computer-Hintergrund könnte man durchaus auch meinen, in dieser Schau etlichen Vertretern beispielsweise des abstrakten Expressionismus oder der konkreten Malerei begegnet zu sein.

Der Eindruck, den diese Recklinghäuser „postdigitale“ Bilderschau hinterläßt, bleibt verhalten. Natürlich liegt das ganz wesentlich daran, daß die zwölf unterschiedlichen Positionen einander gegenseitig Aufmerksamkeit wegnehmen. Doch köchelt das Gezeigte auch sehr im eigenen Saft, zeigt jenseits des autoreferentiellen Eifers wenig Lust auf Botschaft oder gar Radikalität.

Schließlich gilt, wie stets: Man (und frau!) gehe selber ins Museum und mache sich ein Bild. Denn nur hier gibt es die Originale zu sehen, und die wirken viel stärker als jede Reproduktion.

„re:set“ – Kunsthalle Recklinghausen, Große Perdekamp-Straße 25-27 (am Bahnhof). Sonntag, 9. Februar, bis 13. April 2014. Geöffnet täglich außer Montag 11 bis 18 Uhr. www.kunst-re.de, Eintritt 3 Euro. Der ausführliche Katalog kostet im Museum 12 Euro, im Buchhandel 24,80 Euro.

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