Von Bernd Berke
Recklinghausen. Murphy aus New York kotzt ständig Kraftworte aus. Doch nicht nur das. Er verkörpert auch sonst des Wohlstandsbürgers gesammelte Alpträume: Da nimmt der US-Provinzler Frank Henderson den unflätigen Kerl, dessen Mutter gerade gestorben ist, in seinem trauten Heim auf – und dann macht der 19-Jährige sich dort unverschämt breit, verführt die Frau des Hauses und drangsaliert die Tochter, deren Freund er zuvor mit dem Messer bedroht hat.
Nach vielem Palaver bestätigt sich endlich, was man schon früh ahnte: Der Junge hat Grund zur Rache, und dieser Grund hat mit Inzest zu tun: Murphy ist ein „Bastard“, gezeugt von Henderson und dessen Schwester. Versteht sich, daß die Sache auch noch eine vulgärsoziologische Seite hat.
„Murphy“ ist leider die Hauptfigur des gleichnamigen Stücks von Nicole Frasa (22). Die Ruhrfestspiele haben der gebürtigen Recklinghäuserin und bisherigen Büroangestellten wahrlich keinen Gefallen getan, als sie ihr Drämchen sogleich auf die Bühne des „Depots“ hievten (Regie: Peter Kühn).
Unverdauter und unverdaulicher Zitatenbrei
Wo war da die künstlerische Kontrollinstanz? Hat Festivalchef Hansgünther Heyme etwa die Proben nie besucht? Und warum nur hat diese Autorin keinen Text aus ihrem Alltag geschrieben, warum mußte es unbedingt Amerika sein, warum ein so abgegriffenes Thema aus der Mottenkiste des Theaters? Ihr Stück ist weder von Phantasie noch von Erfahrung gesättigt. Es ist unverdauter und unverdaulicher Zutatenbrei, durchweg angelesen und abgeguckt, daher schmerzlich unwahr.
Man vernimmt hier ein unablässiges und völlig geheimnisloses Geschwätz, das irgendwo im luftleeren Raum trudelt: So ungefähr zwischen einem auf Trivial-Format gebrachten „Ödipus“, plattem Naturalismus, Tennessee Williams und „Dallas“. Alles wird lang und breit ausgesprochen, alle Klischees aus der psychosozialen „Betroffenheits“-Kiste kommen vor. An diesen erkünstelten Figuren und ihren Sprechblasen kann wenig Interesse aufkommen.
Hanebüchene Handlung, unfreiwillig komisch
Arme Regie, arme Schauspieler. Was sollten sie tun? Diesem Text war eben nicht viel Bühnenleben abzugewinnen. Als habe der Regisseur schnell die Lust verloren, investiert er auch kaum Einfälle: Wenn etwa Henderson (Michael Krone) verzweifelt ist, hat er geistesabwesend die Lamellen einer Jalousie zu zerknittern, seine Frau (Anna Kurek) klimpert derweil traurig am Klavier oder trommelt auf dem Rücken des Gatten herum.
So müht man sich, mehr schlecht als recht, mit ungestalteter Sprache und hanebüchener Handlung ab, die – den ernsten Schicksalen ganz zum Trotz – immer mehr ins unfreiwillig Komische abgleitet. Von den Darstellern hatte es Jochen Stark in der Titelrolle noch am leichtesten. Er mußte nur recht rüpelhaft sein. Aber auch das war nicht abendfüllend.