Von Bernd Berke
Sogar der Adler, gemeinhin als „König der Lüfte“ über allem schwebend, hängt kopfüber. Jämmerlich und bedauernswert wirkt so das seit Jahrtausenden mythologisch „besetzte“ Edel- und Wappentier.
Wenn von „Kopfstand“ in der Kunst die Rede ist, kann es eigentlich nur um Georg Baselitz gehen. Der Star der internationalen Szene, während der letzten Jahre praktisch auf allen wichtigen Überblicksschauen vertreten und dabei oft unter dem irreführenden Etikett „Neuer Wilder“ präsentiert, hat Umkehrungen der erwähnten Art seit Ende der 60er Jahre zu seinem medienwirksamen „Markenzeichen“ gemacht.
Nicht gerade alltäglich, daß Arbeiten von Baselitz fern von den großen Museen zu sehen sind. Zwar keine (inzwischen sündhaft teuren) Gemälde, aber immerhin rund 50 Graphikblätter und Zeichnungen sind ab Sonntag (Eröffnung 11 Uhr) im Kunstverein Arnsberg zu besichtigen.
Das Spektrum reicht von Zeichnungen aus den Jahren 1965/66 (noch aufrechte, aber traurig-ungelenk taumelnde, wie aufgeblasen wirkende „Helden“-Figuren) bis hin zu neuesten Arbeiten. Ein gewisser Überblick zu Grundlinien in Baselitz‘ Schaffen ist also möglich. Dabei zeigt sich einmal mehr, daß die Kopfüber-Darstellungen keineswegs ein purer sind, Baselitz lenkt mit diesem Kunstgriff vielmehr die Aufmerksamkeit von der dargestellten Figur ab – und hin auf die Art der Darstellung. Trotzdem bleibt das Figürliche erkennbar: ein Vexier- und Wechselspiel zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion.
Überdies erweisen sich die „verkehrten“ Darstellungen zugleich als Bilder einer verkehrten Welt, genauer: als Leidensbilder. Eines der eindrucksvollsten Exponate in diesem Sinne: der „Trinker“, der zwischen schlierig-giftgrün fließenden Linien ins Bodenlose stürzt.
Der Arnsberger Kunstverein, gegründet vor einem halben Jahr, hat inzwischen 140 Mitglieder. Einige Förderer kommen gar aus Städten, die nun wahrlich selbst große und altehrwürdige Kunstvereine haben: Düsseldorf und Münster.
(Kunstverein Arnsberg, Königstraße 24, bis 17. Juli). Mo. bis Fr. 17 -19 Uhr; So. 11-13 Uhr und nach Vereinbarung (Tel. 0 29 31/2 11 22).