Von Bernd Berke
Hattingen. Neue Wege in seiner Kulturarbeit mit Jugendlichen soll der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) beschreiten – wenn es nach dem Team geht, das gestern in Hattingen den Abschlußbericht eines ungewöhnlichen Projekts vorgelegt hat, bei dem nicht – wie so oft – typische Gewerkschaftsthemen (35-Stunden-Woche usw.) nur noch umgesetzt wurden, sondern bei dem Erfahrungen und Bedürfnisse Jugendlicher den Anstoß gaben und Themen, Medien und Darstellung bestimmten.
Ilse Brusis, als Mitglied des DGB-Bundesvorstands an dem Modellversuch interessiert, nannte gestern den Hauptgrund für die Aktivitäten, an denen 12 Gruppen mit insgesamt rund 150 Jugendlichen beteiligt waren: Immer mehr Jugendliche gehen, so Frau Brusis, auf vorsichtige Distanz zur Gewerkschaft, die sie oft genug nur noch als Institution mit zahllosen bürokratischen Gremien erleben. Also müsse sich der DGB auch auf dem kulturellen Sektor etwas einfallen lassen, um attraktiver und lebendiger zu werden. Das Projekt (Kosten für drei Jahre: 380.000 DM) solle ein erster Schritt sein, die vorliegende Bilanz eine Anregung.
Von traditioneller Gewerkschafts-Kultur sind die meisten Gruppen in der Tat weit entfernt: Manchem altgedientem Gewerkschafter mag z. B. die Art nicht gefallen, wie sich eine Bergkamener Projektgruppe jugendlicher Bergarbeiter kritisch äußerte: Unter Anleitung eines Künstlers entwarfen sie eine Gipsfigurengruppe, die zeigt, wie lebenswichtige Solidarität unter Bergleuten zwar „vor Ort“ funktioniert, in der Freizeit aber nicht mehr. Da herrscht Vereinzelung. Die Bergkamener bauten auch ein bizarres „Traumauto“, einfach weil sie gerade alle den Führerschein machten und das Thema deshalb akut war. Und sie drehten einen Videofilm, der direkt in der Arbeitswirklichkeit ansetzt und u. a. einen „Kumpel“ unter Tage zeigt, der sich durch den Berg zur Freiheit vorarbeitet und plötzlich an einem Südseestrand steht.
Weitere Projektgruppen: Junge Bergarbeiter in Gelsenkirchen spielten ein Stück über Südafrika, eine Jugendgruppe von Opel in Bochum absolvierte einen Theaterkursus. und in Herne erarbeiteten deutsche und türkische Jugendliche gemeinsam ein Stück über Ausländerfeindlichkeit. Prinzip war jeweils, daß den Beteiligten keine gewerkschaftlichen Thesen vorgegeben wurden.
Projektleiter Jürgen Krings vom „jungen forum“ der Ruhrfestspiele glaubt dennoch, daß das Mißtrauen „orthodoxer“ Gewerkschafter unbegründet sei, denn: „Hier werden gewerkschaftlich wichtige Fähigkeiten wie Miteinander-Reden ganz nebenbei entwickelt.“ Freiere kulturelle Arbeit nach Art dieses Projekts schaffe „ein Stück sozialer Heimat“. Zwei beteiligte Jugendliche aus Bergkamen bestätigten das. Die Gewerkschaft, so sagten sie gestern, sei ihnen durch das Kulturprojekt nähergerückt.