Von Bernd Berke
Wuppertal. Gleich zu Beginn wird offenbart, welche Laufbahn die Mitglieder des Untersuchungskomitees hinter sich haben. Angebliche kommunistische Umtriebe und vermeintliche „Bremsertätigkeit“ Robert Oppenheimers beim Bau der H-Bombe sollen keinesfalls von Unparteiischen ans Licht gebracht werden: Einer ist Direktor einer Atomfirma, ein anderer Ex-Staatssekretär im Kriegsministerium. Schon ist klar, daß das Verfahren zu Lasten des Physikers Oppenheimer ausgehen muß. Jetzt geht es nur noch um das „Wie“.
Auch 21 Jahre nach der Uraufführung sind die in Heinar Kipphardts Dokumentarstück „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ verhandelten Sachverhalte alles andere als „erledigt“. Das Stück behandelt am Beispiel Oppenheimers virulente Themen, obgleich es auf Dokumenten der McCarthy-Ära basiert: die Verantwortung des Wissenschaftlers, die Schnüffelpraxis eines sicherheitsbesessenen Staates, den Rüstungswettlauf.
Der Strenge des Stücks entspricht in Wuppertal das nüchterne Bühnenbild: Ein symmetrischer, beinahe „klinischer“ Raum, karge Sitzgelegenheiten. Auch die Regie (Martin Ackermann) drängt sich nicht in den Vordergrund, sondern läßt behutsam den Text zur Geltung kommen. stülpt ihm richtigerweise keine ehrgeizigen szenischen „Erfindungen“ über. Dennoch sind die Gerichts-Szenen meist packend, obwohl doch „nur“ Argumente oder (Vor)-Urteile ausgesprochen werden und kaum Aktionen die Szene beleben.
Es überzeugt ein homogenes Ensemble ohne „Ausfälle“. Bernd Kuschmann spielt den Oppenheimer als weltgewandten Mann, der immer einsilbiger und passiver wird, weil er merkt, daß er sich an der falschen Front verteidigt. Nicht seine linksliberalen Sympathien belasten ihn, sondem seine Blauäugigkeit, die Atombombe aus „rein wissenschaftlicher“ Begeisterung zu bauen, ihre Anwendung aber bekämpfen zu wollen.
Der Sicherheitsausschuß: Rene Schönenberger als die Korrektheit in Person, Heiner Stadelmann als kalkulierender Manager, den die menschliche Seite nicht schert, dazu als Widerpart Publikumsliebling Heinz Voss, der – eine Art gütiger Großvater – die scheinbar naivsten, in Wahrheit aber scharfsinnigsten Fragen des Verfahrens stellt.
Idealbesetzungen im Rahmen des Wuppertaler Ensembles auch die Anwälte beider Seiten: Erich Leukert als Oppenheimer-Verteidiger, der seine Ungeduld zügeln muß, obwohl er die Absurdität des Verfahrens erkennt, Gregor Höppner als junger, fühlloser Karrierist, der Oppenheimer partout in die kommunistische Ecke drücken will, dazu Gerd Mayen und Günther Delarue mit weniger spektakulären, doch ebenbürtigen Leistungen. Unter den Zeugen ragen Hans Richter als Physiker Bethe und Horst Fassel als H-Bomben-Produzent Edward Teller hervor.
Zu kritisieren sind allerdings die Diaprojektionen. Solch‘ wohlfeile und naheliegende Bildeinblendungen hätte man nicht nötig gehabt. Mehrfach sehen wir den kriegslüsternen Ronald Reagan. Solche Verbindungslinien zu ziehen, gestattet das Stück von selbst. Ohne Bild-„Nachhilfe“.