In des Königs Wunderkammer – Objekte aus der Sammlung Olbricht im Museum Folkwang

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In der Tat: Der Helm aus Vitrinen ist einem Motorradhelm nachempfunden. (Foto: Museum Folkwang, Courtesy of the Artists and Ivorypress)

Wo beginnen? Der raumgreifende „Helm“, den das kubanische Künstlerduo Los Carpinteros (die Zimmerleute) 2014 extra für das Museum Folkwang geschaffen hat, besteht aus 192 verglasten Waben, jede mithin eine Ausstellungsvitrine. Es gibt Vitrinen auf Bodenniveau, in Knie-, Brust- und Augenhöhe und auch ganz oben, in vier, fünf Metern. Alle buhlen sie um die Aufmerksamkeit des Betrachters, fein beleuchtet und mit gut 400 Objekten reich bestückt. Es macht wenig Sinn, sie von links nach rechts oder von oben nach unten „lesen“ zu wollen. Sinnzusammenhänge des Ausgestellten stellen sich, wenn überhaupt, anders dar.

Bunte Mischung

Zu sehen gibt es „Gediegenes und Kurioses“ aus den reichen Beständen des Sammlers Thomas Olbricht. Und der Titel der Schau ist ziemlich wörtlich zu nehmen, die Liste der Exponate reicht vom Kugelfisch über afrikanische Masken und eine gruselig-bunte Totenschädelplastik der Chapman-Brüder zu entzückenden Kopfvasen aus den 50ern, Korallenbäumen und dramatisch gewundenen Bonsai-Stämmchen, Vogelpräparaten, einem leidenden Jesuskopf aus dem 18. Jahrhundert und der Skulptur eines stromlinienförmigen Mataré-Rinds aus den 20er Jahren. Womit beileibe nicht alles aufgezählt wäre. Eine Vitrine zum Beispiel beherbergt das Technische Hilfswerk (THW), das mit einer stattlichen Anzahl von Wiking-Modellautos angerückt ist, eine zweite amerikanische Straßenkreuzermodelle aus Blech, eine dritte Jubiläumseditionen edler Märklin-Modelleisenbahnlokomotiven, samt Originalverpackung. Und so fort.

Mit Modellautos fing es an

Spätestens jetzt mag sich der eine oder andere daran erinnern, daß schon die letzte Ausstellung im „alten“ Essener Museum Folkwang, bevor es umgebaut wurde, Teile der Sammlung Olbricht zeigte, damals aber mehr „richtige“ Kunst, die Stücke waren überwiegend auch größer. Jedoch gab es auch damals schon einige Vitrinen mit Modellautos, denn mit denen hat Olbricht das Sammeln begonnen. Das erwähnt er gern. Übrigens war Hartwig Fischer damals noch der Direktor des Hauses. Bekanntlich machte er mittlerweile eine steile Karriere und ist nun in London Chef des British Museum.

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Gruselig: „Famine“ von Jake und Dinos Chapman (2004), Bronze und Kunststoff, bemalt, 16 x 25 x 21 cm (Foto: Museum Folkwang, VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Friedrich Rosenstiehl, Köln)

Zurück zum Essener Helm, der zu anderen Zeiten andere Objekte, vorzugsweise aus Folkwang-Beständen, zeigt. Ihm zugesellt hat Olbricht einige große Tierpräparate (Giraffe, Leopard und weißen Pfau), die, der Sammler legt Wert darauf, selbstverständlich völlig legal und (sozusagen) umweltgerecht erworben wurden. Die Giraffe entstammt einer Sammlung des 19. Jahrhunderts, die anderen beiden sind Präparate von dahingeschiedenen Zirkustieren.

Verbindendes

Von Los Carpinteros sind einige Architekturmodelle und Zeichnungen zu sehen, an den Wänden hängen quadratmetergroße, naiv-chiffrenhafte Darstellungen von monarchischen Prunkzügen, „The Coronation of the Usurper“ heißt eine von ihnen, „The King’s Woman“ eine andere. Geschaffen hat sie der Chinese Ouyang Chun, ausgeführt sind sie in Öl und Goldbronze auf Leinwand, und davon abgesehen verbindet sie mit der anderen gezeigten Kunst kaum mehr als der Umstand, daß Thomas Olbricht sie mag.

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Ebenfalls vitrinenwürdig: Cadillac-Model, 20. Jahrhundert, Blech, lackiert, verchromte Zierteile, Schwungradantrieb, Länge ca. 31 cm (Foto: Museum Folkwang, Jana Ebert, Berlin)

Oberbegriffe? Thematische Klammern? „Vanitas“-Motiv wie auch das biblisch-barocke „Memento Mori“ seien in vielen Exponaten gegenwärtig, sagt Olbricht. Realisiere man dies, so würden Bezüge manchmal klarer, die sich durch die Nachbarschaft der Dinge ergäben. Wohl wahr. Trotzdem bleibt ein Großteil der Präsentation im Helm willkürlich, rätselhaft, systematisch nicht zu fassen.

Ein reicher Mann

Helm und umgebende Exponate stehen in der Tradition der Wunderkammern absoluter Monarchen, die Freude an schönen, seltenen, kostbaren, wertvollen, auf jeden Fall exzentrischen Dingen fanden. Der Sammler Olbricht könnte sich da einreihen, zum Geldadel zählt er sowieso. Das „Manager Magazin“ schätzt sein Vermögen auf 850 Millionen Euro (Quelle: Wikipedia) und sieht ihn auf Platz 138 der deutschen Reichenliste (Stand 2013). Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang, daß Olbricht als Chemiker, Arzt und ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzend der Wella AG beruflich sehr erfolgreich war und seinen Hang zur Kunst nicht mit Ererbtem finanzieren mußte.

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Giraffenkopf, undatiert, Präparat, 230 x 60 x 110 cm (Foto: Museum Folkwang, Jana Ebert, Berlin) Download

Als was nun also sieht er sich? Allein als Bewunderer und Erhalter irdischer Vielfalt und Schönheit, oder auch als Selbstdarsteller? Olbricht lacht. „Ich bin der Generalkünstler“, antwortet er, solcherart befragt. Etwas anderes hätte man ihm auch nicht abgenommen.

Schwimmende Schätze

Da nun aber, Spaß beiseite, in den fürstlichen Wunderkammern sozusagen die Wiege des modernen Museumsbetriebs stand (der heute zwischen Kunst und Kunstgewerbe, Natur, Technik Wissenschaften und so weiter streng unterscheidet), mögen sie nach wie vor dazu taugen, junge Menschen für Kunst, Schönheit, Ästhetik und was der Werte mehr sind zu begeistern. Deshalb läßt Olbricht Ende April im Brandenburgischen eine schwimmende Wunderkammer in See stechen („in Kanal stechen“ wäre genauer, existiert als Begriff aber nicht), die den Schulunterricht bereichern soll.

Wer schließlich mehr von des Sammlers Sammlungen sehen will, findet es in seinem Privatmuseum: „me Collectors Room“ in der Auguststraße in Berlin.

  • „Gediegenes und Kurioses – Los Carpinteros, Ouyang Chun und Lieblingsstücke aus der Sammlung Olbricht“
  • Museum Folkwang, Museumsplatz 1, Essen – www.museum-folkwang.de
  • Bis 16. Mai 2016
  • Geöffnet Di, Mi 10-18 Uhr, Do, Fr 10-20 Uhr, Sa, So 10-18 Uhr.
  • 1. Mai, Christi Himmelfahrt, Pfingstsonntag und Pfingstmontag, Fronleichnam geöffnet.
  • Der Eintritt ist frei

 

 

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