Explosive Kunst: Folkwang Museum Essen würdigt Klaus Staeck mit einer Ausstellung zum 80. Geburtstag

Klaus Staeck: Vorsicht Kunst, 1982. Offsetdruck, 84 x 59,3 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn, 2018.

Klaus Staeck: Vorsicht Kunst, 1982. Offsetdruck, 84 x 59,3 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn, 2018.

Inzwischen etwas in die Ferne gerückt, gehört das Schaffen von Klaus Staeck untrennbar zur Geschichte der Bundesrepublik in den Siebziger und Achtziger Jahren. Seine satirischen Plakate provozierten, weil sie stets den Kern der Probleme trafen. Jetzt widmet das Museum Folkwang in Essen dem Grafiker, Satiriker, Polit-Aktivisten und ehemaligen Präsident der Akademie der Künste in Berlin zu seinem 80. Geburtstag am 28. Februar eine Retrospektive. Es ist die größte seiner mehr als 3.000 bisherigen Einzelausstellungen.

Der Titel der Schau, „Sand fürs Getriebe“, beschreibt präzise, worum es Klaus Staeck in seiner politisch motivierten Kunst geht – die er zunächst nicht einmal als „Kunst“ verstanden hat. Seit 1971 hat der Jurist, der seit 1968 als Rechtsanwalt zugelassen ist, über 300 Plakate geschaffen. Sie bestehen größtenteils aus Fotomontagen, die Staeck mit eigenen ironischen oder satirischen Sprüchen versieht: Zum Ärger seiner konservativen politischen Gegner greifen sie Missstände auf und entlarven zynische Sprachregelungen.

Auch mit seinen Postkarten-Editionen verfährt Staeck in gleicher Weise. Er will damit durch Provokation zum Nachdenken anregen und Lügen, Halbwahrheiten und das heuchlerische Beschönigen skandalöser Tatbestände aufdecken. Dass Staeck dabei bewusst einseitig verfährt und das linke politische Lager verschont, gehört zu seinem Profil.

Klaus Staeck, Würden sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?, 1971. Offsetdruck, 86 x 61,3 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn, 2018.

Klaus Staeck, Würden sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?, 1971. Offsetdruck, 86 x 61,3 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn, 2018.

Ein besonderer Akzent der Ausstellung liegt auf den frühen abstrakten Holzschnitten und gesellschaftskritischen Siebdrucken des 1938 in Pulsnitz geborenen Graphikers, die den Weg zum ersten kritischen Plakat ebneten: „Sozialfall“ zeigt eine Zeichnung der Mutter von Albrecht Dürer mit dem Slogan: „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ Im Kontext des groß gefeierten Dürer-Jubiläums und der damaligen – heute wieder aktuellen – Wohnungsnot traf das Plakat 1971 den Nerv der Zeit.

Bis 8. April zeigt die Essener Ausstellung in sieben chronologisch gegliederten Kapiteln die frühen graphischen Arbeiten Staecks, den Übergang von der Druckgraphik zum Plakat und rund 200 Plakate aus den Jahren 1971 bis 2017. Neun Stunden dokumentarisches Filmmaterial, zwei Großinstallationen und eine in den achtziger Jahren entstandene Fotoserie über Bitterfeld geben Einblick in die politischen Aktivitäten Staecks, ergänzt durch Multiples, Postkarten, Dokumente und Archivmaterial.

Staeck lebt und arbeitet in Heidelberg. Seine ersten Holzschnitte entstanden 1964, ein Jahr später gründete er die edition tangente, aus der später die Edition Staeck entstand. Die Plakataktion zum Dürer-Jahr 1971 und seine Arbeiten im Bundestagswahlkampf 1972 machten Staecks kritische Grafik überregional bekannt.

In 41 Prozessen wurde versucht, gegen seine satirischen Bildmotive und Slogans vorzugehen; laut Pressemitteilung des Folkwang Museums hat er bis heute keinen verloren. Staeck war mehrfach Teilnehmer der documenta Kassel und hatte 1981 in Essen und 1986 in Düsseldorf Gastprofessuren inne. 2015 wählte ihn die Akademie der Künste Berlin zu ihrem Ehrenpräsidenten und zeigte die Werkschau „Kunst für alle“. Seine Auszeichnungen reichen vom 1. Zille-Preis für sozialkritische Grafik Berlin bis zum Großen Bundesverdienstkreuz 2007.

Klaus Staeck. Sand fürs Getriebe. Bis 8. April 2018 im Museum Folkwang, Essen. Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag und Freitag von 10 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei. 256-seitiger Ausstellungskatalog in der Edition Folkwang im Steidl-Verlag, 20 Euro.

 

image_pdfPDF öffnen / Open PDFimage_printDrucken / Print
Visited 13 times, 1 visit(s) today

Über Werner Häußner

Redakteur, Musikkritiker, schreibt u.a. für WAZ (Essen), Die Tagespost (Würzburg), Der Neue Merker (Wien) und das Online-Magazin www.kunstmarkt.com.
Dieser Beitrag wurde unter Design, Gesellschaft, Kunst & Museen, Politik und so, Scherz, Satire, Ironie abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert