Warum nicht gar auf die 2. Liga in Macau setzen? Vom Reiz und Irrsinn der Online-Fußballwetten

Wie gut, dass jetzt erst einmal Sommerpause ist.

Warum? Neuerdings bin ich zum Zocker geworden – allerdings auf ganz kleiner Sparflamme. Denkt euch nur: Bei einem Wettanbieter habe ich in jüngster Zeit online auf den Ausgang des einen oder anderen Fußballspiels gesetzt. Ja-haaaa…

„Wir haben eine gute…

Warum soll ich auch nichts Zählbares daraus machen, dass ich einer von Millionen ungemein sach- und fachkundigen Fußballtrainern bin, die alles besser wissen – und zwar stets im Voraus?! Stellt euch hier bitte ein paar schräg grinsende Smileys vor.

Die Online-Wettbüros werben nach dem Motto, dass es erst dann richtig „dein“ Spiel ist, wenn du darauf gewettet hast. Und tatsächlich: Ein bisschen mehr interessiert man sich für die Resultate, wenn man ein paar Euro in die Manege geworfen hat. Hauptsache, man hat ein Eisen im Feuer – und glühe es auch noch so schwach.

Aus einer einschlägigen Facebook-Gruppe weiß ich, dass sich dort echte Hasardeure tummeln. Wenn ich nicht irre, dürfte mancher ein Fall für die Suchtberatung sein. Unter einer riskanten Quote von 50:1 (im Erfolgsfalle Auszahlung von 50 Euro für jeden eingesetzten Euro) fangen einige Typen gar nicht erst an. Oder sie halten sich gar nicht mehr mit einzelnen Begegnungen auf, sondern bündeln Vorhersagen zu diversen Spielen zu waghalsigen Kombi-Wetten. Notfalls setzen sie hübsche Sümmchen auf ein x-beliebiges Mittelfeldduell in der dritten chinesischen Liga. Nur gut, dass die Höhe der Einsätze ebenso limitiert ist wie die Ausschüttung. Trotzdem dürfte das Engagement hie und da die finanziellen Möglichkeiten der Beteiligten übersteigen.

...und eine weniger gute Nachricht für Sie." (Screenshots)

…und eine weniger gute Nachricht für Sie.“ (Screenshots von E-Mail-Benachrichtigungen)

Nein, ich verzerre die Sachlage nur unwesentlich. Man konnte jüngst z. B. wirklich und wahrhaftig auf die 2. Division in Macau wetten. So gab es dort z. B. am 9. Juni die sicherlich atemberaubende Begegnung Chuac Lun – CDF Benfica. Nicht minder exotisch die finnischen Amateure, 3. Division – beispielsweise mit dem fußballerischen Giga-Hammer Atlantis FC vs. Atletico Malmi. Aber diese – zugegeben arg spöttische – Einschätzung zeugt bestimmt nur von deutscher Überheblichkeit.

Auf Boca Juniors gegen Independiente in Argentinien habe ich auch schon gewettet, aber das ist recht eigentlich was für Anfänger, da die Teams namentlich weltweit bekannt sind. Man schaut sich halt die aktuelle Tabelle und die Ergebnis-Trends der letzten Zeit an, lote aus, für wen es noch um die sprichwörtliche „Wurst“ geht, überprüfe womöglich noch die Aufstellungen (falls einem die Spielernamen überhaupt etwas sagen) – und schon glaubt man, rundum im Bilde zu sein. Wer will und wer’s verstehen kann, kann zusätzlich argentinische Sportberichte im Netz durchstöbern. Doch das ist beinahe schon Wissenschaft.

Teams, von denen ich mein Lebtag nie gehört habe, erlangen durch virtuelle Wettscheine plötzlich eine gewisse Bedeutung; ganz so, als würde man bei Pferderennen ahnungslos auf das Tier mit dem schönsten Namen oder der prächtigsten Mähne wetten. In diesem Sinne habe mich aufs Geratewohl dazu hinreißen lassen, auch einen Tipp zur italienischen Begegnung Benevento gegen Carpi abzugeben. Da ging’s um den Aufstieg in die Serie A, also die erste Liga Italiens.

Bundesliga ist natürlich absoluter Standard, ebenso gewisse Begegnungen der englischen Premier League, der spanischen, italienischen oder französischen Liga. WM und EM auch, falls sie mal laufen. Doch jenseits dessen beginnt das endlos weite Gelände des Ungefähren und Exotischen. Man glaubt ja gar nicht, wie viele Spiele in einer einzigen Woche stattfinden. Und nun mal Hand aufs Herz: Würde man ruhigen Gewissens wetten wollen, dass bei all dem nie und nimmer Manipulation im Spiel sein kann?

Die abenteuerlichsten Wetten kann man da verzapfen, auch auf bereits laufende Spiele. Wer schießt das nächste Tor? Wie genau lautet das Endergebnis in der regulären Spielzeit? Welcher Spieler erzielt einen Treffer? Wem gelingen in der zweiten Halbzeit mehr Tore? Wer netzt „ab sofort“ öfter ein (bisherige Tore werden dabei nicht gewertet)? Und noch viele, viele Spitzfindigkeiten mehr. Es grenzt mitunter an Irrsinn. Oder an Kinderei.

Man kann auch spaßeshalber Mannschaften gegeneinander antreten lassen, deren Match gar nicht auf dem Spielplan steht. Mal dieses Beispiel eines weniger absurden Fernduells angenommen: Real Madrid spielt gegen Atletico und siegt mit 2:1. Zur gleich Zeit gewinnt Barcelona gegen Sevilla 4:1. Damit hätte (aber wirklich nur rein theoretisch) Barcelona gegen Real 4:2 gewonnen… Fußballerisch ein Witz, aber das schert den Möchtegern-Wettkönig wenig.

Ihr fragt nach Gewinn und Verlust bei meinen anfängerhaften Bemühungen? Welch‘ prosaisches Ansinnen, welch‘ schnöder Materialismus! Na gut, wenn ihr’s unbedingt wissen wollt: Es hält sich bisher einigermaßen die Waage – mit leichter Tendenz ins Minus. (*grumpf*) Drum lest in Kürze auch die nächste Folge: „Mein Offenbarungseid“.

Wie gut, dass jetzt erst einmal Sommerpause ist.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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3 Antworten zu Warum nicht gar auf die 2. Liga in Macau setzen? Vom Reiz und Irrsinn der Online-Fußballwetten

  1. Bernd Berke sagt:

    Lotterielose sind natürlich vergleichsweise ein Ausbund an Seriosität. Die Gewinnzahlen werden ja gewiss unter Aufsicht eines Notars gezogen. Wer wollte da noch zweifeln?

  2. Matta sagt:

    Da ich nie wette (um Geld), habe ich mir mal ein Los der NKL gekauft, was natürlich ein völlig anderer Fall ist.
    Auch die Gewinnmarge war völlig anders als von Bernd geschildert: Statt leichter Tendenz ins Minus tat sich ein großes schwarzes Loch auf, in dem sich mein Einsatz unaufhaltsam entmaterialisierte. Mal gerade, dass ich nicht mit drin verschwand …

  3. Ingo Scherlinski sagt:

    😀 willkommen im club

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